Fernöstliche Therapien und Naturheilkunde

Bei allem modernen OP-Feuerwerk, das ich im letzten Kapitel gezündet habe – lass Dich davon nicht zu stark beeindrucken. Eigentlich ist mein Behandlungskonzept nicht neu. In den Grundzügen wurde es vor rund 2.500 Jahren bereits erdacht und gelehrt.

„Bevor Du jemanden heilst, frage ihn erst, ob er bereit ist, das aufzugeben, was ihn krank macht“. Dieser Satz markiert quasi die Geburtsstunde der modernen Medizin und wird Hippokrates von Kos zugeschrieben 59 respektive der durch Hippokrates mutmaßlich repräsentierten Wanderarzt-Schule auf Kos 60 .

Warum? Nun, bis dahin hielten die meisten Menschen Krankheit für einen misslichen Schicksalsschlag, der ihnen von launischen Göttern aufgebürdet worden ist. Ein guter Arzt war zu jener Zeit landläufig eine Art besserer Priester, dem es gelang, die Götter gnädig zu stimmen.

Für Hippokrates – Dir vermutlich eher bekannt durch den nach ihm benannten, ärztlichen Eid – hatten dagegen alle Krankheiten recht irdische Ursachen:

„Neben der Konstitution bestimmen Alter und Geschlecht die Anfälligkeit für gewisse Krankheiten und modifizieren den Krankheitsverlauf; Lebensgewohnheiten und Gemütsverfassung kommen als auslösende Faktoren in Frage. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Umwelteinflüssen.“ 61

Für Arthrose gilt dieser Satz bis heute: Beim Knorpel gibt es keine Halbgötter in weiß. Patienten, die sich kaum bewegen, beim Überangebot von Nahrungsmitteln schlecht nein sagen können und nicht bereit sind, etwas zu ändern, wird kein Arzt der Welt nachhaltig heilen können.

Diese Weisheit lehrten nicht nur die alten Griechen. Während Hippokrates im antiken Griechenland ordinierte, bildete sich etwa zur selben Zeit im rund 7.000 Kilometer entfernten China eine grundsätzlich andere Form der Medizin heraus, und auch dort vertraten die Ärzte einen ganzheitlichen Ansatz.

Die Traditionelle Chinesische Medizin (kurz TCM), die sich während der Han-Dynastie zu einem zunehmend detaillierten System entwickelte 62 , ruht auf fünf Säulen 63 : Akupunktur und Moxibustion, chinesische Heilmittel, Koordinationsübungen Tai-Chi und Qigong, Tuina-Massage und Ernährung.

Als ich nach meiner Ernennung zum Arzt zwischen 2005 und 2006 meine Fortbildungskurse belegte, kannte ich mich auf dem Gebiet der Koordinationsübungen durch meine Trainerlaufbahn bereits recht gut aus.

Gleiches galt für die Manualtherapie. Und bei den Heilmitteln stand und steht mir bis heute eine qualitätskontrollierte, studienbelegte, evidenzbasierte, westliche Pharmakologie deutlich näher.

Deshalb pickte ich mir bewusst die Akupunktur heraus, die damals einerseits am exotischsten und gleichzeitig wissenschaftlich am reputiertesten war.

Denn zur gleichen Zeit wurden bereits erste, spektakuläre Zwischenergebnisse der berühmten GERAC-Studien präsentiert, in denen ab 2001 in Deutschland in ungefähr 10.000 Praxen mehr als zwei Millionen Patienten behandelt worden waren; und nach denen unter anderem die TCM-Akupunktur bei Kniegelenkverschleiß fast doppelt so gut half wie die klassische Behandlung mit Schmerzmitteln. 64

Die Aussicht, durch simples Nadeln die Beschwerden meiner Patienten teils unmittelbar lindern zu können, elektrisierte mich und passte ziemlich gut zu den manuellen Griffen, die ich bereits beim Judo kennengelernt hatte.

Dennoch kostete es mich ein kleines bisschen Überwindung, an den Kursen teilzunehmen – schließlich nadeln sich hier die Schüler gegenseitig. Das konnte – trotz Medizinstudium und Approbation – manchmal recht schmerzhaft enden.

Durch die zeitlich dichte Abfolge mit den Fortbildungen in manueller Therapie schärfte sich zugleich mein Blick für die verbindenden Elemente der verschiedenen Heilsysteme:

Lernte ich am ersten Wochenende, dass es gewisse Punkte gibt, die bei bestimmten Störungen und Erkrankungen eine Rolle spielen, begegneten mir zwei Wochen später ähnliche Stellen im nächsten Kurs wieder.

Egal ob in Manueller Therapie, Osteopathie oder Akupunktur, alle drei Methoden haben eine gemeinsame Schnittmenge was manche Punkte anbelangt. Nur dass das Storytelling dahinter, das westliche und fernöstliche Gedankengerüst, jeweils ein bisschen anders ist.

Mir drängte sich damals die Geschichte von zwei Bergsteigern auf, die am selben Vormittag zwei benachbarte Gipfel in den Alpen bestiegen, oben am Kreuz gestanden und ohne von einander zu wissen ins gemeinsame Heimattal geblickt hatten.

Am Abend sitzen sie im Dorf im Gasthaus zusammen, berichten einander von ihrem schönen Tag. Doch weil sich die Beschreibungen vom Tal aufgrund der jeweiligen Perspektive unterscheiden, geraten sie in Streit. Am Ende behauptet jeder Bergsteiger sogar, dass der jeweils andere niemals oben auf dem Gipfel gestanden haben kann.

Zum Glück wissen wir dank moderner Forschung, wie den GERmanACupuncture-Studien ( GERAC), dass Akupunktur wirkt. Ihre Wirkung kennen wir jedoch nicht so genau.

Ein Beispiel: Im Gegensatz zum chinesischen Bild von den Energiebahnen und der Steuerung des Flusses der Lebensenergie (Qi), wirkt Akupunktur auch dann, wenn ich nur die Region treffe und nicht die festdefinierten Punkte auf den Meridianen.

Ich habe mir darauf folgenden Reim gemacht: Ganz häufig verlaufen die chinesischen Energiebahnen entlang der Faszien, die im Wesentlichen deckungsgleich sind mit dem, was der Laie unter Bindegewebe versteht 65 . Sie stellen ein den ganzen Körper durchziehendes und verbindendes Gewebenetzwerk dar, das jeder Hobbykoch auch als Silberhaut von der Lammkeule oder vom Hirschrücken kennt.

Nun stelle Dir vor, ich trage ein enges T-Shirt, das ich am Bauch zu einem Knoten drehe. Bereits nach der ersten Umdrehung bilden sich im Stoff erste Falten, die immer weiter spannen und sich zum Schluss bis zur Schulter ziehen.

Umgekehrt: Löse ich den Knoten und drehe den Stoff in die andere Richtung, dann verschwinden die Falten wieder, auch an der Schulter. Das ist ein Prinzip, das bei der Akupunktur wirkt.

Dieses System kann ich nicht nur mit Nadeln ansprechen, sondern auch mit der Manuellen Therapie, der Osteopathie oder der Trainingstherapie mit der Faszienrolle – analog zu den Bergsteigern, die beide ins selbe Tal sehen.

Mir ist klar, dass ich mit Faszien allein nicht alle Effekte der Akupunktur erklären kann. Zum Beispiel, wieso ich Dich auch kontralateral von Deinen Beschwerden erlösen kann.

Nehmen wir an, Du hast Schmerzen im rechten Ellenbogen und ich nadel dein linkes Knie.

So verrückt das für Dich erst einmal klingen mag: In der Akupunktur sind Knie und Ellenbogen sogenannte korrespondierende Gelenke.

Genauso wie Hüfte und Schulter, Hand- und Fußgelenke, Finger- und Zehengelenke. Das funktioniert sogar auf der anderen Körperseite, also kontralateral.

Ähnlich gut funktioniert eine andere Philosophie, die besagt: Behandel das gleiche Gelenk auf der anderen Seite. Wenn die linke Schulter schmerzt, nadel die rechte Schulter. Wenn der rechte Ellenbogen schmerzt, behandel den linken Ellenbogen.

Diese Gedankenmodelle können wir mit der modernen Neurologie inzwischen nicht nur verknüpfen, sondern sogar messbar belegen. Mit einem einfachen Handkraft-Messgerät.

Wenn ich Dir dieses Instrument in Deine rechte Hand gebe und Dich bitte, die Hand maximal anzuspannen, hast Du zwischen zehn und 15 Prozent weniger Kraft, als wenn ich Dich bitte, gleichzeitig die linke Hand mitanzuspannen.

Wir Ärzte nennen das Bahnung und für mich ist das ein wertvoller Hinweis darauf, wie verschiedene, anatomische Strukturen des Menschen im zentralen Nervensystem sowohl gemeinsam repräsentiert, als auch darüber angesprochen werden können.

Wenn Du also mit dem rechten Ellenbogen ein Problem hast, und ich akupunktiere Dir den linken Ellenbogen, ist das kein Voodoo, kein haitianischer Zauber, sondern normale Neurologie. So kann ich als westlicher Arzt durchaus eine traditionell chinesische Brille aufsetzen und weiter mein Tal erkennen.

Natürlich ist es anfangs befremdlich, mit den Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft zu arbeiten. In den Kursen zu lernen, dass bei der Behandlung die Mutter und die Großmutter des Punkts auf dem Meridian mitbehandelt werden sollen – dann kann eine Fortbildung am Freitag nachmittag ohne ausreichend Kaffee schon mal sehr lang dauern.

Andererseits haben mich genau diese Kurse darin bestärkt, nicht das einzelne Gelenk oder vielleicht gar nur das Röntgenbild davon zu betrachten, sondern immer den ganzen Menschen. Am besten samt Vorgeschichte, Bewegungs- und Ernährungsanalyse.

Die Traditionelle Chinesische Medizin blickt auf Dein Knie und sagt, nicht das Knie hat Probleme, sondern Dein Blasen-Meridian und dieser ist wiederum mit ganz vielen anderen Stellen im Körper verknüpft. Der Osteopath blickt auf Dein Knie und sagt, dort verläuft die oberflächliche Faszien-Frontallinie, die sich bis zum Kopf hoch zieht.

Ich blicke auf Dein Knie und spreche von auf- und absteigenden Ketten. Du erinnerst Dich an den Abschnitt mit der Hyaluronsäure? Da hatte ich es bereits kurz angesprochen, dass von Kopf bis Fuß sämtliche Gelenke paarig angeordnet sind. Die Kiefergelenke, die Schultergelenke, die Wirbelgelenke, die Hüft-, Knie- und Sprunggelenke. Und dass alle miteinander in Beziehung stehen wie ein Förderband.

Und so setze ich die Akupunktur heute gern ein: sehr häufig lokal im Sinne der Faszien und der Dawoes-Punkte. Sie haben nichts mit dem Luftkurort in der Schweiz zu tun, sondern stehen für „Da wo es weh tut“.

Mein zentrales Ziel ist es, eine lokale Reaktion im Gewebe mit den Einmalnadeln hervorzurufen. Manchmal spreche ich jedoch auch die erwähnten Fernpunkte mit den Nadeln an.

Zum Beispiel bei Knieschmerzen.

Dann kann eine Nadel am Fuß Linderung bringen. Dies funktioniert vom Prinzip her auch per Ohrakupunktur, die ich allerdings nur mit wenigen Punkten praktiziere.

Was ich ebenfalls häufiger mache, ist das sogenannte Dry Needling. Dazu benutze ich die gleichen Einwegnadeln wie bei der chinesischen Akupunktur – nur in größerer Menge – zum Beispiel bei Schulterbeschwerden.

Dafür suche ich mir keine Akupunkturpunkte, sondern gehe entweder auf wichtige, anato mische Punkte oder muskuläre Verspannungen. Und auch wenn die Nadel dieselben sind wie bei der TCM, die Gedankenmodelle sind es nicht.

Im Gegensatz zur Akupunktur behandel ich primär das, was weh tut und statt etwa zehn Nadeln setze ich beim Dry Needling bis zu 20 Nadeln. Vorrangiges Ziel ist, dass ich mit den Nadeln dafür sorge, eine Region um das Gelenk besser zu durchbluten und damit vor allem den schmerzenden Band- und Halteapparat positiv zu beeinflussen.

Ein weiteres, sehr gutes Naturheilverfahren, das wir allerdings relativ selten einsetzen, sind Blutegel. Grund ist häufig, dass viele ältere Patienten bereits Blutverdünner einnehmen. Und der Einsatz von Blutverdünnern bei Blutegeln ist eine Kontraindikation.

Laut Studienlage sind tatsächlich Blutegel DAS erfolgreichste Mittel in der Naturheilkunde.

Sie müssen zwar extra bestellt und können nur einmal eingesetzt werden. Doch insbesondere am Knie, auch an Daumen und Ellenbogen können Schmerzen bis zu sechs Monate oder länger sehr erfolgreich reduziert werden.

So bin ich dem Verfahren offen gegenüber, wenngleich die meisten Patienten wegen der Stammzellen zu mir kommen. Injiziere ich allerdings etwas ins Gelenk (Wet Needling), dann setze ich keine Blutegel ein, um das Risiko eines Infekts auszuschließen.

Die Blutegel sind also eher ein Verfahren, das man ergänzend bei mittlerer bis schwerer Arthrose einsetzt, wenn alle anderen Verfahren bereits ausgeschöpft sind. Oder wenn es der ausdrückliche Wunsch der Patienten ist.

Kurz zusammengefasst – was ich meinen Freunden, meiner Familie und Dir rate:

Merkhilfe

„Jeder Narr kann kritisieren, verurteilen, reklamieren –
und die meisten Narren tun es auch“

Andrew Carnegie

Vor ein paar Wochen war auf etlichen Medizinportalen wieder ein kritischer Artikel über das Intervallfasten zu lesen: dass 16:18 nicht das Wahre sei, weil es am Ende auf die Kalorienbilanz ankäme. Wer in acht Stunden genauso viel futtere, wie sonst in 24 Stunden, nähme nicht ab, auch wenn er dabei 16 Stunden faste, so der Tenor.

Das stimmt, das sagt mir der gesunde Menschenverstand, dass ich kaum abnehmen werde, wenn ich acht Stunden dauerschlemme. Vom Prinzip her kann ich jede Diät austricksen. Selbst eine operative Magenverkleinerung, wenn ich Schokolade verflüssige und trinke.

Worum es geht: 16:18 bietet die Möglichkeit, ohne größere Umstellungen im Alltag zwei, drei wertvolle Kilos zu verlieren. Und Dich so für weitere Schritte zu motivieren. Und dank des Bulletproof Coffees brauchst Du morgens nicht zu leiden.

Genau das ist Deine zehnte Challenge. Nach dem nächsten Wochenende machst Du am Montag und Dienstag 16:18 Intervallfasten. Dafür brauchst Du noch nicht einmal eine App. Nur eine Uhr: Die Challenge ist, dass Du zwischen 13 und 21 Uhr zwei normal große Wunschmahlzeiten zu Dir nehmen kannst.

Von 21 Uhr abends bis 13 Uhr am nächsten Mittag entlastest Du den Körper von der Verdauungsarbeit. In dieser Zeit darfst Du gern Wasser oder ungesüßten Tee in unbegrenzter Menge trinken.

Fehlt Dir am Morgen die Energie des Frühstücks, knurrt vormittags der Magen, empfehle ich Dir den Bulletproof-Coffee, der sättigt und Energie gibt.

Dazu brühst Du morgens eine Tasse Kaffee auf. Du besorgst Dir in der Drogerie oder im Reformhaus einen halben Liter MCT-Öl aus Kokosnuss. Statt Milch schäumst Du Dir mit einem Mixer einen Esslöffel MCT-Öl und einen Esslöffel Butter, möglichst aus Omega-3-rei cherer Weidemilch in das Heißgetränk. Und bitte keinen Zucker.

Fühlst Du Dich besser, führe die Challenge fort, eigne sie Dir an, mache sie zu Deiner Gewohnheit. Zwei Wochen am Stück. Oder zu Wochenanfang jeweils zwei Tage die Woche. Warum?

Insbesondere für die gewichtsbelasteten Sprunggelenke, Knie und Hüften ist jedes Kilo weniger eine mechanische Entlastung, was den Gelenken guttut.

Ein erniedrigter, abdomineller Fettanteil sorgt für eine Absenkung der Entzündungsbotenstoffe, die von den Energiespeichern ständig abgegeben werden. Weniger Entzündungsbotenstoffe reduzieren die Entzündungsneigung bei Arthrose.