Zitternd vor Verlangen sah Gracie ihn an. Neben seinem großen starken Körper fühlte sie sich klein und verletzlich. In seiner Miene sah sie pure Lust.
Sie schüttelte nur den Kopf. Sie wollte nicht länger warten. „Bitte hör nicht auf“, flüsterte sie und griff nach seinem Gürtel.
Er wartete noch eine Sekunde, als wollte er sicher sein, dass sie ihre Worte wirklich meinte, dann schüttelte er das Hemd von seinen Schultern und zerrte die Stofffetzen von Gracies Körper, bis sie fast nackt vor ihm stand. Für einen Moment fühlte sie sich verloren, doch dann öffnete Rocco seine Gürtelschnalle, und jeder Gedanke in ihrem Kopf löste sich auf.
Gierig saugte sie seine männliche Schönheit in sich auf. Unter der glatten seidigen Haut sah sie bei jeder Bewegung das Spiel seiner harten Muskeln. Sie erschauerte, als sie mit den Fingerspitzen die seidig weichen Haare auf seiner Brust berührte.
Doch dann hob Rocco ihr Kinn, und ihre Blicke verfingen sich ineinander. Mit einem Mal wurde alles ganz still, als wären sie im Auge des Sturms. Nach einer kleinen Ewigkeit beugte er sich zu ihr hinunter und nahm ihre Lippen in Besitz. Als Gracie glaubte, ihre Beine würden sie nicht länger tragen, ließ er seinen Mund tiefer gleiten, über ihre Schultern zu den kleinen runden Brüsten. Er saugte an den empfindlichen Spitzen, bis Gracie aufschrie.
Ungeduldig bog sie den Rücken durch. Sie packte seine Schultern und hob ihm ihre Hüften entgegen. Mit einer Hand hob Rocco sie auf und streifte ihr das Höschen ab.
Gracie hielt den Atem an, als seine Finger ihre heiße feuchte Mitte fanden. „Ich will dich, jetzt!“, flehte sie ihn an, aber er hörte nicht auf, sie zu reizen.
Ihr war, als würde sie verglühen. Als er begann, sie immer tiefer zu erkunden, schrie sie wieder auf, lauter diesmal. Dann fand er ihren empfindsamsten Punkt und streichelte ihn quälend langsam und unerbittlich. Sie begann, am ganzen Körper zu zittern.
Dann explodierte eine Welle der Lust in ihr. Sie schrie auf, wieder und wieder. Rocco hielt sie mit einer Hand, sonst hätten die Beine unter ihr nachgegeben. Nur ganz langsam wurde ihr Atem wieder ruhiger. Aus ihren Augen liefen Tränen.
Sie konnte nicht glauben, was gerade passiert war. So etwas hätte sie nie für möglich gehalten. Bisher hatte sie nur einmal Sex gehabt, und dabei hatte sie keine Lust empfunden. Sie hatte nie verstanden, was die Leute an Sex so großartig fanden.
Jetzt hob Rocco sie auf. „Leg deine Beine um meine Hüften“, murmelte er heiser.
Wie betäubt tat sie, was er gesagt hatte. Ihre Arme schlang sie fest um seinen Hals. So trug er sie zu dem großen Tisch, an dem sie noch wenige Stunden vorher gefrühstückt hatten. Rocco hielt sie mit einer Hand, mit der anderen fegte er alles vom Tisch. Kochbücher flatterten auf den Boden, eine Tasse fiel hinunter und zersprang auf dem Marmor. Rocco legte Gracie sanft mit ihrem Rücken auf den Tisch. Zwischen ihren Schenkeln spürte sie seine harte Männlichkeit.
Die ganze Zeit über schaute er sie unablässig an, so als wäre sie ein wunderschönes, kostbares Kunstwerk. Sanft spreizte er ihre Beine noch ein wenig mehr. Sie hob ihm ihre Hüften entgegen.
Gracie erschauerte, als sie seine Männlichkeit sah, doch diesmal nicht vor Lust, sondern vor Angst. Er war so groß. Dann beugte er sich über sie. Sie spürte seinen heißen Atem zwischen den Schenkeln, und seine Zunge fand ihren empfindsamsten Punkt. Wieder schrie sie vor Lust, doch sie konnte nicht länger ertragen, wie leicht er sie zum Höhepunkt brachte, bis sie einfach nur noch zitternd und keuchend vor ihm lag.
Sie versuchte, die Beine zusammenzupressen und griff nach seinen seidigen Haaren, um ihn zu sich heraufzuziehen. „Nein, nicht!“, stöhnte sie. „Bitte liebe mich, jetzt!“
Er richtete sich auf. Allein der Anblick seines perfekten Körpers ließ sie alles vergessen. Ganz langsam drang er in sie ein. Lust mischte sich mit Schmerz bis Gracie glaubte, es nicht länger ertragen zu können. Sie hob die Hand, um ihn zu stoppen, aber als sie seinen harten Bauch berührte, liebkoste sie stattdessen nur seine heiße, feuchte Haut und hob sich ihm noch ein wenig entgegen. Sie konnte ihn in ihrem ganzen Körper spüren.
Dann zog er sich zurück und drang noch einmal ein. Bald fühlte Gracie nur noch unsägliche Lust. Sie zog ihn mit ihren Beinen noch fester zu sich, bis seine Stöße härter wurden. Ihre Körper bewegten sich in einem uralten Rhythmus, als wären sie eins. Gemeinsam erreichten sie ihren Höhepunkt.
Ganz langsam beruhigte sich ihr Puls. Nur ihr keuchender Atem war zu hören. Noch immer hatte sie ihre Beine um Roccos Hüften geschlungen. Jetzt bemerkte Gracie, wie eisig und hart die Tischplatte unter ihrem Rücken war.
Der Gedanke holte sie aus ihrer Verzauberung wie eine kalte Dusche. Die Küchenlampe beleuchtete schonungslos ihre nackten Körper. Langsam löste Rocco sich aus ihrer intimen Umarmung und richtete sich auf. Seine schwarzen Locken fielen ihm in die Stirn und ließen ihn atemberaubend sexy aussehen. Noch immer konnte sie ihn in sich spüren.
Er grinste, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Wenn wir uns nicht rühren, können wir in ein paar Minuten direkt weitermachen.“ Doch dann zog er sich zurück.
Sofort fühlte Gracie sich sehr allein und sehr nackt.
Bis Rocco sie auf seine Arme hob und aus der Küche trug. Dabei bemühte er sich sorgfältig, den Scherben auf dem Boden auszuweichen. Ohne sie loszulassen, ging er durch die stille Wohnung zu seinem Schlafzimmer und ließ sie so vorsichtig auf sein Bett gleiten, als wäre sie aus hauchzartem Porzellan gemacht.
Er ging ins Bad, und Gracie hörte das Rauschen der Dusche. Bevor sie wusste, was er vorhatte, kam er zurück. Vollkommen mühelos hob er sie auf und trug sie ins Bad. Gracie schloss die Augen, als warmes Wasser über ihren Körper strömte.
Vorsichtig stellte Rocco sie auf ihre Beine und begann, sie einzuseifen. Gracie versuchte gar nicht länger zu begreifen, was hier geschah. Sie stand einfach still und genoss, wie er den seidigen Schaum auf ihrem ganzen Körper verteilte.
Gracie schaute ihn an. Das Wasser rann über seinen prächtigen kraftvollen Körper, und die schwarzen Haare ringelten sich um sein markantes Gesicht. Sie konnte nicht genug von seinem Anblick bekommen.
Dann goss er sich Shampoo in die Hand und begann, ihren Kopf zu massieren. Sie schloss die Augen und fühlte nur noch. Nach einigen Sekunden fragte er leise: „Warst du noch Jungfrau?“
Gracie erstarrte. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte schon vorher Sex“, erwiderte sie heiser.
Bei dem Gedanken krampfte sich ihr Inneres zusammen. Sie dachte zurück an den Jungen, dem sie zu sehr vertraut hatte. Damals war sie gerade erst achtzehn geworden, so jung und verletzlich. Und vertrauensselig. Sie hatte dem Jungen erlaubt, bei ihrer Pflegefamilie zu übernachten. Steven war damals im Gefängnis, und Gracie fühlte sich unendlich einsam.
Nachdem sie das erste Mal mit dem Jungen geschlafen hatte, ließ er sie fallen.
„Wer will schon mit einer Schlampe zusammen sein?“, hörte sie noch immer seine Stimme.
Er machte sie bei seinen Freunden schlecht, und schnell war Gracie als leicht zu haben abgestempelt. Seitdem hatte sie niemandem mehr vertraut.
Und trotz allem hatte sie jetzt mit einem Mann, den sie erst ein paar Tage kannte, wie selbstverständlich Sex auf dem Küchentisch gehabt.
„Aber das ist schon eine Weile her?“, unterbrach Rocco ihre Gedanken.
Gracie erstarrte. War das so offensichtlich? Sie nickte hastig. Von hinten legte er seine Arme um ihren Bauch und zog sie eng an sich. Gracie stand ganz still, obwohl sie sich am liebsten noch fester an ihn gepresst hätte. Plötzlich fühlte sie sich sehr schwach.
Für einen Moment standen sie so da, dann drehte Rocco sie um und wusch den Schaum aus ihren Haaren. Ihr war, als hätte sie plötzlich ein kühler Wind gestreift. Kam es ihr nur so vor, oder war seine Berührung nicht länger verführerisch?
Hatte sie etwas Falsches gesagt? War sie zu leicht zu haben gewesen?
Wie sollte sie ihm sagen, dass es sich anfühlte, als würde sie ihn schon immer kennen? Als hätte ihr Körper ihn wiedererkannt.
Dass sie nicht immer und mit jedem Mann so war.
Sie hatte nicht gewusst, wie überwältigend Sex sein konnte. Mit Rocco war es gewesen, als wäre ein Waldbrand über sie hinweggebraust. Sie sah ihm zu, als er sich abwandte, um sich abzutrocknen. Sie konnte nicht aufhören, ihn mit den Augen zu verschlingen.
„Bist du … ist alles in Ordnung?“, fragte sie zögernd.
Er hielt inne. „Wieso sollte etwas nicht in Ordnung sein?“, fragte er, ohne sich umzudrehen.
Doch er wirkte so schroff und distanziert, dass Gracie unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Mit beiden Händen hielt sie das Handtuch um ihren Körper fest. „Wenn du bereust, was gerade passiert ist …“
Rocco wirbelte herum. „Wieso um alles in der Welt sollte ich das bereuen? Es war der beste Sex meines Lebens.“ Er wickelte das Handtuch um seine Hüften.
Gracie zuckte zusammen. Ihr war, als hätte er sie geschlagen. War es nur Sex zwischen ihnen gewesen? „Wieso hörst du dich dann so ärgerlich an? Wir brauchen es ja nicht zu wiederholen.“
Jetzt sah er noch wütender aus. „Es wird wieder passieren!“, stieß er aus. „Immer wieder und wieder, bis wir endlich frei von diesem Wahnsinn sind.“
Wut schoss in Gracie hoch. Sie richtete sich stolz auf. „Was mich betrifft – ich habe jetzt schon genug. Ich fühle mich ganz und gar frei von jeglichem Wahnsinn, und ich denke, das Ganze war eine ausgesprochen dumme Idee.“
Sie zog ihr Badetuch enger um sich und wandte sich zur Tür. Aber sie kam nicht weit. Rocco packte ihre Schultern, hielt sie fest und drehte sie zu sich um. Wütend starrten sie sich an. Die Luft schien aufgeladen wie vor einem Gewitter.
„Wo willst du hin?“
„Ach, bin ich jetzt plötzlich im Badezimmer gefangen? Nicht nur in deiner Wohnung?“
„Verflucht!“, presste Rocco zwischen den Zähnen hervor und zog sie an sich.
Bevor sie wusste wie ihr geschah, küsste er sie. Trotzig presste sie die Lippen zusammen und machte sich ganz steif in seinen Armen. Doch schon bald wurde ihr schwindelig. Unaufhaltsam schoss brennendes Verlangen durch ihren Körper, heftiger als je zuvor.
Sie vergaß ihre Wut, ihren verletzten Stolz und ihre Angst. Sie konnte ihn nicht zurückweisen. Sie wollte diesen Mann viel zu sehr. Jede Zelle ihres Körpers verzehrte sich nach ihm.
Ganz sanft hob Rocco sie auf seine Arme, legte sie auf sein Bett und zog ihr Handtuch weg. Gracie konnte die Augen nicht von seiner dunklen Schönheit abwenden. Er erinnerte sie an einen heidnischen Gott. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte sie seine rohe Wildheit gespürt, aber die Realität übertraf jede Fantasie.
Für einen Augenblick hielt er inne und sah ihr tief in die Augen. „Du gehörst mir, Gracie O’Brian, mir ganz allein.“
Rocco stand mit dem Rücken zum Schlafzimmerfenster. Hinter ihm senkte sich langsam die Dämmerung über die Stadt, aber er achtete nicht auf den großartigen Ausblick.
Er konnte nur die schlafende Frau in seinem Bett ansehen. Er kam sich vor, als hätte man ihm eine bewusstseinsverändernde Droge verabreicht und er würde jetzt ganz langsam in die Realität zurückkehren.
Diese Frau ließ ihn alles vergessen. Wer er war.
Was er war. Warum er war.
Während sie ihn in der Dusche mit ihren ernsten, dunklen Augen angeschaut hatte, war ein erster Funken seines klaren Verstands wieder aufgeblitzt. Und damit traf ihn die vernichtende Erkenntnis, wie vollständig er sich ihr geöffnet hatte.
Seit Jahren hatte er sich nicht so angreifbar gefühlt, wie in jenem Augenblick. Um sich vor seiner eigenen Verwundbarkeit zu schützen, hatte er sie mit harten Worten von sich gestoßen.
Aber Gracie hatte ihm die Stirn geboten, wie vom ersten Tag an. Und kurz darauf hatte ihre Leidenschaft jedes Gefühl von Verwundbarkeit durch pure Lust ersetzt.
Sobald er Gracie auch nur berührte, gab es kein Zurück mehr. Das hatte sie ihm in der letzten Nacht immer und immer wieder bewiesen.
Er verzog sein Gesicht. Vom ersten Blick an hatte es kein Zurück mehr gegeben. Spätestens seitdem er sie so blass und ängstlich im Fahrstuhl gesehen hatte, war es um ihn geschehen gewesen.
Unwillkürlich schmunzelte er bei der Erinnerung, wie sie in ihrem viel zu engen Kleid mit einem Tablett in der Hand ins Wohnzimmer gekommen war. Wie sehr hatte er in dem Moment bedauert, dass er Honora Winthrop eingeladen hatte. Ohne es selbst zu wissen, hatten ihm die beiden Frauen an dem Abend noch einmal vor Augen geführt, wie durch und durch verschieden sie waren.
Von Gang zu Gang sehnte er sich mehr nach Gracie. Wenn sie dann endlich zurückkam, verschlang er sie mit den Augen. Sobald sie den Raum betrat, konnte er nichts außer ihr mehr sehen oder hören.
Einmal war seine Sehnsucht nach ihr so groß geworden, dass er sie in der Küche suchen musste. Nur um zu sehen, wie sie seinen Sicherheitschef auf die Wange küsste. George hatte ausgesehen, als hätte man ihm einen Orden verliehen.
Als Honora dann ihren schnippischen Kommentar über das Essen machte, hätte er am liebsten ihr makellos geschminktes Gesicht in die Zitronentorte gedrückt.
Sobald Gracie das Zimmer verlassen hatte, stand er auf und teilte Honora kalt mit: „Der Abend ist vorbei. Vielen Dank für dein Kommen, aber ich denke, wir wissen beide, dass wir keine gemeinsame Zukunft haben.“
Sie sprang auf. „Machst du etwa wegen dieses billigen Flittchens von Haushälterin mit mir Schluss? Wolltest du darum nicht mit mir ins Bett gehen?“ Sie zitterte vor Wut. „Du begreifst es nicht! Du könntest beides haben: Mich würde es nicht stören, wenn du sie behältst. So geht man in unseren Kreisen damit um. Ich würde lediglich Diskretion von dir erwarten. Während wir nach außen eine glückliche Ehe leben, kannst du von mir aus schlafen, mit wem du willst.“
Genau so ein Arrangement hatte Rocco gewollt. Doch plötzlich war diese Vorstellung unerträglich geworden. „Geh nach Hause. Ich habe meine Meinung geändert.“
Honora schüttelte den Kopf. Ihre blauen Augen waren kalt wie Eis. „So eine Chance wirst du nicht noch einmal bekommen.“
Seine Lippen waren schmal. „Ich brauche keine Chancen. Ich nehme mir, was ich haben will. So habe ich es immer gehalten. Aber bevor du gehst, möchte ich, dass du dich bei Gracie für deine Unhöflichkeit entschuldigst.“
Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und schallend gelacht. Dann war sie gegangen und hatte die Tür fest hinter sich zugeknallt.
Jetzt, im frühen Morgenlicht, konnte Rocco kaum glauben, dass er sein Ansehen mit einem Schlag so gründlich ruiniert hatte. Jemand wie Honora Winthrop würde keine Zeit verschwenden und die ganze Geschichte herumerzählen – gewürzt mit einem Dutzend Lügen. Dabei würde sie darauf achten, ihren eigenen Ruf zu schützen und seinen so gut wie möglich zu schädigen.
Aber seltsamerweise hatte er nicht das geringste Bedürfnis, die Situation zu retten.
Nicht, wenn er die Frau in seinem Bett anschaute. Ihre roten Locken lagen ausgebreitet auf dem weißen Kissen und umrahmten ihr blasses Gesicht wie ein feuriger Heiligenschein. Eine lange Locke ringelte sich quer über ihren Oberkörper und liebkoste verführerisch eine runde Brust.
Sofort war sein Verlangen wieder erwacht. Ein Blick auf Gracie reichte aus. Schon eine flüchtige Erinnerung war genug, um seine Lust schlagartig zu entfachen.
Ihm war, als hätte er vor ihr nicht wirklich gelebt. Selbst die Farben erschienen jetzt leuchtender.
Seit er gestern gesehen hatte, wie hart sie für dieses großartige Essen gearbeitet hatte, war sie nicht mehr länger nur Steven Murrays Schwester für ihn. Sie war es nie gewesen, aber erst als er den tiefen Stolz auf ihrem Gesicht gesehen hatte, konnte er nicht länger vor der Wahrheit weglaufen.
Er musste schmunzeln, als er daran dachte, wie wenig sie für die Einkäufe ausgegeben hatte.
Und doch – auch wenn er schon lange nicht mehr glaubte, dass sie an den Diebstählen ihres Bruders beteiligt war, konnte er ihr nicht völlig vertrauen. Sie liebte ihren Bruder und war zutiefst loyal.
Er hatte so lange gekämpft, um bis an die Spitze zu gelangen. Sein Leben lang hatte er sich von Drama und Leidenschaft ferngehalten. Von Chaos und Begierden. War er wirklich bereit, für eine Frau alles aufs Spiel zu setzen?
Aber wieso machte er sich so viele Gedanken? Auch wenn er eine Affäre mit Gracie O’Brian anfing, brauchte er auf nichts zu verzichten.
Er konnte mit ihr zusammen sein, bis ihre Leidenschaft ausgebrannt war. Dann würde er zu seinem alten Leben zurückkehren. Wenn er wollte, war selbst eine Heirat in die bessere Gesellschaft immer noch möglich. Ganz egal, was Honora Winthrop jetzt über ihn erzählen mochte, er wusste genau, dass man mit Geld fast alles kaufen konnte. Irgendeine der jungen, wohlgeborenen Frauen würde bestimmt zu einer Heirat mit ihm bereit sein.
Er konnte alles haben. Und genau das hatte er auch vor.
Wie zur Bestätigung nickte er einmal kurz. Dann ging er zurück zum Bett und setzte sich. Als Gracie im Schlaf etwas murmelte, schmunzelte er. Ihre Lippen waren rot und voll. Er beugte sich tiefer und presste einen Kuss auf diesen wunderschönen Mund.
Sie öffnete die Augen und sah ihn an. „Hallo.“ Ihre Stimme klang heiser.
Dieses einfache Wort reichte aus. Irgendetwas in Roccos Brust schien sich zu lösen. Plötzlich kamen ihm seine ganzen Vorsätze und Überlegungen dumm und albern vor. Um nicht weiter über seine Gefühle nachzudenken, beugte er sich noch einmal über Gracie und küsste sie, bis sie atemlos die Arme um seinen Hals legte und sie sich in ihrer Leidenschaft verloren.
Als Gracie erwachte, schien die Sonne hell ins Schlafzimmer. Roccos Schlafzimmer. Sie legte eine Hand über die Augen und stöhnte auf. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie nackt war. Die Decke war bis zu ihren Hüften hinuntergerutscht. Als sie sich bewegte, schmerzte jeder Muskel in ihrem Körper. Leise ächzend tastete sie nach dem Laken, um es wieder heraufzuziehen, dann sah sie sich vorsichtig um.
Das Zimmer war leer. Sie lauschte einen Moment, aber alles blieb still.
Ein Blick auf die Nachttischuhr zeigte ihr, dass es ein Uhr mittags war. Gracie schrie leise auf und setzte sich abrupt. Doch von der hastigen Bewegung wurde ihr schwindelig, und sie ließ sich zurück in die Kissen fallen.
Als sie die Augen schloss, sah sie Bilder der letzten Nacht vor sich. An irgendeinem Punkt hatte sie geweint vor Glück.
Als sie im Morgengrauen zum ersten Mal erwacht war, saß Rocco auf der Bettkante und schaute sie mit einem unergründlichen Ausdruck an. Dann beugte er sich über sie und küsste sie leidenschaftlich, und alles begann von Neuem.
Jetzt setzte Gracie sich vorsichtig auf, wickelte das Laken eng um ihren Körper und ging ins Badezimmer. Auf dem Boden und über dem Waschbecken lagen Roccos nasse Handtücher. Sein unverwechselbarer Duft ließ sie erschauern.
Wie konnte sie sich einem Mann wie ihm so freizügig hingeben? Gracie versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Rocco vertraute ihr nicht – und er stammte aus einer ganz anderen Welt. Sie war in einer heruntergekommenen Vorortsiedlung groß geworden. Er dagegen kam aus einem sonnigen, wunderschönen Land, und sein Stammbaum reichte zweifellos bis zu Julius Caesar zurück.
Gracie schüttelte den Kopf. Hier konnte sie nicht duschen, alles erinnerte sie viel zu sehr an Rocco. Sie flüchtete aus seinem Bad und ging zurück ins Schlafzimmer. Vorsichtig öffnete sie die Tür zum Flur. Fast fürchtete sie, Rocco über den Weg zu laufen. Noch immer in das Laken gewickelt, eilte sie zurück in ihr eigenes Zimmer und verschloss die Tür hinter sich.
Dann stellte sie sich unter die Dusche und schrubbte ihren Körper ab, bis sich ihre Haut ganz wund anfühlte. Unter dem warmen Wasserstrahl entspannten sich ihre angespannten Muskeln, doch die Ereignisse der vergangenen Nacht konnte sie nicht abspülen.
Schließlich trocknete sie sich ab und schlüpfte in eine weite Hose und ein weites Hemd, um so viel wie möglich von ihrem Körper zu verdecken. Ihr Haar band sie zu einem straffen Pferdeschwanz zusammen.
Nach einem letzten Blick in den Spiegel, verließ sie ihr Zimmer. Erstaunt runzelte sie die Stirn, als sie Geräusche aus der Küche hörte. Sofort stieg ihr heiß das Blut in die Wangen. Welches Chaos sie gestern hinterlassen hatten! Sie dachte an das zerrissene Kleid und die Scherben auf dem Boden. Und mittendrin ihr zerrissenes Höschen!
Sie öffnete die Küchentür und rechnete damit, Rocco inmitten der ganzen Verwüstung zu sehen. Beim Anblick einer kleinen Frau, die den Boden wischte, erstarrte Gracie mitten in der Bewegung. Die Küche war tadellos sauber und aufgeräumt. Sogar ein frischer Strauß Blumen stand in einer Kristallvase auf dem Tisch, wo Rocco und sie gestern …
„Sie müssen Gracie sein.“ Die Frau lächelte strahlend und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. „Guten Morgen.“
Gracie nickte nur stumm und starrte verständnislos die fremde Frau an. Schließlich nahm sie die ausgestreckte Hand und schüttelte sie. „Ja … ich bin Gracie. Entschuldigung, aber … wer sind Sie?“
Das fröhliche Lächeln wurde noch breiter. „Ich bin Mrs Jones. Mr de Marco hat mich als seine neue Haushälterin engagiert.“ Sie stützte sich auf ihren Wischmop und erklärte Gracie in vertraulichem Tonfall: „Die Kinder sind jetzt auf der Universität, und ich fange gerade erst wieder an, Vollzeit zu arbeiten. Ich bin zwar etwas aus der Übung, aber er scheint sehr nett zu sein …“
Gracie unterdrückte ein hysterisches Kichern. Nett war ganz bestimmt kein Wort, mit dem sie Rocco beschrieben hätte.
Die Frau schien nichts zu bemerken und plapperte unbekümmert weiter. Wenn das jetzt die neue Haushälterin war, was zum Teufel war dann Gracie?
„Geht es Ihnen nicht gut, meine Liebe?“
Gracie schüttelte den Kopf. „Danke, es ist alles in Ordnung. Ist George draußen?“
Die Augen der Haushälterin wurden ganz rund. „Ist das der große Mann?“
Gracie nickte noch einmal. „Es war sehr nett, Sie kennenzulernen“, murmelte sie, dann machte sie sich auf die Suche nach George.
Wie üblich saß er draußen vor der Wohnungstür auf seinem Stuhl und las in der Zeitung. Als Gracie herauskam, sah er auf und lächelte breit. War er heute Morgen nicht in der Küche gewesen, oder konnte ihn nichts erschüttern?
Sie holte tief Luft. „Wissen Sie, wo Mr de Marco ist, George?“
Er runzelte die Stirn. „Er sollte in seinem Büro sein. Er hat heute Morgen die Haushälterin in Empfang genommen, dann ist er gegangen.“
Gracie nickte und ging zum Fahrstuhl.
„Miss O’Brian!“, rief George ihr nach. Seine Stimme klang sehr sanft.
Gracie blieb wie angewurzelt stehen. Durfte sie nicht allein mit dem Fahrstuhl fahren? Sie drehte sich um, doch George deutete nur mit ungerührter Miene auf ihre Füße. Sie folgte seinem Blick. Ihre nackten Füße.
Sie lächelte schwach, dann lief sie hastig zurück in die Wohnung und zog sich Schuhe an.
Rocco stand am Fenster in seinem Büro. Er rieb seinen Nacken und sah auf die Straßen hinunter, aber die Gedanken an Gracie ließen sich nicht vertreiben. Sein ganzer Körper vibrierte noch vor Erregung.
Auch wenn er nicht hinschaute, bemerkte er sofort, wie sich hinter seinem Rücken die Atmosphäre veränderte. Sein Körper versteifte sich, und er drehte sich um.
Gracie stürmte auf sein Büro zu. Von Kopf bis Fuß war sie in weite, farblose Kleidung gehüllt. Ihr strammer Pferdeschwanz ließ sie sehr jung erscheinen. Die dunklen Augen wirkten riesig in ihrem blassen Gesicht.
Sein Körper reagierte sofort auf ihren Anblick. Rocco fühlte sich wie ein völlig unerfahrener Teenager, der zum ersten Mal mit einem Mädchen geschlafen hatte.
Für einen Augenblick verwünschte er die durchsichtigen Wände. Er stellte sich vor, was er alles mit ihr in seinem Büro tun konnte … Doch sie lächelte nicht.