Kapitel 3

Das Fragment eines dunklen Geheimnisses

Bennie Halorens Anwesen lag nicht weit entfernt von dem der Levys. Schon im Wagen mit seinem persönlichen Fahrer hatte er Noah und mir ein Glas mit Whiskey auf Eis in die Hände gedrückt und begonnen, Noah sein Leid über den Verlust seiner Schwester zu klagen. Ich war froh, dass er mich in Ruhe ließ, weil ich mich so von Shane über die neusten Ereignisse und Zahlen des Falls updaten lassen konnte.

Das Gebäude, in dem der Gründer von The Cell lebte, wirkte ähnlich wie das der Levys und doch ganz anders. Jede Ecke, jeder Winkel war bepflanzt oder mit Topfpflanzen zugestellt, sodass ich in der Einfahrt, in den Gängen und sogar in dem großen Saal, in den wir traten, das Gefühl hatte, mich durch einen gewaltigen überdachten Garten zu bewegen.

Das Grün hier war natürlicher als das auf dem Anwesen von Noahs Eltern. Es war wilder und nicht auf Eleganz ausgelegt. Es erzählte mehr eine Geschichte, als dass es ein Design-Element war.

Das Summen von Bienen unter großen Bäumen in der Mitte der Halle empfing mich mit seinem warmen Klang. Laternen, die an den Ästen und Zweigen befestigt waren, spendeten das einzige Licht in dem Zimmer. Sie verbreiteten eine so heimische Stimmung, dass ich fast Neid empfand.

»Passt gar nicht zu dir«, kommentierte Julien. Ich wollte etwas Bissiges erwidern, doch dann ereilte mich so ein eigenartiges Gefühl, dass ich ihn ignorierte.

Es war dieses Haus. Es kam mir so bekannt vor. War ich schon einmal hier gewesen oder hatte mich in jemanden geloggt, der sich hier befunden hatte? Vielleicht lag es am Alkohol, aber … ich war mir so sicher. Alles hier fühlte sich so vertraut an, als wäre ich selbst bereits durch diese Korridore und Räume gewandert.

»Geht es dir gut?«, wollte Noah wissen, und wir folgten Haloren langsam durch die Halle mit den rankenden Pflanzen, hinein in einen kleineren Raum mit mehreren wuchtigen Holzmöbeln und Teppichen, die mit ihren Mustern beinahe antik wirkten. Ein Arbeitszimmer.

Bennie ging um seinen Schreibtisch herum und ließ sich auf dem großen Ohrensessel dahinter nieder. Noah setzte sich schweigend auf einen der Holzstühle ihm gegenüber, und ich tat es ihm gleich.

»Der Verlust Ihrer Schwester tut mir leid«, wiederholte Haloren und schwenkte das Getränk in seiner Hand, das uns seine Mitarbeiter in der Eingangshalle überreicht hatten. »Es brach mir das Herz. Viele Mitglieder der Organisation mussten an diesem Tag ihr Leben lassen.«

Er wusste also von dem Hive-Mord. Natürlich. Ein mächtiger Mann wie er war eingeweiht.

»Ich bedauere den Tod aller Menschen, die bei dem Vorfall starben«, erwiderte Noah. »Egal, welcher Organisation sie angehört haben.«

Fast hätte ich meine Augenbrauen anerkennend hochgezogen, um Noah zu dieser schlagfertigen Antwort zu gratulieren. Das hatte ich gar nicht von ihm erwartet.

»Selbstverständlich«, erwiderte Haloren nickend und nahm einen Schluck seines Whiskeys. Die Eiswürfel klimperten. »Und ich hoffe, dass die Polizei bald herausfinden wird, was dahintersteckt. Dann können wir vielleicht wieder zu unserem Alltag zurückkehren.«

Während Shane mir immer wieder die neuesten Zahlen des letzten Hive-Todes zuschickte, warf ich einen Blick in Halorens Gedanken. Ich schaute in mein Glas, während ich durch Bilder von Versammlungen, Reden und prächtigen Anwesen stöberte.

»Haben Sie eine Vermutung?«, fragte ich frei heraus. Wenn er an die Antwort dachte, würde eventuell etwas in seinem Kopf auftauchen, mit dem ich arbeiten könnte.

»Nun …« Er dachte darüber nach, doch ich konnte kein eindeutiges Bild ausmachen. Keine Handlung, keinen Dialog, der darauf hindeutete, dass er etwas damit zu tun hatte. Das bedeutete nicht, dass er unschuldig war. Verbrechen solcher Art waren komplex, und viele Menschen gut darin, die eigene Schuld vor sich selbst zu verbergen. Das klarste Gefühl, das sich in ihm abzeichnete, war eine ehrliche Form von Bedauern und … war da ein Schuldgefühl? »Ich denke«, setzte er erst nach einigen Momenten erneut an, »dass die Anzahl der Anhänger von The Cell, die bei dem Mord umkamen, überraschend hoch war.«

»Sie meinen, dass ein Industrieller etwas damit zu tun haben könnte?« Seine Begründung schien scheinheilig, immerhin waren genauso viele Industrielle in diesem ersten Hive gewesen.

Das Lächeln, das er als Nächstes aufsetzte, beendete das Gespräch. »Das war eigentlich nicht das, worüber ich reden wollte«, sagte er freundlich und bestimmt. »Wie war gleich Ihr Name?«

»Atlas Lawson«, stellte ich mich vor. »Ich bin kein Mitglied.«

»Das ist schade. Denken Sie mal darüber nach.«

»Eventuell«, erwiderte ich ebenso freundlich, »wenn Sie aufhören, meinen derzeitigen Arbeitsplatz zu blockieren, und ich wieder Geld verdienen kann.«

»Dryden?«

»Hypermind.«

Ich spürte, wie Noah zu mir herüberschaute. Jetzt wusste er, wo ich arbeitete.

»Ich habe mit der derzeitigen Gewaltbereitschaft der Demonstranten nichts zu tun«, erklärte Haloren. »Wir haben eine Vorstandsbesprechung für morgen angesetzt, um uns über die Deeskalation der Lage zu unterhalten. Ich hoffe, dass Sie bald wieder zur Arbeit können.«

Das entsprach nicht der Wahrheit. Innerlich freute er sich darüber, dass die Mitglieder seines Unternehmens die Welt derartig unter Kontrolle hielten.

»Ich auch«, log ich ebenso mit einem süßen Lächeln.

»Worüber ich allerdings sprechen wollte, war Ihre Involvierung bei The Cell«, sagte Haloren an Noah gewandt, faltete die Hände auf dem Tisch zusammen und schaute ihn durchdringend an. »Ihre Familie ist ein großzügiger Sponsor. Als ein so prominentes Mitglied unserer Gesellschaft würden wir von The Cell es begrüßen, wenn wir Sie ebenfalls auf unseren öffentlichen Veranstaltungen empfangen dürften.«

»Finden Sie es wirklich angebracht, mit ihm am Beerdigungstag seiner Schwester darüber zu reden?«, warf ich ein, bevor Noah etwas erwidern konnte. Wieder schaute er mich fragend an. Haloren zog gekonnt eine Augenbraue hoch.

Ah, ich nervte ihn, ich erkannte es in seinen Gedanken. Warum gefiel mir das so?

Egal, was es war, ich genoss den beherrschten Gesichtsausdruck, den er aufsetzen musste, als er antwortete. »Nein, ich finde den Zeitpunkt sogar überaus passend. Sara war ein herausragend intelligenter Mensch und wusste genau, was The Cell bezweckt und wofür wir stehen. Ohne die Spenden der Organisationen, die wir monatlich erzwingen, wie die Öffentlichkeit behauptet, hätten wir die Biotope im Orbit niemals bauen können. Dort gelingt es uns, Tausende von Spezies zu retten und neue Lebensräume zu erschaffen. Sogar einige Bienenarten konnten wir vor dem endgültigen Aussterben bewahren. Unsere Methoden mögen angezweifelt werden, doch sie funktionieren. Und das tun sie vor allem, weil engagierte, in der Öffentlichkeit stehende Menschen wie Sara uns dabei unterstützen, unsere Reichweite auszubauen.«

Ich wollte einwerfen, dass die gehackten Anzeigen und die schreienden Menschen in den gelben Jumpsuits aktuell recht viel Reichweite generierten. Aber ich sollte Noah wohl mal zu Wort kommen lassen.

»Ich verstehe, was Sie für die Welt tun«, entgegnete dieser ruhig, in sehr diplomatischem Tonfall. »Ich setze mich für die Rettung der Natur ein und engagiere mich in anderen Organisationen. Ich denke nur nicht, dass Gewalt anzudrohen oder zu verüben der richtige Weg ist.«

Wie offen er mit seiner Überzeugung umging. Dabei wirkte er so fragil, fast schüchtern, als er die Worte aussprach. Als fürchtete er einen Rückschlag.

Haloren presste die Lippen aufeinander. »Ich bin ebenfalls kein Fan von Gewalt, glauben Sie mir. Wir verurteilen Aktionen schwer, bei denen Tiere oder Menschen zu Schaden kommen.« Aktionen. So nannte er die Anschläge seiner Ökoterroristen also. »In vielen Fällen ist die Androhung von Gewalt allerdings die einzige Sprache, die die Industriekonzerne und Wirtschaftsbosse sprechen. Und es ist eine, die in den letzten dreißig Jahren überraschend viel Gehör bekommen hat.« Seine Gedankenwelt klang deutlich weniger diplomatisch. In Halorens Augen waren Menschen, die sich an die von Staat und Wirtschaft gemachten Regeln hielten, feige Lämmchen.

Noah nickte, obwohl man ihm ansah, dass er nicht vollkommen zustimmte.

»Sie wissen, wie involviert Ihre Schwester in The Cell war«, fuhr Haloren fort. »Um ihretwillen würde ich Ihnen gern ein Angebot machen, wie Sie sich entsprechend Ihren moralischen Standards einbringen könnten.«

»Das ist wirklich sehr freundlich, ich fürchte nur, dass …«

»Hören Sie sich bitte erst an, was ich zu sagen habe«, warf Haloren dazwischen.

Ich runzelte die Stirn. »Ich bin müde. Wir sollten gehen«, warf ich an Noah gewandt ein, um ihm zu helfen, aus dieser Situation zu entkommen. Aus Halorens Kopf konnte ich nicht viel lesen, und das war der einzige Grund für uns gewesen, herzukommen.

Bevor Noah antworten konnte, funkelte mich der Vorsitzende herausfordernd an. Wie viel dieser Mann über seine Augen kommunizierte. Das Lächeln auf seinen Lippen war nicht erloschen, doch sein Blick war feurig, sodass selbst ich verstand.

»Sie müssen sich nicht mit den Details langweilen, Miss Lawson. Wenn Sie draußen in der Halle warten wollen, können Sie sich gern in einen der Sessel setzen und entspannen.«

Das war kein Vorschlag, sondern eine Aufforderung. Ich erkannte in seinen Gedanken, wie sehr ich ihn aufregte. Himmel, der Kerl kochte innerlich. Er schien jedoch tatsächlich nur über Noahs Position in seiner Organisation sprechen zu wollen, deswegen konnte ich die beiden wohl allein lassen.

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen erhob ich mich von meinem Stuhl. »Das ist ein freundliches Angebot«, sagte ich mit der süßesten Stimme. Ich legte Noah die Hand auf die Schulter. »Ich warte dann draußen auf dich, Schatz«, säuselte ich. Vielleicht würde ich bei einem kleinen Streifzug ja etwas Spannendes entdecken. »Halten Sie ihn aber nicht so lange auf, ja?« Ich zwinkerte Haloren zu, dann ging ich langsam, mein Glas mit den klimpernden Eiswürfeln in der Hand, nach draußen.

»Du übertreibst es«, murrte Julien über unseren Kanal, und ich schmunzelte in mich hinein. Shane brach unsere Verbindung ab, sobald ich den Raum verließ. Vermutlich war es ihm von hier an nicht mehr spannend genug.

Das Summen der Bienen erfüllte die gesamte Vorhalle. Einige von ihnen kamen auf mich zugeflogen, um neugierig mein Glas zu untersuchen. »Ich denke nicht, dass euch das schmeckt«, murmelte ich, zog das Glas näher an meine Brust und trat in die Halle hinein, auf die Bänke unter den Bäumen zu.

Nachdem ich mich gesetzt hatte, nahm ich Augenkontakt zu dem Bediensteten auf, der mir am nächsten stand. An seinem Anzug prangte die Bienenbrosche, die ihn als öffentlichen Anhänger von The Cell auswies.

Der Mann lächelte, als ich mich in sein Gehirn hackte. Er arbeitete noch nicht lange hier, und die meisten Gespräche, die er geführt hatte, waren im Zuge der Einarbeitung gewesen.

Ich sprang weiter zum nächsten Bediensteten, zum übernächsten und zu dem danach, aber nichts Spannendes war zu sehen. Gleichzeitig hielt ich mich davon ab, Kontakt zu Noah aufzunehmen, um bei dem Gespräch, das er führen musste, zuzuhören. Ich würde es später auslesen können, wenn ich wollte.

Unter den Blättern des Baumes fühlte ich mich fast wie in einem Zuhause, das ich nie gehabt hatte.

Vielleicht sollte ich darüber nachdenken, mich in die Oberschicht einzuschleichen. Mit meinen Fähigkeiten wäre das kein Problem.

Ich nahm einen Schluck von meinem Drink, als ein Mann, der über die große Doppeltür in die Halle trat, meine Aufmerksamkeit erregte. Seine Uniform wirkte aufwendiger als die der anderen. Das Abzeichen, das er auf der Brust trug – das Logo der Gesellschaft groß und gelb auf dem schwarzen Anzug – deutete darauf hin, was mir ein Scan seines ADICs verriet: Er war der Manager des Personals auf diesem Anwesen.

Ich schlug die Beine übereinander und wendete mich ab, damit er meine forschenden Blicke nicht bemerkte.

Das würde spannend werden.

In seinem Kopf sah es bereits im ersten Moment überaus sortiert aus. Was für ein organisierter Mensch. Es tat beinahe gut, sich in den klaren Strukturen seiner Gedanken zu verlieren. Im Gegensatz zu der Müllhalde, die viele mit sich herumschleppten, wirkte sogar sein Gehirn wie ein geordnetes Haus.

Er verließ die Halle in einen Nebenraum. Den Blick auf die Laternen über mir gerichtet, durchsuchte ich die Gespräche, die er in den letzten Tagen geführt und verfolgt hatte.

Viele wichtige Menschen kamen und gingen auf dem Haloren-Anwesen. Jason Levy, Noahs Vater und Gründer von Levy-Industries, war öfter hier. Außerdem fand ich einige Erinnerungen an Besuche von Anaya Langhari, der Präsidentin von Dryden, dem Androiden-Hersteller. Am häufigsten sah ich allerdings … das war interessant.

Der Manager des Anwesens hatte scheinbar viele Empfänge von Boston Everick vorbereitet, dem Vorsitzenden von Hypermind. Obwohl er der Gründer der Firma war, für die ich arbeitete, hatte ich den Mann nie persönlich getroffen. Hier ging er offenbar ein und aus wie ein alter Freund.

Viel war nicht über ihn bekannt. Nur, dass er das Unternehmen bereits in jungen Jahren, nach dem Tod seiner Mutter, Blaire Everick, übernommen hatte.

Hypermind war eines der ersten Unternehmen gewesen, die sich dazu entschieden hatten, in großem Stil an The Cell zu spenden, damit die Aktivisten die Fabriken und Firmengebäude in Ruhe ließen. Umso kritischer war nun verständlicherweise der Zustand, dass die Umweltschützer die gesamte Hypermind-Zentrale lahmgelegt hatten. Darum war es in den letzten Meetings gegangen.

Ich beobachtete etliche Besprechungen in großem und kleinem Rahmen. Von dem, was ich überfliegen konnte, wirkten sämtliche Gespräche und Verhandlungen deeskalativ, freundlich und wenig geheimniskrämerisch. Der ältere Herr hatte nicht allen Meetings mit Everick beigewohnt, aber die könnte ich später in Halorens Gehirn untersuchen.

Ich presste die Lippen zusammen, fast unzufrieden darüber, wie geregelt und freundlich der Alltag hier abzulaufen schien. Dabei musste es eine Spur geben! Eine kleine wenigstens.

Während ich tiefer grub, flammte der Schmerz hinter meiner Stirn langsam wieder auf. Verdammt, ich durfte das System nicht so überlasten. Die Kette, an dem der kleine Supercomputer angebracht war, der einen Teil der Rechenleistung meines ADICs übernahm, wurde schon warm.

Ich ließ die Spur mit Everick wieder los und suchte stattdessen nach Gedanken und Situationen, die dem Bediensteten in den letzten Tagen und Wochen eigenartig vorgekommen waren. Ich sollte meine Untersuchungen auf später verschieben, um mein ADIC abkühlen zu lassen, aber scheiße, tatsächlich! Da war etwas, das herausstach!

Ich musste einiges an Konzentration aufwenden, um die Szene abzurufen, weil sie zwei Wochen zurücklag und die Erinnerung bereits verschwamm.

Und da war er wieder: Boston Everick. Dieses Mal nicht in einem Meeting am Konferenztisch, zusammen mit vielen Männern und Frauen in feiner Kleidung. Er stand auf dem Balkon eines der oberen Stockwerke, ein Glas Wein in der Hand, das der Hausverwalter ihm zuvor gebracht hatte, den Blick auf die Gartenanlagen von Haloren gerichtet. Der Manager war damit beschäftigt, einige Vermerke in ein Notizheft im Zimmer davor einzutragen, weswegen er beobachten konnte, wie einer der Bediensteten des Anwesens – sich scheinbar unbeobachtet fühlend – zu Everick auf den Balkon schlich und sich neben ihn stellte.

Der Bedienstete war ein junger Mann, sicherlich nicht mehr als dreißig Jahre alt.

»Schön, dass Sie gekommen sind«, sagte er zu Everick. Der Geschäftsmann antwortete nicht. »Ich habe, worum Sie mich gebeten haben.« Er schob ihm etwas über das Geländer zu, das der Hausverwalter nicht erkannte.

Verdammte Scheiße! Die Chance, dass das etwas mit den Morden zu tun hatte, war gering, aber selbst wenn nicht, steckte sicher eine faszinierende Geschichte dahinter.

Ich durchsuchte das Gehirn des Hausverwalters nach dem Namen des Bediensteten. Er kannte ihn allerdings nicht. Zumindest erinnerte er sich nicht genau an ihn.

Ich speicherte ein Bild seines Gesichts ab und schickte es Julien zur Überprüfung.

Als ich wieder aus den Gedanken des Mannes auftauchte, hatte sich der Schmerz bereits durch meinen ganzen Kopf gefressen und wand sich darin wie eine Schlange. Scheiße.

ADICs waren nicht dafür ausgelegt, so enorme Datenströme zu verarbeiten, wie ich es jeden Tag tat. Ich hatte es übertrieben, und jetzt wurde es mir hundertfach zurückgezahlt.

Manchmal vergaß ich, dass es Einschränkungen gab. Ich vergaß es viel zu oft.

Ich stellte meinen Drink beiseite und lehnte mich nach vorn, um den marmorierten Boden anzustarren und tief durchzuatmen. Mir war übel, und es forderte meine volle Konzentration, die schleichende Schwärze vor meinen Augen zu vertreiben. Ich brach die Verbindung zu Julien ab, um nicht noch mehr Kapazität zu verbrauchen. Fast konnte ich seinen vorwurfsvollen Ton hören.

Ich wusste nicht, wie lange ich dort gesessen und einfach nur geatmet hatte, bis sich die Tür zu dem Besprechungsraum öffnete und Noah endlich heraustrat. Er wirkte erschöpft, aber Haloren schaute unzufrieden drein, also hatte er es wohl nicht geschafft, ihn zu brechen.

Noch bevor ich aufstehen konnte, hechtete Noah auf mich zu.

»Atlas«, rief er, beugte sich zu mir herab und legte eine Hand sacht auf meinen Rücken. »Geht es dir gut?«

Ich nickte, presste die Lippen zusammen und richtete mich langsam auf. »Alles gut. Es war nur ein anstrengender Tag.«

»Du bist kreidebleich!« Noahs Gesichtsausdruck verriet, dass er wusste, dass mehr dahintersteckte.

»Ich kann einen Sanitäter kommen lassen«, bot Haloren rasch an und kam ebenfalls auf uns zu. Er wirkte ehrlich besorgt. Verwunderlich, nach der stillen Auseinandersetzung, die wir beide geführt hatten.

»Danke. Ich glaube, ich muss mich nur hinlegen.«

»Na gut«, sagte Haloren.

Noah ließ seine Hand sacht auf meinem Rücken ruhen, als er mich nach draußen begleitete.