Trina und ich sitzen auf dem Sofa und trinken Tee, während ich ihr Bilder von Blumenarrangements zeige. Daddy kommt zur Haustür herein und fällt neben uns auf das Sofa. »Langer Tag?«, fragt Trina.
»Kann man wohl sagen«, sagt er und schließt die Augen.
»Frage«, sage ich.
»Ja, meine Mittelgeborene?«
»Welches Lied wünscht ihr euch für den Hochzeitstanz?«
Er stöhnt. »Ich bin zu müde, um über so was nachzudenken.«
»Bitte. Es geht um eurer Hochzeit! Reiß dich zusammen, Dad!«
Trina lacht und stupst ihn mit dem Fuß. »Genau, reiß dich zusammen, Dan!«
»Okay, okay. Also, Trina ist großer Shania-Twain-Fan.« Sie grinsen sich an. »Deshalb … wie wäre es mit From this moment on?«
»Ooh«, sagt sie. »Du kennst mich wirklich gut.«
»Shania Twain?«, wiederhole ich. »Ist von ihr nicht Man! I feel like a woman?«
Trina hält sich die Teetasse wie ein Mikrofon vor den Mund und legt den Kopf schief. »From this moment, I will love«, singt sie total falsch.
»Ich glaube, das Lied kenne ich nicht«, erkläre ich möglichst neutral.
»Spiel es ihr auf dem Handy vor«, sagt sie zu Dad.
»Hör es dir erst an, bevor du urteilst.« Er spielt das Lied ab.
Der Song passt überhaupt nicht zu ihm, aber er hat die ganze Zeit ein albernes Lächeln im Gesicht, das noch breiter wird, als Trina den Arm um ihn legt und sich mit ihm zusammen im Takt der Musik wiegt.
»Das Lied ist super«, sage ich, und auf einmal ist mir zum Weinen zumute. Ich räuspere mich. »Also, dann können wir ja die anderen Punkte auf der Liste auch noch abhaken. Ich verhandele gerade mit Tilly’s Treats wegen der Bananendesserts in den Mini-Einmachgläsern, und sie sagen, sieben Dollar pro Stück wären ihr letztes Angebot. Weiter könnten sie uns nicht entgegenkommen.«
Sorgenfalten erscheinen auf Dads Stirn. »Das kommt mir ziemlich teuer vor, oder?«
»Keine Sorge, ich habe noch eine Anfrage bei einer Bäckerei in Richmond laufen, und wenn die Lieferkosten nicht zu hoch sind, wäre das vielleicht auch eine Option.« Ich blättere in meinem Ordner. »Ich musste wegen dem Nachtisch so viel herumtelefonieren, dass ich noch keine Zeit hatte, mich mit der Band zu treffen, die ich kontaktiert habe. Sie spielen am Wochenende in Keswick, vielleicht fahre ich hin und schaue sie mir an.«
Dad mustert mich besorgt. »Liebes, mir kommt es vor, als würdest du dich anstatt mit Backen nun mit unseren Hochzeitsvorbereitungen von deinem Stress ablenken. Ist das nicht alles ein bisschen übertrieben?«
»Die Band ist nicht wirklich eine Band«, erkläre ich hastig. »Es ist ein Sänger und ein Typ mit Gitarre. Es gibt sie noch nicht so lange, und sie sind bestimmt nicht teuer. Ich kann euch mehr sagen, wenn ich sie getroffen habe.«
»Gibt es keine Videos von ihnen?«, fragt Trina.
»Schon, aber das ist nicht das Gleiche, wie sie live zu sehen.«
»Ich finde, wir brauchen keine Band«, meint Dad, nachdem er einen Blick mit Trina gewechselt hat. »Ich finde, es reicht völlig aus, die Musik vom Laptop laufen zu lassen.«
»Aber eine Anlage müssten wir trotzdem mieten.« Ich blättere wieder in meinem Ordner, da legt Trina mir die Hand auf den Arm.
»Süße, es ist wirklich reizend von dir, dass du uns hilfst, und ich bin dir auch sehr dankbar. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn du dir nicht so einen Stress machen würdest. Uns sind diese Details überhaupt nicht wichtig. Wir wollen einfach nur heiraten. Wir brauchen keinen Foodtruck oder Bananendesserts. Uns reicht ein Grillbuffet von einem Caterer.« Bevor ich widersprechen kann, fährt sie schon fort: »Das ist dein letzten Jahr an der Highschool, und ich möchte, dass du das genießt. Du hast einen sexy Freund und wirst an einem tollen College studieren. Bald ist dein Geburtstag. Du solltest die Zeit genießen und feiern und Spaß haben.«
»Alles in vernünftigen Maßen natürlich«, fügt Dad hastig hinzu.
»Aber Leute, ich bin doch nicht gestresst«, protestiere ich. »Wenn ich mich auf die Hochzeit konzentriere, beruhigt mich das eher. Es bringt mich runter.«
»Und du warst uns auch eine große Hilfe, aber du solltest dich jetzt auf andere Dinge konzentrieren und deine Zeit besser nutzen. Zum Beispiel für die Abschlussprüfung und die Vorbereitungen aufs College.« Dad hat diesen energischen, strengen Gesichtsausdruck aufgesetzt, den man nur selten bei ihm sieht.
Ich runzele die Stirn. »Dann soll ich euch gar nicht helfen?«
Trina sagt: »Du könntest dich um die Kleider für die Brautjungfern kümmern, und es wäre toll, wenn du unsere Hochzeitstorte backen könntest …«
»Und den Bräutigamkuchen?«
»Den meinetwegen auch. Um den Rest kümmern wir uns selbst. Das ist nur zu deinem Besten, Lara Jean, glaub mir. Also bitte kein Gefeilsche mehr mit Lieferanten.«
»Und keine spontanen Fahrten nach Richmond wegen eines Kuchentisches«, fügt Dad hinzu.
Ich seufze widerstrebend. »Wenn ihr meint …«
Trina nickt. »Du bist jung – genieß das einfach! Konzentrier dich auf dein Abschlussballkleid. Hast du dich schon umgeschaut?«
»Ein bisschen.« Auf einmal wird mir bewusst, dass der Abschlussball bald stattfindet und ich noch nichts zum Anziehen habe. »Wenn ihr euch wirklich sicher seid …«
»Das sind wir«, sagt Dad, und Trina nickt.
Als ich die Treppe hochgehe, flüstert Dad ihr zu: »Warum um alles in der Welt ermunterst du sie, mit ihrem sexy Freund rumzumachen?«
Ich hätte fast laut gelacht.
»So habe ich das nicht gesagt!«, widerspricht Trina.
Er schnaubt. »Es klang aber so.«
»Oh mein Gott, nimm doch nicht alles so wörtlich, Dan. Außerdem ist ihr Freund wirklich ein heißer Typ.«
Ich suche online nach Prom-Kleidern und muss jedes Mal laut lachen, wenn ich daran denke, wie Dad Peter meinen »sexy Freund« genannt hat. Nach einer Stunde habe ich das perfekte Kleid gefunden: ein Ballerinakleid mit metallisch schimmerndem Spitzenmieder und Tüllrock. Auf der Homepage wird die Farbe als Altrosa bezeichnet. Stormy wird sich freuen.
Nachdem das erledigt ist, gehe ich auf die Seite des College of William and Mary und überweise die Immatrikulationsgebühr, was ich seit Wochen vor mir hergeschoben habe.
Ein paar Tage später meint Peter auf der Fahrt zur Schule, er habe eine Lieferung für seine Mutter abgesagt und könne mit mir nach Keswick fahren, um die Band anzuhören.
Mürrisch erkläre ich: »Dad und Trina wollen auf einmal doch keine Band. Eigentlich wollen sie fast gar nichts. Die Hochzeit soll möglichst schlicht sein. Sie werden ein paar Lautsprecherboxen ausleihen und Musik vom Laptop laufen lassen. Rate mal, welches Lied sie sich für den Hochzeitstanz ausgesucht haben.«
»Was denn?«
»From this moment on von Shania Twain.«
Er runzelt die Stirn. »Nie gehört.«
»Es ist richtig kitschig, aber ihnen gefällt’s. Ist dir eigentlich klar, dass wir kein Lied haben? Ich meine, ein Lied, das uns gehört?«
»Okay, dann suchen wir eins aus.«
»So funktioniert das nicht. Man kann sich nicht einfach ein Lied aussuchen. Das Lied sucht dich aus. Wie der Sprechende Hut.«
Peter nickt weise. Er hat endlich alle sieben Harry-Potter-Bände gelesen und ist ganz wild darauf zu beweisen, dass er meine Anspielungen versteht. »Kapiert.«
»Es muss einfach … passieren. Ein besonderer Moment, der in diesem Lied weiterlebt, weißt du? Das Lied meiner Eltern war Wonderful tonight von Eric Clapton. Sie haben auf ihrer Hochzeit dazu getanzt.«
»Und wie wurde es zu ihrem Lied?«
»Es war das erste Lied, zu dem sie im College Stehblues getanzt haben. Auf einem Tanzabend, kurz nachdem sie zusammengekommen sind. Es gibt Fotos davon. Mein Dad trägt einen Anzug, der ihm viel zu groß ist, und meine Mutter hat die Haare zu einer Banane hochgesteckt.«
»Wie wäre es, wenn wir einfach das nächste Lied zu unserem Lied erklären? Egal was läuft? Das wäre dann Schicksal.«
»Wir können nicht selbst über unser Schicksal bestimmen.«
»Klar können wir das.« Peter will das Radio einschalten.
»Warte! Willst du wirklich irgendeinen Sender nehmen? Und wenn gerade kein langsames Lied läuft?«
»Okay, dann schalten wir eben einen Schmusesender ein.« Peter drückt auf den Knopf.
»Winnie the Pooh doesn’t know what to do, got a honey jar stuck on his nose«, gurrt eine Frau.
Im gleichen Moment, als Peter fragt: »Was ist das denn?«, sage ich: »Das kann unmöglich unser Lied sein.«
»Das beste von dreien?«, schlägt er vor.
»So was kann man nicht erzwingen. Wir werden es wissen, wenn wir es hören.«
»Vielleicht beim Abschlussball«, schlägt Peter vor. »Oh, da fällt mir was ein. Welche Farbe hat dein Kleid? Meine Mutter hat eine Freundin, die Floristin ist. Die soll dir ein Sträußchen machen.«
»Es ist altrosa.« Das Kleid ist gestern per Post gekommen, und als ich es anprobiert und den anderen gezeigt habe, meinte Trina, es sei »das perfekte Lara-Jean-Kleid«. Ich habe ein Bild davon an Stormy geschickt, die Oh, là, là zurückschrieb, mit dem Emoji einer tanzenden Frau.
»Wie sieht denn bitte so ein Altrosa aus?«, will Peter wissen.
»Das ist ein cremiger Rosenton.« Peter blinzelt immer noch verwirrt, deshalb seufze ich und sage: »Deine Mutter wird schon wissen, was für eine Farbe das ist. Und könntest du auch ein kleines Sträußchen für Kitty bestellen und so tun, als wäre das deine Idee gewesen?«
»Klar, aber da wäre ich bestimmt auch von alleine drauf gekommen«, murrt er. »Du könntest mir wenigstens die Chance geben, selbst mal eine Idee zu haben.«
Ich tätschele ihm das Knie. »Bitte vergiss es nicht.«