KAPITEL 2

Elena

Mein Mobiltelefon klingelt und weil mein Auto nicht modern genug ist, um Bluetooth-Technologie zu unterstützen, muss ich mein Radio leiser machen, bevor ich auf den Bildschirm tippe, um den Anruf meiner besten Freundin anzunehmen. Das Telefon befindet sich in einer dieser Vorrichtungen, die an der Lüftung befestigt werden, und Jories Gesicht blickt mich fröhlich einen Moment lang an, bevor die Verbindung hergestellt wird. Ich tippe erneut, um den Lautsprecher einzuschalten, und das alles, während ich mich durch den Stadtverkehr von Las Vegas schlängele.

»Was gibt’s?«, flöte ich, genauso froh darüber, heute von ihr zu hören, wie ich es gestern war und morgen sein werde. Als beste Freundinnen sprechen wir jeden Tag miteinander.

»Mittlerweile sind es dreihundertfünfzig Leute«, verkündet sie dramatisch und ich kann mir vorstellen, wie sie am anderen Ende der Leitung mit den Augen rollt.

»Wow«, murmele ich. »Das wird ja eine ordentliche Party.«

»Es ist absurd!«, schimpft sie und ich unterdrücke ein belustigtes Kichern.

»Er liebt dich«, betone ich. »Er ist stolz auf dich. Er möchte den Tag feiern, an dem du geboren wurdest, und das bedeutet, dein Mann wird es an deinem Geburtstag vollkommen übertreiben. Lehn dich einfach zurück und genieß es.«

»Ich weiß«, murmelt sie gereizt, aber es ist offensichtlich, wie sehr es ihr gefällt, dass Walsh sie so liebt. Die beiden sind Freunde aus Kindertagen, die sich als Erwachsene ineinander verliebt haben, und ich könnte nicht glücklicher für sie sein.

Jorie wird nächstes Wochenende fünfundzwanzig und Walsh veranstaltet eine riesige Party. Zunächst wollte er sie überraschen und hat mich deswegen um Rat gefragt. Ich hatte ihm gesagt, dass es eine furchtbare Idee wäre, weil sie Überraschungen hasst, und er schien, nun ja … überrascht. Ich musste ihn daran erinnern, dass ihr Bruder Micah vielleicht sein bester Freund war, während sie zusammen aufwuchsen, er sie aber niemals so gut kennen würde wie ich, weil ich ihre beste Freundin bin, seit wir noch ganz klein waren. Das war vielleicht etwas übertrieben, aber ich bin mir sicher, dass sie Überraschungen hasst.

Also machte er eine ganz normale Geburtstagsparty daraus. Mit normal meine ich, dass jetzt die Elite von Las Vegas erscheinen wird. So etwas passiert nun einmal, wenn deinem Mann ein erfolgreiches Casino namens The Royale gehört und er selbst zu den Vegas-Berühmtheiten zählt.

»Was machst du heute Abend?«, fragt sie.

»Ich bin auf dem Weg ins Wicked Horse«, antworte ich und schaue in den rechten Außenspiegel, um die Spur zu wechseln. Meine Ausfahrt kommt demnächst.

»Oh, ich bin schon ganz gespannt darauf, die Einzelheiten zu hören«, flüstert Jorie und ich schätze, dass Walsh sich mit ihr im Zimmer befindet. Wir sprechen zwar über viele pikante Dinge, doch sie würde mit ihrem Mann niemals über meine Privatangelegenheiten plaudern.

Es ist schon lustig, wie sich Jorie und Walsh im Wicked Horse wiedergefunden haben. Sie haben »zufällig« bei einem Maskenball miteinander gevögelt, ohne zu wissen, wer die Person war, die sich hinter der Maske verbirgt. Zugegeben, es war eine sehr verwirrende Zeit zwischen ihnen, besonders weil es Walsh schwerfiel zu akzeptieren, dass er sich zu der kleinen Schwester seines besten Freundes hingezogen fühlte.

Aber irgendwann haben sie erkannt, wie sehr sie einander lieben. Jetzt sind sie glücklich verheiratet und einen Großteil dieses Verdienstes rechne ich mir an. Ich war diejenige, die Jorie an jenem Abend mit ins Wicked Horse geschleift hatte. Ich bin zwar kein Mitglied und könnte mir den jährlichen Mitgliedsbeitrag auch nicht leisten, trotzdem gönne ich mir einige Male pro Jahr den Eintritt zum exorbitanten Preis von fünfhundert Dollar pro Abend. Als eine Frau, die sich ihrer Sexualität vollkommen sicher ist, finde ich es sehr befreiend, an einen Ort gehen zu können und von gleichgesinnten Menschen umgeben zu sein, denen es Spaß macht, ihre Lust miteinander auszuleben.

»Ich rufe dich morgen an«, sage ich, als ich meine Ausfahrt erreiche. »Sollen wir uns demnächst mal zum Mittagessen treffen?«

»Ich könnte Montag zu dir kommen«, antwortet sie. Jorie lebt jetzt in Las Vegas, wo sie sich mit Walsh seine Penthouse-Wohnung im obersten Stockwerk des Royale teilt. Ich wohne etwa eine halbe Stunde entfernt in Henderson, wo wir alle gemeinsam aufgewachsen sind.

»Lass uns das machen«, sage ich, ohne einen Gedanken an meinen Terminkalender zu verschwenden. Mein Frisörsalon bleibt sonntags und montags geschlossen.

»Okay, meine Liebe«, sagt Jorie sanft und so liebevoll, dass ich mich bereits auf unser morgiges Telefonat freue. »Viel Spaß heute Abend!«

»Oh, den werde ich haben«, schnurre ich. Zumindest glaube ich das. Heute Abend werde ich etwas Neues ausprobieren. Und ich bin deswegen bereits furchtbar nervös.

Normalerweise geht es im Wicked Horse darum, Leute kennenzulernen. Ich gehe dorthin, trinke etwas und komme mit Männern ins Gespräch. Irgendwann treffe ich jemanden, mit dem ich eine Verbindung habe. Wenn ich mich mit jemandem gut verstehe, haben wir Sex. Manchmal treffe ich auch Männer, mit denen ich schon einmal etwas hatte. Im Anschluss folgt heißer, perverser Sex und ich fahre mit einem Grinsen auf dem Gesicht und der anhaltenden Freiheit fernab einer Beziehung mit Verpflichtungen wieder nach Hause. Es passt einfach perfekt.

Aber heute Abend stürze ich mich blind ins Vergnügen – wörtlich und im übertragenden Sinn. Ich werde den Mann, mit dem ich zusammen sein werde, nicht sehen. Irgendetwas daran macht die ganze Sache noch aufregender und ein wenig gefährlich. Ich habe ihn noch nicht einmal getroffen. Wir haben über die App des Sex-Clubs lediglich einige Nachrichten ausgetauscht. Ich setze all mein Vertrauen in Jerico Jameson und seine Zusicherung, dass er alle seine Mitglieder genauestens prüft.

Denn heute Abend werde ich nicht mitreden können, was mit mir passiert.

Es ist meine Fantasie. So sehr mich der Gedanke an das, was passieren könnte, auch reizt, so sehr verängstigt er mich auch.

Und das wiederum reizt mich nur noch mehr.

In der letzten Nachricht, die er mir heute schrieb, sagte er, ich solle mir die Augen verbinden. Bevor ich das tat, las ich die Notiz, die der Concierge für mich hinterlassen hatte. Als ich im Wicked Horse ankam, wies mich eine Hostess an, mich in eines der Privatzimmer innerhalb des Apartments zu begeben. Zum Apartment haben nur Gäste mit Exklusiv-Mitgliedschaft Zutritt. Scheinbar ist meine Verabredung wohlhabend, denn nur wenige können sich diese Art der Mitgliedschaft leisten.

Die Nachricht war einfach und stammte nicht von ihm, wurde aber eindeutig auf seine Anweisung hin verfasst.

Bitte entkleide dich vollständig und lege die Augenbinde an. Du darfst sie unter keinen Umständen abnehmen. Du darfst ebenfalls nicht sprechen, es sei denn, du möchtest das Signalwort sagen, um aufzuhören.

Das Signalwort lautet Krokodil.

Ein silberweißes Seidenlaken bedeckt das Bett in der Mitte des Raumes und es fühlt sich kühl und weich an meiner nackten Haut an. Die Augenbinde, die für mich bereitliegt, ist extrabreit und aus rotem Satin. Ich kann nichts sehen, nicht einmal einen Lichtschimmer an den Rändern. Auch wenn ich eine leichte Panik verspüre, weil ich nichts erkennen kann, bin ich gerade absolut angetörnt.

Und das, obwohl der Mann sich noch nicht einmal mit mir im Zimmer befindet.

Meine Fantasie läuft schon den ganzen Tag auf Hochtouren, doch jetzt dreht mein Verstand angesichts der vielen Möglichkeiten vollkommen durch. Er sagte mir, dass es ein Seil geben würde und ich mich ein wenig fürchten sollte. Ich kann nicht anders, als mich zu winden, während ich mich auf das kühle Laken lege und versuche, meinen Atem zu regulieren, indem ich einige Male langsam einatme und genauso langsam die Luft wieder herauslasse.

Ich hoffe, der heutige Abend wird mir etwas Wichtiges über mich selbst verraten. Dass ich vielleicht lernen kann, wieder einem Mann zu vertrauen, selbst wenn es nur im Bett ist.

Der Türknauf klappert ein wenig und ich höre auf, mich zu bewegen. Mein Gehör ist in höchster Alarmbereitschaft und gleicht den Verlust des Sehvermögens aus. Obwohl alle Scharniere gut geölt sind, kann ich das Zischen der sich öffnenden Tür hören und ich schwöre, ich spüre sogar den Windhauch an meinem Körper. Ich würde gern sagen, ich bin so sensibilisiert, dass meine Brustwarzen hart werden, aber diese sind bereits steif geworden, als ich mich ausgezogen und die Augenbinde angelegt habe.

Die Tür wird geschlossen und ich bemühe mich zu lauschen, doch wer auch immer eingetreten ist – vermutlich meine Verabredung –, gibt kaum ein Geräusch von sich.

Aber was, wenn es nicht meine Verabredung ist?

Was, wenn es sich um einen Fremden handelt – also einen anderen Fremden als den Mann, mit dem ich kommuniziert habe –, der aus Versehen eingetreten ist?

Ich greife beinahe nach der Augenbinde, um einen Blick zu riskieren, erinnere mich jedoch an die Anweisungen. Ich soll sie unter keinen Umständen abnehmen. Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht nach der Person zu rufen, die sich mit mir in diesem Zimmer befindet.

Es ist absolut still, bis ich das leise Geräusch von vermutlich Gesellschaftsschuhen auf dem Hartholzboden vernehme, das mir andeutet, dass der Mann – zumindest denke ich, dass ich mit einem Mann kommuniziert habe – auf mich zukommt.

Ich meine … was, wenn es sich um eine Frau handelt? Darüber habe ich nicht nachgedacht. Die Benutzerkennung lautete nur @sinemente1. Im Profil stand »männlich«. Zumindest glaube ich das. Ich erinnere mich nicht daran, dass wir explizit darüber gesprochen hätten. Was, wenn eine Frau hier ist, um Dinge mit mir zu tun?

Ist das wichtig?

Ich bin nicht abgeneigt, mit Frauen in einer Gruppe zu spielen, aber ich fühle mich nicht von Natur aus zu ihnen hingezogen. Abgesehen davon bedarf es eines Mannes, um diese Fantasie auszuleben. Es geht darum zu lernen, Männern zu vertrauen.

Ich bohre meine Finger in das Seidenlaken und zerknülle es in meiner Faust, nur um mich dazu zu zwingen, die Augenbinde vor lauter Panik nicht zu entfernen.

Als die Matratze sich neigt, wird mir klar, dass – wer immer es auch ist – sich gesetzt hat. Sie neigt sich ziemlich stark, was den Hinweis auf jemand Schweres gibt. Also vermutlich ein Mann.

Mein Puls rast und auf meiner Stirn bildet sich ein feiner Schweißfilm.

Aber dann bedeckt etwas Warmes und Großes meine Brüste. Ich sauge die Luft ein und halte sie an. Als mir bewusst wird, dass meine gesamte Brust von einer Hand bedeckt wird, weiß ich, dass es sich um einen Mann handeln muss, denn ich habe einen ziemlich großen Busen. Die Finger sind lang und ich spüre in ihnen sowohl Stärke als auch eine zarte Berührung.

Die Hand bewegt sich, wird gedreht und dann streichen die Fingerknöchel meinen Bauch hinunter. Ich halte weiterhin einen großen Atemzug in mir und frage mich, wie weit er wohl nach unten gleiten wird.

Als er mit den Fingerknöcheln über meinen frisch gewachsten Venushügel fährt, drücke ich meine Hüften ein wenig nach oben und die Luft entweicht aus meiner Lunge.

Er sagt jedoch kein Wort.

Reagiert nicht auf meine Reaktion.

Einfach nur absolute Stille, bevor seine Hand nicht mehr da ist.

Die Matratze bewegt sich erneut und ich weiß, dass er aufgestanden ist. Das Geräusch von Schritten erklingt, während er um das Bett herum auf die andere Seite geht.

Dann führt er meine Hand durch ein Seil, bevor sich etwas um meine Handgelenke festzieht. Er hebt meinen Arm und bindet ihn an etwas über meinem Kopf fest. Es ist nicht schmerzhaft, aber auch nicht angenehm.

Noch mehr Schritte auf dem Hartholzboden, dann bindet er das andere Handgelenk fest.

Ich warte darauf, dass meine Fußgelenke ebenfalls gefesselt werden, aber mit ihnen geschieht nichts.

Es ertönt ein Geräusch, das ich nicht sofort erkenne. Ein wiederholtes Reiben … einmal, zweimal und dann trifft es mich.

Ein Feuerzeug.

Mein Körper spannt sich an und ich strenge mich an, noch etwas anderes zu hören. Irgendetwas, das mir sagen könnte, wo er sich jetzt befindet und was er mit mir vorhat.

Als der erste Tropfen des heißen Wachses auf meine Brustwarze fällt, gebe ich einen überraschten Zischlaut von mir, bevor ich wegen des leicht stechenden Schmerzes aufstöhne. Es ist überhaupt nicht schlimm, doch dann tropft noch mehr auf meine Haut. Ein Brennen auf meinen Brüsten erzeugt ein leichtes Stechen, dann bleibt ein köstliches Pochen zurück.

Ich winde mich, ziehe an dem Seil, das mich an Ort und Stelle hält, und fange an, mit den Hüften zu kreisen, während mehr Wachs über die Mitte meines Oberkörpers und zu meiner anderen Brust getropft wird, wo es wunderbar auf meiner Brustwarze brennt.

Ich habe so etwas noch nie mit mir machen lassen. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht. Ich liebe es, mich versohlen zu lassen, fest versohlen zu lassen. Ich liebe die Kombination aus Schmerz und Lust.

Und als der Fremde Wachs auf meinen Körper gießt, frage ich mich, warum ich so etwas nie wollte. Es fühlt sich fantastisch an. Schon bald kann ich nicht mehr unterscheiden, wo der Schmerz endet und die Lust beginnt. Es vermischt sich, genau wie das Keuchen und leise Stöhnen, das aus meinem Mund kommt.

Die Spur des heißen Wachses reicht von meinen Brüsten bis hinunter zu meinem Bauch. Ein langsames, ausladendes Muster, das links und rechts auf meine Rippen trifft, wo ich spüre, wie es an mir herunterläuft und auf das Laken unter mir trifft.

Noch tiefer, jetzt bis zu meinem Bauchnabel. Noch einmal hole ich vor Vorfreude tief Luft, während er sich meiner Muschi nähert. Ich habe mich so sehr an das gewöhnt, was er tut, und mir fällt auf, dass er sich in Zurückhaltung übt. Es trifft mich kein langer Strahl Wachs mehr, sondern stattdessen spüre ich einzelne Tropfen, die mich auf meinem Venushügel rechts und links neben meiner Spalte treffen.

Ich habe die Beine gespreizt, eine stille Einladung, mich zwischen ihnen zu verbrennen. Dort brauche ich es. Ich habe das Gefühl, ich werde sterben, wenn ich es dort nicht bekomme.

Es fällt kein Wachs mehr und ich schreie in einem Gefühl auf, von dem ich denke, dass es sich tatsächlich um Verzweiflung handeln könnte.

»Dort nicht«, sagt er. Er weiß ganz genau, was ich brauche, und verweigert es mir. Mein Instinkt will ihn verfluchen, aber ich tue es nicht. Ich erinnere mich an seine Anweisungen. Ich habe nicht zu sprechen. Er hat die Kontrolle und es geht nicht darum, was ich will, sondern darum, was er bereit ist, mir zu geben.

In diesem Moment bin ich ihm vollkommen ausgeliefert.