Die Jahreszeit des Wachstums:

 

Frühlingssommer, Gijrragiessie

circa Ende Mai bis Mittsommer

Sobald die Boote aus den Gärten auf der Ostsee dümpeln, kommen die Rasenmäher hervor. Knattern mischt sich unter schräge Vogelgesänge, unter Hämmern und Pochen, während die Dörfler bei Dauersonne an ihren Häusern werkeln. In der letzten Maiwoche klettern die Temperaturen auf achtzehn Grad, und Peter stöhnt: »Bei über zwanzig kann man nur noch liegen.« Das Bier steht schon im Terrassenkühlschrank kalt. Ein anderer Dorfbewohner, der offensichtlich nicht gerne Koffer packt, hebt seine Gartenhütte mit der Traktorgabel hoch und fährt sie durch Baskeri, um sie an einer Stelle mit hübscherem Blick wieder aufzustellen. Ob sich so wohl ein Sonnenstich in Lappland ausdrückt?

Ende Mai wird mein Sehnen nach Abwechslung vom immerblauen Himmel erhört – er kleidet sich in Grau, ein paar Tropfen Regen fallen. Die reichen aus, um das dürstende Gras in grüner Pracht sprießen zu lassen. Der Ausdruck »das Gras wachsen hören« muss in Lappland entstanden sein. Einmal die Woche Rasen mähen reicht nicht mehr, viele greifen gar dreimal wöchentlich zum Mäher. Auch Nachbar Gunnar, der nun statt gegen den Schnee gegen das Gras vorgeht.

Sobald alles gedeiht, ist der Moment gekommen: Die Milchkühe dürfen aus dem winterlich warmen Stall auf die Weide! Das Event, das in der Zeitung mit fetten Lettern als Betessläpp angekündigt wird, übersetzbar mit »Freilassen auf die Weide«, gleicht einem Volksfest. Ich fahre mit Andrea zu einem Hof in Karungi, fünfzig Autominuten von Båtskärsnäs entfernt. Junge Männer in Warnwesten weisen Autoschlangen auf die Äcker und bieten Einparkhilfe. Der Bauernhof gleicht einer Kirmes mit Ständen, an denen regionale Künstler, Bäcker und Schokoladenhersteller Waren verkaufen. Aus einer Ecke steigt Rauch auf, es werden bereits um elf Uhr – in Schweden Mittagessenszeit – Hamburger gegrillt. Dazu klimpert ein Mann auf einem Akkordeon Volkslieder. Das Bauernhaus selbst feiert Tag der offenen Tür, man darf hoch in den ersten Stock und durch eine Art Schaufenster in den Kuhstall blicken – wo die Heu mampfenden Kühe noch nichts von ihrem bevorstehenden Glück ahnen.

Pünktlich um kurz vor zwölf – um Punkt sollen die Kühe rauskommen – stehen Andrea und ich am Zaun, gemeinsam mit wenigen anderen. Wir warten. Zehn Minuten. Zwanzig. Die Ersten gehen, wir warten weiter. »Hier ticken die Uhren anders«, wiederholt Andrea, was sie in sechs Jahren Lappland gelernt hat. Um kurz vor dreizehn Uhr ist es so weit: Hunderte von Erwachsenen, Kindern und Hunden stehen wie beim ausverkauften Rockkonzert Arm an Arm, halten Kameras und Handys in die Höhe, über der Weide kreist eine Drohne. Der Bauer baut sich auf dem Acker auf. »Wir hatten dreizehn Uhr für den Betessläpp angegeben, nur das Kalix Bladet hat zwölf Uhr geschrieben. Aber in Kalix braucht man ja bekanntlich länger für alles!« Kichern. Tatsächlich sind die Menschen aus Kalix in Norrbotten als besonders tranfunzelig bekannt.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages eine Stunde lang auf ein Stalltor starren und darauf warten würde, dass da Kühe rauskommen«, raune ich Andrea zu. Ein bisschen schräg ist es schon, das Leben in Lappland. Die Tore klappen auf. Muhen aus dem Inneren, Kuhköpfe lugen hervor. Dann fallen die Gitter. Die Kühe schlittern aus dem Stall, stolpern übereinander hinweg, schauen sich teils um, als sähen sie zum ersten Mal Gras, ein paar machen kehrt, um wieder im sicheren Zuhause zu verschwinden. Doch nein! Bald kapieren es auch die Stallhocker: frisches Gras, klarer Himmel, kühle Luft? Freiheit! Die Tiere werfen mit erhobenem Schwanz ihre Hinterbeine in die Höhe, springen, hüpfen, balgen. Ich habe noch nie eine sich freuende Kuh gesehen. In diesem Augenblick, bei diesem Betessläpp, verspüre ich die Lust auf Leben, die alle Vögel seit Wochen in den Himmel schmettern, auch bei den Kühen. Was für ein Privileg, draußen sein zu dürfen. Ganz ohne zu frieren.

 

 

 

Die Natur des Nordens gleicht ab Ende Mai einem Supermarkt, der nach monatelanger Schließung wieder geöffnet hat und mit einem Überangebot an allem bestückt wurde. Mir fällt an jeder Ecke stachelig aussehendes Grünzeug auf, mit einer Art Spargelstielen. »Das sind Schmalblättrige Weidenröschen. Weißt du, dass man die ernten und wie Spargel kochen kann?«, fragt mich eine Dorfbewohnerin. Ich nehme mir vor, das auszuprobieren – an einem Tag, an dem ich nicht viel vorhabe und wo es egal ist, wenn die Röschen schnell wieder oben oder unten aus meinem Körper rauswollen. Noch fällt es mir schwer, unbekannten Gaben der Natur zu vertrauen, wie beim Chaga-Pilz, aus dem mir Andrea einen Tee zauberte. Ich bin hygienisch verpackte Lebensmittel gewohnt, auf denen auf die Kalorie genau steht, was drin ist und welcher EU-Güteklasse sie entsprechen. Möglichst auch noch, wie und wie lange sie zu kochen sind. An den wilden Schmalblättrigen Weidenröschen steht nichts dran. Doch ich möchte eine Brücke schlagen zwischen gebührender Vorsicht und Annahme der vielen Geschenke, die Lapplands Natur seit Frühlingsbeginn nicht nur den Tieren, sondern auch uns Menschen macht.

Geschenke für den Gaumen, aber auch für die Augen. Denn zum Abschied des Mais fährt der Himmel ein Spektakel auf, wie ich es noch nie gesehen habe. Müsste man eine Kategorie wählen, wäre die Sache klar: Drama. Nach dem ersten Frühlingssommertag, der einen Schweißfilm auf die Gesichter gelegt hat, ruft eine über die gesamte Bucht vor Båtskärsnäs schweifende Dunkelwolke ihre Untertanen zusammen. Die haben sich darauf geeinigt, vor der Kulisse der um 22 Uhr tief am Himmel stehenden Sonne Pink oder Orange zu tragen und in ihren schrillen Kleidern einen Tanz über dem Meer hinzulegen, bis daraus ein Regenbogen übers ganze Dorf erwächst. Warum wird mir erst in diesem Jahr bewusst, wie wertvoll Wolken sind? Ein wolkenloser Himmel bekommt zwar einen Happy-End-Sonnenuntergang hin, Wolken aber sind der rote Faden der Geschichte. Seit ich in Lappland bin, hat der Ausdruck »Geschenk des Himmels« eine neue Bedeutung jenseits aller Spiritualität bekommen. Der Himmel bietet mehr Abwechslung als manch filmüberladener Streamingdienst, solange ihm weder Elektrolichter noch Smog die Show stehlen. Die Nordlichter und Pastellfarben des Winters. Das Milliarden-Sterne-Zelt in der Dunkelheit. Die dauermuntere Frühlings- und Frühlingssommersonne mit ihren Knallfarben, oft unterstützt von Wolken im Bühnenvordergrund. »In den Himmel gucken« wird zu meinem liebsten Hobby. Oder ist das doch eher »Duftnoten bestimmen«?

Der Juni schwemmt nämlich eine solche Duftwelle über Baskeri, dass ich beim ersten Schritt ins Freie tief einatme und mir mit dem Ausatmen Zeit lasse. Es riecht nach frisch geschlüpften Frühlingsblättern. Nach Blüten, die sich gegenseitig darin überbieten, welche die aromatischste im ganzen Dorf ist. Meine Sinne ziehen bei jedem Spaziergang aus, um Eindrücke zu sammeln. Zu den Schmalblättrigen Weidenröschen und Blumen in Rot, Gelb und Lila am Wegesrand, zum kehligen Ruf der Wacholderdrosseln, zum Surren von Mücken, zu Aromen, die meiner Nase neu sind. Die Angebote, die um Aufmerksamkeit buhlen, sind so umfassend wie in einem Monstereinkaufszentrum. Ich bin ständig wach für alles, was draußen geschieht. Menschengemachte Ablenkung gibt es in Båtskärsnäs wenig, ebenso wie Asphalt und Beton, an denen die Sinne abprallen. Stattdessen gehen sie auf Wanderung, frei und neugierig.

Zum Wellen- gesellt sich bald Blätterrauschen. Nach Monaten kahler Äste staune ich, als sich frische Birkenblätter in der Brise wiegen, als würde ein Harfenspieler seine Finger hindurchgleiten lassen. Wie schon im Winterzauber staune ich wie ein Kind, das die Welt neu entdeckt und überall Wunder sieht. Bei meinem Hamburgbesuch im April habe ich dieses Wachsein auf meine Stadtspaziergänge mitgenommen. War überrascht, was ich an Neuem wahrnahm in einer altbekannten Stadt. Und doch gibt es einen Unterschied: In der City musste ich meine Sinne immer wieder bewusst entriegeln, während sich die Schlösser in der Weite Lapplands von allein öffnen.

»Pass auf, dass du dir keine Zecken einfängst, ich musste schon einige aus den Hunden pulen«, ohrfeigt mich Andrea mit einer unschönen Frühlingssommerwahrheit. Maria und Peter schlagen noch mal zu: »Jetzt gibt es viele Schlangen!« Laut Peter gefährliche namens huggorm, Vipern! Als er die Gattung jedoch googelt, atmet er auf: »Nur die Bisse der jungen Schlangen sind gefährlich, die können ihr Gift noch nicht regulieren. Erwachsene Tiere sondern weniger ab. Für Menschen ist das dann nur gefährlich, wenn man allergisch ist.« Woher weiß ich, ob ich gegen Schlangenbisse allergisch bin? »Das merkst du schon!«

 

 

 

Schlangen sehe ich nicht, dafür aber noch immer frische Rentierhufspuren im sandigen Waldboden. Dumm sind die Vierbeiner, die sich den Umzug in höher gelegene Gebiete sparen, nicht: Wer an der Küste bleibt, muss das Futter mit weniger Konkurrenten teilen. Mein Wunsch, bei einer Kälbermarkierung dabei zu sein, bleibt unerfüllt. Kein Wunder, erfordert die Zeit der Kälbermarkierung von den Rentierhirten selbst viel Flexibilität und Geduld, wie mir Züchter Ber-Joná später erzählt. »Wir fahren oft für drei Wochen mit Quads in die Berge, gehen aber auch lange Strecken zu Fuß, wenn die Herden oben an den Hängen sind. Wir nehmen Drohnen mit, um sie leichter zu finden.« Die Rentiere hielten sich meist da auf, wo Schneereste lägen. Wenn die nämlich schmölzen, sei das Gras darunter besonders grün, und die Rentiere wollten frisches Gras. Man baue also für mehrere Wochen Koten auf – typisch samische, spitze Zelte –, schaue, wann man die Tiere je nach Wind- und Wetterlage am besten zusammentreibe und wie viele Kälber man finde.

Der Stadtmensch in mir hat sich das anders vorgestellt – eher, dass man sich an bestimmten Tagen verabredet, um die Kälberohren zügig durchzumarkieren. Aber Fellträger folgen im Gegensatz zu Anzugträgern keinem Kalender oder Uhren, sie folgen dem Wind und ihrem Überlebensinstinkt. Das macht es für Samen wie Ber-Joná schwierig, mich bei so wichtigen Aufgaben mitzunehmen. Es ist in Ordnung. So neugierig ich bin, akzeptiere ich auch, dass ich erst einmal nur durchs Guckloch in diese neue Welt spähen kann.

Für viele Rentierbesitzer der Bergsamengemeinschaften, die ihre Herden vor Wintereinbruch nicht vollständig in die Täler treiben konnten, erfolgt nun, bei der ersten Sammlung des Jahres, die Bilanz: Wie viele Tiere haben überlebt? Wie viele Kälber wurden geboren? Wie viele davon haben Raubtiere und -vögel nach den ersten Wochen noch nicht aufgefressen? Es kann positive Überraschungen geben, doch überwiegen laut den Samen aus dem Dokumentarfilm »Arvet och tystnaden« meist die traurigen Fakten, wie sie auch die Samin Katarina befürchtete, mit der ich im März gesprochen habe. Jetzt im Juni wird sie eine Antwort darauf erhalten, wie viele ihrer im Gebirge nahe der norwegischen Grenze verbliebenen Tiere dem Winter trotzen konnten.

Ich sehe einige Parallelen zwischen dem Berufsleben eines Rentierzüchters und dem einer freien Autorin. Nur dass es bei der Schreibtischhirtin Finanzamt, Vermieter, Versicherungen und Co. sind, die in jeden noch so dürftigen Winterspeck beißen, während die Existenz der Rentierhirten von Schnee, Eis und knurrenden Mägen der Bären, Luchse und Adler diktiert wird. Geld oder Rentiere, wer etwas hat, kann es verlieren und fürchtet den Verlust. Und doch hegen die samischen Rentierzüchter seit Generationen eine Weisheit. »Rentiere heißen in unserer Sprache auch biekka oapmi«, erzählt mir Ber-Joná. »Das bedeutet ›Eigentum des Windes‹. Denn wir Menschen nennen die Rentiere zwar unser Eigen, aber solange sie nicht in einem Gehege eingepfercht sind, sind sie auch frei. Frei wie der Wind, mit dem sie kommen und gehen.«

 

 

 

Im Juni lässt die Natur – zumindest fernab der Berge – den Menschen wieder auf leisen Sohlen, ohne Schneemobile, an sich heran. Nun haben in tieferen Lagen selbst die hartnäckigsten Schnee- und Eisreste die Lebenslust verloren und die Wege freigegeben. Also mache ich mich auf zum Muddus-Nationalpark nördlich der Stadt Jokkmokk, ebenfalls Teil des UNESCO-Welterbes Laponia – angeblich Schwedens größter Wald-Nationalpark. Ein menschenfreundlicher Wald mit Wegen, Stegen und Erklärungstafeln für jeden, der über die Natur lernen möchte. »Där skogarna och myrorna möt«, lautet die Parkbeschreibung, »wo sich Wälder und Sümpfe treffen«.

Gleich hinter dem Parkplatz Skaite legt der Wald dem Wanderer jedoch Steinbrocken in den Weg, als wollte er testen, wie viele Hindernisse er bereit ist zu umgehen, um weiter vorzudringen. Ich muss auf jeden Stein, jede Wurzel achten, um nicht zu stolpern. Würde neben mir ein Bär im Gebüsch stehen, würde er mir gar nicht auffallen, anders als jede Menge Elchlosung am Boden. Längst ist es mein Hobby geworden, nicht nur in Pfoten- und Hufspuren zu lesen, sondern auch in Tierkacke.

Nach Hinweisen auf Rentiere suche ich dieses Mal vergeblich – und das, obwohl manche Waldsamendörfer den Muddus-Nationalpark als Sommerweide für ihre Tiere nutzen. »Die Waldsamen hoffen auf Hitze und viele Mücken! Die Mücken sind unsere besten Knechte, denn zusammen mit der Hitze zwingen sie die Rentiere raus in die Sümpfe, um zu weiden.« So zitiert die Nationalparkbroschüre einen Waldsamen. Ich lausche, ob sich Glocken vernehmen lassen, die etliche Rentiere ja um den Hals tragen, auch damit ihre Besitzer sie besser hören und aufspüren können. Nichts. Doch Rentierfutter gibt es in den Wäldern reichlich – an jenen Bäumen, die angekokelt und krank aussehen und von denen Flechten wie Greisenbärte hängen. Dabei sind die Bäume nicht krank, im Gegenteil! Laut Infotafel sind sie sogar ein Beweis für klare Luft und ein gesundes Biotop. Nicht nur das: Rentiere können die Hängeflechten selbst dann noch erreichen, wenn Bodenflechten von einer Eisschicht bedeckt werden oder sie abgegrast sind beziehungsweise von anderen Gewächsen wie Blaubeeren verdrängt werden. Die Samen wollen sie einst in Wasser oder Milch gekocht haben und behaupteten, dieser Drink helfe gegen Brusterkrankungen.

Die Flechtenbäume, die wunderbar in eine Schauerfilmszene passen würden, werden zu meinen Lieblingsbäumen. Ich mag, dass sie ihre Kraft und ihren Nutzen hinter einem Äußeren verbergen, das Schwäche und Verfall vortäuscht. In einer Welt, in der das Natürliche nach gesellschaftlicher Auffassung oft als unansehnlich abgetan und so lange überpinselt wird, bis es präsentabel erscheint, tut es gut, in der Natur das Gegenteil zu finden. Das ist die erste Lektion des Muddus. Die zweite lehren Bäume, die noch Anzeichen des schweren Waldbrandes von 2006 aufweisen – nicht der einzige Brand, den etliche Muddus-Kiefern, die schon gut 800 Geburtstage gefeiert haben, durchstehen mussten, denn die ältesten Bäume tragen die Narben von sechs Waldbränden. Dabei sind sie nicht einmal besonders groß! »Die größten Kiefern sind selten die ältesten«, klärt das Infoblatt auf. Warum? Weil die Bäume am ältesten werden, die von Feuern verletzt, dadurch aber auch mit Harz imprägniert werden, wodurch sie fortan langsamer wachsen. Warum soll langsames Wachstum aber gut sein? Was mir absurd erscheint, hat seinen Sinn: Schnell wachsende Kiefern werden leichter von Pilzen befallen, die das Holz verfaulen lassen, langsam wachsende nicht – nur warum dem so ist, verraten die Informationen leider nicht.

Hinter dem sich 42 Meter in die Tiefe stürzenden Muddus-Wasserfall geht es immer weiter durch Wald – bis sich die Bäume lichten, fast wie in den Bergen, wenn die Baumgrenze erreicht ist und eine hochalpine Steinwüste beginnt. Nur dass es im Muddus keine Steine gibt, sondern Sümpfe. Holzstege, an denen der Winter geknabbert hat, führen über den morastigen Boden. Der Muddus-Nationalpark soll zu den stillsten Orten in ganz Schweden gehören, und tatsächlich waren es bisher nur Vögel, vor allem ein sehr morgenmunterer Kuckuck, die diese Stille durchbrachen. Doch nun, im Sumpf, summt und surrt es: Millionen von Mücken heißen mich begeistert willkommen. Ich freue mich auch. Weniger über die Mücken, mehr über die sich in der Sonne rekelnden, tiefblauen Moorseen, auf denen sich Flauschwolken spiegeln. Sollte man eins der gefühlt Hunderte von Mückensprays vergessen haben, kann die Natur selbst da helfen: In Feuchtgebieten wächst eine Pflanze namens Sumpfporst (Rhododendron tomentosum), erkennbar an filzigen Zweigen, die in alle Richtungen staksen, und im Sommer an hübschen weißen Blüten. Deren Geruch soll die Mücken abhalten. Doch trotz aller Tricks begleiten mich die summenden Heere weiterhin, und meine Befürchtung, dass zumindest ein Lappland-Klischee stimmt, bestätigt sich: Im Sommer ist regelmäßiges Blutspenden angesagt, ob man will oder nicht.