„Wenn aber nun das Land alle Hässlichkeit verloren hat und in sauberer Ordnung frisiert voll Schönheit seine Einsaat fordert, dann malt man darauf bunte Blumen, die Sterne der Erde.“ (Columella, 10. Buch über die Landwirtschaft)

6. BLUMEN IM GARTEN

Obwohl Blumen im Römischen Reich, genau wie in Griechenland, lange Zeit ausschließlich als Nutzpflanzen angebaut wurden, hatten die Römer durchaus einen Blick für ihre Schönheit. Columella schrieb beispielsweise, dass man mit Blumen – er nennt sie „Sterne der Erde“ – Farbe und Abwechslung in den Garten bringen solle. Er zählt in seinem Buch über die Landwirtschaft Schneeglöckchen, Narzisse, Löwenmäulchen, Hyazinthe, Malve, Ringelblume, Tausendschön, Hornmohn, Krokus, Seidelbast, schwarzen Liguster und noch viele andere Arten auf. Und Plinius der Jüngere spricht in den Villenbriefen von „gleichsam edelsteinbedeckten Wiesen“. Dennoch bauten die Römer Blumen überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen an, als Heilpflanze, als Nahrungsmittel oder zur Gewinnung von Duftstoffen. Aus dem größten Teil der in den großen und kleinen Gärten gezogenen Blüten stellten sie Kränze und Girlanden her, deren Gebrauch im Haus und als Schmuck für Festtage auf vielen Bildern dargestellt ist.

Blumen für Girlanden und Kränze

Der Rahmen des Philosophenmosaiks aus Neapel etwa (vgl. Abb. S. 62) ist mit einer üppigen Girlande aus Blättern und Früchten geschmückt. Und auch auf Wandmalereien finden wir Girlanden. Meist zieren sie den oberen Teil der Dekoration. Im Gartenzimmer im Haus des goldenen Armreifs sind sie zwischen den Säulen zu sehen. Mosa iken und Wandbilder vermitteln einen Eindruck davon, wie sie in den Häusern verwendet wurden: Mit Girlanden wurden Säulen umwickelt, oder man hängte man sie zwischen Pfeilern auf. Zu diesem Zweck gab es Haken, die die Aufhängung an den Stützen erleichterten.

Als Basis für die Girlanden dienten Wein- und Efeuranken, in die man zusätzliche Blätter und Blüten einarbeitete. Manchmal wurden Bänder eingeflochten oder die Ranken damit umwickelt. So ist es etwa auf der Darstellung einer Girlande vor rotem Grund aus dem Archäologischen Nationalmuseum in Neapel zu sehen. Die insgesamt vier Meter lange Wandmalerei schmückte vielleicht einmal den Eingang zum Haus des Fauns in Pompeji. Die Girlande besteht aus Weinranken, Lorbeerblättern, Blüten, Pinienzweigen sowie Früchten: Trauben, Pflaumen und Granatäpfeln. Ein locker geschlungenes Band hält die ganze Pracht zusammen.

Kürzere und kleinere Girlanden wurden zu besonderen An lässen als Blumenketten getragen, und man gab sie Verstorbenen mit ins Grab. Auch Kränze (coronari) waren eine häufige Grabbeigabe. Heute noch bekannt sind Efeukränze, die damals vor Trunkenheit und den Folgen übermäßigen Alkoholgenusses schützen sollten. Kränze aus Lorbeer und Myrte waren Ehrengaben für bedeutende Persönlichkeiten; es gab Gesetze, die regelten, wer sie tragen durfte. Aus duftenden Blüten und Blättern gebundene Kränze schließlich waren ein beliebter Schmuck zu verschiedenen Gelegenheiten.

Wandbilder und Mosaiken, getrocknete Kränze in ägyptischen Gräbern und solche, die aus Gold nachgebildet wurden, zeigen, wie verbreitet Kränze und Blumenketten im römischen Altertum gewesen sind und wie unterschiedlich sie aussehen konnten. Sie konnten aus einem Rahmen aus Maulbeer- oder Feigenzweigen geformt sein, in die man weitere Blüten einsteckte. Manchmal wurde der Kranz auch aus den Blumenstielen selbst geflochten. Stark duftende Narzissen, Rosen, Lilien und Veilchen waren als Kopfschmuck begehrt, aber die Kränze enthielten auch Rittersporn, die Blütenstände der Petersilie, Ringelblumen, Ka mille und viele andere Arten mit kleinen Blüten. Zu den damals besonders beliebten Blüten zählte die Kronenwucherblume (Glebionis coronaria), die ihre Funktion als Kranzblume in ihrem Namen trägt und die im Wiener Dioskurides recht genau wiedergegeben ist. Dioskurides bezeichnet die Pflanze mit den hübschen gelben und weißen Blüten als Chrysanthemon. Er weiß, dass sie in der Nähe der Städte wild wächst und empfiehlt sie als Mittel gegen Ge schwulste und Leberleiden. Außerdem aß man die Stängel und Blätter der Kronenwucherblume als Gemüse. Heute wird die Pflanze in Kräutergärtnereien unter der Bezeichnung ‚Speisechrysantheme‘ angeboten und in Kochbüchern für asiatisch inspirierte Gerichte empfohlen. Im Botanischen Museum in Berlin Dahlem werden die Reste einer Gir lande mit den Blüten der Kronenwucherblume aus einem ägyptischen Grab aus dem sechsten Jahrhundert v. Chr. aufbewahrt.

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Kronenwucherblume (Glebionis coronaria)

Die rasch wachsende Einjährige aus dem Mittelmeergebiet wird bis zu einen Meter groß. Sie lässt sich leicht aus Samenkörnern ziehen und ist für die Pflege im Topf wie im Garten gleichermaßen gut geeignet. In den Garten sollte sie erst nach dem letzten Frost gepflanzt werden. Die Kronenwucherblume gedeiht in nahrhafter Komposterde. Zu hohe Temperaturen ma chen die angenehm aromatisch schmeckenden Blätter bitter. Regelmäßiges Schneiden der Triebspitzen fördert das Wachstum an den Seiten.

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Kronenwucherblume
(Glebionis coronaria),
Miniatur aus dem
Wiener Dioskurides,
Codex Vindobonensis
Med. Gr. I, fol. 373 r,
Ende 6. Jahrhundert n. Chr.,
Wien, Österreichische
Nationalbibliothek

Im Botanischen Museum in Dahlem kann man auch Kränze aus Majoran (Origanum majorana) bewundern, die ebenfalls in einem Grab gefunden wurden und in die Blüten des Himmelsröschen (Silene coeli-rosa) eingearbeitet sind. Auch die Blumenkette aus Strohblumen oder Immortellen (Helichrysum) aus dem British Museum war einmal als letzter Gruß für einen Verstorbenen gedacht (vgl. Abb. S. 39). Bei den Strohblumen handelt es sich jedoch nicht um die vertrauten Blumen mit den großen Blüten aus unseren heutigen Bauerngärten. Diese Exemplare stammen aus Südafrika, in der antiken Welt waren sie noch unbekannt. Die Strohblumen des Altertums sind intensiv duftende Gewächse aus dem Mittelmeerraum, die im Handel heute unter der Bezeichnung ‚Currykraut‘ angeboten werden. Meist handelt es sich um Helichrysum italicum und Helichrysum stoechas. Diese Arten wachsen in Südeuropa auf trockenen Standorten, etwa in den Dünen. Die goldgelben Blüten welken niemals, wie Plinius d.Ä. schreibt – daher der Name Immortelle, die Unsterbliche. Zusammen mit dem aromatischen Duft machte sie das zu einer idealen Kranzblume. Lange haltbar, hübsch anzusehen und dazu noch intensiv duftend, war Helichrysum für den Totenkult wie auch als Zierde für Götterbilder und Altäre bestens geeignet.

Im Römischen Reich wurden gewaltige Mengen frischer Blüten für Kränze und Girlanden benötigt, um Tempel und Altäre zu schmücken oder öffentliche und private Feste auszustatten. Um den Bedarf zu decken, wurden viele Blüten wild gesammelt und auf den Märkten verkauft. Die in den Gärten angebauten Blumen verarbeitete man noch vor Ort zu Kränzen und Girlanden. Einen Eindruck davon gibt ein spätrömisches Mosaik der Villa del Casale in Sizilien aus dem 4. Jahrhundert n.Chr., auf dem zwei Frauen unter einem Baum beim Kränzeflechten zu sehen sind. Die Farbe der Blüten und die sie umgebenden Sträucher lassen vermuten, dass die beiden an Kränzen aus Rosenblüten arbeiten. Auf einem anderen Mosaik sammeln Pflücker die Blüten von den Sträuchern und füllen sie in großen Körbe (vgl. Abb. S. 75). Auch hier wird offenbar ein Teil der Ernte im Garten weiterverarbeitet. Das lässt zumindest die unter einem Strauch sitzende Frau vermuten. Sie bindet die Blüten aus dem Korb zu einer Girlande, die sie an einem Ast befestigt hat. Eine andere Frau bringt währenddessen Nachschub heran. In der unteren Reihe trägt ein Mann zwei bis über den Rand gefüllte Blumenkörbe an einer langen Stange. Vermutlich bringt er die Ernte zum Markt, um sie dort zu verkaufen, vielleicht trägt er seine Ware aber auch direkt zu einem Parfümeur.

Duft

Blüten, Kräuter, Früchte, Blätter und Rinde der Bäume waren während des Altertums im gesamten Mittelmeerraum begehrte Rohstoffe für Düfte. In den frühen Jahren verstreuten die Römer duftende Blüten und Blätter einfach auf dem Boden, um die Luft in den Innenräumen zu verbessern. Später stellten sie daraus auch Salböle und Parfüms her. Man vermischte zu diesem Zweck die Pflanzenteile mit Olivenöl, aber auch mit dem Öl von Myrte, Lorbeer oder Zypresse. Die Mischung wurde vorsichtig erhitzt, um Verfärbungen und unschöne Geruchsveränderungen zu vermeiden. Um die Mischung haltbar zu machen und Verdunstung einzudämmen, wurden außerdem Salz, Harz oder Gummi hinzugefügt.

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Duftküche. Wandmalerei im Haus der Vettier in Pompeji, Mitte 1. Jahrhundert n. Chr.

Auf einem Fries im Haus der Vettier in Pompeji ist eine solche Duftküche dargestellt. Kleine geflügelte Götterkinder, Amoretten und Psychen stellen Essenzen her und verkaufen sie. Sie pressen das Öl mit einer speziellen Ölpresse, zerreiben die Blüten und andere Bestandteile in einem Mörser, mischen die Substanzen mit dem Öl und füllen die fertigen Produkte dann in Fläschchen ab. In einem Kabinett bieten sie es einer jungen Dame an, die in Begleitung eines Dieners das Salböl auf ihrem Arm ausprobiert.

Düfte wurden aus einer überraschend großen Anzahl verschiedener Pflanzen gewonnen, die zu unzähligen verschiedenen Kompositionen zusammengestellt werden konnten. Neben Rosen wurden Lavendel, Iris oder Veilchen verwendet, aber auch Kalmus oder Mädesüß, um nur einige Arten zu nennen. Sehr begehrt war auch ein Parfüm aus Quitten, das aus Ägypten importiert wurde. Obwohl der Duft der Quitte auch heute noch viele Freunde hat, erscheint ein Parfüm aus der Frucht eher ungewöhnlich. Gleiches gilt für den Majoran, den Theophrastos ebenso wie das Quittenparfüm in seiner Schrift „De odoribus“ gleich mehrfach erwähnt. Darin hat der Autor das Wissen über Düfte, ihre Konservierung und den Dufthandel in der antiken Welt zusammengefasst. Parfüms, die man auf der Haut trug, berichtet er, wurden in Form von Salben hergestellt. Für einige Hautpartien wurden bestimmte Salben bevorzugt. So empfiehlt der Autor etwa, Majoransalböl auf die Stirn aufzutragen. Um gut zu riechen, bedufteten die Römer ihre Kleider mit flüssigen Parfüms auf Alkoholbasis und bestreuten ihre Betten mit duftendem Pulver.

Die Götterkinder im Haus der Vettier lassen es bereits vermuten: Salben und Parfüm wurden auch in Pompeji hergestellt. In der Stadt gab es dafür mehrere Werkstätten; ließen sich doch mit der Produktion von Duftstoffen stattliche Gewinne erzielen. Wilhelmina Jashemski hat in Pompeji einen Garten erforscht, in dem offenbar Gewächse für die Verarbeitung zu Duftstoffen angebaut wurden. Nach der im Garten gefundenen Herkulesstatue wird der Garten heute als Garten des Herkules bezeichnet und das Haus wegen der vermuteten Tätigkeit seiner Besitzer als Haus des Parfümeurs.

Der Garten des Herkules: Ein kommerzieller Blumengarten in Pompeji

Das Haus des Parfümeurs und der Garten des Herkules lagen zwischen kleinen Läden in einem Geschäftsviertel Pompejis. Besucher wurden am Eingang mit einem Fußbodenmosaik empfangen, auf dem „cras credo“ zu lesen stand, was sich mit „Kredit gebe ich dir morgen“ übersetzen lässt. Im Haus und im Garten fanden Archäologen Glasfläschchen, die vermuten lassen, dass hier Essenzen hergestellt, gelagert und verkauft wurden.

Hinter dem Haus lag ein großer, von Mauern umgebener Garten mit einem Lararium. In diesem Schrein für die Hausgötter, wie ihn auch Alma-Tadema in sein Bild vom römischen Garten malte, wurde jene Herkulesstatue aufgestellt, die man ganz in der Nähe gefunden hatte und die dem Garten ihren Namen gab. Der Garten war nicht an die Wasserleitung, das Aquädukt, angeschlossen. Stattdessen wurde das vom Dach fließende Regenwasser in Behältern und Becken aufgefangen und mithilfe eines Systems von Kanälen zwischen die Beete geleitet. Die Sorgfalt, mit der die Gärtner sich um die Wasserver sor gung im Garten des Herkules gekümmert haben, ließ Jashemski vermuten, dass in den Beeten pflegeintensive Gewächse angebaut wurden. Möglicherweise erntete man für einen Teil des Jahres Gemüse, aber Blumen haben wohl den größeren Teil ausgemacht. Wurzelspuren und Pollenanalysen legen nahe, dass im Garten zudem mehrere große Bäume wuchsen, vermutlich Oliven. Die Spur der Olivenbäume, aus denen das Öl für die Duftproduktion gewonnen wurde, und die vielen Glasfläschchen im Haus und im Garten ließen Jashemski zu dem Schluss kommen, dass im Garten des Herkules Blumen für die Parfümpro duktion gezogen und verarbeitet wurden.

Welche Blumen und Kräuter aber im Garten des Herkules angebaut wurden, wissen wir nicht. Allerdings finden wir viele Pflanzen, die von den Römern wegen ihres Duftes geschätzt wurden, auf den Gartenbildern der römischen Häuser wieder: Rosen, Veilchen oder Quitten sind dort abgebildet. Zwischen niedrigen Zäunen und Mauern, Kunstwerken, Springbrunnen und bunten Vögeln, inmitten von wuchernden, grünen Gartenparadiesen leuchten dort einzelne bunte Blüten auf.

Im Gartenzimmer im Haus des goldenen Armreifs

In dem um 30 bis 35 n. Chr. geschaffenen Gartenzimmer im Haus des goldenen Armreifs ist auf drei Wänden solch ein üppig bepflanzter Garten mit Palmen, Bäumen, Sträuchern, bunten Blumen und Tieren zu sehen. In frischen Grün- und Blautönen gemalt, erscheint der Garten sehr wirklichkeitsgetreu. Die Pflanzen und Tiere sind bis in die Details naturnah gestaltet und in Licht und Schatten modelliert; einzelne Arten zu identifizieren, fällt nicht schwer. Dennoch handelt es sich bei den Wandbildern um eine überaus kunstvolle Zusammenstellung von Gewächsen, Tieren und Dekorationsobjekten. So nahmen die Maler keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Blühzeiten der dargestellten Gewächse – etwa der im Frühjahr und im Frühsommer blühenden Rose und des Erdbeerbaums, der erst im November Früchte trägt. Auch die Standortbedingungen für die einzelnen Pflanzen blieben unberücksichtigt: Eine Rose im Garten würde im Schatten großer Sträucher und Bäume nicht über längere Zeit gesund wachsen und blühen. Ähnlich wie bei den Blumenbildern des 17. Jahrhunderts, strebten die Maler offenbar kein genaues Abbild einer existierenden Pflanzengemeinschaft an. Vielmehr schufen sie eine Aufzählung be sonders beliebter Pflanzen, die in ihrer schönsten Erscheinung zu einem idealen Garten zusammengefügt wurden. Das Gartenzimmer im Haus des goldenen Armreifs illustriert eindrucksvoll, welche Idealvorstellungen von einem Garten die Menschen im alten Rom hatten und welche Pflanzen für sie zu einem solchen Garten gehörten.

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Das Gartenzimmer im Haus des goldenen Armreifs in Pompeji illustriert, welche Idealvorstellungen von einem Garten die Menschen im alten Rom hatten und welche Pflanzen für sie zu einem solchen Garten gehörten.

Die Funktion der Gartenzimmer lag wahrscheinlich im Be reich der Repräsentation und des Statusdenkens, auch wenn man nicht ganz ausschließen kann, dass die Gartenbilder an den Wänden der römischen Häuser religiöse oder symbolische Funktionen hatten. Im Haus des Obstgartens fand man neben dem Raum mit den Obstbäumen (vgl. Abb. S. 89) ein weiteres Gartenzimmer, das mit Symbolen ägyptischer Kulte ausgestaltet ist.

Den Beginn der Serie kunstvoll gemalter Gartenzimmer sehen Archäologen im Gartensaal der Villa der Livia in Rom (vgl. Abb. S. 32). Die Gemahlin des Kaisers Augustus (30 v. Chr.–14 n. Chr.) hatte mit ihrem unterirdischen, wohl als Speisezimmer gedachten Raum einen Trend gesetzt, der in Pompeji rasch aufgegriffen wurde. Die Darstel lungen auf den Wänden der Gartenzimmer sind stets nach der gleichen Formel aufgebaut: Vor einem einfarbigen, meist blauen Himmel finden wir im Vordergrund eine Zone mit einzelnen kleineren Pflanzen, Brunnenbecken und Kunstgegenständen. Dahinter wuchert – manchmal von einem Zaun oder einer Mauer abgetrennt – ein prächtiges Durcheinander verschiedener Gewächse. Viele der dargestellten Arten lassen sich bestimmen und verschaffen uns so einen Überblick über die beliebtesten Zierpflanzen der Römer.

Auf den Wänden des Gartens im Haus des goldenen Arm reifs wachsen Oleander, Schneeball und Immergrün, Veilchen, Rosen, Madonnenlilie und weiße Zaunwinde. Die kleinen, gelblichen und weißen Blüten am unteren Bildrand sind wohl Kamille oder Ringelblumen, vielleicht auch Kronenwucherblumen. Als Gartenblumen wirken die gelben Blüten auf den Wänden ziemlich unspektakulär, als Kranzblumen waren sie jedoch von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Bei genauerer Betrachtung der Blumenpracht fällt auf, dass die Maler keinen Unterschied zwischen Nutz-, Zier- und Wildpflanzen machen und sogar für die Zaunwinde (Calystegia sylvatica), die in unseren Gärten als übles Unkraut gilt, einen Platz in ihrer Komposition geschaffen haben.

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Duftveilchen (Viola odorata)

In der Nähe der wilden Zaunwinde wächst Schlafmohn, den Alma-Tadema viele hundert Jahre später in sein Traumbild vom römischen Familienleben malte. Während Alma-Tadema ein ganzes Beet mit violettem Schlafmohn für den Garten der römischen Familie vorsah, sind auf den Wänden des Gartenzimmers nur wenige Blüten zu erkennen. So unscheinbar und beiläufig der Mohn im gemalten Garten auch wirkt, gehörte er dennoch zu den wichtigsten Kulturpflanzen des Altertums. Seine Samen wurden gegessen oder zu Öl gepresst. Den heilkräftigen Milchsaft (griechisch ópion) dickte man ein und formte ihn zu kleinen Kügelchen. Wegen seiner narkotischen Eigenschaften schätzten ihn die Römer schon damals als Heilmittel. Der aus dem westlichen Mittelmeerraum stammende Schlafmohn verbreitete sich in prähistorischer Zeit im gesamten Mittelmeergebiet und wurde sogar im Rheinland sowie in der Nähe des Hadrianswalls in England angebaut.

Neben dem Mohn wachsen kleine violette Veilchen. Als Kranzblume, Tempelschmuck und Opfergabe für die Götter waren Veilchen unverzichtbar. Die Römer liebten den süßen Duft der Blüten, wie das Veilchenbeet in Plinius’ Villengarten belegt. Doch fassten sie unter Veilchen auch andere kleinblütige Arten mit intensivem Duft zusammen. Wenn in der Literatur des Altertums von weißen und gelben Veilchen die Rede ist, meinten Theophrastos, Dioskurides und die beiden Plinius vermutlich Goldlack (Erisymum cheiri) oder die Nachtviole (Hesperis matronalis). Wenn die Rede aber auf nigra viola oder viola purpurea kommt, ist mit Sicherheit das Duftveilchen Viola odorata gemeint, oder eine verwandte Art. Der Sammelbegriff ‚Veilchen‘ für besonders intensiv duftende Blumen hielt sich bis ins Mittelalter, auch wenn das aus dem Mittelmeergebiet stammende Duftveilchen erst im neunten Jahrhundert nach Mitteleuropa gekommen sein dürfte. Albertus Magnus spricht im 13. Jahrhundert vom Goldlack als „Geel Veilchen“. So dürften auch auf Plinius’ nach Veilchen duftender Terrasse im Garten des Laurentinums nicht nur violette Veilchen gestanden haben, sondern auch süß duftender Goldlack und Nachtviolen. Dioskurides empfiehlt Veilchen als Mittel gegen Trunkenheit und Apicius kennt ein Rezept für Veilchenwein, das gleichermaßen auch für Rosen geeignet ist.

Rosen- und Veilchenwein

Rosenwein bereite auf die folgende Art: Reihe Rosenblätter, nachdem du das Weiße abgemacht hast, auf einen Faden und binde sie zusammen, und gib so viele wie möglich zum Wein, sodass sie sieben Tage lang im Wein sind. Nimm die Rosenblätter nach sieben Tagen aus dem Wein heraus und gib frische zusammengebundene genauso dazu, damit sie sieben Tage lang im Wein ruhen, und nimm dann die Rosenblätter wieder heraus und seihe den Wein durch und mache Rosenwein, wenn du ihn zum Trinken benutzen willst, unter der Zugabe von Honig fertig. Achte genau darauf, dass du völlig trockene und sehr gute Rosen dazu gibst.

Ähnlich wie oben mache auch mit Veilchen Veilchenwein, und schmecke ihn auf dieselbe Art mit Honig ab.

(Kochbuch des Apicius, 1, 4)

Rosen in Rom

Mehr noch als Veilchen waren Rosen die mit Abstand begehrtesten Blumen in der römischen Welt. Rosen wurden in Süditalien auf großen Flächen kommerziell angebaut. Als Ägypten 31 v. Chr. Teil des Römischen Reichs wurde, importierte man die Rosen auch von dort. Wie die Veilchen, verwendete man sie als Opfergaben für Schreine und Altäre der Haushaltsgötter, zur Besänftigung der Totengeister und als Grabschmuck. Zu Ehren der Toten feierten die Römer sogar ein spezielles Rosenfest, die rosalia, das zur Zeit der Rosenblüte im Mai oder Juni stattfand, wie wir aus Inschriften wissen.

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Lawrence Alma-Tadema, Die Rosen des Heliogabalus, 1888, Colección Pérez Simón, Mexiko

Rosen waren in Rom unverzichtbar und beinahe allgegenwärtig. Man verfeinerte mit ihnen Mahlzeiten und aromatisierte den Wein. Rosen wurden außerdem eingelegt und zu Soßen verarbeitet. Kritischere Geister, wie der Dichter Horaz, protestierten zwar gegen den Rosenluxus auf Kosten der Anbauflächen für Getreide. Dennoch ist der verschwenderische Umgang der römischen Kaiser und ihrer Familien mit den Rosen bis heute legendär. So sollen bei einem Gastmahl eines Freun des von Kaiser Nero vier Millionen Sesterzen allein für Rosenschmuck aufgewendet worden sein. Berühmt-berüchtigt ist der Verlauf, den das Fest des Kaisers Marcus Aurelius Antonius, besser bekannt unter dem Namen Heliogabalus, nahm. Der Legende nach sollen die betrunkenen Gäste des Kaisers unter Massen von Rosenblütenblättern, die er über ihnen ausschütten ließ, erstickt sein. Lawrence Alma-Tadema hat diese Episode aus dem Leben des Herrschers auf seinem berühmtesten Bild festgehalten.

Plinius beschreibt in seiner „Naturalis historia“, wie Rosen gewerbsmäßig auf Feldern angebaut wurden. Als Zentrum der damaligen Rosenzucht galt Praeneste, das heutige Palestrina, eine kleine Stadt südwestlich von Rom. Ein weiteres Anbaugebiet lag zwischen Cumae und Capua in Kampanien. Am berühmtesten war das am Golf von Salerno gelegene Paestum. Die Rosen, die dort kultiviert wurden, brachten es zu besonderem Ruhm. Ovid spricht in den „Metamorphosen“ von „Paestum, dem linden, von Rosen umhegten“. Auch Vergil hebt in seinem Buch über den Landbau, der „Georgica“, die Rosen aus Paestum besonders hervor, weil sie zwei Mal im Jahr blühten. Und unter den wohlhabenden Römern war es zeitweilig sogar Mode, zur Rosenblüte nach Paestum zu reisen.

Römische Rosen

In Plinius’ „Naturalis historia“ gibt es einen kleinen Rosenkatalog, der uns einiges über die Qualitätsmerkmale der Rosen im römischen Altertum erzählt und der zugleich verdeutlicht, wie sehr sich unsere heutigen Beurteilungskriterien von denen der Römer unterscheiden.

Wichtig an der Rose ist für Plinius in erster Hinsicht der Duft. Er ist das bestimmende Merkmal, das über die Qualität und Güte der Pflanze entscheidet, während Plinius der Farbe wesentlich weniger Bedeutung beimisst. Er unterscheidet Rosen zudem nach der Anzahl und Beschaffenheit der Blütenblätter und zählt auch äußerlich ähnliche Arten wie etwa die Malve zu den Rosen, weil Farbe, Form, Duft und Verwendung als Kranzblumen gemeinsam sind. Plinius beginnt seine Aufzählung mit einer in Italien heimischen, schwach duftenden Rose, die für Kränze kaum verwendet wird, wohl aber als Rohstoff für das begehrte Rosenöl, für Salben und für die Küche. In der Liste folgen drei verschiedene Züchtungen: Die „Rose von Praeneste“ beschreibt er als besonders spät blühende Gartenrose. Die ebenfalls duftende „Rose von Kampanien“ soll früh geblüht haben. Von der „Rose von Milet“ weiß Plinius, dass sie höchstens zwölf Blütenblätter zählt und von „feuriger“, also roter Farbe ist und spät blüht. Plinius nennt weiterhin die „Rose von Trachnis“, nach einem Ort am Schwarzen Meer, und die „Rose von Alabanda“ mit weißlichen Blüten. Eine hundertblättrige Rose – nicht zu verwechseln mit der erst im 17. Jahrhundert kultivierten Zentifolie – wurde in Kampanien gezogen. Die „Rose aus Kyrene“ hat den besten Geruch und wurde für die Salbenproduktion verwendet. Sie soll in Karthago und Spanien den ganzen Winter hindurch geblüht haben. Schließlich nennt er noch eine im Herbst blühende Rose „Coroniola“ mit mittelgroßen Blüten, die für Kränze verwendet wurde.

Es fällt auf, wie sorgfältig Plinius die Blütezeit der Rosen vermerkt. Tatsächlich kannten die Römer kaum mehrfach blühende Rosen. Die Blütezeit der frühen Züchtungen und wilden Arten liegt fast immer in einer kurzen Zeitspanne im Frühjahr und Frühsommer. Um das ganze Jahr hindurch den Bedarf an frischen Rosen zu decken, waren die Römer auf zu unterschiedlichen Zeiten blühende Sträucher angewiesen. Gewährleistet wurde dies durch die Kunst der Gärtner. Plinius empfiehlt etwa für eine vorzeitige Blüte, den Rosenstock mit warmen Wasser zu begießen, sobald sich erste Knospen zeigen. Die zweifach blühenden Rosen von Paestum müssen schon in dieser Hinsicht etwas ganz Besonderes gewesen sein, weil sie eine doppelte Ernte zu verschiedenen Zeitpunkten versprachen. Eine andere Möglichkeit, während der kalten Jahreszeit frische Rosenblüten zu bekommen, war der Import aus Gegenden mit anderem Klima, aus Spanien oder Nordafrika. Sechs Tage brauchten die mit Rosen beladenen Frachtschiffe vom ägyptischen Alexandria nach Rom. Auf welche Weise die gepflückten Rosen während des Transports frisch gehalten wurden, darüber kann man nur spekulieren.

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Aus der Stammform der Rosa gallica, der Essigrose, wurden viele verschiedene Sorten gezüchtet.

Rosensorten

In Ägypten wurden in hellenistischer und in römischer Zeit Rosen für verschiedene Anlässe, für Götterkult und Feste angebaut. Königin Kleopatra soll 42 v. Chr. den römischen Feldherrn Marcus Antonius auf einer rosengeschmückten Barke und selbst ganz in Rosen gehüllt entgegengetreten sein. Es heißt, sie hätte Rosen in den Zimmern des Palastes verstreuen lassen. Sogar in den Zierteichen sollen Rosen geschwommen sein.

Über die Arten und Sorten, die im Römischen Reich angebaut oder gesammelt wurden, wissen wir nicht viel. Neben Wildrosen, wie z.B. der Zaunrose Rosa rubiginosa, der immergrünen Rose Rosa sempervirens oder der Dünenrose Rosa pimpinellifolia, vermuten Botaniker frühe Formen der rot blühenden Rosa gallica und der rosa und weißen Rosa alba unter den Gartenrosen der Römer. Vielleicht waren bereits Sorten der Gruppe Damaszener-Rosen (Ro sa x damascena) dabei. Im Garten der Getty-Villa etwa wachsen Sorten der Damaszener-Rose (Rosa x damascena semperflorens oder Rosa x da mascena bifera), die wie die berühmten Rosen von Paestum zwei Mal im Jahr blühen, die seit langer Zeit wegen ihres unwiderstehlichen Duftes in den Gärten gepflegt werden und aus denen bis heute das begehrte Rosenöl hergestellt wird. Auf den Gartenbildern im Haus des goldenen Armreifs sind vermutlich Gallica-Rosen abgebildet. Die Farbe der Blüten und der kompakte Wuchs stimmen mit den Merk malen der Art jedenfalls überein. An einem Rosenstrauch sind sogar zweifarbige rot-weiße Blüten zu sehen. Tatsächlich gibt es mit der Form Rosa gallica versicolor oder Rosa mundi eine vergleichbare Sorte mit panaschierten Blüten, die bis heute in unseren Gärten blüht.

Zumindest eine Rose, die im römischen Ägypten viel verwendet wurde, können wir jedoch mit Sicherheit bestimmen. So hat man Verstorbenen im ägyptischen Hawara Blumenkränze mit ins Grab gegeben, die in den Archiven von Kew Garden in London und im British Museum aufbewahrt werden. Einzelne Blüten lassen sich auch im Botanischen Museum in Berlin Dahlem betrachten. In allen Fällen ist die Farbe der uralten Blüten zwar verblasst, ihre Gestalt blieb aber unter den günstigen Bedingungen erhalten. So konnten Botaniker eine große Ähnlichkeit mit der wohl ursprünglich aus Kleinasien stammenden Rosa richardii feststellen, die auch als Rosa sancta, holy rose, äthiopische Rose oder Mumienkranzrose bekannt ist. Die Verwandtschaftsverhältnisse sind nicht endgültig geklärt, aber man vermutet eine sehr alte, eng mit den Gallica-Rosen verwandte Hybride. In Ägypten und im äthiopischen Hochland soll sie heute noch an einigen Stellen in der Nähe der alten Klöster wild wachsen. Dort wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt und nach Europa gebracht.

Rosen im Garten

Abgesehen von den verschiedenen Wildrosen, die wohl nur wenige Gärtner in ihren Gärten pflegen, gibt es unter den heute noch bekannten Kultursorten einige Formen, die in ähnlicher Gestalt bereits die römischen Gärten schmückten. Die Essigrose Rosa gallica gilt als Stammmutter der roten Gartenrosen, die allerdings nicht so intensiv duftet wie die aus ihr herausgezüchteten Sorten. Alle Gallica-Rosen sind Ausläufer bildende, robuste Sträucher, die bis zu 1,50 m hoch wachsen. Sie sind winterhart und geben sich mit beinahe jedem Boden zufrieden. Die Sorte Rosa gallica officinalis, die Apothekerrose, mit ihren leuchtend rosaroten Blüten, der goldenen Mitte und einem intensiven Duft gehört zu den ältesten kultivierten Gartenrosen. Von dieser Rose entstand eine Mutation, die dunkelrosaweiß gestreifte Rosa gallica versicolor, auch Rosa mundi genannt, die heute noch in vielen Gärten gepflegt wird.

Die weiße oder blassrosa blühende Rosa x alba war bereits in frühester Zeit in allen europäischen Kulturen bekannt. Sie entstand wahrscheinlich im Mittelmeerraum und gelangte von dort aus mit den Römern nach Mitteleuropa. Alba-Rosen sind gesunde und kräftige Pflanzen, die sich zu dichten, manchmal überhängenden, früh blühenden Sträuchern mit langer Blütezeit entwickeln. Die etwa 2,5 m groß werdende Sorte Semiplena dürfte bereits den Römern bekannt gewesen sein.

Gallica- und Albarosen sind für die Topfkultur nicht geeignet. Wer Rosen in Kübeln pflegen möchte, sollte daher auf jüngere, kleinwüchsige Züchtungen ausweichen.

Rosa richardii hat blassrosa Blütenblätter um eine goldene Mitte, duftet angenehm und wächst als niedriger Strauch. Sie gilt als robuste Gartenrose und ist im Fachhandel erhältlich. Ob sie bereits in den römischen Gärten als Zierstrauch gepflegt wurde, ist nicht überliefert.

Überhaupt wissen wir nur wenig über die Rosen auf den Wandbildern und ihre tatsächliche Verwendung in den Ziergärten. Gartenhandbücher von Columella oder Cato konzentrieren sich auf den gewerbsmäßigen Anbau. Plinius vermerkt in den Briefen zwar Rosenbeete für den Garten in Tusculum und weiß, dass Rosen Sonne für ein gesundes Wachstum benötigen. Wie seine Rosenbeete aussahen und wie wir uns die Rosenkultur in einem Ziergarten vorstellen können, verrät der Autor allerdings nicht. Wandmalereien zeigen nur einzelne Rosenstöcke vor größeren Sträuchern und Bäumen; als Beleg für eine tatsächliche Gartenpflanzung können sie wohl nicht gelten. Immerhin wird auf einem Bild im Haus des goldenen Armreifs die Rose von einer Wuchshilfe begleitet, was auf die besondere gärtnerische Betreuung der Rosen schließen lässt.

Ein Raum im Haus der Vettier – ein oecus, der dem Empfang von Gästen diente – ist mit einer kunstvoll gestalteten Scheinarchitektur bemalt, an der rote Kletterrosen ranken. Offenbar kannten die Römer neben den kompakt wachsenden Sträuchern bereits rankende Formen. In den Gartenrekonstruktionen der archäologischen Parks in Fishbourne oder in Borg finden wir ebenfalls mit Rosen bewachsene Laubengänge und Pergolen. In Borg schmücken Rosenhecken auch das Wasserbecken vor dem Villengebäude und den prächtigen Rosengarten hinter dem Haus. Mit den Hochstammrosen, dem Springbrunnen in der Mitte und den kunstvoll geschnittenen Hecken erinnert der Rosengarten von Borg jedoch eher an einen Renaissance-Garten und darf nach heutigem Kenntnisstand wohl als sehr freie Adaption römischen Gartenwissens gelten.