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Nachdem Peter mich zu Hause abgesetzt hat, habe ich gerade noch Zeit, zum Supermarkt zu hetzen und Chips, Salsa, Eis, Hefezopf, Brie und Blutorangenlimonade zu kaufen – alles Lebensnotwendige eben – und hinterher zu Hause das obere Bad zu putzen und Margots Bett frisch zu beziehen.

Dad holt Margot auf dem Heimweg von der Klinik am Flughafen ab. Es ist das erste Mal, dass sie nach Hause kommt, seit Trina bei uns eingezogen ist. Als wir ihre Koffer ins Haus tragen, bemerke ich, wie sie sich im Wohnzimmer umsieht. Ihr Blick wandert zu dem Kaminsims, wo nun ein gerahmtes Gemälde hängt, das Trina mitgebracht hat – ein abstraktes Bild von einer Meeresküste. Margots Gesichtsausdruck verrät nichts, aber ich weiß, dass es ihr gleich aufgefallen ist. Wie könnte es auch anders sein? Das Hochzeitsbild habe ich am Tag vor Trinas Einzug in mein Zimmer gestellt.

Dann sieht Margot sich im ganzen Zimmer um und registriert schweigend, was sich alles verändert hat. Trinas bestickte Dekokissen, das gerahmte Bild von ihr und Dad von dem Tag, als er ihr den Antrag gemacht hat, auf dem Beistelltisch neben Sofa, Trinas Sessel, der statt unserem alten dort steht. Und Trinas zahlreicher Nippes, der überall im Raum verteilt ist. Jetzt, wo ich unser Wohnzimmer mit Margots Augen betrachte, wirkt es tatsächlich etwas überladen.

Margot zieht die Schuhe aus, öffnet den Schuhschrank und stellt fest, dass es kaum Platz darin gibt – Trina besitzt auch sehr viele Schuhe. »Junge, ist der voll«, bemerkt sie und schiebt Trinas Fahrradschuhe zur Seite, um ihre Stiefeletten noch unterzubringen.

Nachdem wir ihre Koffer nach oben geschleppt haben und Margot sich ein paar bequeme Sachen angezogen hat, kommen wir wieder runter und knabbern ein bisschen was zum Aperitif, während Dad das Abendessen kocht. Ich sitze auf dem Sofa und verdrücke Chips, da steht Margot plötzlich auf und verkündet, dass sie den Schuhschrank durchsehen und ihre alten Schuhe wegräumen will.

»Jetzt gleich?«, frage ich mit vollem Mund.

»Warum nicht?«, sagt sie. Wenn Margot sich etwas in den Kopf gesetzt hat, tut sie es sofort.

Erst zieht sie sämtliche Schuhe aus dem Schuhschrank, dann setzt sie sich im Schneidersitz auf den Boden und geht den ganzen Berg durch, um zu entscheiden, welches Paar sie behalten und welches sie der Heilsarmee spenden wird. Sie hält ein paar schwarze Stiefel in die Höhe. »Behalten oder wegwerfen?«

»Behalten oder mir geben«, sage ich und löffele mit einem Tortillachip etwas Salsa auf. »Die sehen so süß aus mit Strumpfhosen.«

Sie wirft sie auf den Haufen, den sie behalten möchte. »Trinas Hund verliert echt viele Haare«, ekelt sie sich und zupft ein paar Hundehaare von ihren Leggings. »Wie schaffst du es da nur, schwarze Kleider zu tragen?«

»Im Schuhschrank liegt ein Fusselroller. Außerdem trage ich nicht viel Schwarz.« Ich sollte wirklich öfter Schwarz tragen. In jedem Modeblog wird immer betont, wie wichtig es ist, ein kleines Schwarzes zu haben. Ich frage mich, ob es im College viele Gelegenheiten geben wird, so etwas anzuziehen. »Wie oft müsst ihr euch in St Andrews eigentlich schick anziehen?«

»Nicht oft. Beim Ausgehen tragen alle meistens nur Jeans und Stiefel. St Andrews ist keine besonders schicke Schule.«

»Ziehst du dich nicht fein an, wenn du abends zu Wein und Käse bei deinem Professor eingeladen bist?«

»Wenn wir mit den Professoren in der Schule zu Abend essen, ziehen wir uns schon was Schickes an, aber ich war noch nie bei einem zu Hause eingeladen. Vielleicht gibt es so was ja an der UNC.«

»Vielleicht.«

Margot hält ein Paar gelbe Gummistiefel in die Höhe. »Behalten oder wegwerfen?«

»Behalten.«

»Du bist wirklich keine Hilfe, du würdest alles behalten.« Sie wirft die Gummistiefel in den Pappkarton für die Heilsarmee.

Meine Schwestern haben beide keinerlei Skrupel, wenn es darum geht, alte Sachen zu entsorgen. Nachdem Margot mit Sortieren fertig ist, gehe ich die Kiste noch mal durch, um zu sehen, was ich retten kann. Am Ende nehme ich die Gummistiefel und ein Paar Lacklederpumps wieder raus.

Als ich abends ins Bad gehe, um mir die Zähne zu putzen, höre ich Trinas leise Stimme aus Margots Zimmer kommen. Ich bleibe im Flur stehen und lausche wie ein Spion, so wie Kitty es tun würde. »Es ist mir ein bisschen peinlich, aber die hier hast du im Bad liegen gelassen. Ich habe sie in eine Schublade gelegt, falls du das lieber geheim halten möchtest.«

Margots kühle Stimme erwidert: »Geheim halten? Vor wem? Vor Kitty?«

»Na ja, vor deinem Vater. Oder sonst wem. Ich war mir eben nicht sicher.«

»Daddy ist Frauenarzt. Er hat bestimmt schon Antibabypillen gesehen.«

»Oh, ich weiß. Ich wollte nur …« Unschlüssig fährt Trina fort: »Ich war mir nicht sicher. Ob es ein Geheimnis ist oder nicht, meine ich.«

»Tja, danke. Nett von dir, aber ich habe keine Geheimnisse vor meinem Vater.«

Ich husche zurück in mein Zimmer, bevor ich Trinas Antwort hören kann. Hilfe!

Am Tag vor der Abschlussfeier kommt Peter vorbei. Ich nähe kleine Blümchen auf mein Barett, Kitty lümmelt auf ihrem Sitzsack und schaut fern, und Margot sitzt am Tisch und schält Bohnen. Sie will zum Abendessen ein neues Rezept ausprobieren. Im Fernsehen läuft eine Hochzeitsshow, eine von diesen Wer-hat-die-schönste-Hochzeit-Sendungen.

»He, wie wäre es, wenn wir für die Hochzeit diese Himmelslaternen besorgen, die man anzündet und dann in die Luft aufsteigen lässt, um sich was zu wünschen?«, meldet sich Peter. »Das habe ich mal in einem Film gesehen.«

Ich bin beeindruckt. »Das ist eine wunderschöne Idee, Peter.«

»Ich hab das auch in einem Film gesehen«, sagt Kitty. »In Hang­over zwei

»Genau.«

Da schaue ich beide streng an.

Hastig fragt Peter: »Stammt der Brauch nicht aus Asien? Aus Korea vielleicht? Könnte jedenfalls hübsch aussehen.«

»Das ist nicht koreanisch, sondern thailändisch«, erklärt Kitty. »Hast du vergessen, dass der Film in Thailand spielt?«

»Das ist nicht wirklich wichtig, schließlich ist Trina keine Asiatin«, meint Margot. »Warum sollte sie einen asiatischen Brauch bei ihrer Hochzeit wollen, nur weil wir Asiaten sind? Das hat doch mit ihr nichts zu tun.«

»Das würde ich nicht sagen«, wende ich ein. »Sie möchte, dass wir uns einbezogen fühlen. Neulich erst hat sie gesagt, es wäre schön, bei der Hochzeit auch irgendwie an Mom zu denken.«

Margot verdreht die Augen. »Sie hat sie ja nicht mal gekannt.«

»Na ja, ein bisschen schon. Schließlich waren sie Nachbarn. Ich weiß nicht, ich dachte, wir könnten während der Zeremonie … also, wir drei könnten vielleicht eine Kerze anzünden …« Ich verstumme, weil Margot ganz und gar nicht überzeugt aussieht. »War nur so eine Idee«, rudere ich zurück.

Peter zieht ein Gesicht, als wolle er Bloß nicht! sagen.

»Ich weiß nicht, für mich klingt das eher peinlich. Bei der Hochzeit geht es doch darum, dass Trina und Dad zusammen ein neues Leben beginnen, und nicht um die Vergangenheit.«

»Guter Einwand«, meint Peter.

Er bemüht sich sehr, Margot zu beeindrucken, und ergreift immer für sie Partei. Ich tue dann so, als würde mich das nerven, aber eigentlich rührt es mich. Natürlich muss er sich auf ihre Seite schlagen, das ist quasi seine Pflicht. Damit zeigt er ihr, dass er versteht, wie viel mir an ihrer Meinung liegt. Er versteht, welchen hohen Stellenwert sie in meinem Leben besitzt. Ich könnte nie mit jemandem zusammen sein, der nicht begreift, wie wichtig mir meine Familie ist.

Nachdem Margot gegangen ist, um Kitty zum Klavierunterricht zu fahren, fragt Peter: »Deine Schwester kann Ms. Rothschild nicht besonders gut leiden, was?« Er hat sich immer noch nicht daran gewöhnt, Ms. Rothschild mit Trina anzusprechen, und das wird sich vermutlich auch nicht mehr ändern. In unserem Viertel nennen die Kinder die Erwachsenen nicht beim Vornamen. Alle waren Miss, Mrs. oder Mr. für uns, außer Dad, der Dr. genannt wurde.

»Ich würde nicht sagen, dass Gogo Trina nicht leiden kann«, erkläre ich. »Sie mag sie schon; sie hat sich nur noch nicht an sie gewöhnt. Du kennst doch Trina.«

»Richtig«, sagt er. »Und ich weiß auch, wie deine Schwester ist. Sie hat auch eine Ewigkeit gebraucht, um sich an mich zu gewöhnen.«

»Das war keine Ewigkeit. Du bist es einfach nur gewohnt, dass dich alle auf Anhieb sympathisch finden.« Ich schaue ihn von der Seite an. »Weil du so charmant bist.« Er guckt etwas mürrisch, weil ich das nicht wie ein Kompliment gesagt habe. »Aber Gogo macht sich nichts aus Charme. Ihr ist nur wichtig, wie die Leute in Wirklichkeit sind.«

»Tja, jetzt liebt sie mich jedenfalls«, erklärt er selbstbewusst. Als ich darauf nicht sofort etwas sage, fragt er: »Tut sie doch, oder?«

Ich lache. »Ja, tut sie.«

Nachdem Peter nach Hause gefahren ist, um seiner Mutter im Laden zu helfen, bekommen Margot und Trina Streit, und zwar ausgerechnet wegen Haaren im Bad. Ich bin in der Wäschekammer und bügele mein Kleid, als ich Trina sagen höre: »Margot, würde es dir etwas ausmachen, nach dem Duschen deine Haare aus dem Abflusssieb zu entfernen? Als ich heute Morgen die Badewanne geputzt habe, ist mir das aufgefallen.«

Dann Margots schnelle Antwort: »Klar.«

»Danke. Ich möchte nur nicht, dass der Abfluss verstopft.«

Eine Minute später steht Margot bei mir in der Wäschekammer. »Hast du das gehört? Ist das zu fassen? Woher will sie überhaupt wissen, dass das meine Haare waren und nicht deine oder Kittys?«

»Deine Haare sind heller und kürzer«, wende ich ein. »Außerdem machen Kitty und ich unsere immer weg, weil wir wissen, dass Trina das eklig findet.«

»Also, ich finde es eklig, überall an meinen Kleidern Hundehaare zu haben! Jedes Mal, wenn ich Luft hole, habe ich das Gefühl, Fell einzuatmen. Wenn ihr Sauberkeit so wichtig ist, sollte sie lieber öfter mal saugen.«

Trina tritt mit steinernem Gesicht hinter Margot hervor und sagt: »Ich sauge ein Mal pro Woche, was ich vollkommen ausreichend finde.«

Margot läuft rot an. »Tut mir leid. Aber bei einem Hund, der so haart wie Simone, fände ich zwei Mal in der Woche angebracht.«

»Dann sag das deinem Vater. Er hatte nämlich, seit wir uns kennen, noch kein einziges Mal einen Staubsauger in der Hand.«

Trina marschiert davon, und Margot bleibt mit offenem Mund zurück. Ich widme mich wieder dem Bügeln.

»Findest du das nicht unmöglich?«, flüstert sie mir zu.

»Aber sie hat recht. Dad saugt nie staub. Er fegt und wischt, aber staubsaugen tut er nicht.«

»Trotzdem!«

»Mit Trina ist nicht zu spaßen«, sage ich zu ihr. »Vor allem nicht, wenn sie ihre Periode bekommt.« Margot starrt mich an. »Unsere Zyklen haben sich angeglichen. Es dauert bestimmt nicht mehr lange, dann ist das bei dir auch so.«

Margot und ich fahren ins Einkaufszentrum, angeblich um einen neuen trägerlosen BH für mein Kleid zu kaufen, aber in Wahrheit will Margot nur vor Trina flüchten. Bei unserer Rückkehr sind die Teppiche unten frisch gesaugt und makellos sauber, und Kitty räumt gerade den Staubsauger weg, was Margot sichtlich unangenehm ist.

Beim Abendessen sind Trina und Margot so höflich zueinander, als wäre nichts gewesen. Was in gewisser Weise schlimmer ist, als zu streiten, finde ich. Wenn man streitet, setzt man sich wenigstens mit dem anderen auseinander.