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Die Fahrt zurück nach Virginia dauert sechs Stunden, den größten Teil davon verschlafe ich. Als wir auf dem Schulparkplatz eintreffen, ist es bereits dunkel. Dads Wagen steht ganz vorn. Wir haben inzwischen fast alle eigene Autos und fahren uns schon seit Ewigkeiten selbst durch die Gegend, aber auf den Schulparkplatz einzubiegen und die vielen Eltern zu sehen, die dort auf uns warten, fühlt sich an wie in der Grundschule, wenn wir von einem Ausflug zurückgekommen sind. Irgendwie schön. Auf dem Heimweg holen wir Pizza. Ms. Rothschild kommt vorbei, und wir essen alle zusammen vor dem Fernseher.

Danach packe ich meine Tasche aus, mache Hausaufgaben, telefoniere kurz mit Peter und gehe ins Bett. Doch dann wälze ich mich eine Ewigkeit herum. Vielleicht, weil ich im Bus so viel geschlafen habe oder weil der Brief von der UVA nun jeden Tag kommen kann. Ich finde einfach keinen Schlaf. Schließlich schleiche ich mich nach unten und öffne die Küchenschränke.

Was könnte ich zu dieser nachtschlafenden Zeit backen, ohne ewig darauf warten zu müssen, bis die Butter weich genug ist? Ein Problem, das mich vermutlich mein Leben lang begleiten wird. Ms. Rothschild meint, wir sollten die Butterdose einfach draußen stehen lassen, so wie sie es tut, aber wir sind nun mal keine Butter-draußen-stehen-Lasser. Wir bewahren sie lieber im Kühlschrank auf. Außerdem verändern sich ihre Backeigenschaften, wenn sie zu weich wird, und im heißen Frühling und Sommer von Virginia schmilzt sie richtig schnell.

Vielleicht sollte ich endlich mal diese zimtigen Brownies ausprobieren, die mir schon eine Weile durch den Kopf spuken. Katherine Hepburns Brownie-Rezept plus ein Hauch von Zimt plus ein Zimt-Frischkäse-Topping.

Ich lasse Schokolade im Wasserbad schmelzen und bereue mittlerweile fast, so spät noch mit Backen angefangen zu haben, als auf einmal Dad in die Küche getappt kommt, in dem karierten Morgenmantel, den Margot ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat. »Du kannst wohl auch nicht schlafen?«, meint er.

»Ich probiere ein neues Rezept aus. Zimtige Brownies. Oder sündige Brownies. Ich weiß noch nicht, wie ich es nenne.«

»Hoffentlich kannst du morgen aufstehen, wenn dein Wecker klingelt«, sagt Dad und reibt sich das Genick.

Ich gähne. »Weißt du, ich dachte, du könntest mir vielleicht eine Entschuldigung schreiben. Dann könnte ich ausschlafen und uns morgen ein gemütliches Vater-Tochter-Frühstück machen. Mit einem leckeren Pilz-Omelette.«

Er lacht. »Netter Versuch«, meint er und schiebt mich zur Treppe. »Ich mache deine Zimt-Brownies fertig oder wie auch immer sie heißen. Du gehst ins Bett.«

Ich gähne wieder. »Kann ich mich darauf verlassen, dass du das Frischkäse-Topping in schönen Tupfen draufspritzt?«

Als Dad daraufhin ganz besorgt guckt, beruhige ich ihn: »Keine Angst. Ich mache nur den Teig kurz fertig und backe sie dann morgen.«

»Ich helfe dir«, meint er.

»Ich bin fast so weit.«

»Aber ich mach’s gern.«

»Okay. Kannst du mir eine Vierteltasse Mehl abmessen?«

Dad nickt und holt den Messbecher.

»Das ist der Messbecher für Flüssigkeiten. Für das Mehl brauchen wir den anderen.«

Er geht zurück zum Schrank und tauscht den Becher aus. Ich beobachte, wie er Mehl reinkippt und mit einem Messer die Oberfläche sorgfältig glatt streicht. »Sehr gut.«

»Ich hatte ja auch eine gute Lehrerin«, meint er.

Ich lege den Kopf schief. »Warum bist du eigentlich noch wach, Daddy?«

»Ach. Vermutlich geht mir einfach zu viel durch den Kopf.« Er schließt den Deckel der Mehldose und hält dann inne. Nach kurzem Zögern fragt er: »Was hältst du eigentlich von Trina? Du magst sie doch, oder?«

Ich nehme den Topf mit der geschmolzenen Schokolade vom Herd. »Klar mag ich sie. Sehr sogar. Liebst du sie eigentlich?«

Diesmal zögert Dad kein bisschen. »Ja, ich liebe sie.«

»Na, dann ist ja gut«, meine ich. »Das freut mich.«

Er sieht erleichtert aus. »Gut«, sagt er ebenfalls. Und wiederholt es dann noch einmal. »Gut.«

Es muss ziemlich ernst sein, wenn er mich so etwas fragt. Ich überlege, ob er sie vielleicht bitten will, bei uns einzuziehen. Bevor ich mich danach erkundigen kann, sagt er: »Niemand wird je eure Mutter ersetzen. Das weißt du doch, oder?«

»Natürlich weiß ich das.« Ich lecke den Schokoladenlöffel mit der Zungenspitze ab. Die flüssige Schokolade ist heiß, zu heiß. Es ist schön, dass er wieder jemanden liebt, dass er eine richtige Partnerin gefunden hat. Er war so lange allein, dass es mir schon völlig normal vorkam, aber so ist es besser. Er ist glücklich, das sieht man. Und mittlerweile kann ich mir ein Leben ohne Ms. Rothschild gar nicht mehr vorstellen. »Ich freue mich für dich, Dad.«