Kristen hat entschieden, dass der Junggesellinnenabschied unter dem Motto der Neunzigerjahre stehen soll, weil Trina die Neunziger so geliebt hat, und alle müssen sich entsprechend stylen. Ehrlich gesagt glaube ich, dass Kristen das Motto nur deshalb gewählt hat, damit sie ein bauchfreies Top anziehen und ihre straffen Bauchmuskeln vorzeigen kann. Dementsprechend taucht sie in einem blauen T-Shirt mit dem Aufdruck Skater Girl, Baggyjeans und einem Mittelscheitel bei uns auf. Dazu hat sie dunkelbraunen Lippenstift aufgetragen.
Als Erstes schaltet sie einen Radiosender ein, der nur Musik aus den Neunzigern spielt, und stellt ihn so laut, dass die Musik durch das ganze Haus dröhnt. Die Frauen treffen sich alle bei uns, und die Männer (und Kitty) treffen sich im Steakhouse. Ich bin froh darüber, weil ich immer noch nicht weiß, was ich zu Peter sagen soll.
Wir sind alle noch dabei, uns schön zu machen. Ich trage ein Babydoll-Kleid mit Blumenmuster, das ich auf Etsy gefunden habe, dazu cremefarbene Kniestrümpfe und schwarze Plateauschuhe. Als ich meine Haare zu zwei Zöpfen zusammenbinde, kommt Kristen hoch, um uns zu begutachten. Sie hält ein Martiniglas in der Hand, auf dem in pinkfarbener Schreibschrift Trauzeugin steht. »Du siehst echt süß aus, Lara Jean«, meint sie.
Ich ziehe meine Zöpfe straff. »Danke, Kristen.« Wenigstens habe ich ein passendes Outfit, wenn schon nicht die passende Laune. Mir geht gerade so viel durch den Kopf, und ich möchte Trina auf keinen Fall den Abend verderben.
Kitty und Margot sitzen auf dem Boden, und Kitty malt Margots Nägel schwarz an. Margot hat sich für den Grungelook entschieden – langes Flanellhemd, Jeans und Doc Martens, die ich von Chris geliehen habe.
»Was trinkst du da?«, erkundigt sich Kitty bei Kristen.
»Einen Cosmopolitan. Unten ist noch mehr davon, in der Spriteflasche. Aber nicht für dich.«
Kitty verdreht die Augen. »Wo ist Tri?«
»Sie ist noch unter der Dusche«, sage ich.
Kristen legt den Kopf schief und mustert mich aus schmalen Augen. »Da fehlt was.« Sie stellt ihr Glas ab, kramt in ihrer Handtasche und holt einen Lippenstift heraus. »Nimm den.«
»Oh … ist das die Farbe, die du auch trägst?«, frage ich.
»Genau! Sie heißt ›Toast of New York‹. War damals total angesagt.«
»Ähm …«, sage ich ausweichend. Kristen sieht aus, als hätte sie sich die Lippen mit Schokolade eingeschmiert und dann trocknen lassen.
»Glaub mir«, sagt sie.
»Ich wollte eigentlich so was nehmen.« Ich lege die Bürste weg und zeige ihr ein glänzendes pinkfarbenes Lipgloss. »Ich glaube, so haben sich die Spice Girls immer geschminkt. Und die waren doch aus den Neunzigern, oder?«
Kristen guckt kritisch. »Eher späte Neunziger, Anfang Zweitausender, aber ja. Das geht auch.« Sie deutet mit ihrem Lippenstift auf Margot. »Aber du brauchst den hier unbedingt. Dein Outfit ist sonst nicht Neunziger genug.« Sie beobachtet, wie Kitty Margots Nägel fertig lackiert. »Für so was hab ich früher immer einen Edding genommen. Ihr Mädels wisst ja gar nicht, wie glücklich ihr euch schätzen könnt, so viele Möglichkeiten zu haben. Wir mussten immer irgendwie improvisieren. Edding für schwarze Nägel, Tipp-Ex für weiße.«
»Was ist Tipp-Ex?«, fragt Kitty.
»Oh mein Gott. Ihr Kinder wisst nicht mal mehr, was Tipp-Ex ist?«
Sobald Kristen sich wegdreht, um einen Schluck von ihrem Cocktail zu nehmen, zeigt Kitty ihr stumm fauchend die Zähne.
»Das habe ich im Spiegel gesehen«, sagt Kristen.
»Das solltest du auch«, gibt Kitty zurück.
Kristen mustert sie. »Beeil dich mal mit deiner Schwester, damit du meine Nägel auch noch lackieren kannst.«
»Ich bin fast so weit«, sagt Kitty.
Kurz darauf klingelt es an der Tür, und alle drei gehen nach unten. Ich höre Kristen rufen: »Ihr macht die Tür auf, ich hole die Drinks!«
Trinas Freundin Monique, die mit ihr in der gleichen Studentenverbindung war, trägt ein hauchdünnes Kleid mit Spaghettiträgern, auf dem große Sonnenblumen aufgedruckt sind, und darunter ein weißes T-Shirt. Dazu schwarze Schuhe mit Ristspange und Plateausohlen, die wie Weltraumstiefel aussehen. Trinas Freundin Kendra aus dem Soul-Cycle-Training trägt einen Overall mit einem pink gesäumten Jäckchen und ein passendes pinkfarbenes Haargummi. Vieles von dem, was die Frauen anhaben, tragen die Schüler an unserer Schule heute auch wieder. Mode verläuft tatsächlich in Zyklen.
Aber das Neunzigerjahre-Motto war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, weil Trina alles ganz toll findet.
»Du siehst fabelhaft aus«, sagt Kendra zu mir.
»Danke. Das ist ein echtes Vintage-Kleid.«
Kendra schreckt aufrichtig entsetzt zusammen. »Oh mein Gott. Gelten die Neunziger jetzt schon als Vintage?«
Trina sagt: »Tja, Mädels. Ihre Neunziger sind unsere Siebziger.«
Kendra erschaudert. »Das ist ja beängstigend. Sind wir alt?«
»Steinalt«, entgegnet Trina fröhlich.
Im Auto auf dem Weg zur Karaokebar bekomme ich eine Nachricht von Peter – ein Foto von ihm und meinem Dad, beide im Anzug, wie sie in die Kamera grinsen. Mein Herz tut einen Satz. Wie kann ich so einen Jungen gehen lassen?
In der Karaokebar haben wir einen Raum nur für uns reserviert. Als die Kellnerin kommt, bestellt Margot eine Granatapfel-Margarita. Trina bekommt das mit, sagt aber nichts dazu. Was soll sie auch sagen? Margot ist auf dem College, in einem Monat wird sie zwanzig.
»Schmeckt das?«, frage ich.
»Er ist sehr süß. Willst du mal probieren?«
Klar will ich probieren. Peter hat mir zweimal aus dem Steakhouse geschrieben und gefragt, wie mein Abend läuft, und mein Magen hat sich mittlerweile zu einem dicken Klumpen zusammengeknotet. Verstohlen schaue ich zu Trina, die ein Duett mit Kristen singt. Bei Margot hat sie nicht protestiert, aber mir würde sie das sicher nicht durchgehen lassen.
»In Schottland darf man schon ab achtzehn trinken«, meint Margot.
Ich nehme einen kleinen Schluck. Es schmeckt lecker, leicht säuerlich und eiskalt.
In der Zwischenzeit stöbern alle in den Liederbüchern und versuchen zu entscheiden, welche Songs gespielt werden sollen, wobei nur Musik aus den Neunzigern gewählt werden darf. Es dauert eine Weile, bis die Gäste warm werden, aber dann kommen die Drinks schneller und schneller, und die Frauen rufen ihre Liedwünsche laut durch den Raum.
Trinas Freundin Michelle geht als Nächstes auf die Bühne und schmalzt: »There was a time, when I was so broken-hearted …«
»Das gefällt mir«, sage ich. »Von wem ist das?«
Kristen tätschelt mir nachsichtig den Kopf. »Aerosmith, meine Kleine. Das ist Aerosmith.«
Dann stehen alle Frauen auf und singen Spice Girls.
Margot und ich singen Wonderwall von Oasis. Außer Atem setze ich mich wieder.
Trinas Soul-Cycle-Freundin Kendra wiegt sich im Takt zu dem Song, den Trina und Kristen zusammen singen, und hält ihr beschlagenes Martiniglas in die Höhe. Die Flüssigkeit darin ist giftgrün.
»Was trinkst du da, Kendra?«, frage ich.
»Einen Apple Martini.«
»Klingt lecker. Darf ich mal probieren?«
»Klar, nimm einen Schluck! Er ist so fruchtig, dass man den Alkohol kaum schmeckt.«
Ich nehme einen winzig kleinen Schluck. Es schmeckt süß. Nach Bonbons.
Als Kristens und Trinas Nummer vorbei ist, springt Kendra auf, um einen Britney-Spears-Song zu singen.
Kristen redet schon ein bisschen undeutlich. »Ich will einfach nur, dass wir trotzdem Freundinnen bleiben, verstehst du? Du darfst nicht langweilig werden. Du darfst nicht, ich meine, sei nicht auf einmal wie eine Mom, okay? Ich meine, ich weiß, du musst wie eine Mom sein, aber ich meine, sei keine Mom-Mom.«
»Ich werde keine Mom-Mom sein«, sagt Trina beschwichtigend. »Das könnte ich gar nicht.«
»Du musst versprechen, dass du trotzdem noch mittwochs zu unserem Weinabend kommst.«
»Versprochen.«
Kristen stößt einen Schluchzer aus. »Ich hab dich einfach so lieb, Süße.«
Trina hat ebenfalls Tränen in den Augen. »Ich hab dich auch lieb.«
Kendras Martini steht verwaist auf dem Tisch. Als keiner schaut, nehme ich einen Schluck, weil er so gut schmeckt. Und noch einen. Bis Trina mich entdeckt, habe ich das Glas ausgetrunken. Sie sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich glaube, du hattest ein bisschen zu viel Spaß in eurer Strandwoche.«
»In der Strandwoche hab ich kaum was getrunken, Trina«, protestiere ich. Dann überlege ich angestrengt. »Oder heißt es getrinkt?«
Trina wirkt etwas beunruhigt. »Margot, ist deine Schwester betrunken?«
Ich hebe abwehrend die Hände: »Leute, Leute, ich hab keinen Schluck getrunken. Echt nicht!«
Margot setzt sich neben mich und schaut mir prüfend in die Augen. »Sie ist total betrunken.
Ich war noch nie in meinem Leben betrunken. Bin ich wirklich betrunken? Ich fühle mich jedenfalls total entspannt. Ist man betrunken, wenn alle Glieder sich ganz locker anfühlen, irgendwie gummiartig?
»Dein Vater bringt mich um«, stöhnt Trina. »Die Männer haben gerade Kitty nach Hause gebracht und können jede Minute hier sein. Lara Jean, du musst Wasser trinken. Am besten das ganze Glas. Ich hole noch einen Krug.«
Wenige Minuten später kehrt sie zurück, die ganze Junggesellenbande im Schlepptau. Sie wirft mir einen warnenden Blick zu. Benimm dich!, flüstert sie mir lautlos zu. Ich zeige ihr den erhobenen Daumen. Dann springe ich auf und schlinge die Arme um Peter.
»Peter!«, schreie ich über die Musik hinweg. Er sieht so süß aus in seinem Hemd und der Krawatte. So süß, dass ich heulen könnte. Ich vergrabe mein Gesicht an seinem Hals wie ein Eichhörnchen. »Ich hab dich so, so, so vermisst.«
Peter schaut auf mich hinab. »Bist du betrunken?«
»Nein, ich hab nur zwei Schlucke getrunken. Zwei Drinks.«
»Trina hat dich trinken lassen?«
»Nein.« Ich kichere. »Ich habe heimlich genippt.«
»Wir bringen dich besser hier raus, bevor dein Dad dich sieht.« Peter sieht sich hastig um. Mein Vater blättert mit Margot in einem Liederbuch. Sie wirft mir einen mahnenden Blick zu. Reiß dich bloß zusammen!
»Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.«
»Komm, wir gehen raus auf den Parkplatz, damit du ein bisschen frische Luft bekommst.« Er legt den Arm um mich und schiebt mich aus der Tür und durch das Restaurant ins Freie.
Draußen schwanke ich ein wenig unsicher auf den Beinen.
Peter muss sich ein Lächeln verkneifen. »Du bist betrunken.«
»Weil ich ein Gleichgewicht bin.«
»Ein Leichtgewicht.« Er kneift mich in die Wange.
»Sag ich doch. Gleichgewicht. Ich meine, Leichtgewicht.« Warum ist das nur so lustig? Ich kann gar nicht mehr aufhören zu lachen. Aber dann sehe ich, wie er mich anschaut, mit welcher Zärtlichkeit, und ich verstumme. Auf einmal ist mir nicht mehr zum Lachen zumute, sondern zum Weinen. Man braucht sich doch nur anzuschauen, was für einen tollen Junggesellenabschied er meinem Vater bereitet hat. Man braucht sich nur anzuschauen, wie sehr er mich liebt. Meine Liebe muss genauso groß sein. Bis zu diesem Moment wusste ich nicht, was ich tun soll, aber auf einmal ist alles glasklar. »Ich muss dir was sagen.« Ich richte mich unvermittelt auf und knalle dabei versehentlich gegen Peters Schlüsselbein, sodass er husten muss. »Tut mir leid. Ich muss dir unbedingt etwas sagen: Ich möchte, dass du tust, was du tun musst, und ich möchte tun, was ich tun muss.«
Ein verwirrtes Lächeln liegt auf seinem Gesicht. Kopfschüttelnd fragt er: »Was redest du da, Covey?«
»Ich rede davon, dass ich finde, dass wir keine Fern… Fernbeziehung haben sollten.«
Sein Lächeln verblasst. »Was?«
»Du brauchst genug Zeit für all die Dinge, die du an der UVA tun musst, zum Beispiel Lacrosse spielen und lernen. Und ich brauche Zeit für alles, was ich an der UNC tun muss. Und wenn wir versuchen, trotzdem zusammenzubleiben, kann das nur schiefgehen. Deshalb geht es nicht. Wir – es geht einfach nicht.«
Er blinzelt kurz, dann erstarrt sein Gesicht zu Stein. »Du willst nicht mit mir zusammenbleiben?«
Ich schüttele den Kopf. Als ich den Schmerz in seinem Gesicht sehe, bin ich schlagartig wieder nüchtern. »Ich möchte, dass du das tust, was du tun musst. Ich möchte nicht, dass du irgendwas wegen mir tust. Du hast so hart gearbeitet, um an die UVA zu kommen, Peter. Da gehörst du hin. Und nicht auf die UNC.«
Er wird kreidebleich. »Hast du mit meiner Mutter gesprochen?«
»Ja. Ich meine, nein …«
Der Muskel in seinem Kiefer zuckt. »Kapiert. Du brauchst nichts weiter zu sagen.«
»Warte, hör mir zu, Peter …«
»Nein, schon gut. Aber nur, dass du es weißt: Ich habe die UNC meiner Mutter gegenüber lediglich als Möglichkeit erwähnt. Es war nichts Konkretes, nur eine beiläufige Bemerkung. Aber es ist okay, wenn du nicht willst, dass ich komme.« Er entfernt sich von mir, und ich greife nach seinem Arm, um ihn aufzuhalten.
»Peter, so habe ich das doch nicht gemeint! Aber wenn du an die UNC kommst und dafür die UVA und alles, wofür du gearbeitet hast, aufgibst, würdest du mir das bestimmt irgendwann übel nehmen.«
Ausdruckslos sagt er: »Hör auf, Lara Jean. Ich habe das schon lange kommen sehen. Seit du dich entschieden hast, an die UNC zu gehen, bist du dabei, mich zu verlassen.«
Mein Arm fällt nach unten. »Was soll das denn heißen?«
»Das Scrapbook zum Beispiel. Du hast gesagt, es soll eine Erinnerung an uns sein. Warum sollte ich etwas brauchen, das mich an uns erinnert, Lara Jean?«
»So hab ich das doch nicht gemeint! Ich habe monatelang daran gearbeitet. Jetzt gibst du mir die Schuld an allem, dabei bist du es doch, der mich ständig von sich wegstößt. Schon seit der Strandwoche!«
»Schön, reden wir darüber, was in der Strandwoche passiert ist.« Mein Gesicht wird rot, als er mich herausfordernd ansieht. »In der Nacht, als du mit mir schlafen wolltest, da kam es mir so vor, als würdest du etwas zu Ende bringen wollen. Um mich dann in deine … deine Hutschachtel zu legen. Als hätte ich meine Rolle in deiner ersten Liebesgeschichte gespielt, und jetzt ist das nächste Kapitel dran.«
Mir ist ganz schwindelig, meine Knie zittern. Und ich dachte immer, ich würde Peter kennen. »Tut mir leid, dass du das so aufgefasst hast, aber so war es nicht gemeint. Ganz und gar nicht.«
»Klar war es so gemeint! Du machst doch gerade Schluss mit mir. Oder nicht?«
Steckt da vielleicht ein Körnchen Wahrheit in seinen Worten? Es stimmt, dass ich mein erstes Mal nicht mit jemand anderem erleben wollte. Es stimmt, dass es sich richtig anfühlte, es mit Peter zu tun, weil er der erste Junge ist, den ich geliebt habe. Ich würde es nicht mit einem Jungen tun wollen, den ich im College kennenlerne. Dieser Junge wäre mir zu fremd. Peter kenne ich, seit wir Kinder sind. Habe ich wirklich versucht, ein Kapitel abzuschließen?
Nein. Ich wollte mit ihm schlafen, weil ich ihn wollte. Aber wenn er die Sache so sieht, ist es vielleicht leichter für ihn.
Ich schlucke. »Vielleicht hast du recht. Vielleicht wollte ich, dass mein erstes Mal mit dir passiert, damit ich das Kapitel meiner Schulzeit abschließen kann. Unser Kapitel.«
Wie erstarrt steht er da. Ich sehe den Schmerz in seinen Augen, dann verschließt sich sein Gesicht wie ein zugenageltes, leeres Haus. Er geht davon. Diesmal halte ich ihn nicht auf. Über die Schulter hinweg ruft er mir noch zu: »Zwischen uns ist alles geklärt, Covey. Keine Sorge.«
Sobald er weg ist, drehe ich mir zur Seite und erbreche alles, was ich an diesem Abend gegessen und getrunken habe. Während ich noch vornübergebeugt dastehe und würge, kommen Trina, Dad und Margot aus der Karaokebar.
Daddy eilt zu mir. »Lara Jean, was ist los? Geht es dir gut?«
»Alles gut, alles in Ordnung«, murmele ich und wische mir die Augen und den Mund ab.
Erschrocken starrt er mich an. »Hast du getrunken?« Anklagend schaut er Trina an, die mir den Rücken reibt. »Trina, hast du Lara Jean Alkohol trinken lassen?«
»Sie hat nur einen Schluck von einem Granatapfel-Martini getrunken. Das ist nicht so schlimm.«
»Danach sieht es aber nicht aus.«
Trina richtet sich auf, die Hand immer noch an meinem Rücken. »Dan, Lara Jean ist jetzt eine junge Frau. Du kannst das vielleicht nicht sehen, weil sie in deinen Augen immer noch ein kleines Mädchen ist, aber seit ich sie kenne, ist sie richtig erwachsen geworden. Sie kann auf sich selbst aufpassen.«
Margot mischt sich ein: »Daddy, ich habe sie ein paar Schlucke von meinem Drink probieren lassen – mehr nicht. Sie verträgt einfach nichts. Offen gesagt sollte sie daran noch etwas arbeiten, bevor sie aufs College geht. Gib bitte nicht Trina die Schuld.«
Daddy schaut erst von Margot zu Trina und dann wieder zu Margot zurück. Seite an Seite stehen sie da, ausnahmsweise mal einer Meinung. Dann wendet er sich zu mir. »Du hast recht. Das hat Lara Jean ganz allein zu verantworten. Ab ins Auto mit dir.«
Auf dem Weg nach Hause müssen wir noch einmal anhalten, weil ich mich erneut übergeben muss. Aber nicht der Granatapfel-Martini ist schuld daran, dass ich am liebsten sterben würde, sondern der Ausdruck auf Peters Gesicht. Wie das Licht in seinen Augen erloschen ist. Dieser Schmerz – wenn ich die Augen schließe, kann ich ihn vor mir sehen. So habe ich ihn nur ein einziges Mal gesehen, an dem Tag, als sein Vater nicht bei der Abschlussfeier aufgetaucht ist. Und jetzt schaut er wieder so, aber wegen mir.
Ich fange im Auto an zu weinen. Heftige Schluchzer erschüttern meinen Körper.
»Nicht doch«, sagt mein Vater seufzend. »Du hast zwar Ärger, aber so schlimm ist es auch wieder nicht.«
»Das ist es nicht. Ich habe mich von Peter getrennt.« Ich bringe die Worte kaum heraus. »Dad, wenn du sein Gesicht gesehen hättest. Es war … furchtbar.«
Verwundert fragt er: »Warum hast du das getan? Er ist doch so ein netter Junge.«
»Ich weiß es nicht«, weine ich. »Jetzt weiß ich es nicht mehr.«
Er nimmt eine Hand vom Lenkrad und drückt meine Schulter. »Schon gut. Alles ist gut.«
»Nein … ist es nicht.«
»Aber das wird es wieder werden«, sagt er und streicht mir über das Haar.
Ich habe an diesem Abend die richtige Entscheidung getroffen, das weiß ich. Es war richtig, ihn gehen zu lassen.
Ich kann in die Zukunft sehen, Peter. Dort warten nur Kummer und Leid auf uns. Besser, wir trennen uns jetzt, bevor die Liebe zwischen uns verschwindet.