Am Abend lief Rocco nervös in seinem Wohnzimmer auf und ab. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so angespannt gewesen war. Als er vor einer halben Stunde in der Küche nach dem Rechten sehen wollte, hatte er vor der verschlossenen Tür gestanden.
„Ich bin beschäftigt!“, rief Gracie, ohne zu öffnen. „Stören Sie mich nicht!“
„Klappt denn alles?“, fragte er besorgt.
„Keine Sorge“, säuselte sie. „Die Fischstäbchen sind fast fertig.“
Rocco unterdrückte den Drang, an der Klinke zu rütteln. Am liebsten hätte er verlangt, dass sie sofort die Tür aufmachte.
Seit Tagen fühlte er sich ruhelos und überreizt, und das hatte nichts mit dem bevorstehenden Besuch zu tun. Aber alles mit der Frau auf der anderen Seite der verschlossenen Küchentür. Mit der Frau, deren Bruder versucht hatte, sein Ansehen zu zerstören und der ihm ein Vermögen gestohlen hatte. Mit der Frau, der er selbst die Chance ihn zu demütigen, auf einem silbernen Tablett serviert hatte.
Hinter ihm klopfte es leise an der Tür, und George geleitete Honora Winthrop ins Zimmer. In ihrem schwarzen Seidenkleid sah die eisige Schönheit atemberaubend aus. Auf den ersten Blick wirkte die sündhaft teure Robe völlig sittsam, doch bei jeder Bewegung enthüllte der hauchzarte Stoff mehr von dem makellosen Körper der Trägerin, als er verbarg.
Schlagartig verging Rocco jede Lust. Honora Winthrops Anblick wirkte besser als eine kalte Dusche. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte er über ihre Wirkung auf seine Libido gelacht. Stattdessen ging er ihr mit einem charmanten Lächeln entgegen, während er krampfhaft versuchte, das Bild einer verführerischen Rothaarigen aus dem Kopf zu bekommen.
Als Gracie die Stimmen aus dem Wohnzimmer hörte, holte sie tief Luft. Zu ihrem großen Ärger war das schwarze Kleid eine Nummer zu klein und spannte an Brust und Po. Zuerst hatte sie Rocco verflucht und ihm unterstellt, dass er mit voller Absicht die falsche Größe gewählt hatte, aber dann dachte sie an seine desinteressierten Blicke. Bestimmt hatte er sie noch nicht einmal richtig angeschaut.
Mit beiden Händen strich sie glättend über das weiße Schürzchen und zerrte so gut wie möglich den Rocksaum hinunter. Ihr Haar hatte sie zu einem hohen Knoten aufgesteckt.
Sie nahm das Tablett mit zwei eisgekühlten Champagnergläsern und kleinen Appetithäppchen auf. Als sie das Wohnzimmer betrat, wurde es schlagartig ganz still.
Gracie war sich bewusst, dass sie zwei Augenpaare anstarrten. Roccos Blick ruhte auf ihr, doch die eisigen blauen Augen der Besucherin glitten sofort weiter.
Die blonde Schönheit stand dicht neben Rocco am Fenster. Das muss die Frau aus der Zeitung sein, dachte Gracie.
Zu ihrer Überraschung kam er auf sie zu und nahm ihr das Tablett ab. „Vielen Dank, Gracie. In zwanzig Minuten können wir essen.“
Sie versuchte vergeblich, in seinen dunklen Augen zu lesen. Sie zwang sich dazu, sich umzudrehen und hinauszugehen, obwohl sie am liebsten wieder zurückgerannt wäre.
In der Küche lehnte sie ihre heiße Stirn für einen Moment gegen die Tür. Sie zitterte am ganzen Körper. Zum Glück erwartete Rocco nicht, dass sie ihnen den Champagner und die Häppchen servierte.
Sie hätte gedacht, dass er so einen Moment genießen und sie absichtlich demütigen würde, doch zu ihrer Verwirrung hatte er es nicht getan.
Sie richtete sich auf und begann mit den letzten Vorbereitungen für die Vorspeise, während sie versuchte, den Gedanken zu vertreiben, wie Rocco und die Blondine gerade zusammen ihren Champagner tranken.
Rocco konnte an nichts anderes denken, als an Gracie in ihrem engen schwarzen Kleid. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass er die Uniform eine Nummer zu klein gekauft hatte.
Gracie hatte dezent und niveauvoll wirken sollen. Stattdessen sah sie in dem engen Kleid mit dem Schürzchen aufreizend erotisch aus, so als hätte sie sich zum Spaß als Dienstmädchen verkleidet. Aber daran war er ganz alleine schuld.
„Rocco?“
Beim Klang von Honoras Stimme zuckte er zusammen. Erst jetzt merkte er, dass er ganz in Gedanken versunken gewesen war. Schuldbewusst drehte er sich zu ihr um. Sie sah ihn fragend an. Eine ihrer perfekt gezupften Brauen war erhoben.
„Bitte entschuldige …“, murmelte er.
Nachdem Gracie die Vorspeise serviert hatte, schloss sie die Tür hinter sich und legte das Ohr lauschend an das kühle Holz, um die Kommentare über ihr Essen zu hören. Rocco murmelte etwas Unverständliches.
Eine helle Frauenstimme kicherte. „Oh Rocco, du bist wirklich ein ganz Schlimmer!“
Gracies Gesicht glühte. Hastig lief sie zurück in die Küche und kümmerte sich um den Hauptgang. Nach einer angemessenen Zeit ging sie zurück, um Wein nachzuschenken und das Geschirr abzuräumen. Roccos Teller war leer, aber die Besucherin hatte die Vorspeise kaum angerührt. Sie streifte Gracie mit einem Seitenblick, dann schob sie den Teller demonstrativ zur Seite.
Nach einem warnenden Blick von Rocco brachte Gracie schweigend das Geschirr in die Küche und servierte den Hauptgang. Mit Befriedigung sah sie, wie Roccos Augen sich beim Anblick des Perlhuhns weiteten. Sie füllte beiden auf und ließ sie allein.
Er hat nicht einmal Danke gesagt, dachte sie ärgerlich. So ungehobelt die Gäste in der Bar auch gewesen sein mochten, hatten sie ihr wenigstens in die Augen geschaut und nicht durch sie hindurch, als wäre sie unsichtbar.
Sie versuchte, nicht auf das Stimmengemurmel im Wohnzimmer zu achten. Worüber mochten die beiden reden? Die Hochzeit?
In einer Anwandlung von Eifersucht schlug Gracie mit dem Trockentuch auf den Tresen. Hör auf, so dumm zu sein! schimpfte sie mit sich. Abgesehen von Abneigung und Misstrauen, war jedes Gefühl an Rocco de Marco verschwendet.
Sie schnellte herum, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. George war in die Küche gekommen. In der Hand hielt er einen leeren Teller. Gracie hatte ihm draußen eine Portion vom Dinner serviert. Jetzt strich er sich zufrieden grinsend über seinen Bauch.
„Das war das beste Essen meines Lebens“, lobte er sie.
„Wirklich?“ Gracie strahlte vor Freude über das Kompliment. Immerhin einer, der ihr Essen zu schätzen wusste. „Danke, George!“ Sie küsste ihn auf die Wange.
Genau in dem Moment kam Rocco herein. Gracie sprang einen Schritt zurück.
Finster musterte Rocco die beiden. „Wenn Sie einen Moment Zeit erübrigen könnten, wären wir dann so weit“, sagte er schneidend. „Sie können abräumen.“
Für einen Mann seiner Größe verschwand George bemerkenswert schnell aus der Küche. Rocco blieb im Türrahmen stehen, sodass Gracie sich an ihm vorbeiquetschen musste. Als ihre Hüfte seinen harten Körper streifte, konnte sie die Berührung in jeder Zelle spüren. Sie zitterte noch immer, als sie das Geschirr abräumte. Ausnahmsweise war sie dankbar, dass die blonde Besucherin sie keines Blickes würdigte.
Danach servierte Gracie zum Nachtisch Zitronentorte und Kaffee. Als sie ins Wohnzimmer kam, hörte sie Miss Winthrop sagen: „Liebling, wie in aller Welt hast du es nur geschafft, Louis aus dem Four Seasons abzuwerben? Das Essen war einfach göttlich.“
Gracie unterdrückte ein Grinsen und stellte die Torte auf den Tisch. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf Roccos Antwort. Für einen Moment war es ganz still. Mit jeder Sekunde wurde ihr seine Antwort wichtiger.
Er räusperte sich. „Um ehrlich zu sein, war Louis heute Abend verhindert. Gracie hat unser Essen zubereitet.“ Er drehte sich zu ihr um. „Sie arbeitet vorübergehend als meine Haushälterin.“
Gracie verteilte die Dessertteller. Ihr war ganz schwindelig. Sie konnte kaum glauben, was sie gehört hatte. Rocco stand dazu, dass sie das Essen zubereitet hatte!
Zum ersten Mal an diesem Abend sah die Blondine sie direkt an. Ihre Augen wurden schmal. „Oh … wie drollig.“ Ihre Worte trieften vor Herablassung. Sie wandte sich wieder an Rocco und lächelte. „Ich wollte ja eigentlich nichts sagen, aber ich hatte mir schon gedacht, dass Louis nicht selbst gekocht hat. Ich hatte angenommen, dass er einen seiner sous chefs geschickt hat. Aber das Perlhuhn hat ein wenig eigenartig geschmeckt. Ich hoffe, sie weiß, was sie da gemacht hat. Ich habe morgen einen wichtigen Termin und kann mir nicht leisten, krank zu sein.“
Für einen Moment stand Gracie wie erstarrt da. Diese Frau redete über sie, als wäre sie gar nicht anwesend. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und lief zurück in die Küche.
Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander. Sie hatte nicht erwartet, dass Rocco sie für ihr Essen loben würde. Doch er hatte fast stolz geklungen. Dann verwandelte sich ihre Freude in Ärger. Wie unglaublich unhöflich seine Besucherin gewesen war!
Aus dem Wohnzimmer hörte sie Lachen. Ihr Lachen.
Zu Gracies Entsetzen stiegen ihr heiße Tränen in die Augen, als sie sich umschaute. Während der Arbeit hatte sie die Küche in ein Schlachtfeld verwandelt.
An irgendeinem Punkt hatte sie angefangen, für Rocco zu kochen. Obwohl sie sich dafür hasste, wollte sie ihn beeindrucken. Vielleicht hatte sie gehofft, dass er in ihr dann etwas anderes sehen würde als nur die Schwester des Mannes, der ihn um eine Million betrogen hatte.
Sie zuckte zusammen, als die Haustür knallte. Wahrscheinlich gingen Rocco und seine Verabredung in irgendeinen schicken Nachtclub. Durch einen Schleier von Tränen begann sie die Küche aufzuräumen.
Als hinter ihr eine weiche Stimme sagte: „Gracie“, erschrak sie so, dass sie eine Pfanne auf den Boden fallen ließ. Sie wirbelte herum. Vor ihr stand Rocco. Er hatte das Jackett abgelegt, und die Krawatte hing lose um seinen Hals.
Gracie runzelte die Stirn. „Ich habe die Wohnungstür gehört …“, murmelte sie. War er vielleicht nur eine Halluzination? „Ich dachte, Sie wären ausgegangen.“
Rocco schüttelte den Kopf. „Miss Winthrop ist gegangen, und sie wird nicht zurückkommen.“ Seine Stimme klang gepresst. „Ich muss mich für ihre Unhöflichkeit entschuldigen. Sie hat sich geweigert, es selbst zu tun.“
Gracie öffnete und schloss ihren Mund wie ein Fisch. „Sie haben ihr gesagt, dass sie sich entschuldigen soll? Bei mir?“
Rocco nickte knapp. „Darauf hätte sie von ganz allein kommen müssen. Sie hatte kein Recht, so zu Ihnen zu sprechen. Abgesehen davon, war Ihr Essen einfach fantastisch.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so kochen können.“
Gracie fühlte sich leicht betäubt. „Eine meiner Pflegemütter hatte in Paris eine Lehre als Köchin gemacht. Sie ist dann allerdings in einer Schulküche gelandet, weil hier in England keiner einen weiblichen Koch einstellen wollte.“ Gracie zuckte mit den Schultern. „So gut bin ich gar nicht … Ich habe bloß ein paar Sachen aufgeschnappt, und ich koche gern.“
Rocco kam näher. Sie wich einen Schritt zurück. Dabei trat sie vor die Pfanne auf dem Marmorboden. Sie schaute nach unten und sah, dass etwas Sauce ausgelaufen war. Unwillkürlich bückte sie sich, um sie aufzuwischen. Plötzlich war Rocco bei ihr. Er nahm ihren Arm, half ihr auf und nahm ihr die Pfanne aus der Hand.
„Lassen Sie.“ Seine Stimme klang heiser. „Darum wird sich jemand anders kümmern.“
Gracie sah zu ihm auf. Er stand viel zu dicht vor ihr. Seine bloße Nähe war überwältigend. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie verweint sie aussehen musste.
Sie senkte den Kopf. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen“, murmelte sie. „Nicht Sie waren unhöflich.“
„Aber ich habe Sie in diese Situation gebracht. Ich habe zugelassen, dass sie so zu Ihnen gesprochen hat.“
Sie konnte seine Miene nicht deuten, aber bei seinem Blick beschleunigte sich ihr Atem. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verwundbar gefühlt wie bei diesem Mann. Zum ersten Mal hatte sie jemanden beeindrucken wollen.
„Sie hat durch mich hindurchgesehen, als wäre ich gar nicht da.“ Ihre Stimme zitterte leicht. „Als wäre ich nur Dreck, als könnte sie gar nicht glauben, dass ich ihr wirklich das Essen serviere.“
„Es tut mir leid.“
Gracies Verwirrung mischte sich mit Panik. Was hatte Rocco vor? Warum sah er sie so an? „Sagen Sie das nicht dauernd! Es tut Ihnen überhaupt nicht leid!“ Schon wieder stiegen Tränen in ihre Augen, und sie sah Rocco nur noch verschwommen.
Wieso ließ er sie nicht endlich allein? Sie hatte sich in ein schluchzendes, schniefendes Wrack verwandelt. Was wollte er denn noch? „Wissen Sie, wie es sich anfühlt, wenn jemand durch einen hindurchsieht?“, rief sie. „Können Sie sich auch nur annähernd vorstellen, wie sich das anfühlt? Ich bin jemand, Rocco! Ich bin ein Mensch mit Hoffnungen und Träumen und Gefühlen. Ich bin kein schlechter Mensch, ganz egal, was Sie von mir denken.“
Rocco umfasste ihre Arme mit seinen großen Händen. Sein Griff war gleichzeitig fest und sanft. Zitternd holte Gracie Luft.
„Ich weiß … ich weiß ganz genau, wie sich das anfühlt.“ Seine Stimme klang heiser.
„Woher wollen Sie das wissen?“, rief Gracie wütend. „Sie haben doch nicht einmal eine Idee, wovon ich rede.“
Sein Griff wurde fester. „Ich kenne das Gefühl“, wiederholte er.
In seinem Gesicht konnte Gracie erkennen, dass er die Wahrheit sagte. Entgeistert sah sie zu ihm auf. Er hob eine Hand und legte sie unter ihr Kinn, sodass sie seinem Blick nicht entkommen konnte. „Ich übersehe Sie nicht.“
Verwirrung mischte sich mit Gracies Ärger. Ihr war, als würde ihr Körper in Flammen stehen. „Nein, das kann nicht sein … Für Sie bin ich nur ein Niemand.“
Entschieden schüttelte er den Kopf. „Nein. Ganz bestimmt sind Sie kein Niemand für mich.“
Gracie spürte, wie sich ihre Haare aus dem Knoten lösten, aber das kümmerte sie nicht. In diesem Moment hätte die Welt um sie herum untergehen können, und es hätte sie nicht gekümmert. Sie konnte nur in Roccos dunkle Augen schauen und in den unergründlichen Tiefen versinken.
„Rocco“, flüsterte sie zitternd. „Warum sind Sie hier?“
Noch immer hielt er ihren Arm, aber sie machte keinen Versuch, sich zu befreien. Er zog sie näher zu sich, schwieg einen langen Moment, dann sagte er leise: „Ich will dich. Ich bin hier, weil ich dich will. Den ganzen Abend, die ganze Woche, seitdem ich dich zum ersten Mal gesehen habe … will ich dich. Nicht Honora. Das hat sie geahnt. Darum war sie so grausam.“
Gracie schüttelte den Kopf. Ihr Körper glühte, noch nie in ihrem Leben war ihr so heiß gewesen. Sie hatte fest geglaubt, dass Rocco ihre Gefühle für ihn nicht bemerken würde.
Erst recht nicht erwidern.
„Nein! Sie sind nur gelangweilt … oder Sie versuchen, sie eifersüchtig zu machen … oder so was. Ich komme Ihnen bloß gerade gelegen.“
Rocco verzog sein Gesicht. „Oh nein, Sie kommen mir ganz bestimmt nicht gelegen. Und ich bin auch nicht gelangweilt. Es interessiert mich absolut nicht, ob Honora Winthrop eifersüchtig ist. Diese Sache ist beendet, und ich werde sie nicht wiedersehen.“
Alles drehte sich um Gracie. Ganz langsam begann sie zu begreifen, was Rocco da sagte. Er hatte sich ihretwegen mit seiner Verlobten zerstritten? Und er hatte sie gewählt? Gracie? „Aber … Sie hatten vor, sie zu heiraten.“
Rocco schwieg einen Augenblick und ließ ihre Worte auf sich wirken. Er hatte gerade seine Beziehung mit Honora Winthrop ruiniert und damit auch seine Pläne, in die oberen Zehntausend einzuheiraten. Und das, weil er Gracie O’Brian begehrte.
Noch nie in seinem Leben hatte er etwas so sehr gewollt. War es ihm wirklich wichtiger, mit ihr ins Bett zu gehen, als auf der sozialen Leiter ganz nach oben zu klettern? Er wollte die Antwort gar nicht wissen.
Ein Teil seines Gehirns funktionierte immer noch, und dieser Teil sagte ihm, dass er Honora Winthrop hinterherlaufen musste. Wenn er jetzt schnell genug reagierte, konnte er vielleicht noch etwas retten.
Aber das wollte er gar nicht. Seit Wochen hatte ihn das Gefühl gequält, zu ersticken. Jetzt merkte er, dass es endlich verschwunden war.
Er schüttelte den Kopf. „Wir waren nicht zusammen – nicht richtig. Es war eher ein stillschweigendes Einvernehmen, dass eine Heirat für beide Seiten vorteilhaft wäre.“
„Aber das ist … so kalt.“
Rocco zuckte mit den Schultern. „So ist das Leben. Ich hatte sie noch nicht gebeten, meine Frau zu werden, und ich war noch nicht mit ihr im Bett.“
Gracie versuchte immer noch, das Ganze zu begreifen. Rocco hielt es bestimmt nicht für nötig, ihr etwas vorzulügen, um sie ins Bett zu bekommen. Hätte er mit Honora Winthrop geschlafen, würde er ihr auch das ganz offen sagen.
Ihr rasender Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie wollte nicht noch mehr hören. Mehr konnte sie nicht aushalten.
Rocco zog sie noch näher an sich. Ihr war, als würde sie in einem Zug sitzen, der nur ein Ziel kannte und mit Vollgas vorwärts raste. Ohne Möglichkeit abzuspringen.
Als wüsste ihr Körper noch vor ihr, was sie wollte, stellte sie sich auf Zehenspitzen. Rocco beugte seinen Kopf. Er umfasste ihr Gesicht mit seinen großen, warmen Händen. Sein wundervoller Mund kam näher und näher. Gracie schloss die Augen. Dann setzten seine heißen Lippen ihren Körper in Brand.
Alles drehte sich um sie. Instinktiv griff sie nach Roccos Hemd, um sich festzuhalten. Als wäre mit dem ersten Kuss eine Schranke gefallen, riss sie eine Welle der Leidenschaft mit sich.
Roccos Kuss war hart und sanft zugleich. Tastend, erkundend, liebkoste er ihre Lippen. Sein Duft berauschte Gracie wie Champagner, und sie vergaß alles um sich herum.
Irgendwann löste er seine Lippen, nur um unglaublich sanft ihre Mundwinkel zu küssen. Langsam öffnete Gracie die Augen. Ihr Mund war heiß und wund von seinen Küssen. Sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war. Sie hatte jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren, nur Rocco zählte noch.
Für einen Moment schauten sie einander nur an. Zum ersten Mal sah Gracie, dass seine dunklen Augen golden gesprenkelt waren. Rocco nahm sanft eine Strähne von ihrem dicken roten Haar, wickelte sie um einen Finger und betrachtete sie nachdenklich. Plötzlich wirkte er sehr ernst.
„Was ist?“, fragte Gracie. Ihre Stimme zitterte.
„Das hier …“, er sah ihr wieder in die Augen, „… so etwas habe ich noch nie gefühlt.“
Gracie schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht“, wisperte sie.
Er streichelte ihre Hüfte, dann ihrer Taille. Ganz langsam ließ er seine Hand zum Ansatz ihrer kleinen Brüste hinaufgleiten. Er schloss die Augen und liebkoste mit seinem Daumen die empfindsamen Spitzen.
Gracie keuchte auf.
„Es hat schon bei unserer ersten Begegnung begonnen“, fuhr Rocco fort.
Meinte er das wirklich ernst? Gracie legte den Kopf zurück und versuchte, in seiner Miene zu lesen. Sie hatte diese ganz besondere Verbindung selbst gespürt, so als hätte ihr Leben erst in dem Moment begonnen, in dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Aber sie hatte nicht geahnt, dass es ihm genauso ging.
Ihr Verlangen nach ihm wurde so stark, dass sie nicht länger warten konnte. Sie wollte ihn spüren, ganz und gar. Sofort. Sie hob ihre Arme, griff in seine seidigen Haare und zog seinen Kopf zu sich herunter, bis sie seine Lippen auf ihren spürte.
Rocco stöhnte auf. Er umfasste ihre Taille und küsste Gracie leidenschaftlich. Als er ihren Körper hart an seinen presste, spürte sie seine Erregung. Unwillkürlich stöhnte sie auf und bewegte ihre Hüften.
Sie bemerkte kaum, wie Rocco ihr Schürzchen herunterzerrte und seine Finger unter die Knopfleiste schob. Er nahm sich nicht die Zeit, das Kleid aufzuknöpfen, sondern zog es mit einem Ruck auf. Wie von fern hörte Gracie, wie der Stoff zerriss. Ein kalter Lufthauch strich über ihre nackte Haut.
Gracie schrie leise auf, als seine großen Hände endlich ihre Haut berührten. Ihr Herz raste, und ihr war schwindelig. Rocco löste seine Lippen von ihren. Sein Atem ging schnell. Hastig streifte er den Stoff von ihren Schultern.
Gracie erinnerte sich, dass sie nur einen schlichten schwarzen BH trug, aber das kümmerte sie jetzt nicht. Sie brauchte diesen Mann, seine Berührungen, seine Lippen.
Als hätte Rocco ihre Gedanken gelesen, löste er geschickt den BH. Für einen Moment betrachtete er nur fast andächtig ihre zarte blasse Haut, dann bedeckte er ihre festen Brüste mit seinen Händen. Ganz langsam bewegte er seine Finger und reizte die harten Knospen.
Gracie biss sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien. Rocco senkte den Kopf, immer tiefer. Endlich schloss er seine Lippen um eine Brustspitze. Er knabberte an der festen Knospe und spielte mit ihr, bis sie noch härter wurde.
Langsam ließ sie den Kopf zurückfallen. Er stieß gegen die Wand, aber sie spürte es gar nicht. Instinktiv stellte sie sich auf die Zehenspitzen und rieb ihre Hüften an Roccos Männlichkeit. Das Blut floss wie Lava durch ihre Adern. Sie wollte Roccos nackte Haut an ihrer spüren. Mit zitternden Fingern begann sie, sein Hemd aufzuknöpfen.
Rocco hob den Kopf und sah sie nur an. Ihre Lippen waren voll und geschwollen von seinen Küssen. Sie hatte den Kopf zurück an die Wand gelegt und schaute zu ihm auf. Als er die unverhüllte Lust in ihren Augen sah, schoss wildes, nie gekanntes Verlangen durch seinen Körper.
Diese Frau gehörte ihm! Sie waren füreinander bestimmt. Er konnte es nicht erklären, aber er wusste, dass ihre Verbindung schon begonnen hatte, bevor sie einander begegnet waren.
Ungeduldig öffnete Rocco sein Hemd. Er bemerkte gar nicht, dass die Knöpfe abrissen und klappernd über den Marmorboden rollten. Dann betrachtete er Gracies halb geöffnetes Kleid. Er hatte keine Zeit, es ihr abzustreifen. Mit beiden Händen fasste er den zarten Stoff und riss ihn mit einem Ruck auseinander. Darunter trug sie nur noch ein schwarzes Höschen.
Rocco stöhnte heiser auf. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie so eine wilde Lust gespürt. „Wenn du nicht willst, dass ich dich auf der Stelle hier liebe, sag es jetzt“, brachte er heraus. „Du hast zehn Sekunden.“