4. KAPITEL

Rocco saß auf dem Rücksitz seiner Limousine und betrachtete den Londoner Berufsverkehr. Aber er konnte spüren, dass sein Fahrer nicht so gelassen war wie er selbst. „Keine Sorge, Emilio“, sagte er nach vorn. „Wir haben es nicht eilig.“

„Okay, Boss.“ Die Schultern des Fahrers entspannten sich deutlich.

Rocco lehnte sich in seinem Sitz zurück und drückte den Knopf, um die Trennscheibe hochzufahren. Was war bloß mit ihm los? Er war zwar stets höflich und sehr fair zu seinen Angestellten, aber normalerweise machte er sich nicht die Mühe, sie zu beruhigen. Im Gegenteil, ein Teil seiner Macht beruhte darauf, dass niemand wusste, was im nächsten Augenblick von ihm zu erwarten war.

Nur bei Gracie O’Brian schien das nicht zu wirken. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart zwar nicht gerade wohl, aber er schien sie nicht im Geringsten einzuschüchtern.

Nur äußerst ungern gestand Rocco sich ein, dass sie wahrscheinlich wirklich nichts mit den Plänen ihres Bruders zu tun hatte. Alles in ihrem Verhalten deutete auf ihre Unschuld hin, angefangen von ihrem Besuch in der Firma, bis hin zu ihrem offensichtlich schockierten Erstaunen, als er ihr von der verschwundenen Million erzählte.

Seine Nachforschungen hatten ergeben, dass sie wirklich Murrays Schwester war. Ihre Eltern wurden nirgendwo erwähnt. Die beiden hatten eine kurze Zeit bei ihrer Großmutter verbracht, bevor sie in der Obhut des Jugendamts gelandet waren. Rocco brauchte keine Details zu kennen, um die Bilder ihrer Kindheit vor sich zu sehen.

Als er Gracies kümmerlichen Besitz durchgesehen hatte, war ihm ein Skizzenheft aufgefallen. Es sah aus wie die Vorlage für ein Kinderbuch und war überraschend gut. Außerdem hatte er ein Kinderfoto von Gracie und ihrem Bruder gefunden. Sie war sommersprossig, ihr breites Lächeln enthüllte eine Zahnlücke, die roten Haare waren zu Zöpfen geflochten. Sie hatte ihren Arm um einen schmächtigen Jungen gelegt, der hinter seinen dicken Brillengläsern scheu und nervös wirkte.

Roccos Brust zog sich zusammen, und er ballte die Fäuste. Nein, er würde nicht zulassen, dass diese riesigen braunen Augen sein Herz erweichten. Auch nicht ihre scheinbare Verletzlichkeit.

Gracie war knallhart. Sie würde alles tun, um ihren Bruder zu beschützen. Diese Art von Loyalität hatte Rocco nie gekannt, und ihm gefiel gar nicht, wie neidisch er darauf war.

Bis Murray wieder auftauchte, würde er sie bei sich behalten. Die Entscheidung hatte nicht das Geringste mit Gracies Aussehen oder ihrer Persönlichkeit zu tun. Es ging ihm nur um seine Million Euro. Das war alles!

Erst jetzt fiel ihm auf, wie lange er schon nicht mehr an Honora Winthrop gedacht hatte. Er würde nicht zulassen, dass Gracie sein Leben noch weiter durcheinanderbrachte, zog sein Telefon heraus und wählte Honoras Nummer. Als er ihre Stimme hörte, spürte er wieder den seltsamen Drang, wegzulaufen, aber entschlossen schob er das Gefühl zur Seite.

Am nächsten Morgen erwachte Gracie um fünf Uhr. Als sie die Augen aufschlug, war sie ihm ersten Moment verwirrt, doch dann setzte die Erinnerung ein – und damit auch der mittlerweile schon vertraute Druck im Bauch.

Zum Glück hatte sie gestern schon im Bett gelegen, als Rocco nach Hause gekommen war. Er hatte sie am frühen Abend angerufen, um ihr zu sagen, dass er auswärts essen würde.

Wieso konnte sie nicht aufhören, darüber nachzudenken, mit wem er essen war?

Gestern hatte sie mit Roccos früherer Haushälterin telefoniert. Sie stellte sich als fröhliche ältere Frau heraus und war gern bereit gewesen, Gracie ihre Aufgaben zu erklären. Das Wechseln der Bettwäsche war eine davon.

Gracies Wangen röteten sich, als sie daran dachte, wie sie in Roccos Schlafzimmer vor seinem Bett gestanden hatte. In der Luft hing sein unverwechselbarer männlicher Duft. Beim Anblick der zerwühlten Laken, hatte sie unwillkürlich überlegt, ob er wohl nackt schlief.

Jetzt bemerkte Gracie, wie durstig sie war. Immer noch ein bisschen schlaftrunken stand sie auf und stolperte aus ihrem Zimmer. Erst als sie die Küche betrat, fiel ihr auf, dass das Licht eingeschaltet war. Geblendet kniff sie die Augen zusammen. Dann sah sie Rocco de Marco und war mit einem Schlag hellwach. Er stand am Küchentresen und trug nichts als ein knappes Handtuch um die schmalen Hüften.

Während das Adrenalin durch ihren Körper schoss, wirbelten eine Million Gedanken in Gracies Kopf durcheinander. Offenbar hatte er gerade geduscht, denn seine Haare waren noch feucht. Sein Oberkörper war breit und muskulös. Seidige schwarze Locken bedeckten seine Brust und verschwanden in einer quälend verführerischen Linie im Handtuch.

Kein Mann dürfte so schön sein!

Gracie konnte den Blick nicht abwenden. Sie fühlte sich, als würde sie zum ersten Mal einen Mann sehen. „Sie sollten noch im Bett liegen und schlafen!“, platzte sie heraus.

„Offensichtlich nicht“, erwiderte er trocken. „Ich stehe immer früh auf.“

Gracie stand immer noch in der Tür. Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen. „Sollten Sie … sich nicht etwas überziehen?“

„Dasselbe könnte ich Sie fragen. Sie haben auch nicht viel mehr an.“ Herausfordernd glitt sein Blick über ihre nackten Beine bis hinauf zu ihrem Gesicht.

Gracie war, als würde ihr Körper glühen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihr T-Shirt kaum bis zu den Oberschenkeln reichte. Für einen Moment glaubte sie, Verlangen in seinen Augen zu sehen, doch dann fiel ihr wieder ein, wie angewidert er gestern bei dem Gedanken an eine Leibesvisitation das Gesicht verzogen hatte.

Ihre Kehle war ausgetrocknet. „Ich wollte mir nur ein Glas Wasser holen“, erklärte sie mit rauer Stimme.

Rocco machte eine einladende Geste. „Lassen Sie sich nicht aufhalten. Niemand soll mir nachsagen, ich würde meine Gefangenen schlecht behandeln.“

Bei seiner ironischen Bemerkung gewann Gracie wieder etwas von ihrer Fassung zurück. Barfuß ging sie zu dem Gläserregal. Sie war sich quälend bewusst, dass Rocco sie beobachtete. Sie streckte den Arm aus – aber sie war zu klein. Selbst auf Zehenspitzen. Sie fluchte leise, als sie merkte, wie ihr T-Shirt noch weiter hinauf rutschte, und dachte an ihre abgetragenen weißen Unterhosen.

Plötzlich stieg ihr ein unverkennbarer Duft in die Nase. Ein sehr muskulöser Arm griff an ihr vorbei und nahm ein Glas aus dem Regal. Roccos breite Brust berührte fast ihren Rücken. Wie würde es sich anfühlen, in seinen Armen zu liegen? Die Sehnsucht, sich einfach zurückfallen zu lassen, war so übermächtig, dass sie die Augen schloss.

Doch dann stellte er das Glas neben sie und ging weg. Mit ihm verschwand alle Wärme. Langsam griff Gracie nach dem Glas und drehte sich um. Für einen so großen Mann bewegte Rocco sich erstaunlich geräuschlos und geschmeidig. Er stand schon wieder am Küchentresen und trank seinen Kaffee. Seine Miene war so kühl und gelassen wie immer.

Gracie ging zur Spüle, drehte den Hahn auf und füllte ihr Glas.

„Im Kühlschrank steht Mineralwasser.“

Wieso bin ich darauf nicht selbst gekommen? schimpfte sie still. „An Kranwasser ist nichts auszusetzen. Mineralwasser ist reine Geldverschwendung“, sagte sie laut.

Rocco hob eine Braue. „Ach, sind Sie jetzt auch noch eine Umweltschützerin?“

Gracie richtete sich stolz auf. „Zufällig interessiere ich mich für unsere Umwelt.“

Abrupt stellte er seine Tasse auf den Tresen. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe einen vollen Tag vor mir.“

Geschmeidig wie eine Raubkatze ging er zur Tür. Erstaunlicherweise wirkte er so souverän und tadellos, als wäre er komplett angezogen. Gracies Augen brannten allein vom Anblick seiner nackten Haut.

An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen zeige, wie ich mein Bett gern gemacht hätte.“ Seine Augen funkelten mutwillig. „Ich mag es, wenn die Bettdecke fest unter die Matratze gesteckt ist.“ Er ging ohne ein weiteres Wort.

Gracie hätte am liebsten ihr Glas an die Wand geworfen. So ein arroganter Kerl! Sie presste ihre Lippen zusammen. Aber sie würde sich nicht über ihn ärgern. Genau das wollte er doch nur!

Rocco drehte das kalte Wasser an. Er stellte sich zum zweiten Mal an diesem Morgen unter die Dusche und verfluchte Gracie. Als sie in ihrem knappen fadenscheinigen T-Shirt in die Küche gekommen war, hatte er im ersten Moment an eine Halluzination geglaubt. Einige Sekunden lang konnte er nur noch daran denken, wie er ihr das T-Shirt auszog und sie in all ihrer blassen Schönheit auf sein Bett legte.

Zum Glück war sie über seinen Anblick selbst so entsetzt gewesen, dass sie nichts bemerkt hatte.

Rocco fluchte laut. Er hatte sich gefühlt, als würde er zum ersten Mal im Leben eine nackte Frau sehen. Was hatte sie bloß an sich? Sie war wild und ungezähmt. Und durch und durch echt. Sie hatte nicht das Geringste mit den kultivierten, überzüchteten Frauen gemeinsam, mit denen er sich sonst umgab.

Wieder sah er vor sich, wie sie sich nach dem Glas streckte. Ihre Haut war mit Sommersprossen bedeckt. Überall auf ihren Armen und Beinen. Und, stellte er sich vor, auf ihren kleinen Brüsten …

Es war ihm unmöglich gewesen, seinen Blick von ihren Oberschenkeln zu lösen. Für einen Moment war weiße Baumwolle aufgeblitzt. Noch nie hatte ein so unerotischer Stoff so sinnlich gewirkt.

Er hatte einfach zu ihr gehen müssen, und als er an ihren überraschend süßen, frischen Duft dachte, stöhnte er auf. Wie wilde Blumen. Nie hätte er geglaubt, dass ein Duft so verführerisch sein konnte. Er konnte immer noch spüren, wie ihr Haar über seine nackte Brust strich.

Woher hatte er nur die Kraft genommen, sie nicht in seine Arme zu ziehen? Die Heftigkeit seines Verlangens hatte ihn zurückweichen lassen, als hätte er sich verbrannt.

Er musste Murray so schnell wie möglich finden, damit er endlich diese Frau aus seiner Wohnung und aus seinem Kopf bekam.

In den nächsten zwei Tagen ging Gracie ihrem „Gastgeber“ so gut wie möglich aus dem Weg.

Am dritten Tag lief sie vormittags über den Flur, als Rocco plötzlich aus seinem Büro kam. Er sah schlecht gelaunt aus – und absolut umwerfend in ausgewaschenen Jeans und einem T-Shirt.

Sie sprang so hastig zurück, als hätte sie sich verbrannt. Plötzlich war ihr kalt und heiß zugleich.

Schweigend starrten sie sich einen Moment an, dann platzte sie heraus: „Was tun Sie hier?“

„Manchmal arbeite ich zu Hause – falls Sie nichts dagegen haben“, erwiderte er grimmig.

Sie runzelte die Stirn und betrachtete seine finstere Miene. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Mein Koch hat sich gerade krankgemeldet, und ich erwarte heute Abend Besuch zum Essen. Eigentlich wollte ich nicht ausgehen, aber es sieht aus, als hätte ich keine Wahl.“

Rocco wusste selbst nicht genau, warum er plötzlich nicht mit Honora Winthrop in der Öffentlichkeit gesehen werden wollte. Bis vor einigen Tagen war genau das sein Ziel gewesen.

Gracie spürte einen Stich. War Rocco mit einer Frau verabredet?

Ohne nachzudenken, bot sie an: „Wenn Sie möchten, kann ich für Sie kochen.“

Rocco grinste spöttisch. „Sie? Kochen?“

„Ich kann mehr als gebackene Bohnen auf Toast!“, erwiderte Gracie gekränkt. „Ach was, vergessen Sie es! Das war eine dumme Idee.“ Sie ging an ihm vorbei, doch nach zwei Schritten packte er ihren Oberarm und drehte sie langsam zu sich herum. „Können Sie wirklich kochen?“

Gracie nickte. „Sie müssen mir nur sagen, was Sie möchten. Für wie viele Leute?“

Ein Schatten zog über sein Gesicht. Abrupt ließ er ihren Arm los. „Zwei.“

Wieder spürte Gracie den seltsamen Schmerz in ihrem Bauch. „Das bekomme ich hin.“

„Also gut. Ich gebe Ihnen eine Einkaufsliste. Wir essen um acht, nach dem Champagner.“

Zwei Stunden später kehrte sie beladen mit Taschen und Tüten zurück. Die meisten davon trug der Chef von Roccos Sicherheitsdienst. Er hatte sich als George vorgestellt und ihr höflich seine Begleitung zum Einkauf angeboten. Gracie war sich bewusst, dass sie nicht ablehnen konnte, aber George erwies sich als so freundlich und aufmerksam, dass sie bald vergessen hatte, warum er bei ihr war.

Während sie jetzt wartete, dass George die Privattür aufschloss, fiel ihr Blick auf einen Zeitungskiosk. Sie erstarrte, als sie die Schlagzeile las:

Rocco de Marco kurz vor der Hochzeit mit der schönen High-Society-Erbin Honora Winthrop …

George folgte ihrem Blick. „Das ist die neueste Begleiterin vom Boss“, erklärte er.

„Sie meinen seine Verlobte“, korrigierte Gracie schwach.

George murmelte etwas Unverständliches, dann öffnete er die Tür, und sie gingen hinein.

Währenddessen stand Rocco oben in seinem Büro am Fenster. Aber er sah nicht auf die Straße, sondern auf die Zeitung in seiner Hand. Seltsam unbeteiligt las er die Schlagzeile über seine angebliche Verlobung.

Geschafft! sagte er sich. Ein weiterer Schritt auf dem Weg nach ganz oben. Warum fühlte er keinen Triumph, sondern nur eine dumpfe Leere? Ohne sich dessen bewusst zu sein, zerrte er an seiner Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf.

Er konnte nur an Gracie denken, wie sie ihm heute Morgen angeboten hatte, für ihn zu kochen. Unwillkürlich lächelte er. Sofort wurde er wieder ernst, aber das Lächeln kehrte hartnäckig zurück.

Niemand brachte ihn zum Lachen!

Verzweifelt sehnte er sich danach, ihre vollen rosigen Lippen zu küssen. Er wollte sehen, wie sie ihre großen braunen Augen schloss, wenn sie alles andere vergaß. Außer ihm.

Im ersten Moment hatte er heute Morgen gar nicht auf ihre Worte geachtet. Er war viel zu beschäftigt damit gewesen, ihren Anblick wie ein Verdurstender in sich aufzusaugen. Es hatte ihn seltsam gestört, dass er ihr in den vorherigen zwei Tagen nie begegnet war. Nur darum war er heute zu Hause geblieben. In der Wohnung konnte sie ihm nicht dauerhaft aus dem Weg gehen.

Wieder sah er sie vor sich, wie sie herausfordernd ihr kleines Kinn vorstreckte und ihm ihre Kochkünste anbot. Schon wieder ertappte er sich bei einem Lächeln.

Plötzlich sah er aus dem Augenwinkel unten vor dem Haus eine vertraute Gestalt. Gracie?

Bevor er wusste, was er tat, warf er die Zeitung in den Papierkorb und eilte zum Fahrstuhl.

Gracie stand neben George im Aufzug und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Wieso traf die Neuigkeit sie so hart? Sie kannte den Mann kaum, wie konnte sie sich … betrogen fühlen?

Eine Etage unter der Wohnung hielt der Fahrstuhl an. Die Tür öffnete sich, und Rocco stand vor ihr, ohne Krawatte und mit offenem Hemdkragen.

„Wir haben nur eingekauft!“, rief sie verteidigend aus.

Rocco erwiderte nichts, nahm ihr nur die Tüten ab und drückte sie George noch in den Arm. „Gracie kommt gleich nach. Wir haben noch etwas zu besprechen“, erklärte er und zog sie mit sich aus dem Lift.

Sie folgte ihm durch ein Labyrinth von Büros mit gläsernen Wänden, bis Rocco stehen blieb und ihr eine Tür aufhielt. Seltsamerweise fühlte sie sich durch diese kleine galante Geste noch verletzlicher. Neben ihm kam sie sich plötzlich schäbig vor.

Rocco schloss die Tür und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Durch die Glaswände sah Gracie zahlreiche Angestellte in ihren Büros. Alle wirkten sehr eifrig. Keiner schaute von der Arbeit auf.

Wahrscheinlich sind sie damit beschäftigt, Millionen für Rocco und seine Klienten zu scheffeln, dachte Gracie grimmig.

Ihr Bruder war einer von ihnen gewesen. Er hatte Rocco bestohlen, und damit auch Menschen, die dem Finanzier ihr Vermögen anvertraut hatten. Bei dem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen.

Sie sah zu Rocco. „Stört Sie das nicht?“

„Was?“

„Dass jeder Sie sehen kann.“

„Die Wände sind schalldicht. Niemand hört, was ich hier drin rede. Und ich kann alles sehen.“

„Sie meinen, Sie können jeden kontrollieren.“

Rocco zuckte mit den Schultern. „Ich konnte Ihren Bruder nicht davon abhalten, mir und meinen Klienten Geld zu stehlen.“

Gracie wandte den Blick ab, als er ihre Gedanken laut aussprach. Als sie wieder aufschaute, stand Rocco mit dem Rücken zu ihr am Fenster. Abrupt wandte er sich zu ihr um. „Ich hoffe, Sie können wirklich kochen. Für Versuche ist heute nicht die passende Gelegenheit, Gracie. Dieser Abend ist sehr wichtig für mich.“

Ihr war, als hätte sie einen Schlag in den Magen erhalten. „Kommt Ihre Verlobte?“, brachte sie heraus.

Rocco runzelte die Stirn. „Sie wissen davon?“

„Ich habe die Schlagzeile gesehen.“

Nachdenklich sah er sie an. „Sie ist noch nicht meine Verlobte“, sagte er schließlich. „Nicht, dass Sie das irgendetwas angehen würde.“

„Haben Sie Angst, dass ich Ihnen Fischstäbchen vorsetze?“

Er sah aus, als würde er bei der Vorstellung nur mühsam das Lachen unterdrücken. „Unterstehen Sie sich!“

„War das alles?“

Rocco nickte knapp. Bevor sie noch etwas sagen konnte, das sie später bereuen würde, drehte Gracie sich um und flüchtete aus seinem Büro.

Am Nachmittag stand Gracie in der Küche und bereitete das aufwendige Essen vor, als George hereinkam. Er reichte ihr eine große flache Schachtel. „Für Sie. Vom Boss.“

Gracie wischte sich die Hände an der Schürze ab und nahm die weiße Box an. Für einen winzigen, verrückten Moment stellte sie sich vor, dass ein wunderschönes Kleid in der Schachtel lag und der Abend ihr und Rocco allein gehörte.

Sie legte die Box auf den Tisch und hob den Deckel ab.

Vor ihr lag säuberlich gefaltet ein strenges schwarzes Kleid mit einem weißen Schürzchen, dazu schwarze Strumpfhosen und schmucklose schwarze Schuhe. Darauf lag ein Zettel mit der Aufschrift:

Bitte tragen Sie das später. R.