Was Medienpädagogik in Deutschland bedeutet
Handlungsanleitende Konzepte zum selbstbestimmten und kritisch-reflexiven Umgang mit Medien lehren Filme in Vertretungsstunden zeigen
@katjaberlin für #nur30min
Dieses Buch wird euch eure drängendsten Fragen in Sachen »Kinder und digitale Medien« beantworten. Versprochen!
Dazu gehören:
Allerdings werden die Antworten bestimmt nicht immer so ausfallen, wie ihr es gerne hättet. Das darf hier schon gespoilert werden. Tief in jedem Vater und in jeder Mutter sitzt der Wunsch, eine einfache Regelung für das Thema »Medienerziehung« zu finden. Die eine Regel, die immer richtig ist, die bei jedem Kind funktioniert. Die eine Regel, die möglichst keine Arbeit macht, nicht mit Kosten verbunden ist und die sich bequem anwenden lässt, selbst wenn man mit digitalen Medien nichts am Hut hat, weil man Zeitunglesen und Klöppeln noch für die bedeutendsten (und vor allem hochwertigeren!) Kulturtechniken des 21. Jahrhunderts hält.
Wir wollen aber ehrlich miteinander sein, oder? Deswegen müsst ihr jetzt stark sein, denn auch wenn andere anderes versprechen: Den einen Weg für alle Familienkonstellationen gibt es nicht. Es gibt nicht den einen Tipp, der für Dreijährige genauso gut funktioniert wie für Zehn- oder Fünfzehnjährige. Und es gibt nicht die eine Strategie, die für Familien mit einem Kind so gut funktioniert wie für Familien mit mehreren Kindern.
Es gibt auch keinen Trick, der daran vorbeiführt, dass ihr euch mit bestimmten Themen beschäftigt, und auch keinen, der es euch erspart, das eine oder andere Medienprodukt selbst auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln.
Zeit, das Buch enttäuscht zusammenzuklappen und zurück ins Bücherregal zu stellen?
Nein! Denn die Wahrheit ist: Es gibt diesen Tipp oder Trick einfach nicht. Nicht in diesem und auch in keinem anderen Buch. Egal, was der oder die andere Autor*in verspricht. Das ist die Wahrheit.
Die Wahrheit ist auch, dass Eltern um das Thema Medienerziehung nicht mehr herumkommen. Medienerziehung ist eine elterliche Erziehungsaufgabe. Sie darf und kann nicht (komplett) an Institutionen wie die Schule ausgelagert werden. Ich werde im Buch unterschiedliche Wege zeigen, wie man sich dem Thema Medienerziehung nähern kann. Denn eines kann ich euch versprechen: Sich nicht mit dem Thema zu beschäftigen und die Kinder unbegleitet machen zu lassen ist genauso falsch, wie einfach alles zu verbieten und zu verteufeln. Beide Wege wären für Eltern bequem, weil sie im Großen und Ganzen nichts machen müssen (außer wegzuschauen oder Verbote zu formulieren).
Ich möchte euch dazu ermutigen, die Verantwortung in puncto »Medienerziehung« wahrzunehmen. Der Weg ist mühsam und steinig, es wird Rückschläge geben, es werden Fehler gemacht, und die Digitalisierung wird euch unter Umständen immer einen Schritt voraus sein – aber ich werde euch zeigen, wie man trotzdem eine digital mündige, verantwortungsvolle und medienkompetente Familie werden kann.
Wir Erwachsenen können uns vielleicht noch vor dem Thema Digitalisierung drücken. Unsere Kinder können das nicht. Für sie ist die zunehmend digitalisierte Welt Alltag. Privat und beruflich. Und wer nicht wenigstens die Grundlagen beherrscht, wird leicht abgehängt. Das heißt: Wer Kindern keine Medienkompetenz vermittelt, der raubt ihnen letztlich die Zukunft.
Stellt sich nur noch die Frage, wie ich dazu komme, ein Buch über dieses Thema zu schreiben, obwohl ich selbst keine Medienpädagogin bin. So wurde ich schon in Texten erboster Kulturpessimist*innen als selbsternannte »Expertin« (in Anführungszeichen!) bezeichnet. Es ist ganz einfach, denn man muss eine Software nicht entwickelt oder Informatik studiert haben, um ihren Gebrauch schulen zu können. Es genügt, wenn man sie so viel benutzt, dass man sich mit allen gängigen Themen auskennt. Power-User*innen heißen solche Menschen, wenn es um Software geht. Und ich bin eine Power-Userin digitaler Medien. Seit Ende der 1990er Jahre bin ich im Internet unterwegs, ich blogge seit 2004 und schreibe schon mehrere Jahre lang in Kooperation mit der Initiative SCHAU HIN! über Kinder und digitale Medien. Das Internet ist mein zweites Zuhause. Zur allgemeinen Beruhigung kann ich außerdem vermelden, dass ich studierte Psychologin bin und viele Jahre im IT-Bereich als Projektleiterin und Strategieentwicklerin gearbeitet habe. Außerdem ist mir als Mutter die Kluft zwischen Theorie und Praxis im Alltag mit meinen Kindern wohlbekannt.
Insofern ist es mir vor allem wichtig, euch einen gut lesbaren, möglichst lebensnahen, bestenfalls unterhaltsamen Ratgeber an die Hand zu geben, der euch dazu ermutigt, euch Schritt für Schritt mit dem Thema Medienerziehung auseinanderzusetzen.
Wie ihr ja schon gemerkt habt, werde ich euch »euchen«. Das ist eine Zwischenform der beiden Anreden Du und Sie. In hippen Start-ups und bei Technologiedienstleistern duzt man sich heutzutage. Im Internet auch. Es sei denn, man streitet sich, dann macht man es wie bei Loriots »Herren im Bad«, wechselt zum »Sie« und ruft: »Herr Müller-Lüdenscheidt! Das nehmen Sie sofort zurück! Computerspiele machen überhaupt nicht süchtig!« – »Auf keinen Fall, Herr Dr. Klöbner! Erst wenn Sie zugeben, dass sie unter bestimmten Umständen eben doch süchtig machen! Schauen Sie mal ins ICD-11!!!« – »Über Ausnahmephänomene spreche ich nicht, Herr Müller-Lüdenscheidt!«
Jedenfalls kann ich wegen der »Herren im Bad« niemanden mehr siezen …
Im Folgenden einige Fallbeispiele. Sucht euch jene heraus, die so oder ähnlich in eurer Familie eine Rolle spielen, und löst sie dann gedanklich, bevor ihr dieses Buch lest. Was würdet ihr tun? Wie sprecht ihr mit eurem Kind? Welche Argumente bringt ihr? Versucht auch, euch eure eigenen Gefühle vorzustellen. Macht euch das beschriebene Verhalten wütend? Fühlt ihr euch abgelehnt? Wie beeinflussen eure Gefühle eure Reaktionen?
Und dann widmet euch den Fallbeispielen noch einmal, nachdem ihr das Buch gelesen habt. Hat sich etwas geändert? Wenn ja: Was denn? Wie zufrieden seid ihr mit eurer Lösung?
Wenn ihr Lust habt, schaut euch zum Vergleich an, was andere Eltern geantwortet haben (p Seite 289).