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Am Abend vor der Hochzeit, als meine Kuchen in der Küche abkühlen und die anderen aus meiner Familie im Garten die Stühle aufstellen, fahre ich zu Chris, um mich zu verabschieden.

Schon beim Öffnen der Tür sagt sie: »Wenn du weinst, lass ich dich nicht rein.«

»Ich kann doch nichts dafür. Es kommt mir nur so vor, als würde ich dich zum letzten Mal sehen.« Eine Träne rinnt mir über die Wange. Dieser Moment hat etwas Endgültiges. Ich weiß es einfach. Mit einem Schlag wird Chris eine Stufe weiterkatapultiert. Selbst wenn wir uns wiedersehen, wird es nie mehr so sein wie jetzt. Sie ist ein rastloser Geist, und ich kann von Glück sagen, dass ich sie so lange für mich gehabt habe.

»Vermutlich wirst du mich schon nächste Woche wiedersehen, weil ich sofort zurückkomme«, witzelt sie, und in ihrer Stimme schwingt ein winziger Hauch von Angst mit. Chris, Wirbelwind und Draufgängerin, ist trotz allem nervös.

»Blödsinn. Das ist doch erst der Anfang, Chris. Endlich ist es so weit.« Ich springe auf und umarme sie, meine Tränen schlucke ich hinunter. »Jetzt fängt es richtig an.«

»Was?«

»Das Leben!«

»Du bist so kitschig«, sagt sie, aber sie hat Tränen in den Augen, das sehe ich genau.

»Ich habe dir was mitgebracht.« Ich gebe ihr mein Geschenk.

Sie reißt das Papier auf und öffnet die Schachtel. Darin liegt ein Bild von uns beiden in einem kleinen herzförmigen Rahmen, nicht größer als ein Weihnachtsbaumanhänger. Darauf sind wir zwölf, vielleicht dreizehn Jahre alt, wir stehen am Strand und tragen die gleichen Badeanzüge.

»Häng das in deinem Zimmer auf, egal, wo du bist, damit jeder weiß, dass hier zu Hause jemand auf dich wartet.«

Tränen treten ihr in die Augen, die sie mit dem Handrücken wegwischt. »Oh mein Gott, du bist echt schrecklich.«

Es heißt immer, die besten Freunde – diejenigen, die einen ein Leben lang begleiten – würde man im College treffen, aber ich bin mir sicher, dass auch Chris immer zu meinem Leben gehören wird. Ich bin ein Mensch, der aufbewahrt. Ich halte an den Dingen fest.

Als ich nach Hause komme, ist Trina beim Soul Cycle. Dad werkelt noch im Garten herum, Margot bügelt unsere Brautjungfernkleider, und Kitty schneidet Papierfahnen für die Wimpelkette aus, die über dem Nachtischbuffet hängen soll. Ich mache mich daran, die Glasur auf die Hochzeitstorte zu streichen – Biskuit mit einem Butter­cremeüberzug, wie ich es Trina versprochen habe. Daddys Bräutigamkuchen ist schon fertig, mit Minzplättchen und allem, was dazugehört. Das ist mein zweiter Versuch mit der Torte. Die erste habe ich weggeworfen, weil ich die einzelnen Tortenböden zu wenig begradigt hatte, und als ich sie dann aufeinandersetzen wollte, war der Kuchen völlig schief. Der zweite ist auch ein bisschen uneben, aber ich tröste mich damit, dass eine dicke Schicht Buttercreme sämtliche Makel vertuschen wird.

»Du streichst so viel Creme auf den Kuchen, dass wir alle Diabetes bekommen werden«, bemerkt Kitty.

Ich beiße mir auf die Zunge und verteile die Glasur, bis die Oberfläche ganz glatt ist. »Er sieht doch gut aus, oder, Margot?«

»Sehr professionell«, versichert sie mir und fährt mit dem Dampfbügeleisen den Saum ihres Kleides entlang.

Als ich an Kitty vorbeischwebe, kann ich mir einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. »Übrigens, die letzten drei Fahnen, die du ausgeschnitten hast, sind krumm.«

Kitty beachtet mich nicht und singt vor sich hin: »Zuckerschock, whoa Baby, wir kriegen einen Zuckerschock«, zur Melodie von Sugar shack. Ich sollte das Lied nicht ständig laufen lassen, wenn ich backe.

»Das ist das letzte Mal, dass wir unter uns sind«, sage ich.

Margot schaut mich an und lächelt.

»Ich bin froh, dass wir bald nicht mehr nur unter uns sind«, sagt Kitty.

»Ich auch«, sagt Margot, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das ehrlich meint.

Familien schrumpfen oder werden größer. Und alles, was man tun kann, ist, sich darüber zu freuen, dass man sich hat.

Ich kann nicht schlafen und gehe nach unten, um mir eine Tasse Gutenachttee zu machen. Als ich den Wasserhahn aufdrehe, fällt mein Blick aus dem Fenster, und ich sehe die rote Glut einer Zigarette in der Dunkelheit aufleuchten. Trina steht draußen und raucht!

Ich überlege, ob ich auf mein Teeritual verzichten und schnell ins Bett gehen soll, bevor sie mich sieht, aber als ich den Teekessel wieder auskippen will, kommt sie mit einer Diätlimo in der Hand he­rein.

»Oh«, ruft sie erschrocken.

»Ich konnte nicht schlafen«, sage ich im gleichen Moment, in dem sie sagt: »Bitte verrate Kitty nichts!«

Wir lachen beide.

»Ich schwöre, das war eine Abschiedszigarette. Ich habe schon seit Monaten nicht mehr geraucht.«

»Ich sage keinem was.«

»Du hast was gut bei mir.« Trina atmet erleichtert aus.

»Möchtest du auch einen Gutenachttee?«, frage ich. »Den hat unsere Mutter immer für uns gemacht. Er ist sehr beruhigend. Danach bist du schön entspannt und bereit fürs Bett.«

»Das klingt himmlisch.«

Ich lasse den Kessel volllaufen und stelle ihn auf den Herd. »Bist du nervös wegen der Hochzeit?«

»Nein, nicht nervös … nur ein bisschen angespannt. Ich möchte, dass alles reibungslos abläuft, wenn wir uns trauen – im wahrsten Sinne des Wortes!« Ein Kichern entflieht ihrem Mund. »Ach, ich liebe Wortspiele.« Dann richtet sie sich auf und sagt: »Und jetzt erzähl mir, was mit dir und Peter los ist.«

Hochkonzentriert löffele ich Honig in zwei Tassen. »Ach, nichts.« Das Letzte, womit sich Trina am Vorabend ihrer Hochzeit beschäftigen sollte, sind meine Probleme.

Sie sieht mich zweifelnd an. »Komm schon, Mädchen. Raus damit.«

»Ich weiß nicht. Ich schätze, wir haben uns getrennt?« Ich ziehe die Schultern ganz fest hoch, damit ich nicht anfange zu weinen.

»Oh Süße. Bring den Tee ins Wohnzimmer und setz dich zu mir auf die Couch.«

Ich bereite den Tee zu, trage die Tassen zum Sofa und setze mich neben Trina, die die Beine heranzieht und eine Decke über uns breitet.

»Und jetzt schieß los«, sagt sie.

»Ich denke, es hat angefangen, als ich den Platz an der UNC bekommen habe. Eigentlich hatten wir geplant, dass ich erst auf das William and Mary gehe und dann wechsle, damit wir nur im ersten Jahr eine Fernbeziehung führen müssen. Die UNC liegt zwar viel weiter weg, aber als ich in Chapel Hill war, wusste ich sofort, dass ich dort richtig ankommen will. Nicht mit einem Fuß drin und mit dem anderen schon wieder draußen, verstehst du?« Ich rühre in meiner Tasse. »Ich möchte der Uni eine echte Chance geben.«

»Das ist die hundertprozentig richtige Einstellung, finde ich.« Trina wärmt ihre Hand an ihrer Teetasse. »Hast du dich deshalb von ihm getrennt?«

»Nein, nicht ganz. Peters Mutter hat mir erzählt, er hätte davon gesprochen, nächstes Jahr an die UNC zu wechseln. Sie wollte, dass ich mit ihm Schluss mache, bevor er sich wegen mir das Leben versaut.«

»Verdammt! Peters Mutter ist wirklich eine blöde Kuh!«

»Sie hat das nicht wörtlich gesagt, aber sinngemäß hat sie es so gemeint.« Ich trinke einen Schluck Tee. »Und ich möchte wirklich nicht, dass er wegen mir die Uni wechselt … Meine Mutter hat immer gesagt, man soll keinen Freund haben, wenn man aufs College geht, weil man die ersten Semester sonst nicht richtig genießen kann.«

»Na ja, um fair zu sein – deine Mutter hat Peter Kavinsky nie kennengelernt. Sie wusste also nicht wirklich, was sie da sagte. Hätte sie ihn gekannt …« Trina pfeift leise. »Dann hätte sie vielleicht anders darüber gedacht.«

Tränen steigen mir in die Augen. »Es tut mir ehrlich leid, dass ich mit ihm Schluss gemacht habe. Ich wünschte, ich könnte es zurücknehmen!«

Sie hebt mein Kinn in die Höhe. »Warum tust du es dann nicht?«

»Er wird mir niemals verzeihen, dass ich ihm so wehgetan habe. Er lässt andere Menschen sowieso nicht so leicht an sich ran. Für ihn bin ich jetzt vermutlich gestorben.«

Trina bemüht sich, ihr Lächeln zu verbergen. »Das bezweifle ich. Hör zu, rede doch einfach morgen bei der Hochzeit mit ihm. Wenn er dich in diesem Kleid sieht, verzeiht er dir alles.«

Ich schniefe. »Er kommt doch gar nicht.«

»Natürlich kommt er. Man plant doch nicht den Junggesellenabschied des Bräutigams und taucht dann nicht zur Hochzeit auf. Außerdem ist er verrückt nach dir.«

»Und wenn ich ihm wieder wehtue?«

Sie umfasst mit beiden Händen ihre Teetasse und trinkt einen Schluck. »Du kannst ihn nicht davor beschützen, verletzt zu werden, Süße, egal, was du tust. Verwundbar zu sein, andere Menschen an sich heranzulassen, verletzt zu werden … das gehört nun mal dazu, wenn man verliebt ist.«

Ich lasse diese Worte erst mal sacken. »Trina, wann hast du eigentlich gewusst, dass es zwischen dir und meinem Vater was Ernstes ist?«

»Ich weiß nicht … ich glaube, ich habe es einfach … entschieden.«

»Was entschieden?«

»Mich für ihn entschieden. Für uns.« Sie lächelt mich an. »Für das alles.«

Es ist so verrückt, wenn man sich vorstellt, dass sie noch vor einem Jahr einfach nur unsere Nachbarin Ms. Rothschild war. Damals haben Kitty und ich auf unserer Vortreppe gesessen und sie dabei beobachtet, wie sie morgens zu ihrem Auto rannte und sich mit heißem Kaffee bekleckerte. Und jetzt heiratet sie unseren Vater. Sie wird unsere Stiefmutter, und darüber bin ich sehr froh.