Es ist der erste Abend seit der Verlobung, an dem wir alle zusammen essen. Dad ist in der Küche und macht einen Salat. Wir Mädchen sitzen im Wohnzimmer. Kitty macht Hausaufgaben, Ms. Rothschild nippt an einem Glas Weißwein. Alle sind entspannt – der perfekte Moment, um endlich das Hochzeitsthema anzusprechen. Ich habe die ganze letzte Woche an einem Moodboard für die Feier gearbeitet: Fotos aus der Verfilmung von Stolz und Vorteil, eine Rosenwand als Hintergrund für den Fotoautomaten, The Virgin Suicides, Blumengestecke in alten Weinflaschen als Anspielung auf die vielen Weingüter in Charlottesville.
Als ich Ms. Rothschild die Bildercollage auf meinem Laptop zeige, guckt sie ein bisschen erschrocken. Sie stellt ihr Weinglas ab und starrt eingehend auf den Monitor. »Das ist wunderschön, Lara Jean. Wirklich zauberhaft. Du musst viel Zeit investiert haben.«
Tatsächlich habe ich Peters Lacrosse-Spiel dafür geschwänzt und einen Filmabend bei Pammy abgesagt. Aber die Hochzeit geht vor. Natürlich sage ich das nicht laut; ich lächele nur froh. »Entspricht das ungefähr euren Vorstellungen?«
»Na ja … um ehrlich zu sein, wollten wir einfach nur zum Standesamt gehen. Es macht mir schon genug Kopfschmerzen, mein Haus zu verkaufen und zu überlegen, wo wir meinen ganzen Kram hier unterbringen.«
Dad kommt mit der hölzernen Salatschüssel in den Händen aus der Küche und bemerkt trocken: »Ach, der Gedanke, mich zu heiraten, bereitet dir Kopfschmerzen?«
Sie verdreht die Augen. »Du weißt genau, wie ich das meine, Dan! Du hast doch auch nicht die Zeit, eine große Hochzeit zu planen.« Sie nimmt einen Schluck Wein und wendet sich an mich. »Dein Vater und ich, wir waren beide schon mal verheiratet, darum hat keiner von uns das Bedürfnis, viel Tamtam darum zu machen. Ich werde einfach ein schönes Kleid aus meinem Fundus anziehen.«
»Aber um eine Hochzeit muss man viel Tamtam machen! Weißt du, wie lange es gedauert hat, bis Dad eine Frau gefunden hat, die seine Kochkünste mag und mit ihm Dokumentarfilme schaut?« Ich schüttele den Kopf. »Ms. Rothschild, du bist ein Wunder. Das muss auf jeden Fall gefeiert werden.« Meinem Vater, der wieder in der Küche verschwunden ist, rufe ich hinterher: »Hast du gehört, Dad? Ms. Rothschild will einfach nur zum Standesamt gehen. Bitte rede ihr diese dumme Idee aus.«
»Bitte hör auf, mich ständig Ms. Rothschild zu nennen. Jetzt, wo ich bald deine böse Stiefmutter bin, könntest du wenigstens Trina zu mir sagen. Oder Tri. Was dir lieber ist.«
»Wie wär’s mit Stiefmutter?«, schlage ich ganz unschuldig vor. »Das wäre mir am liebsten.«
Sie haut nach mir. »Na warte, du freches Gör.«
Kichernd rücke ich von ihr weg. »Noch mal zu eurer Hochzeit – könnte ich vielleicht ein paar alte Hochzeitsfotos von dir sehen? Also, falls dir das nicht unangenehm ist. Ich würde gerne wissen, wie du als Braut ausgesehen hast.«
Ms. Rothschild zieht eine Grimasse. »Ich glaube, das habe ich alles weggeworfen. Vielleicht klebt noch in irgendeinem Album ein Bild davon. Zum Glück habe ich geheiratet, bevor es diese ganzen sozialen Medien gab. Stell dir vor, du lässt dich scheiden und musst überall deine Hochzeitsfotos löschen.«
»Bringt es nicht Unglück, wenn man eine Hochzeit plant und schon über Scheidung redet?«
Sie lacht. »Tja, dann ist unsere Beziehung wohl zum Scheitern verurteilt.« Offenbar schaue ich bei diesen Worten etwas besorgt, denn sie fügt hastig hinzu: »Das war nur ein Witz! Natürlich suche ich dir ein Hochzeitsfoto heraus, wenn du unbedingt willst, aber ich bin ehrlich nicht stolz darauf. Damals waren Smokey Eyes modern, und ich habe es ein bisschen überrieben. Dazu ein schokoladenfarbener Konturenstift und glänzende Lippen, wie es eben üblich war.«
Ich bemühe mich, keine Miene zu verziehen. »Okay, gut. Und dein Kleid?«
»Ein schulterfreies Kleid mit einem Rock im Meerjungfrauen-Stil. Mein Hintern sah fantastisch darin aus!«
»Verstehe.«
»Hör auf, mich so kritisch anzuschauen!«
Dad legt die Hand auf Ms. Rothschilds Schulter. »Und wenn wir hier bei uns zu Hause feiern?«
»Im Garten vielleicht?« Sie überlegt. »Ich glaube, das fände ich schön. Ein kleines Grillfest, nur mit der Familie und ein paar Freunden?«
»Daddy hat keine Freunde«, ruft Kitty mit ihrem Mathebuch auf dem Schoß durch das Wohnzimmer.
Dad sieht sie stirnrunzelnd an. »Ich habe sehr wohl Freunde. Zum Beispiel Dr. Kang aus dem Krankenhaus und Marjorie und Tante D. Aber, ähm, von meiner Seite aus wäre es eher eine kleine Gruppe.«
»Und Nana«, sagt Kitty, worauf Dad und Ms. Rothschild plötzlich beide etwas nervös dreinschauen. Daddys Mutter ist nicht gerade umgänglich.
»Ihr dürft Grandma nicht vergessen«, werfe ich ein.
Grandma und Ms. Rothschild haben sich an Thanksgiving kennengelernt. Daddy hat Trina nicht offiziell als seine Freundin vorgestellt, aber Grandma ist schlau, und ihr entgeht nichts. Sie hat Ms. Rothschild einem strengen Verhör unterzogen: Ob sie auch eigene Kinder hätte, wie lange sie schon geschieden sei und ob sie noch Studienkredite zurückzahlen müsse. Ms. Rothschild schlug sich wacker, und als ich mit Grandma zum Auto gegangen bin, um mich zu verabschieden, sagte sie, Ms. Rothschild sei »nicht übel«. Sie fände zwar, Trina würde sich zu jung anziehen für ihr Alter, aber sie habe viel Energie und eine fröhliche Art.
»Ich habe schon eine große Hochzeit hinter mir«, meint Ms. Rothschild. »Von meiner Seite aus werden auch nicht so viele Leute kommen. Ein paar Freunde aus dem College, meine Kollegin Shelly, meine Schwester Jeanie und meine Freundinnen vom Soul Cycle.«
»Dürfen wir deine Brautjungfern sein?«, fragt Kitty, und Ms. Rothschild lacht.
»Kitty! Sei nicht so aufdringlich.« Trotzdem warte ich gespannt auf Ms. Rothschild Antwort.
»Klar«, meint sie. »Lara Jean, wärst du damit einverstanden?«
»Es wäre mir eine Ehre«, sage ich.
»Dann also ihr drei und meine Freundin Kristen. Sie bringt mich um, wenn ich sie nicht frage.«
Ich klatsche in die Hände. »Nachdem das geklärt ist, können wir ja noch mal über das Kleid reden. Wenn es eine Gartenhochzeit werden soll, sollte dein Kleid auch dazu passen.«
»Solange es lange Ärmel hat, damit man meine Schwabbelarme nicht sieht«, meint sie.
»Ms. Roth… ich meine Trina, du hast doch keine Schwabbelarme«, widerspreche ich. Sie ist wirklich sehr gut in Form von dem vielen Pilates und Soul Cycle.
Kittys Augen leuchten auf. »Was sind Schwabbelarme? Das klingt echt eklig.«
»Komm her, dann zeige ich es dir.« Kitty gehorcht. Ms. Rothschild streckt langsam den Arm aus und … greift in der letzten Sekunde nach Kitty und kitzelt sie. Kitty krümmt sich kichernd und Ms. Rothschild auch.
Atemlos sagt sie: »Eklig? Das wird dir eine Lehre sein, deine böse Stiefmutter eklig zu nennen.«
Dad sieht so glücklich aus wie schon lange nicht mehr.
Später am Abend putzt Kitty sich im Bad die Zähne, und ich reibe mein Gesicht mit einem neuen Peeling aus Walnussschalen und Blaubeeren ein, das ich bei einem koreanischen Internetshop bestellt habe.
»Einmachgläser und Karomuster – aber trotzdem elegant«, sinniere ich.
»Einmachgläser sind voll out«, meint Kitty. »Schau doch mal auf Pinterest nach. Das machen jetzt alle.«
Da hat sie nicht ganz unrecht. »Also, ich werde auf jeden Fall einen Blütenkranz auf dem Kopf tragen. Und es ist mir egal, ob du das altmodisch findest.«
Ohne irgendeine Regung sagt sie: »Du kannst keinen Blütenkranz tragen.«
»Warum nicht?«
Sie spuckt die Zahnpasta aus. »Du bist zu alt. Das ist nur was für kleine Blumenmädchen.«
»Quatsch. Du musst dir das nur richtig vorstellen. Kein Schleierkraut, sondern kleine rosa und pfirsichfarbene Rosen mit viel Grün. So ein ganz helles Grün, weißt du?«
Sie schüttelt entschieden den Kopf. »Wir sind doch keine Waldelfen. Das ist viel zu kitschig. Gogo findet das bestimmt auch.«
Leider habe ich das ungute Gefühl, dass Margot tatsächlich auf ihrer Seite sein wird, und beschließe, die Diskussion vorerst ruhen zu lassen. Heute werde ich sie nicht mehr überzeugen können. »Was die Kleider betrifft, finde ich, dass wir etwas aus dem Secondhandladen tragen sollten. Kein Creme, eher so ein bräunliches Weiß. Vom Schnitt her wie ein altmodisches Nachthemd. Ätherisch – nicht wie eine Elfe, eher wie ein Himmelswesen.«
»Ich trage einen Smoking.«
Ich verschlucke mich fast. »Einen was?«
»Einen Smoking. Und Converse dazu.«
»Nur über meine Leiche.«
Kitty zuckt mit den Schultern.
»Kitty, das ist keine Hochzeit mit Abendgarderobe. Und bei einer Gartenfeier ist ein Smoking total fehl am Platz. Wir drei sollten etwas tragen, das zusammenpasst! Die drei Song-Mädchen!«
»Ich habe es Tri und Daddy schon erzählt, und sie finden es cool, dass ich einen Smoking anziehen will. Also finde dich damit ab.« Sie hat diesen eigensinnigen Blick aufgesetzt, wie immer, wenn sie auf stur schaltet. Wie ein bockiger Stier.
»Dann nimm wenigstens einen Seersucker-Anzug. Es wird viel zu heiß sein für einen Smoking, und Seersucker ist wenigstens schön luftig.« Nachdem ich ihr dieses Zugeständnis gemacht habe, könnte sie mir ruhig auch ein bisschen entgegenkommen. Aber nein.
»Du bist hier nicht die Bestimmerin, Lara Jean. Das ist nicht deine Hochzeit.«
»Das weiß ich!«
»Dann spiel dich nicht so auf.«
Am liebsten würde ich sie an den Schultern packen und schütteln, aber sie springt weg, bevor ich sie erwischen kann. Und ruft mir noch zu: »Kümmere dich lieber um dein eigenes Leben!«