Benjamin
Ich habe Elena im Wicked Horse bereits in vielen sexy Outfits gesehen. Sie mag sie eng, kurz und aufreizend, und mir gefallen sie ebenfalls.
Besser gefällt sie mir allerdings nackt.
Und dennoch, als ich durch die Eingangshalle des Krankenhauses auf sie zugehe, weiß ich nicht, ob sie jemals schöner ausgesehen hat. Ich habe ihr lediglich mitgeteilt, dass ich sie zum Abendessen einlade und die Kleiderauswahl ihr überlasse, weil sowohl Jeans als auch ein Cocktailkleid passend wären.
Sie jedoch überrascht mich in einem weiblichen Wickelkleid mit Blumenmuster, das ihr in vielen Lagen bis zu den Knöcheln geht. Sie trägt beigefarbene Pumps und ein sehr dezentes Make-up. Ihr Haar ist glatt und im Nacken zusammengebunden. Der einzige Schmuck, den sie trägt, sind simple Goldstecker in den Ohren.
Sie sieht umwerfend aus – vollkommen anders als das scharfe Kätzchen, das ich im Club getroffen und gevögelt habe. Ich muss mich fragen, welche Elena die echte ist. Vielleicht ist sie eine Mischung aus beiden.
»Hey«, sagt sie und betrachtet mich, als ich auf sie zugehe. Nach meiner letzten Operation habe ich mich dazu entschieden, Jeans und ein Hemd anzuziehen. Ich trage anstatt meiner üblichen Slipper oder niedrigen Stiefel sogar Turnschuhe, denn mein Bein tut ein wenig weh, nachdem ich den ganzen Tag im OP gestanden habe, und bequeme Schuhe helfen dabei, den Schmerz zu lindern.
»Du siehst toll aus«, sage ich und mir fällt ihre Überraschung angesichts dieses Kompliments auf, als ich sie zur Begrüßung leicht auf die Wange küsse.
»Danke«, murmelt sie mit einem schüchternen Lächeln und es ist offensichtlich, dass sie vollkommen unsicher ist. Vielleicht ist die echte Elena doch die erotische Frau aus dem Sex-Club, die nicht weiß, wie man umworben wird.
Nicht dass ich versuchen würde, eine feste Beziehung zu führen.
Das wird vermutlich nicht das sein, was sie sich vorgestellt hat, als ich sagte, wir gehen gemeinsam Abendessen, aber wohin ich sie ausführe ist tatsächlich ganz schön gewaltig.
Ich nehme Elenas Hand an der Seite, an der ich nicht meinen Stock habe, und verlasse mit ihr das Krankenhaus. »Macht es dir etwas aus, wenn wir meinen Wagen nehmen?«
»Überhaupt nicht«, antwortet sie.
Schweigend überqueren wir den kleinen Parkplatz und gehen zu einem privaten Stellplatz für die Bereitschaftsärzte. Ich führe sie zu meinem Audi Q8, öffne die Tür und helfe ihr, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Als ich einsteige, hat sie sich bereits angeschnallt. Innerhalb weniger Augenblicke fahre ich vom Krankenhaus-Parkplatz herunter. Ich überfahre eine Kreuzung, biege an der nächsten rechts ab und auf einen anderen Parkplatz ein. Die gesamte Fahrt dauert weniger als eine Minute.
Als ich zu Elena hinübersehe, betrachtet sie sich überrascht die Umgebung.
Ich halte vor dem ersten vierstöckigen Backsteingebäude, stelle den Schalthebel des Wagens auf die Parkposition und schalte den Motor aus. Sie blickt einen Moment zu dem Haus auf, dann dreht sie sich zu mir um und schaut mich neugierig an. »Was machen wir hier?«
»Abendessen«, sage ich lächelnd, bevor ich aus dem Wagen steige. Ich gehe zu ihrer Seite, öffne die Tür und helfe ihr heraus.
»In der Wohnung eines Freundes?«, fragt sie, als ich sie zu dem Apartment im Erdgeschoss führe, das sich direkt vor uns befindet.
»Nein«, sage ich, als ich den Schlüssel ins Schloss stecke. »In meiner Wohnung.«
Ich öffne die Tür und lasse sie eintreten. Sie legt ihre Handtasche auf einen kleinen Tresen, der die Küche vom Wohnzimmer trennt, und blickt sich dann in meinem neuen, aber spärlich möblierten Apartment um.
Als ich gerade die Tür schließe, dreht sie sich zu mir um. »Das ist deine Wohnung?«
Nickend gehe ich an ihr vorbei, um den Tresen herum und in die Küche. Ich lehne meinen Gehstock an die Tür der Vorratskammer. In der Küche benötige ich ihn nicht, weil ich mich, wenn nötig, an Arbeitsflächen festhalten kann. »Ich habe vor zwei Tagen den Mietvertrag unterschrieben. Ich warte immer noch auf einige Möbel, die ich bestellt habe, und meine persönlichen Sachen sind auch noch nicht alle hier, aber, ja … dies ist meine Wohnung.«
Als ich den Kühlschrank öffne und anfange, die Lebensmittel heraus zu räumen, die ich gestern schon vorbereitet habe, setzt sich Elena an den kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Die Wohnung ist klein, aber luxuriös eingerichtet. Hartholzböden, Zierleisten, hochwertige Vorrichtungen und Geräte.
»Möchtest du etwas Wein?«, frage ich.
»Sicher«, antwortet sie und ich nehme eine Flasche Rotwein aus einem kleinen Regal, das sich zwischen Kühlschrank und Spüle befindet. Sie beobachtet mich schweigend, während ich die Flasche öffne und zwei Weingläser bereitstelle, die ich gestern gekauft und abgewaschen habe. Ich wollte nicht die Gläser mitbringen, die ich mit April ausgesucht habe. Es ist tatsächlich so, dass ich hier mit allem neu anfange.
Ich reiche Elena ein Glas und stoße mit ihr an. »Prost.«
»Prost«, murmelt sie, aber ich kann sehen, dass sie vollkommen verwirrt ist.
Ich lächele über den Glasrand hinweg, gehe um den Tisch herum und nehme auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz. Zum Abendessen werde ich eine einfache Wurst- und Käseplatte zusammenstellen und dazu einen Cobb-Salat reichen, aber das kann noch warten.
»Du hast gesagt, ich lebe in einem Geisterhaus«, beginne ich und bin entzückt, weil sie vor Scham rote Wangen bekommt.
»Das hätte ich nicht sagen sollen«, murmelt sie zerknirscht. »Ich war gemein.«
»Nein«, korrigiere ich sie. »Du warst ehrlich und hattest vollkommen recht. Und ich habe mich dort auch gequält. Ich werde das Haus verkaufen. Es gibt für mich keinen Grund mehr, dort zu bleiben, deswegen habe ich auch diese Wohnung gemietet, die in praktischer Nähe zum Krankenhaus liegt, bis ich entscheiden kann, was ich dauerhaft machen will.«
»Dauerhaft?«, fragt sie, bevor sie einen Schluck von ihrem Wein trinkt.
»Du weißt schon … ob ich ein Haus kaufen oder lieber in einer Wohnung bleiben möchte. Ob ich in der Stadt wohnen oder lieber in einen Vorort ziehen will. Oder, was weiß ich … vielleicht ziehe ich sogar in eine andere Stadt.«
»Sehr viele Möglichkeiten«, murmelt sie und ich könnte ihr nicht mehr zustimmen. Plötzlich wird mir klar, dass ich im Buch des Lebens eine leere Seite vor mir habe, auf der ich jede Geschichte niederschreiben kann, die ich will.
Ich kann nicht sagen, ob Elena in dieser Geschichte vorkommen wird, aber sie hat mich ausreichend motiviert, um zu erkennen, dass das Leben, das ich geführt habe, zu zerstörerisch für mich war. Ironischerweise war sie diejenige, die mich letzten Freitag dazu gebracht hat auszurasten, woraufhin ich eine Operation abgesagt habe, die Brandon in letzter Minute für mich übernommen hat. Nachdem der Vatertag vorbei und ich wieder nüchtern war, traf es mich ziemlich heftig, wie verkorkst mein Leben ist. Im letzten Jahr war ich ein Wichser, ein Arschloch und ein Mensch, den man einfach nicht lieben konnte, aber bis dahin hatte all das nie Auswirkungen auf einen Patienten gehabt. Obwohl Brandon die angesetzte Operation genauso gut durchgeführt hat wie ich, war es dennoch mein Patient. Das bedeutete, dass er sein Vertrauen in mich gesetzt hatte und ich nicht einmal erschienen war.
Das darf ich nicht mehr machen.
Ich darf nicht mehr diese Art Mensch sein.
Und solange ich Elena zu meinen Bedingungen haben kann, gibt es für mich keinen Grund, mich nicht zumindest ein bisschen außerhalb der Mauern umzusehen, die ich für mich errichtet habe.
»Warum sind wir hier und nicht im Club?«, fragt Elena.
Ich bin nicht nur von ihrer Frage vollkommen überrascht, sondern auch von dem misstrauischen Unterton in ihrer Stimme.
»Weil ich dir meine Wohnung zeigen wollte«, antworte ich aufrichtig. »Und ich dachte, wir könnten vielleicht ab und an fortführen, was wir außerhalb des Wicked Horse haben.«
Sie zieht entsetzt die Augenbrauen zusammen. »Aber das bedeutet nicht, dass sich zwischen uns irgendetwas ändert, oder? Es ist immer noch bloß Sex?«
»Und Abendessen«, sage ich und um meinen Mund zuckt ein Lächeln. »Ich meine … ich habe einen ziemlichen Hunger und dachte, dir würde es genauso gehen.«
Sie blickt mich einfach nur an und ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder beleidigt sein soll. Es ist so seltsam, dass eine Frau den Beweggründen misstraut. Und noch viel mehr, dass eine Frau einer Beziehung so abgeneigt ist. Das ist sicher der Grund dafür, warum sie heute Abend so merkwürdig ist.
Ich nehme ihre Hand und versuche, sie zu beruhigen. »Elena … es gefällt mir wirklich sehr, mit dir zu schlafen. Ich habe noch nie zuvor so gut mit einer Frau zusammengepasst – nicht so, wie ich bin, wenn wir zusammen sind. Wir beide haben doch den gleichen Wunsch, dies als eine lockere Sache fortzuführen, nicht wahr?«
Sie nickt langsam.
»Wenn du also willst, können wir es nur im Club miteinander treiben. Wir können ganz sicher auch hier Sex haben oder sogar auch bei dir zu Hause. Wir müssen uns einfach nur über die Grenzen einig sein, richtig?«
Sie nickt erneut, dann trinkt sie einen weiteren Schluck Wein. Als sie das Glas abstellt, wird ihr Blick hart. »Aber lass uns zunächst einige Dinge klarstellen.«
»Okay«, sage ich zögerlich.
»Ich verstehe, es ist nur Sex, und das ist in Ordnung für mich. Du hast recht … es ist die einzige Sache, an der wir beide Interesse haben. Aber sind wir monogam?«
»Ja«, antworte ich mit fester Stimme. Ich erkenne mit absoluter Sicherheit, wenn ich etwas Gutes sehe – oder besser gesagt spüre –, und dann habe ich kein Interesse an jemand anderem. Eigentlich ist es mir auch egal, ob wir den Club überhaupt noch einmal besuchen.
»Dann möchte ich, dass du mir etwas erklärst.« Sie hat ihre Stimme um eine Oktave gesenkt und ich kann hören, dass es etwas Wichtiges ist.
»Was denn?«
»Wenn es sich hierbei lediglich um Sex handelt und es auch niemals mehr als das sein wird, warum hast du die Sache mit mir dann beendet?«, fragt sie. Bei dieser nüchternen Frage zieht sich mir der Magen zusammen, weil es bedeutet, sowohl eine schreckliche Verletzbarkeit zuzugeben, als auch zu enthüllen, dass sie meinen Kopf bereits ausgetrickst hat.
Ich beschließe, ihr den Großteil der Wahrheit zu sagen. »Mir war nicht bewusst gewesen, dass Vatertag vor der Tür stand. Ich hatte gehört, wie sich einige Kollegen darüber unterhielten, und es hat mich vollkommen unvorbereitet erwischt. Um ehrlich zu sein … bin ich ziemlich außer Kontrolle geraten.«
»War das an dem Abend, an dem du mich versetzt hast?«
Ich nicke. »Ich habe dich versetzt. Eine OP abgesagt und bin für einige Tage von der Bildfläche verschwunden. Ich habe sehr viel Alkohol getrunken.«
»Das tut mir leid, Benjamin«, sagt sie. Ihre Stimme ist so zärtlich, trotzdem ist sie meinetwegen voller Schmerz. Es versetzt mir einen Stich in die Brust. »Ich hasse es, dass du so etwas durchgemacht hast, und ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es sich für dich angefühlt hat.«
Meine Kehle ist vor Emotionen ganz zugeschnürt und es gelingt mir nicht zu antworten.
Sie drückt meine Hand. »Wenn du jemals wieder eine Auszeit brauchst, werde ich das verstehen.«
Scheiße … mich überkommt der Drang zu weinen, weil mich ihr Verständnis über meinen Schmerz so hart trifft. Ich kann nichts weiter tun, als ihren Druck zu erwidern und ein gekünsteltes Lächeln aufzusetzen, bevor ich mich von meinem Stuhl erhebe.
Ich drehe ihr den Rücken zu und wende mich wieder zum Kühlschrank, um unser Abendessen zuzubereiten. »Ich verhungere«, sage ich lahm und nehme mir den Beutel mit der Salatmischung, Tomaten, Gurken und eine Zwiebel aus dem Gemüsefach. Ich gehe zur Anrichte, wo ich weiterhin mit dem Rücken zu ihr stehe und anfange, über meine letzte Operation zu sprechen.
Mit meinen Händen arbeite ich an unseren Speisen, während ich mich einer nichtssagenden Konversation hingebe, um mich von den Gefühlen abzulenken, die angefangen haben, mich zu überwältigen. Trotzdem kann ich nicht vergessen, wie sehr mich ihr Mitgefühl berührt hat.
Viel zu sehr.
Ich beginne gerade, die Gurke in Scheiben zu schneiden, als ich ihre Hand auf meinem Oberarm spüre. Sie streicht nach unten und ich erstarre. Dann nimmt sie mir das Messer aus der Hand, legt es zur Seite, greift mich erneut am Oberarm und zieht leicht daran, damit ich mich umdrehe und sie ansehe.
Ich stemme mich dagegen, denn ich habe furchtbare Angst davor, dass sie mit mir darüber sprechen oder meinen Schmerz psychologisch analysieren will. Ich will nicht darüber reden. Nicht mit ihr. Nicht mit dem einen Menschen, der es geschafft hat, nach mehr als einem Jahr wieder Gefühle in mir zu erwecken.
»Benjamin«, sagt sie leise.
Zögernd drehe ich mich zu ihr um. Als ich sie anblicke, werden meine Augen vor Schreck riesengroß.
Elena ist ganz nackt und hat ein verspieltes Lächeln auf dem Gesicht. Sämtliche Gedanken verlassen meinen Kopf und mein Schwanz reagiert sofort auf diesen Anblick.
Und an ihrem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass sie genau darauf abgezielt hat. Elena hat mich in dem offenen Moment, den wir miteinander geteilt haben, von meinen Emotionen weggezogen und die Dinge auf die einzige Existenzebene zurückgebracht, auf der ich mich wohlfühle.
»Wir können später essen«, sagt sie.
Ich fasse sie an der Taille und hebe sie problemlos auf den Tresen, der die Küche vom Wohnzimmer trennt und auf dem derzeit weder Gemüse noch Messer liegen. Sie spreizt die Beine und ich trete dazwischen, dann fasse ich ihr Gesicht mit beiden Händen und küsse sie, bis ihr der Atem wegbleibt. Sie greift mit ihren Händen nach meinem Gürtel. Während sie sich daranmacht, meinen Schwanz zu befreien, danke ich meinen Glückssternen, dass ich so eine Frau gefunden habe.
Eine, die meine Grenzen kennt und der es nichts ausmacht, sich darin zu vergnügen.