Kapitel 11
D
rew platzte in den Pausenraum und sein schlagartiges Eintreten ließ diejenigen, die ihren Kaffee bereits getrunken hatten, aufspringen. Die anderen schauten missmutig drein. »Alles klar, Leute. Zieht eure Stiefel an und geht zum Wagen. Wir haben eine Bombendrohung.«
»Scheiße, ja!« Hernandez stieß ihre Faust in die Luft.
Kristen hatte ein paar Tage lang ein ziemlich intensives Training absolviert und Jonesy war jede Nacht erschienen, um ihr zu helfen. Das wäre ihr erster Kontakt mit einem Kriminellen, seit auf sie geschossen wurde.
»Wem gilt die Drohung?«, fragte der dünne Sergeant. Er hatte seinen Kaffee noch nicht getrunken. »Weil es wäre hilfreich, darüber nachzudenken, wie dringend das SWAT-Team gebraucht wird.«
»Ein Lohnauszahlungsschalter. Es wurde ein Hotrod in der Nähe gesehen, also denken wir, dass es wieder die Breaks sein könnten, auch wenn dieser Scheiß nicht zu ihrem üblichen Tätigkeitsfeld passt. Warum stehst du noch? Wenn du noch Kaffee brauchst, trink ihn schwarz und steig in den verdammten Van. Wenn du in 90 Sekunden nicht auf Touren bist, ersetze ich alles in diesem Raum durch koffeinfreien Kaffee. Und jetzt beweg dich.« Der Ton des Teamleiters ließ keinen Zweifel mehr zu.
Alle fügten sich hastig. Jonesy trank seinen Kaffee während Hernandez und Keith auf dem Weg nach draußen an ihm vorbeirannten. Kristen nahm an, dass Beanpole und Butters bereits draußen waren.
Sie stand schnell auf und wandte sich der Tür zu.
»Nicht du, Hall. Du bleibst hier.«
»Was? Das gibt’s doch nicht! Ich habe trainiert.«
»Nicht mit Bomben, noch nicht. Wir brauchen dich nicht. Außerdem wurdest du vor weniger als einer Woche angeschossen. Ich bin sicher, du bist immer noch höllisch wund. Es ist besser für dich, wenn du hier wartest.«
»Mir geht’s gut, meine blauen Flecken sind alle verheilt, schau.« Sie riss den Kragen ihres Hemdes nach unten, um ihm zu zeigen, dass sie keine blauen Flecken mehr hatte.
Er hob eine Hand, damit er die Haut unter ihrem Hals nicht sehen konnte. »Herrgott, Hall, lass dein Shirt an. Du hast Hausarrest. Diskussion beendet.«
»Ich kann aber helfen.«
Jonesy ging an ihr vorbei. »Willst du wirklich helfen, Red? Mach uns ein verdammt schönes Mittagessen. Zu sehen, wie Hernandez die Bomben entschärft, macht mich immer hungrig.«
Für Kristen fühlten sich die Worte an wie eine Ohrfeige. Sie dachte ursprünglich, Jonesy wäre hinter ihr und warf ihm einen nachtragenden Blick zu. Er ging aber an ihr vorbei und sah ihr direkt in die Augen. Mit dem Mund formte er die Worte, noch nicht. Warte einfach.
Sie war sauer, weil sie hart trainiert hatte, aber wenn er dachte, sie solle warten, konnte sie dieses Mal aussetzen. Drew hatte immerhin recht. Sie wusste nichts über Bomben.
Also, sosehr sie sich auch aufregte, sie sah ihnen beim Gehen zu. Befehle sind Befehle, sagte sie sich, aber das gab ihr zu denken.
Jonesy hatte ihr gesagt, sie solle das Mittagessen vorbereiten. Was, wenn sie das berühmte Hühnchen Cacciatore ihrer Mutter als Überraschung machen würde?
Als Erstes stellte sie ihr Funkgerät auf die Frequenz ihres Teams ein – sie musste sich vergewissern, dass es ihnen gut ging – bevor sie ihren Kopf in das Büro des Captains steckte.
»Captain Hansen, ist es in Ordnung, wenn ich für alle das Mittagessen mache?«
Die Frau machte sich nicht die Mühe von dem, was auch immer ihre Aufmerksamkeit hatte, überhaupt aufzuschauen. »Was immer du willst, Hall. Solange dein Papierkram auf dem neuesten Stand ist und du den Laden nicht abfackelst, ist mir das egal.«
Das, so entschied Kristen, könnte als Vertrauensbeweis gewertet werden. Wenn der Captain darüber besorgt gewesen wäre, dass ihr neuer Rekrut nicht wusste, was er tat, hätte sie ihr sicherlich eine Aufgabe zugewiesen oder etwas zu lernen gegeben - oder sie hoffte immer noch, dass sie einfach verschwinden würde. Sie versuchte, nicht zu viel über diese Möglichkeit nachzudenken.
Stattdessen eilte sie in den Laden, kaufte das Hühnchen, die Nudeln und die Zutaten für die Soße und machte sich an die Arbeit.
Als sie die Zwiebeln, den Knoblauch, den Sellerie und die Rüben für die Soße hackte – ihre Mutter hat dafür Rüben verwendet, oder? Sie konnte sich nicht mehr erinnern – hörte sie ihrem Team über Funk zu.
Bis sie den Lohnschalter erreicht hatten, war jedes Anzeichen dafür, dass ein Hotrod herumgefahren war, längst verschwunden. Das Team richtete eine Absperrung ein und Drew sagte Butters und Beanpole, dass sie die Augen nach dem Fahrzeug offenhalten sollten, aber keiner von ihnen fand das gemeldete Fahrzeug.
Hernandez machte schnell ihre Arbeit an der Bombe und beschimpfte denjenigen, der ihr über Funk Anweisungen gegeben hatte. Obwohl sie, nachdem sie die Bombe entschärft hatte, zugeben musste, dass sie genug Sprengstoff enthalten hatte, einen ganzen Wohnblock dem Erdboden gleichzumachen. Drew war sauer deshalb und stürzte sich auf sie, weil sie ihr Leben riskiert hatte, anstatt das Bombenkommando damit zu beauftragen. Sie behauptete einfach weiter, dass die Konstruktion so schlecht zusammengebaut gewesen sei, dass sie wahrscheinlich nicht gezündet hätte, auch wenn sie sie nicht entschärft hätte. Ohne weitere Spuren zu verfolgen und ohne Anzeichen von den Kriminellen fuhr das Team zurück zum Revier.
Es würde knapp werden, aber sie hatte dennoch genug Zeit, das Essen fertigzumachen.
Sie nahm das Hühnchen aus dem Ofen. Es war etwas... dunkler, als wenn es ihre Mutter zubereitet hätte, aber es war nur ein paar Minuten im Ofen gewesen, also verbrannt konnte es nicht sein.
Als Nächstes kochte sie die Nudeln, war aber von der Soße abgelenkt – die Balance der Gewürze war nicht perfekt hinzubekommen – und als sie sich wieder den Nudeln zuwandte, waren die bereits mehr als al dente
gekocht. Nun, al dente
war lediglich eine seltsame Vorliebe ihrer Mutter. Sie fand, dass das Essen gut roch und das war es, was wirklich zählte.
Als ihr Team zurückkam, hatte sie das Essen schon auf dem Tisch. Eine panierte Hühnerbrust auf einem Bett aus Nudeln und frisch zubereiteter Soße erwartete jedes Mitglied ihres Teams.
»Der Parmesankäse.« Sie erinnerte sich an das letzte Detail und streute ihn hastig über alle Teller, als sie die Leute den Flur herunterkommen hörte.
»Ist hier drin jemand gestorben?« Hernandez betrat den Pausenraum und rümpfte die Nase wegen des Geruchs.
»Nein, ha-ha«, meinte Kristen lächelnd. »Ich habe das Mittagessen vorbereitet. Das berühmte Hühnchen Cacciatore – ein Rezept meiner Mutter.«
»Geschwärztes Huhn, was?« Butters schob sich bei der Erwähnung von Essen an Hernandez vorbei. »Normalerweise finde ich das bei Wels und so besser, aber ich probiere alles einmal aus, vor allem, wenn es ein Familienrezept ist.« Er setzte sich an den Tisch und betrachtete seinen Teller.
»Gut, dass wir nicht bei diesem Diner gehalten haben, was, Jonesy?« Keith nickte dem Sergeant zu.
»Was zum Teufel auch immer, Frischling. Lass uns einen Eindruck von Reds kulinarischen Fähigkeiten bekommen, bevor wir Louie’s beleidigen. Dort gibt es das beste Corned Beef in der ganzen Stadt, das sage ich euch.« Jonesy setzte sich und untersuchte argwöhnisch seinen Teller.
Beanpole und Drew nahmen kommentarlos Platz, Beanpole wollte Nudeln aufgabeln und hob eine Augenbraue. Kristen bemerkte, dass sie die Nudeln wohl ein wenig zu lange gekocht hatte, denn selbst sie wusste, dass sie nicht so auseinander fallen sollten.
»Wie sieht es mit unserer Krankenversicherung aus?«, fragte Hernandez, als sie sich endlich setzte.
»Die ist in Ordnung, warum?«, fragte ihr Anführer.
»Ja, wenn mir von der komischen Kocherei dieser weißen Schlampe schlecht wird, will ich sicher sein, dass ich abgesichert bin.«
Kristen zwang sich ein Lächeln auf. Die Frau hatte noch nicht einmal probiert.
Butters versuchte eine Gabel mit Nudeln zu füllen, hatte aber ein wenig Schwierigkeiten. Das war aber wirklich übertrieben. Sie hatte das Malheur selbst schon bemerkt, aber trotzdem sollte es gut schmecken und darauf kam es an.
»Mmm...«, kaute der runde Mann. »Weißt du, ich glaube, Nudelsoße mit Chilipulver und Zimt hatte ich noch nie.«
Jonesy lachte brüllend. »Das ist das Schlimmste, was er je über etwas Essbares gesagt hat.«
»Es ist nicht so schlimm...« Beanpole hatte einen Bissen von dem Huhn genommen. »Obwohl, wie du es geschafft hast, das Schweinefleisch außen zu verbrennen und es in der Mitte kühl zu lassen, ist ähm... beeindruckend.«
»Sie sagte, es sei Huhn, kein Schwein«, warf Keith ein.
Beanpole spuckte sein Essen aus. »Ahhh ja... das erklärt die Farbe!«
»Drew, ich glaube, ihre Kochkünste sind viel gefährlicher, als wenn wir sie auf eine verdammte Mission mitnehmen.« Jonesy lachte wieder. Er machte keinen einzigen Versuch, sein Essen zu probieren.
»Aber im Ernst.« Hernandez nickte. »Ich habe genug Sprengstoff entschärft, um die Brücke von hier nach Kanada zu Fall zu bringen, aber es gibt keine verdammte Möglichkeit, diesen Teller hier sicher zu machen.«
»Okay, okay, sei nachsichtig mit ihr«, sagte Drew. Kristen lächelte. Wenigstens einer mochte ihre Kochkunst. »Das Huhn muss verdorben sein oder so.«
Kristen entglitten die Gesichtszüge. Sie hatte es gerade erst gekauft.
»Wer ist dafür, zu Louie’s zu gehen?« Jonesy hob seine Hand.
Auch der Rest des Teams verhielt sich wie Drittklässler, die darüber abstimmten, wer Pudding lieber mag als Rosenkohl.
Alle standen auf und gingen zur Tür. Sie versuchte, ihre Schultern nicht hängen zu lassen, aber sie war niedergeschlagen. Es schien der ultimative Misserfolg zu sein, dass sie nicht einmal ein Mittagessen für ihr Team zubereiten konnte. Sie würden sie niemals akzeptieren. Nun, zumindest konnte sie aufräumen. Das war der Job, den sie auch bei ihrer Mutter immer erledigen durfte.
Sie räumte die Teller ab, warf das Hühnchen Cacciatore in den Müll und begann mit dem Geschirr.
»Hey, was machst du da?«, fragte Drew. Alle anderen hatten den Raum bereits verlassen.
»Aufräumen.« Sie versuchte, ihre schlechte Laune nicht durchscheinen zu lassen, aber sie war sich sicher, dass sie auch dabei versagt hatte.
»Um all das kümmerst du dich später. Das Team geht zum Mittagessen.«
»Du meinst... ich auch?«
»Ja, natürlich. Du gehörst doch zum Team, oder?«
Kristen ging mit einem so breiten Lächeln zum Mittagessen, dass sowohl Hernandez als auch Jonesy sich genötigt sahen, sie während des Essens öfter als sonst zu beleidigen.