Wir beschließen, dass Dad Ms. Rothschild den Heiratsantrag am Samstag beim Wandern machen soll. Daddy hat sich eine Stelle direkt neben einem Wasserfall ausgesucht. Der Plan sieht vor, dass Peter, Kitty und ich uns hinter den Bäumen verstecken und alles filmen und hinterher mit einem romantischen Picknickkorb hervorgesprungen kommen. Dad war etwas nervös wegen der Filmaufnahme, falls Ms. Rothschild nicht Ja sagen sollte, aber Kitty hat gebettelt und gefleht. »Es ist doch für Margot«, hat sie immer wieder gesagt, dabei ist sie einfach nur neugierig, wie so ein Antrag abläuft. Aber mir geht es genauso. Peter ist mit dabei, weil er uns fährt.
Bevor mein Vater morgens aufbricht, um Ms. Rothschild abzuholen, sagt er noch: »Leute, wenn es aussieht, als würde sie nicht Ja sagen, könnt ihr dann bitte aufhören zu filmen?«
Ich wickele gerade Roastbeef-Sandwiches vorsichtig in Wachspapier und schaue auf. »Sie sagt auf jeden Fall Ja.«
»Versprecht mir einfach, dass ihr euch dann leise davonschleicht«, sagt Dad und sieht Kitty mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Alles klar, Dr. Covey.« Peter klatscht ihn ab.
Ich frage: »Hast du den Ring eingesteckt, Dad?«
»Klar!« Dann stutzt er. »Warte, hab ich ihn?« Er klopft seine Taschen ab und öffnet die Innentasche seine Anoraks. »Verdammt, den hab ich vergessen!« Er sprintet nach oben.
Peter und ich sehen uns an. »Ich habe deinen Vater noch nie so aufgeregt erlebt«, sagt er und steckt sich eine Traube in den Mund. »Sonst ist er immer so gelassen und cool.«
Ich schlage Peters Hand von den Trauben weg.
Kitty stibitzt sich ebenfalls eine. »Er ist schon die ganze Woche so.«
Dad kommt mit dem Verlobungsring wieder nach unten geeilt. Kitty und ich haben ihn mit ausgesucht. Es ist ein Diamantring aus Weißgold im Princess-Schliff mit brillantenbesetzter Ringschiene. Ich war für den Princess-Schliff und Kitty für die Ringschiene.
Dad bricht auf, um Ms. Rothschild abzuholen, und ich packe das Essen in den Picknickkorb. Endlich eine Gelegenheit, diesen Korb zu verwenden. Ich habe ihn vor ewigen Zeiten auf dem Flohmarkt gekauft und seitdem kein einziges Mal benutzt. Ich lege eine Flasche Champagner hinein, Weintrauben, einen Riesenberg Sandwiches, ein Stück Brie und Cracker.
»Nimm noch eine Flasche Wasser mit«, meint Peter. »Die beiden werden nach der Wanderung bestimmt ganz ausgetrocknet sein.«
»Und von dem Geheule, wenn sie den Antrag angenommen hat«, sagt Kitty.
»Sollen wir Musik laufen lassen, während er vor ihr kniet?«, schlägt Peter vor.
»Das ist nicht abgesprochen, und Daddy ist sowieso schon nervös genug«, sage ich. »Er darf nicht daran denken, dass wir irgendwo im Gebüsch sitzen und auf den richtigen Moment warten, um die Musik aufzudrehen. Das hemmt ihn nur.«
»Außerdem können wir die Musik nachträglich einfügen«, sagt Kitty. »Wir müssen unbedingt hören, was sie sagen.«
Ich werfe ihr einen strengen Blick zu. »Katherine, das ist kein Film. Das ist das echte Leben.«
Ich verlasse die Küche und gehe ins Bad. Nachdem ich mir die Hände gewaschen und den Wasserhahn wieder zugedreht habe, höre ich Kitty fragen: »Peter, kommst du mich trotzdem noch besuchen, wenn Lara Jean weg ist?«
»Natürlich.«
»Auch, wenn ihr euch trennt?«
Schweigen. »Wir trennen uns nicht.«
»Aber wenn?«, beharrt sie.
»Das wird nicht passieren.«
Sie überhört seine Antwort. »Josh sehen wir nämlich auch nicht mehr, obwohl er gesagt hat, er kommt trotzdem noch vorbei.«
Peter lacht spöttisch. »Soll das ein Witz sein? Denkst du, ich bin wie Sanderson? Ich? Ich spiele in einer völlig anderen Liga als der. Es kränkt mich, dass du überhaupt auf die Idee kommst, uns zu vergleichen.«
Kitty lacht erleichtert, es klingt eher wie ein Seufzen. »Ja, du hast recht.«
»Vertrau mir, Kleine. Du und ich, wir sind doch Kumpels.«
Für diese Worte liebe ich ihn so sehr, dass ich heulen könnte. Er wird sich an meiner Stelle um Kitty kümmern, das weiß ich.
Daddy hat gesagt, sie würden den Wasserfall gegen Mittag erreichen, und wir sollten um Viertel vor zwölf da sein, um unsere Positionen zu beziehen. Auf Kittys Beharren hin fahren wir noch ein bisschen früher los, damit wir auf keinen Fall zu spät kommen.
Wir suchen uns ein Versteck, das weit genug entfernt ist, damit Ms. Rothschild uns nicht entdeckt, und nah genug, um alles zu beobachten. Kitty und ich verstecken uns hinter einem Baum, und Peter sucht mit dem Handy im Anschlag hinter einem weiteren Deckung. Eigentlich wollte Kitty filmen, aber ich habe verfügt, dass Peter das macht. Er wird nicht so gerührt sein wie wir und eine ruhigere Hand haben.
Kurz nach zwölf kommen sie den Weg entlang. Ms. Rothschild kichert über etwas, und Dad lacht roboterartig mit, einen nervösen Ausdruck im Gesicht. Es ist lustig zu sehen, wie die beiden miteinander umgehen, ohne dass Ms. Rothschild ahnt, dass wir sie dabei beobachten. Kitty hat recht, es ist ein bisschen wie im Film. Daddy wirkt viel jünger neben Ms. Rothschild – vielleicht, weil er verliebt ist. Sie gehen zum Wasserfall, und Ms. Rothschild seufzt glücklich. »Es ist so wunderschön hier oben«, sagt sie.
»Ich kann gar nichts hören«, beschwert sich Kitty flüsternd. »Der Wasserfall ist viel zu laut.«
»Schsch. Du bist diejenige, die laut ist.«
»Komm, lass uns ein Foto machen«, sagt Dad und kramt in seiner Anoraktasche.
»Ich dachte, du wärst aus moralischen Gründen gegen Selfies!« Sie lacht. »Warte, erst will ich mir noch kurz die Haare richten.« Sie öffnet ihren Zopf und schüttelt die Haare aus. Dann steckt sie sich etwas in den Mund, ein Hustenbonbon oder einen Kaugummi.
Dad braucht so lange, dass ich schon befürchte, er hätte den Ring oder den Mut verloren, aber dann kniet er sich doch vor sie hin und räuspert sich. Es ist so weit. Ich packe Kittys Hand und drücke sie ganz fest. Ihre Augen leuchten. Mein Herz ist am Zerspringen.
»Trina, ich hätte nie gedacht, dass ich mich noch einmal verlieben würde. Ich dachte, ich hätte meine Chance bereits gehabt, und das hat mir auch nichts ausgemacht, weil ich ja die Mädchen hatte. Ich habe gar nicht gemerkt, dass etwas gefehlt hat. Bis du gekommen bist.«
Ms. Rothschild hat die Hände auf den Mund gelegt, Tränen stehen in ihren Augen.
»Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen, Trina.«
In diesem Moment verschluckt sich Ms. Rothschild an ihrem Bonbon, und Dad springt auf und klopft ihr auf den Rücken. Sie hustet wie verrückt.
Peter flüstert hinter seinem Baum: »Soll ich den Heimlich-Griff bei ihr machen? Ich weiß, wie das geht.«
»Peter, mein Vater ist Arzt«, flüstere ich zurück. »Er hat das unter Kontrolle.«
Nachdem ihr Husten nachgelassen hat, richtet sie sich auf und wischt sich über die Augen. »Warte mal. Wolltest du mich eben fragen, ob ich dich heiraten will?«
»Ich hatte es vor«, sagt Dad. »Geht’s dir gut?«
»Ja!« Sie legt ihre Hände auf die Wangen.
»Ja, es geht dir gut, oder ja, du willst mich heiraten?«, fragt Dad, und das ist nur halb gescherzt.
»Ja, ich will dich heiraten!«, schreit sie.
Dad zieht sie an sich und sie küssen sich.
»Was für ein intimer Moment«, flüstere ich Kitty zu.
»Alles nur Show«, zischt sie zurück.
Dad überreicht Ms. Rothschild das Etui. Ich kann nicht genau hören, was er sagt, aber sie krümmt sich vor Lachen.
»Was hat er gesagt?«, fragt Kitty.
Gleichzeitig meldet sich auch Peter: »Was hat er gesagt?«
»Ich kann nichts hören! Jetzt seid doch endlich mal still! Ihr ruiniert das ganze Video!«
In diesem Moment schaut Ms. Rothschild zu uns hinüber.
Mist.
Wir ziehen uns hastig hinter die Bäume zurück, da höre ich Dads trockene Stimme: »Ihr könnt rauskommen, Leute. Sie hat Ja gesagt!«
Wir rennen hinter den Bäumen hervor. Kitty stürzt sich so wild in Ms. Rothschilds Arme, dass sie zusammen ins Gras fallen. Ms. Rothschilds atemloses Lachen hallt durch den Wald. Ich umarme Dad. Peter spielt weiter den Kameramann und hält auch diesen Augenblick für die Nachwelt fest. Er ist eben einfach ein toller Freund.
»Bist du glücklich?«, frage ich und schaue Dad ins Gesicht.
In seinen Augen glitzern Tränen, er nickt und drückt mich noch fester.
Und schon ist unsere kleine Familie größer geworden.