KAPITEL 10

Essen, 7. April

Der Raum war proppenvoll bei dieser Podiumsdiskussion, die gleichzeitig als Informationsveranstaltung, vielleicht auch Pressekonferenz, ausgerichtet war. Bürger fragen, wir antworten – so lautete das Motto. Die meisten der Anwesenden schienen jedoch der berichterstattenden Zunft anzugehören. Kameraleute, Fotografen und mikrofonbewaffnete Moderatoren in schicken Anzügen und noch schickeren Kostümen.

Verstohlen musterte Jan seine Begleitung von der Seite. Die Geliebte seines Vaters fiel selbst hier in diesem Getümmel auf wie ein bunter Hund. Sie stand neben ihm, so hochgewachsen, dass sie selbst viele der anwesenden Männer überragte. Die Motorradkluft verlieh ihr etwas Martialisches, und Jan registrierte, dass einige der Anwesenden sie mehr oder weniger offen musterten. Sie schien es nicht mal zu bemerken.

Richtig hübsch ist sie nicht, dachte Jan, während er verblüfft dieses Phänomen beobachtete. Und vermutlich war sie das auch nie gewesen. Dafür war die Nase zu lang geraten und das Kinn zu kantig. Aber sie strahlte etwas aus, das schwer zu beschreiben war. Plötzlich verstand Jan, was seinen Vater an ihr gereizt hatte. Tough, das war sie. Einfach tough.

»Habe ich einen Fleck auf der Nase?«, fragte Idgie irritiert. Offensichtlich bekam sie eine Menge mehr von den Blicken mit, als sie normalerweise zeigte. Zumindest seine nachdenkliche Begutachtung hatte sie sehr wohl registriert.

Jan spürte, wie er errötete. »Ach nichts. Du bist nur so ganz anders als meine Mutter«, sagte er verlegen.

»Na, sonst wäre es ja wohl auch langweilig gewesen«, konterte sie spöttisch, aber dennoch freundlich, und begann sich durch die Menge zu schieben. »Komm, da vorne sind noch Plätze frei.«

Jan beeilte sich, ihr zu folgen.

»Ist mal wieder typisch. Kein Schwein will vorne sitzen.« Sie ließ sich auf den Sitz plumpsen. »Und hinterher das Gemaule, weil sich jemand Großes vor ihre Nase setzt.«

»Ist das nicht komisch, dass fast nur Leute von der Presse anwesend sind?«, überlegte Jan laut. »Ich meine, warum interessiert sich denn niemand so richtig dafür? Das Thema kann einem doch nicht egal sein.« Er spürte Idgies Blick von der Seite.

»Siehst du regelmäßig Nachrichten?«

»Klar.«

»Und welches Thema regt dich nicht auf?«

»Regt mich nicht auf? Äh …«

»Hungerkatastrophen, Kriege, Umweltkatastrophen, Wirtschaftskrisen, Schmiergeldaffären, Naturkatastrophen, Bankenkrisen, Geldentwertung, Lohndumping, Verarmung, Massentierhaltung, Ausbeutung der Dritten Welt, Lebensmittelskandale … Dazwischen ein bisschen verlogenes urbi et orbi zu Ostern. Nenn mir bitte ein Thema, das einen nicht aufregen könnte.«

Jan stutzte. »Na so betrachtet hast du recht.«

»Und? Was tust du dagegen? Was guckst du dir genauer an, weil es dich so aufregt? Wo überall gehst du hin?«

»Ich – äh … hey, ich war auf einer Demo gegen die Castor-Transporte bei Gronau«, sagte Jan aufgebracht. »Da habe ich Nora kennengelernt.«

»Nun sei mal nicht gleich so angepisst.«

Jan musste schlucken. Zimperlich war die ja nun nicht gerade mit ihrer Wortwahl. Dann spürte er Idgies Hand auf seinem Arm und sah sie an.

Sie zwinkerte ihm zu. »Ich will doch gar nicht sagen, dass du nichts tust. Ich will dich auch nicht anklagen. Aber ich finde, dass es eigentlich fast nichts gibt, wo man sich nicht besser einmischen sollte. Und trotzdem tut man es nicht, guckt weg oder vielleicht nicht so genau hin oder kneift. Und dafür gibt es auch einige Gründe.«

»Ach ja? Welche denn?«

»Die meisten Sachen sind so weit weg … das ist der eine Grund. Es bedroht einen nicht unmittelbar, so wie hier vielleicht die Atommülltransporte. Die findest du so bedrohlich, dass du auf die Straße gegangen bist und versucht hast, dich zu wehren. Ist etwas weiter weg von einem, kann man es besser verdrängen.«

»Hm. Und weiter?«

»Das ist das Schwerwiegendere: Ich denke, dass viele Menschen diese Themen nicht näher betrachten, weil sie sie in den Händen der Politiker gut aufgehoben finden. Sie haben diese Probleme einfach delegiert.«

Jan runzelte die Stirn. Wie meinte sie das denn nun schon wieder? »Man kann sich doch nicht um alles selbst kümmern«, sagte er verwundert. »Was hast du dagegen?«

»Es ändert sich nichts. Das habe ich dagegen.« Idgie seufzte. Dann lachte sie ihn an. Es war ein ungeheuer ansteckendes Lachen. »Was soll’s? Ich bin alt und will einfach noch ein bisschen nett leben.«

»Warum bist du dann hier, wenn du glaubst, dass das ohnehin nichts bringt?«

»Weil ich deinen Vater geliebt habe? Und weil er wollte, dass ich hier hingehe? Weil er wollte, dass ich für ihn die Klappe aufmache? Weil er immer noch gehofft hat, dass er mit dem Aufdecken von Sauereien die Leute wachrütteln kann? Weil ich gerne wissen möchte, warum dein Vater gestorben ist? Sind das Gründe genug? Aber jetzt geht’s los da vorne.« Sie beugte sich gespannt vor. »Freie Sicht auf das Geschehen, super. Und wen haben wir da nun alles Hübsches?«

»Albert Kaiser, einer der Stadträte von Essen«, informierte Jan und wies auf einen Herrn mit Halbglatze und blauen Nadelstreifen. »Den habe ich neulich vor der Kamera gehabt, beim Landesparteitag der CDU

Idgie nickte. »Den Kerl da zwei Plätze weiter kenne ich vom Fernsehen. Das ist doch der Reiff, Gisbert, glaub ich, und bestimmt auch Doktor. Er ist Vorstandsmitglied, wenn nicht gar im Aufsichtsrat. Auf jeden Fall hoch oben bei der Neuen Energie der Zukunft, höher geht es kaum. Und wer ist der Typ daneben? Der mit diesem fetten Walross-Schnauzbart?« Sie reckte sich, um besser sehen zu können.

Sie hat noch was sehr Jugendliches an sich, stellte Jan überrascht fest.

Offensichtlich wartete sie auf eine Antwort, denn sie piekte ihm mit dem Zeigefinger in die Rippen. »He. Ob du den mit dem Schnauzer kennst, hab ich gefragt.«

»Die haben doch Namensschilder an der Brust«, versuchte Jan zu kontern.

»Kann ich auf die Entfernung nicht lesen, beim besten Willen nicht. Du etwa? Respekt!«

Jan kniff die Augen zusammen. »Hans-Dieter Haberle, Landtag NRW«, las er vor. »Dem hatte Vater doch etliche Mails geschrieben, oder?«

»Stimmt. Er hat ihm eine Reihe unangenehmer Fragen geschickt. Der ist im Umweltministerium, der Haberle. Sieht so aus, als wäre die ganze Creme de la Creme anwesend«, sagte Idgie sarkastisch. »Ein Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik, wie man so schön sagt. Alles, was Rang und Namen hat. Und das nur für so eine lausige Öffentlichkeitsveranstaltung? Sehr verdächtig. Muss ziemlich wichtig sein, dieses Thema, dass die das höchstselbst in die Hand nehmen. Und wer ist der Letzte im Bunde? Der kleine Untersetzte mit dem Fußball unterm Jackett?«

Jan lachte. »Dr. Eckart Taeschel, steht auf dem Schild. Sagt dir das was?«

»Ich weiß nicht. Der Name kommt mir bekannt vor, aber … Na, wird mir schon noch einfallen. Jetzt geht’s los.« Idgie holte ein kleines Aufnahmegerät aus der Tasche.

»Was ist das denn?«, fragte Jan interessiert.

»Nur eine kleine digitale Gedächtnisstütze. Ist besser so, glaub mir. Ich kenn mich doch!« Idgie schaltete das Gerät ein und richtete das winzige Mikrofon aufs Podium.

Haberle vom Landtag NRW eröffnete die Runde.

»Meine sehr verehrten Damen und Herren«, begann er pompös und strahlte gleichzeitig jovial ins Publikum. »Die Energieversorgung war in den letzten Jahren ein heiß umstrittenes Thema. Schwindende Ressourcen, die Verknappung an Rohstoffen und die Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie stellen die Energiewirtschaft vor große Herausforderungen, vielleicht die größte Herausforderung seit Langem. Wir Menschen in Nordrhein-Westfalen mit seinen Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet, Düsseldorf und dem Köln-Bonner Raum sind auf Alternativen angewiesen. Millionen von Haushalten in diesem Land, Krankenhäuser, Schulen, Verwaltungen, Wirtschaft: Wir alle brauchen Strom. Wir alle brauchen Mobilität. Wir alle brauchen Energie. Energie, die uns am Leben hält. Energie, die den Reichtum in dieser Region binden kann.«

Haberle machte eine bedeutsame Pause und nahm Blickkontakt mit dem Publikum in der vorderen Reihe auf. Vereinzelt wurde Beifall geklatscht.

»Mit Mut und Tatkraft haben sich Unternehmen wie die Neue Energie der Zukunft und die European Oil and Gas der Aufgabe verschrieben, diese Probleme für uns zu lösen und neben dem Bau weiterer Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee auch die Suche nach unkonventionellem Erdgas zu forcieren.«

»Applaus, Applaus«, spöttelte Idgie im Stil der Muppet Show. »So viel uneigennütziger Edelmut!«

Laut war das nicht gewesen, aber dennoch laut genug, dass sich ein paar Köpfe zu ihnen umdrehten, was Jan ziemlich peinlich war.

»Nun stehen sowohl die technischen Verfahren als auch die gesamte Netztechnik dieser Energieträger auf einem schweren Prüfstein. Die erneuerbaren Energien stellten uns vor die Aufgabe, Strom auf Vorrat zu produzieren und nur bei Bedarf an die Verbraucher zu liefern. Das erforderte eine ganz andere Art der Netzkonzeption und der Verteilung. Eine ebensolche Herausforderung stellt die Entwicklung moderner, umweltverträglicher Verfahren für die Gewinnung von Erdöl und Erdgas aus großen Tiefen dar. Hierzu braucht es Pioniere, Menschen mit Visionen. Ich freue mich, Ihnen heute einen solchen Visionär vorstellen zu dürfen: Dr. Gisbert Reiff, Aufsichtsratsmitglied der European Oil and Gas sowie Vorstandsmitglied der Neuen Energie der Zukunft. Deutschland ist reich an solchen Bodenschätzen. Deutschland ist reich an Energie. Packen wir es an!«

Die Pause, die Haberle jetzt einlegte, forderte erneut Beifall.

»Ich komme mir vor wie auf einer Wahlkampfveranstaltung.« Idgies Kommentar ging im Beifall unter.

»Ich freue mich deshalb, dass in den letzten Tagen Nägel mit Köpfen gemacht werden konnten, und übergebe jetzt das Wort unserem geschätzten Dr. Reiff.«

Eine Dreiviertelstunde später wussten sie, wo der Hase langlaufen sollte. Die Veranstaltung war nun für zwanzig Minuten unterbrochen, um Gelegenheit zu geben, sich bei einer Tasse Kaffee, zu der sich die Anwesenden herzlich eingeladen fühlen durften, die Beine zu vertreten.

»Lass mich das mal so zusammenfassen.« Idgie rührte in ihrem tintenschwarzen Gebräu. »Die Neue Energie der Zukunft tut was für die Region, indem sie Nützliches mit Praktischem verbindet und daraus eine immense Werbekampagne für sich macht.«

»Du meinst damit diese Konferenz hier?« Jan ließ die Feststellung in einem Fragezeichen ausklingen.

»Ich habe selten eine so perfide Kampagne für eigene Zwecke erlebt. Das hier ist Werbung in Perfektion.« Idgie pustete in den Kaffee und nahm einen Schluck. Sie seufzte theatralisch. »Nicht mal am Kaffee haben sie gespart.«

»Das verstehe ich nicht ganz«, gestand Jan schüchtern.

»Na, erst mal wurden die eigenen Leistungen hervorgehoben. Die Neue Energie stiftet der Stadt Essen ein Besucherzentrum Energie. Im Münsterland investiert sie in einen Windpark und ein weiteres Kraftwerk. Das haben sie ja eben in epischer Breite vorgetragen und sich gebührend für diesen uneigennützigen Einsatz feiern lassen.«

»Aber das ist doch auch gut, dass sie das machen.«

»Dabei haben sie aber eine Kleinigkeit vergessen.«

»Die da wäre?«, fragte Jan neugierig.

»Sie lassen sich das Ganze ordentlich subventionieren, von Land und Bund und ganz sicher auch der Europäischen Union. Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen sind immer gern gesehen in einer strukturschwachen Region wie dieser hier. Ich finde, das relativiert diese Leistung doch ein wenig, nicht wahr?«

»Böse böse«, sagte Jan. Jetzt, wo er mit Idgie separiert am Rande der Vorhalle stand, fand er ihre Spitzzüngigkeit äußerst treffend, amüsant und gar nicht mehr peinlich.

»Ich hab mir das doch nicht ausgedacht. Und was ist die Gegenleistung bei diesem Deal?«

»Wieso Gegenleistung? Du hast doch eben selbst gesagt, dass die Projekte stark subventioniert werden. Das reicht doch.«

»Ja. Aber die Subventionen sind hier ja nicht mal ansatzweise Thema gewesen. Es geht hier um was anderes.«

»Das Gutachten?«, schlug Jan vor.

»Das vermute ich auch stark. Wetten, dass es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Einsatz von Fracking in großem Stil birgt? Der Boden dafür wurde eben ja hervorragend vorbereitet.«

»Meinst du was Bestimmtes?«

»Sag mal, hast du das denn nicht mitbekommen? Erstens: Fracking gilt als beherrschbar, wenn eine Reihe von Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Und es wird ja bereits gefrackt. In Niedersachsen beispielsweise.«

»Natürlich habe ich das mitbekommen!«, sagte Jan scharf. »Nur die Sache mit diesem komischen Regelwerk, die habe ich nicht kapiert.«

Idgie warf ihm einen schrägen Blick zu. Er hatte eben wie sein Vater geklungen. »Schon gut«, sagte sie beschwichtigend. »Das war ja auch etwas verklausuliert dargestellt. Mir klang das so, als wären diese Sicherheitsvorschriften vom Land bereits zu einem Regelwerk zusammengefasst und verabschiedet worden. Vorauseilende Politik sozusagen. Aber vielleicht irre ich mich ja auch.«

Jan seufzte. Bei ihrem Tempo konnte er einfach nicht mithalten. Er rekapitulierte den Satz noch mal. »Du meinst, dass die Sicherheitsvorschriften, die in dem Gutachten vorgeschlagen werden, um das es da gleich geht, bereits in einem Regelwerk politisch festgezurrt wurden? Aber wozu das Ganze?«

»Ich denke, dass die European Oil and Gas sowie andere am Kuchen beteiligte Unternehmen die Berechtigung zur Förderung erhalten werden. Und zwar bald nach dieser Konferenz. Wetten?« Sie legte den Kopf schief und streckte ihm die Hand entgegen.

»Besser nicht«, sagte Jan lachend. »Beim Wetten verliere ich immer.«

Auch Idgie lachte. »Und wer ist schuld an dem ganzen Desaster?«

»Die Merkel und ihr Ausstieg aus der Atomenergie?«

»Falsch«, sagte Idgie. »Schuld sind wir Verbraucher mit unserer maßlosen Gier nach Strom und Fortbewegung. Denn wir alle wissen doch, warum wir das Öl und das Gas so dringend brauchen: Weil du« – damit piekste sie Jan unangenehm fest in die Rippen – »im Winter nicht frieren willst und weil du …«, dieses Mal wich Jan dem spitzen Finger aus, »… unbedingt Auto fahren willst. Damit also die Bürger und Bürger …«

»Bürger und Bürgerinnen«, unterbrach Jan grinsend.

»Nein. Bürger und Bürger. Das Innen, das wird doch immer so hübsch geschlabbert. Also: Damit die Bürger und Bürger in unserem Land auch morgen noch sicher mit Energie versorgt werden. Für unsere Kinder. Für unsere Zukunft. Für die Neue Energie der Zukunft – äh – nein, das Letzte ist nicht fürs Protokoll, bitte streichen. Deshalb und nur deshalb das ganze Theater. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.«

»Applaus, Applaus.« Jan deutete eine Verbeugung an.

Auch Idgie verneigte sich vor ihm. »Und nun lass uns wieder reingehen. Ich bin gespannt, was dieser Neutrale, dieser Dr. Taeschel, da gleich von sich gibt. Sag mal: Wie geht es eigentlich Nora?«

Jan runzelte die Stirn. Er war kein Freund solcher schnellen Themenwechsel.

»Ganz gut. Ruth hat heute früh nach ihr geschaut. Ich habe auf dem Sofa unten geschlafen.«

Jan registrierte, wie sie fragend eine Augenbraue in die Höhe zog.

»Erster Krach?«, fragte sie auch prompt.

»Quatsch. Aber sie hat dauernd vor sich hin gebrabbelt«, entschuldigte er sich und ärgerte sich, dass er schon wieder rot wurde. »Wirklich. Obwohl sie tief und fest geschlafen hat. Das tut sie sonst nie, ehrlich. Als ich vorhin bei ihr reingeschaut habe, hat sie gerade Tee getrunken und uns viel Erfolg gewünscht. Und sie hatte ziemlich starke Kopfschmerzen und wollte lieber noch liegen bleiben.«

* * *

Münsterland, Nottuln, 7. April

»Sie sehen doch, ich hab zu tun«, knurrte Björn de Fries, während er den tellergroßen Huf eines gigantischen Pferdes mit dem Hufkratzer bearbeitete.

Das Pferd wendete neugierig den Kopf.

Was für ein Koloss. Mit Respekt betrachtete Kamforski das Kaltblut. Wenn der einen mit dem Huf erwischte, konnte man sich seine Knochen zusammenflicken lassen. Er trat einen Schritt zurück.

»Es dauert auch nicht lange«, insistierte Kamforski.

Keine Reaktion. Der Kerl war aber auch wirklich maulfaul. Außerdem schien er ein sehr grundsätzliches Misstrauen gegen alles zu hegen, was auch nur im Entferntesten nach Polizei roch. Das war Kamforski schon bei seinem letzten Besuch einen Monat zuvor aufgefallen.

»Ruhig, Dicker. Steh.« Björn gab den Huf frei und strich dem Riesen über die Flanke. Mit geübtem Griff klopfte er gegen die Fessel am Hinterlauf des Tieres. »Fuß«, kommandierte er, griff unter den Huf, der ihm willig entgegengehoben wurde, und begann mit der Reinigung.

Mistbrocken flogen in Kamforskis Richtung.

»Jetzt sei mal nicht so stur. Idgie hat gesagt, dass er okay ist.«

Kamforski zuckte zusammen. Er hatte Stella de Fries nicht kommen hören.

»Hallo Frau de Fries.« Er reichte ihr die Hand. »Ich hab da noch ein paar Fragen wegen Hannes Schindlers Tod.«

»Ach, jetzt auf einmal«, murmelte Björn unwirsch. Er gab den Huf frei und klatschte dem Kaltblut auf die mächtige Kruppe. »Ab mit dir.«

Mit einer Geschwindigkeit, die man dem Koloss gar nicht zutraute, drehte das Kaltblut und setzte sich in Bewegung, direkt auf Kamforski zu. Kamforski sprang beiseite und starrte dem schwankenden Hinterteil nach, wie es über den Hof in Richtung des Stallgebäudes schaukelte.

»Besser jetzt als nie«, wendete er sich wieder an Björn de Fries. »Damals waren mir einfach die Hände gebunden.«

»Und jetzt sind die Fesseln weg?«, brummte Björn, während er sich die Hände an der Hose abklopfte.

»Ja, jetzt sind sie weg. Ich bin kein Bulle mehr. Außerdem hat sich die Sachlage geändert.«

»Was wollen Sie?«

»Mir gehen da gleich mehrere Dinge durch den Kopf.«

Björn verschränkte die Arme vor der muskulösen Brust, abwehrend und abwartend zugleich.

»Ding eins: Der Laptop von Hannes Schindler ist verschwunden. Im Haus ist er nicht, und ich habe ihn auch nicht. Aber er ist nicht da. Haben Sie eigentlich einen Schlüssel zu Schindlers Scheune?«

»Wenn Sie damit sagen wollen, wir hätten …«, brauste Björn auf.

»Genau das wollte ich damit nicht sagen«, unterbrach Kamforski den Ausbruch. »Ich überlege nur, wie ein Laptop spurlos verschwinden kann ohne sichtbare Einbruchsspuren. Daher die Frage, wer alles einen Schlüssel hatte.«

»Natürlich haben wir einen Schlüssel«, übernahm Stella das Wort. »Er hängt im Büro bei all den anderen. Soll ich ihn holen?«

»Das wäre nett.«

Unbehagliche Stille breitete sich auf dem Hof aus, während Kamforski wartete.

»Der passt jetzt sowieso nicht mehr«, quetschte Björn schließlich mit finsterer Miene heraus. »Idgie hat das Türschloss austauschen lassen.«

»Weiß ich. Deshalb wurde ja auch die Scheibe eingeschlagen. Und genau deshalb schließe ich daraus, dass jemand sich vor dem Austausch des Schlosses mit einem Schlüssel Zugang zum Haus verschafft hat.«

Stella kam zurück. »Der Schlüssel ist nicht da«, sagte sie verwundert. »Ich meine, der hing doch immer bei den anderen am Schlüsselbrett.«

»War er besonders gekennzeichnet?«

»Ein grüner Schlüsselanhänger, so einer aus Plastik. Die zu den Apartments haben Holzblöcke. ›Hannes’ Scheune‹, stand auf dem Schild.«

»Und der ist weg«, sagte Kamforski nachdenklich. »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«

»Kann ich so genau nicht sagen. Seit Weihnachten hatten wir keine Gäste mehr hier. Nur Hannes’ Sohn. Da ist mir das aber nicht aufgefallen, also, dass der Schlüssel fehlt. Allerdings habe ich auch nicht danach gesucht, so wie eben.«

»Sie können also nicht mit Gewissheit sagen, dass der Schlüssel da noch da war.«

Stella schüttelte den Kopf. »Bewusst habe ich ihn nicht gesehen.«

»Schließen Sie das Haupthaus immer ab?«

»Wenn wir hier auf dem Hof unterwegs sind? Nein. Das wäre viel zu umständlich. Nur wenn wir beide länger weg sind.«

Kamforski sah sich um. »Ganz schön groß hier. Die Stallungen, der Trakt mit den Ferienwohnungen, das Café … Also wäre es durchaus möglich, dass jemand ungesehen ins Büro gegangen ist und den Schlüssel genommen hat.«

Björn trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Möglich schon«, gab er widerwillig zu. »Aber doch auch gefährlich. Er konnte doch nicht wissen, wann jemand zurückkommt.«

»Vielleicht hat er sich Ihren Tagesablauf eine Zeit lang zu Gemüte geführt, bevor er den Schlüssel holte«, schlug Kamforski vor.

»Sie meinen, wir wurden beobachtet?«, fragte Stella und blickte nervös umher.

»Schon möglich. Zumindest wurde Schindlers Scheune längere Zeit observiert, und das auch noch nach seinem Tod. Ich habe jede Menge Kippen dort oben im Wald gefunden, alle an einer Stelle. Ist Ihnen denn nie jemand aufgefallen?«

»Jemand, der da im Wald rumlungert?« Björn nahm die Baseballkappe ab und kratzte sich die schütteren Haare am Hinterkopf. »Nee. Da ist mir nix aufgefallen. Hier vom Hof aus kann man den Wald allerdings auch nicht sehen.«

»Ich denke, dass der Beobachter zu Fuß gekommen ist, über den Fußweg von Schapdetten hinauf. Aber dort nach Schapdetten, da muss er ja schließlich auch irgendwie hingekommen sein, also, nicht zu Fuß auf jeden Fall. Haben Sie da vielleicht ein unbekanntes Auto gesehen?«

»Warten Sie mal …«, mischte Stella sich ein. »Die Maike von der Bäckerei unten hat neulich so was erzählt. Der ihr Opa regt sich sowieso immer auf, weil die Städter im Sommer die Zufahrt zu seiner Weide blockieren. Aber in letzter Zeit hat er sie dauernd damit genervt. Dabei ist doch noch gar nicht Sommer. Vielleicht fragen Sie da mal nach.«

»Hm.« Kamforski nickte bedächtig. »Sie selbst hatten aber auch mal Fremde hier beobachtet. Da war doch dieser Streit mit Schindler kurz vor seinem Tod.«

»Diese Pinkel mit den feinen Klamotten …« Björn spuckte verächtlich auf den Boden. »Aber die haben nicht so ausgesehen, als würden die bei Wind und Wetter im Wald rumstehen und Häuser beobachten. Viel zu fein für so eine Drecksarbeit.«

»Sie haben einen Streit beobachtet, hat mir Idgie erzählt. Haben Sie mitbekommen, worum es da ging?«

»Nur so Satzfetzen. Hannes fing an, rumzubrüllen. Die Pinkel sind ganz ruhig geblieben. Sehr etepetete.«

»Erzählen Sie doch bitte noch mal genau, wie das abgegangen ist.«

»Ja also …« Er schob erneut die Baseballkappe nach vorne und kratzte sich am Hinterkopf. Dann drehte er den Schirm der Mütze in den Nacken, was ihm das Aussehen eines Straßenkids gab, zumal er eine kleine Lücke zwischen den beiden Vorderzähnen hatte. »Ich hab den Tassilo an der Longe gehabt auf ’ne Trainingsrunde. War ein schöner Tag, zwar ziemlich windig, aber nicht kalt, und irgendwie hatte ich Lust, rauszugehen, nicht immer in der Halle … Ich hab da unterhalb der Wiese so ’nen Longierplatz, sieht man von hier aus aber nicht.« Er wies vage in Richtung der Weide, die den Hang hinauf zu Idgies Haus führte. »Die kamen mir gleich so komisch vor, wie die da mit ihren langen Mänteln die Straße raufgeweht sind, einer in hell, Kamel oder so, einer in dunkel. Dem einen flatterte noch so ein Schal um die Schultern, und der andere, der hatte einen Hut auf. Den musste er dauernd festhalten, war ja ziemlich windig.«

Hut, Schal, Mantel, dachte Kamforski. Björn war ein guter Beobachter, so viel stand fest.

»Ich hab mich noch gewundert, wo die herkamen und was die hier wollten. Die passten nicht hierher, versteh’n Sie? Dann hab ich mich wieder auf den Tassilo konzentriert. Der ist doch noch jung und hat so richtig Flausen im Kopf, da muss man aufpassen. Dem darf man nicht alles durchgehen lassen … überhaupt, bei den Jungpferden muss man … aber deswegen sind Sie bestimmt nicht hier.«

»Ein andermal gerne, ist bestimmt ein spannendes Thema.« Kamforski lächelte.

Björn grinste zurück. »Als ich wieder hochgeguckt hab, waren die beiden oben an der Scheune. Das hat mich gewundert. Der Hannes hat eigentlich selten Besuch gehabt. Sein Freund aus Münster, dieser Notar, der kam ab und zu mal zum Schachspielen. Der ist mit seinem BMW Coupé aber immer direkt bis vors Haus gerollt. Auf jeden Fall hab ich gehört, dass da oben Streit im Gange war. Ich hab also den Tassilo am Zaun angebunden und bin ein Stück die Wiese hoch. Ich dachte, wenn der Hannes so rumbrüllt, dann ist da nichts Gutes im Gange. Also, ich schnüffele wirklich keinem hinterher, das müssen Sie mir glauben, aber …«

»Hannes war Ihr Freund, und da oben gab’s Streit«, sagte Kamforski. »Ist doch normal, dass man da gucken geht, ob man nicht vielleicht besser helfen sollte.«

»Genau. Ich bin also die Wiese hoch. Der eine der beiden Pinkel, der hat dem Hannes grade was in die Hand gedrückt. Einen Umschlag oder so. Da ist der Hannes aber so richtig sauer geworden. Er hat den Umschlag auf den Boden gepfeffert und dem Pinkel ’nen Stoß vor die Brust gegeben, so fest, dass der beinah hingeknallt wäre. Sein Kumpel konnte ihn grade noch halten. ›Beschissene Ölmafia‹, hat der Hannes gebrüllt, und noch einiges mehr, was ich aber nicht verstanden habe. Dann sind die beiden abgezogen.«

»Was ist mit dem Umschlag passiert?«, fragte Kamforski interessiert.

»Den hat der Dunkle wieder aufgeklaubt, glaube ich. Nee, stimmt, der hat sich gebückt und ihn dem mit dem hellen Mantel zurückgegeben.«

»Hm.« Kamforski ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. »Und dann? Idgie hat mir erzählt, Sie hätten die beiden noch mal gesehen?«

»Stimmt. Ich war dann in Nottuln bei der Bank. Als ich da rein bin, hab ich die beiden gesehen, wie sie aus der Altstadt rausgekommen sind. Sie sind in ein Auto gestiegen, das da auf dem Parkstreifen an der Ringstraße stand. So ’ne Limousine mit getönten Scheiben, niegelnagelneue Mercedes E-Klasse mit Essener Kennzeichen, passend zu den Pinkeln. E-AB oder AP oder AF oder so was. Mehr hab ich nicht gesehen.«

»Wann genau war das?«

»Mein Termin bei der Bank?« Björn kratzte sich wieder am Hinterkopf. Offenbar seine Verlegenheitsgeste. »Kurz nach Mittag«, sagte er schließlich zögernd. »So um zwei, glaub ich.«

»Und welcher Tag?«

»Genau zwei Tage vor Hannes’ Tod«, mischte sich Stella wieder ein. »Wir können natürlich noch mal nachgucken – den Banktermin hat Björn bestimmt in der Küche auf dem großen Plan eingetragen. Aber ich bin mir sicher.«

»Danke. Sie haben mir sehr geholfen.« Kamforski reichte ihr die Hand, und auch Björn reckte ihm seine schwielige Pranke entgegen, freiwillig, wie eine Art Auszeichnung.

* * *

Essen, 7. April

Warum ist nur alles immer so berechenbar! Idgie stieß einen unwilligen Seufzer aus. Sie fühlte sich plötzlich entsetzlich müde. Das ist doch grässlich. Und gleich wird Presse und interessierten Bürgern freundlichst gestattet, noch ein paar Fragen zu stellen, und dann ist das Thema im Sack. Quatsch. Im Sack ist es ohnehin. Dann ist der Informationspflicht Genüge getan. Jeder hätte ja schließlich die Möglichkeit gehabt, hier und jetzt seine Fragen zu stellen.

Eine Dreiviertelstunde lang hatte Taeschel referiert. Er hatte aufgelistet, welche Details bei diesem Gutachten beleuchtet worden waren, und zunächst einmal erläutert, was genau Fracking war, warum man es zur Gewinnung unkonventioneller Vorkommen benötigte, warum man die unkonventionelle Gasförderung überhaupt benötigte und wie man sich diesen Vorgang technisch vorstellen musste. Das war nichts Neues, jedenfalls nicht für Idgie.

Dann wurde die Studie vorgestellt. Aufgeführt wurden Aspekte wie die Lärmbelastung, die der Vortrieb in der Tiefe der Erde mit sich brachte, die optische Belastung, wie es so hübsch hieß, sowie eine mögliche Gefahrenquelle durch ungewollten Austritt von Frac-Flüssigkeit und/oder -Abwässern. Dass es beim Bohren laut zuging, wurde nicht beschönigt. Vierzehn Monate lang Vortrieb – und diese Zahl sei jetzt willkürlich und nur als Beispiel gedacht, es könne durchaus auch viel längere Perioden geben – bedeutete nun mal vierzehn Monate lang permanente Geräuschkulisse. Über die Erschütterungen, die mit solchen Bohrungen einhergingen, wurde seltsamerweise nicht gesprochen.

Intensiv breitete sich Dr. Taeschel jedoch über die Optik aus. »Eine Bohrstelle ist hell erleuchtet. Tag und Nacht«, sagte er und blickte bedeutsam in die Runde. Das könne zu einer Beeinträchtigung benachbarter Wohnsiedlungen führen, womit er meinte, dass die Menschen in diesen Wohngebieten eventuell nicht würden schlafen können, weil grelles Flutlicht in die Fenster fiel. Ebenfalls hingewiesen wurde auf eine hohe Belastung der Anwohner durch ein vermehrtes Verkehrsaufkommen in Form von Lkws, ein Aspekt, über den Idgie noch nicht nachgedacht hatte, der aber auf der Hand lag.

Dann ging es um das Thema Sicherheit. Und dabei kam heraus, was zu erwarten gewesen war: Wenn alle Sicherheitsvorkehrungen eingehalten würden, sei von einer Gefahr für das Grundwasser nicht auszugehen.

Mehrere Worst-Case-Szenarien waren durchgespielt worden, und das Expertenteam war zu dem Schluss gekommen, dass ein solcher Worst Case zwar theoretisch möglich, jedoch nicht wahrscheinlich sei. Ein minimales und daher vertretbares Risiko. Ein Restrisiko eben, wie es immer in einer so hoch technisierten Gesellschaft bestehen würde.

Zuletzt war das Thema der Abwässer und Bohrschlämme Ziel der Untersuchung gewesen. Im Fokus standen dabei die Chemikalien, die beim Fracken eingesetzt wurden. Das Thema Radionuklide tauchte nur beiläufig am Rande auf und war gerade mal einen Nebensatz wert.

Das Gutachten enthielt Vorschläge für erforderliche Maßnahmen, die, wenn eingehalten, das Restrisiko auf ein vertretbares Minimum reduzieren würde.

Und hier war Väterchen Staat, falsch, Mütterchen Land in Form von Dr. Haberle noch mal aufgetreten und hatte den vom Landtag bereits im Vorfeld verabschiedeten Maßnahmenkatalog zur Kontrolle des Verfahrens vorgelegt.

Treffer versenkt, dachte Idgie böse und piekste Jan in die Seite, damit er das auch ja mitbekam. Aber es befriedigte sie nicht, dass sie recht behalten hatte.

Nun durfte das Publikum fragen.

Das Hauptaugenmerk der Fragen, die gestellt wurden, richtete sich nach wie vor auf die eingesetzten Chemikalien beim Fracken, und Idgie wunderte sich, dass dieses Thema mit den Chemikalien solchen Vorrang hatte vor dem, was ihr auf der Seele brannte. Dann endlich wurde ihr das Wort erteilt.

Idgie stand auf und ging zu dem Mikrofon, das in der Mitte des Ganges platziert worden war. Sie klopfte einmal kurz dagegen, dann legte sie los.

»Sicherlich kennen Sie den Begriff NORM, im Englischen auch TENORM genannt«, sagte sie freundlich. »Vielleicht können Sie übersetzen, was das bedeutet?«

»Selbstverständlich«, sagte Taeschel und räusperte sich. »Es bedeutet Naturally Ocurring Materials, natürlich vorkommendes Material. Gemeint sind damit Nuklide, die in der Erdoberfläche und im Gestein ohnehin vorhanden sind.«

»Haben Sie da nicht ein kleines Wörtchen vergessen bei der Übersetzung?«, fragte Idgie spöttisch. »Das Wörtchen ›Radioactive‹ meinte ich.«

»Wie vorher bereits ausgeführt, es handelt sich um Nuklide, die ohnehin in der Erdoberfläche vorhanden sind.«

»Aber diese Nuklide, die Sie hier beschreiben, haben doch die Eigenschaft, dass sie radioaktiv sind. Es sind Zerfallsprodukte der Urankette, nicht wahr?«

Igdie konzentrierte sich mit ihrer Frage bewusst auf die Urankette. Natürlich wusste sie, dass da auch andere, teilweise sogar harmlose radioaktive Substanzen im Spiel waren. Aber Uran war immer ein gutes Stichwort, denn jeder hatte schon mal gehört, dass es gefährlich war. Was die Gegenseite mit ihrer Verharmlosungstaktik versuchte, das beherrschte sie allemal. Sie zog eine Augenbraue gespannt in die Höhe und wartete auf die Antwort.

Taeschel räusperte sich erneut. »Das ist richtig. Nur – es ist ja ohnehin vorhanden im Gestein, also vollkommen natürlich. Nichts, was erst durch das Fracking entsteht.«

»Und deshalb ist es ungefährlich?«, fragte Idgie erstaunt. »Na, dann können wir uns ja alle beruhigt wieder schlafen legen. Die Sache ist nur die: NORM-alerweise, wenn Sie mir das Wortspiel erlauben, gelangen diese Radionuklide nicht an die Erdoberfläche. Sie werden erst durch den Prozess freigesetzt, durch das gewaltsame Zertrümmern des Gesteins. Und darum genau geht es doch. Um das Zertrümmern, meine ich. Sonst würde doch das Gas nicht freigesetzt, oder?«

»Könnten Sie bitte zu Ihrer Frage kommen?«, unterbrach Haberle sie.

»Aber gewiss doch. Können Sie mir sagen, in welchem Maße bei diesem Prozess Radioaktivität freigesetzt wird? Radium-226 beispielsweise? In Becquerel pro Gramm?«, fragte Idgie lauernd. »Und können Sie sagen, wie viele Liter täglich an Wasser insgesamt anfallen? Nicht nur an dem Chemikaliengemisch, sondern auch an Prozesswasser, das zur Kühlung der Bohrköpfe benutzt wird, und an Lagerstättenwasser, das sich in der Erde befindet?«

»Äh – ja, das ist nun nicht ganz so einfach«, sagte Taeschel steif. »Wie viele Becquerel freigesetzt werden, hängt in erster Linie vom Gestein ab, in dem gebohrt wird. Und wie viele Liter Bohrwasser anfallen, hängt von der Tiefe des Bohrlochs und der Härte des Gesteins ab …«

»Na, wenn Sie keine Zahlen haben, kann ich das mal für Sie übernehmen.« Ihr Gesichtsausdruck hatte jetzt etwas Raubtierhaftes an sich. »Der Verband der Erdöl- und Erdgasindustrie spricht von tausend bis zweitausend Tonnen solcher Schlämme im Jahr allein in Deutschland, Tendenz steigend. Die Belastung pro Gramm liegt zwischen zwanzig und achtundachtzig Komma fünf Becquerel, das sind die Zahlen, wie sie mir vorliegen, wovon die letzte vor Kurzem von der Saxxon Company bekannt gegeben wurde. Dagegen stehen im Mittelwert null Komma null drei Becquerel pro Gramm bei unbehandeltem Gestein. Ergo: Wenn wir von einem Mittelwert von fünfundvierzig Becquerel pro Gramm ausgehen bei Prozesswasser und Bohrschlämmen, dann ist die Radioaktivität eintausendfünfhundertmal so hoch wie die ›normale‹ natürliche Belastung des Gesteins.« Idgie schaffte es allein durch ihre Betonung, das Wort in Gänsefüßchen zu setzen.

»War das nun Ihre Frage?«, mischte Haberle sich erneut ein.

»Nicht ganz. Meine Hauptfragen lauten: Was passiert mit den Bohrschlämmen und mit dem ganzen Prozess- und Lagerstättenwasser? Wo wird das alles entsorgt, und wer kontrolliert diese Entsorgung?«

»Die Betreiberfirmen«, antwortete Taeschel in leicht genervtem Tonfall, »sind selbstverständlich für eine fachgerechte Entsorgung zuständig.«

»Und was ist fachgerecht? Landspreading, wie es in Kentucky so hübsch genannt wurde? Eine ganze Region ist mit der Verteilung der Schlämme dort systematisch verseucht worden. Ist das eine sachgerechte Entsorgung? Man munkelt auch, dass solche Schlämme in die Nordsee verkappt werden und auf stinknormale Müllkippen. Soweit ich weiß, fallen diese Schlämme nicht mal unter die Strahlenschutzverordnung. Das Land geht nämlich von nur fünf Becquerel pro Gramm aus und definiert das Ganze deshalb nicht als radioaktiven Abfall. Ist das richtig, Dr. Haberle?«

»Ihre Zeit ist um«, konterte Haberle. »Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass nur kurze Fragen, aber keine langen Beiträge erlaubt sind. Darf ich Sie bitten, jetzt Platz für andere Diskussionsteilnehmer zu machen?«

Die übrigen Podiumsteilnehmer murmelten durcheinander, und jetzt löste sich auch noch ein Ordner vom Rande des Saales und steuerte zielstrebig auf Idgie zu. Der würde ihr mit Sicherheit gleich das Mikro abnehmen.

So nicht, dachte Idgie wütend. So nicht, verdammt noch mal.

»Eine einzige Frage noch!« Ihre Stimme war lauter als beabsichtigt und übertönte das Geraune um sie herum, das sich nun breitmachte. Sie wusste, dass es vernünftiger wäre, jetzt einfach den Mund zu halten und sich wieder zu setzen. Sie wusste auch, dass es falsch war, insbesondere diese Frage zu stellen. Aber sie war jetzt eben wütend. Wütend darüber, wie sie hier abgefertigt wurde mit Themen, die ernst genommen werden sollten. Wütend darüber, wie die ganze Veranstaltung als einzige Werbeveranstaltung für Energiekonzerne und Politiker ausgelegt worden war.

»Sagt Ihnen der Name Hannes Schindler etwas?«, schoss Idgie aus der Hüfte auf die Herren der Podiumsrunde ab. »Wie ich weiß, hat er einigen von Ihnen bereits viele meiner Fragen per Mail geschickt. Sie haben sie auch ihm nicht beantwortet. Hannes Schindler. Wir machen exakt da weiter, wo er aufgehört hat.«

Für einen Moment herrschte Stille auf dem Podium. Eine Art Erstarrung, die davon zeugte, dass sie von dieser Frage überrascht waren und dass sie an einem wunden Punkt gerührt hatte. Einem verdammt wunden Punkt.

Nicht nur Idgie erkannte, dass da etwas nicht stimmte. »Wer ist dieser Schindler? Können Sie uns mehr erzählen?«, fragte ein Pressemensch, hellhörig geworden, und schob an einer langen Stange ein Mikrofon in ihre Richtung. Auch die übrige Meute leckte Blut.

»Das kann ich«, setzte Idgie an. Dann wurde ihr das Mikro aus der Hand genommen.

* * *

Münsterland, Nottuln, 7. April

Der alte Herr war überraschend rüstig. Kamforski schnaufte, während er hinter ihm her die Straße stadtauswärts trabte. Nur reden tat er nicht gerade viel. Diese Maulfaulheit schien eine Eigenart der Landbevölkerung hier zu sein, zumindest der männlichen.

Der Alte bog in einen Feldweg ein, der von der Straße den Hügel hinaufführte.

Kamforski heftete seine Augen auf den in einen Parka undefinierbarer Färbung gewandeten Rücken. »Ist es noch weit?«, rief er.

»Nee. Wollen Se’s nu sehn oder nicht?«, rief der Alte über die Schulter zurück.

Kamforski fluchte still und hechtete weiter. »So ein Mist«, schimpfte er, als er in eine Pfütze trat.

Endlich machte der Alte halt.

»Hier, da können Se auch noch Spuren von sehn.«

»Hier hat der Wagen gestanden?«

»Mehrere Wochen lang jeden Tag. Dann war ein paar Tage lang Ruhe, und dann ging es wieder los.«

»Was war das für ein Wagen?«

»So einer fürs Gelände, aber dunkel und in schick. Ich kenn mich mit den neumodischen Modellen nicht aus. War auf jeden Fall ziemlich neu, das konnte man sehn.«

Keine Mercedes E-Klasse? Kamforski ließ den Blick über die Reifenspuren wandern, die sich in dem weichen Boden abgedrückt hatten. Der Alte hatte recht. Breite Reifen wie von einem Geländewagen.

»Das Kennzeichen haben Sie sich nicht zufälligerweise gemerkt?«

»Duisburg, mehr weiß ich nicht. Wenn der nur noch ein einziges Mal gekommen wäre, wär ich hin und hätt’s mir aufgeschrieben. Für ’ne Anzeige, Sie wissen schon. Das geht einfach nicht, dass die Städter hier immer die Zufahrten versperren. Was meinen Se denn, was hier im Sommer los ist!«

»Und der war täglich hier, sagen Sie?«

»Meinen Se etwa, ich tät was erfinden oder hätt’s anne Augen, bloß weil ich alt bin? Klar war der hier. Vor meiner Weide, vor diesem Tor, jeden Tag. Ich hab mit dem Fernglas geguckt, unten, vom Hof aus. Und ich hab’s aufgeschrieben. Für die Anzeige.«

Ein Fernglas, soso. Was die Frage klärte, warum der Alte das so genau wusste.

»Ich lass mir doch nicht die Wiese zustellen …«, brummelte er. »Das geht einfach nicht. Noch ein Tag, und ich hätt den angezeigt, ehrlich …«

Kurze Zeit später parkte Kamforski mitten auf dem Feldweg und hoffte, dass der Alte nicht ausgerechnet jetzt das Fernglas ansetzen würde.

Er holte die digitale Kamera und ein Maßband aus seinem Handschuhfach und begann, den Abdruck zu vermessen und zu fotografieren. Dann informierte er die Jungs von der Spurensicherung von seinem Fund, die gleichen, die er bereits wegen des Einbruchs in Idgies Scheune bemüht hatte. Sie sollten sich sputen. Diese Spuren hier würden bald verwischt sein.

* * *

Essen, 7. April

Ruth hatte sich den ganzen Tag mit dem Thema Wasser beschäftigt. Nicht nur, dass sie jetzt bereits die dritte Literflasche Mineralwasser in Angriff genommen hatte: Sie hatte sich an den Vorgaben der bundesweit gültigen Trinkwasserverordnung festgebissen, die aus dem Jahr 2001 stammte und im Laufe des letzten Jahrzehnts um einige Bestimmungen und zu prüfende Parameter reicher geworden war. Seit dem Jahr 2011 beispielsweise musste das Trinkwasser auch auf den Urangehalt hin überprüft werden.

Das Gesundheitsamt musste regelmäßige Proben aus den Brunnen der Stadt entnehmen, laut Trinkwasserverordnung im Turnus von einem bis zu drei Jahren, solange keine Grenzwertüberschreitungen zu vermerken waren. Darüber hinaus waren die Betreiber der Trinkwassergewinnung verpflichtet, das Trinkwasser selbst regelmäßig auf seine bakteriellen und chemischen Bestandteile hin zu analysieren und die Analyseergebnisse jederzeit nachvollziehbar zu dokumentieren. Mindestens einmal im Jahr waren die Betreiber außerdem zu einer Begehung ihrer Wasserschutzgebiete verpflichtet. Bei Überschreitung von Grenzwerten und/oder einer sichtlichen Veränderung des Trinkwassers war das Gesundheitsamt unverzüglich einzuschalten.

Ruths Fazit nach dem Studium der Quellen: Das Essener Trinkwasser war so schlecht nicht. Vom Härtegrad her konnte es als weich eingestuft werden, und die Wassergewinnungswerke der Stadt kontrollierten täglich einen Teil der Parameter, die die Güte für sauberes Trinkwasser darstellten. Die übrigen Parameter wurden nach Vorschrift überprüft.

Als Nächstes vertiefte Ruth ihre Kenntnisse über das Versorgungsnetz der Stadt. Drei Pumpwerke waren rund um die Uhr damit beschäftigt, das Wasser in das Netz der Stadt einzuspeisen. Mehrere Talsperren kontrollierten den Wasserstand der Ruhr und sorgten in Trockenperioden für entsprechenden Nachschub. Außerdem verfügte die Stadt über acht Wassertürme, die insgesamt vierundfünfzigtausend Kubikmeter Wasser bereithielten, um in Spitzen-Verbrauchszeiten den Wasserdruck in den Leitungen konstant halten zu können.

Zuletzt wühlte Ruth sich durch die Analyseergebnisse der letzten zehn Jahre. Alles im grünen Bereich, murmelte sie schließlich und rieb sich die müden Augen.

Sie war eben gründlich, und wenn sie auf ein Thema stieß, dann kniete sie sich so lange rein, bis sie sich wirklich damit auskannte.

* * *

Manni saß jetzt bereits seit sieben Stunden am Computer, um Informationen aus der IRIS rauszukitzeln, dem Interaktiven Raumbezogenen Informations-System. Hier ließen sich alle bekannten Daten und Informationen zu Abwasserkanälen und Schächten der Stadt erfragen – so sie denn eingepflegt waren.

Das Problem war, dass Manni nicht genau wusste, wonach er suchte. Das heißt, Meininger hatte ihn dazu verdonnert, nach Erklärungen zu suchen, nach möglichen Ursachen für die zahlreichen Stauungen, die dazu geführt hatten, dass das Abwasser so flächendeckend in die Höhe geschossen war. Meininger hatte einen Azubi darauf angesetzt, IRIS mit den Austrittsstellen des Desasters zu füttern, und Manni rief nun die detaillierten Pläne zu den jeweiligen Stellen ab. Sie bestätigten ihm, was er ohnehin schon wusste. Problematisch waren solche Punkte, wo breitere Kanäle oder Sammler auf schmalere Anschluss-Stücke stießen. Wenn sich dort dann noch Äste, Steine und allerhand von dem Zeugs verfingen, was Menschen so bedenkenlos in die Kanalisation donnerten, dann war das Chaos bei andauerndem Regen perfekt.

Aus Mannis Sicht gab es jetzt nur eins. Sobald sich das Wasser noch weiter zurückgezogen hatte, einzelne Abschnitte absperren, runter mit der Kamera und gucken, wo es was wegzuräumen gab. Wagen hin, Rüssel rein, mit Hochdruck und unterschiedlichen Düsen versuchen, den Mist klein zu kriegen, und absaugen. Notfalls, wenn es gar nicht anders ging, musste halt jemand runter und die Stauung per Hand beseitigen. Half ja alles nix, hatte er früher auch machen müssen.

Manni schaute auf seine Liste. Er hatte genug Stellen ausfindig gemacht, die überprüft werden sollten. Jetzt musste er nur noch Wagen und Leute zusammentrommeln, um die Sache unter die Lupe zu nehmen. Aber genau das war das Problem. Wagen und Leute waren immer noch unterwegs, um die Scheiße von der Straße zu räumen. Die Jungs würden ihn lynchen. Sie waren ohnehin schon zu lange im Einsatz. Aber Meininger hatte auf einer zügigen Abwicklung bestanden.

Manni hievte sich widerwillig aus seinem Stuhl. Besser, er fuhr zum Betriebshof und fing dort die Leute ab, bevor sie sich nach Hause verdrücken konnten.

* * *

Münsterland, Nottuln, 7. April

Es war bereits später Nachmittag, als Kamforski den Wagen auf dem Seitenstreifen schräg gegenüber der Volksbank an der Ringstraße parkte, die die kleine Altstadt von Nottuln umschloss. Hier also hatte Björn de Fries die beiden feinen Pinkel noch mal gesehen.

Er schwang die Beine aus dem Passat und schlenderte in den Altstadtkern hinein, eine Ansammlung kleiner, teilweise kopfsteingepflasterter Gässchen mit altem Münsteraner Fachwerk, die sich um eine überraschend große Kirche drängten. Hübsch, dieser Kern des Städtchens. Sehr beschaulich. Eine Art Münster in Klein. War man hier aufgewachsen, wollte man vermutlich schnell weg. Zu idyllisch, zu … na, halt der Hund begraben. Aber setzte man selbst Nachwuchs in die Welt oder wurde gar alt, sehnte man sich an einen Ort wie diesen hier zurück.

Was zum Teufel hatte die Essener Schickeria hier gewollt? Überlegen, wie sie weiter vorgehen sollten nach dieser Abfuhr, die Hannes Schindler ihnen erteilt hatte? Beim Kaffeetrinken in Nottuln? Warum eigentlich nicht? Auch feine Herren mussten irgendwann mal was essen.

Bei diesem Gedanken gab Kamforskis Magen ein lautstarkes Knurren von sich. Zumindest er selbst könnte jetzt gut was vertragen. Nahe dem schmalen, kopfsteingepflasterten inneren Altstadtring um die große Kirche herum lockte ein Schild. Auszeit, stand darauf zu lesen. Guter Name für eine Gastronomie, befand Kamforski und stieß die Tür zu dem Bistro in dem alten Backsteingebäude auf.

Eine knappe Stunde später verließ er das Lokal gestärkt und um ein paar Informationen reicher. Die Beschreibung der beiden Männer hatte vage Erinnerungen bei der Bedienung ausgelöst. Ja, sie konnte sich erinnern … ganz feine, lange Kaschmirmäntel hatten die angehabt, der eine in Hell mit dazu passendem weißem Seidenschal, der andere in Dunkel. Nein, nicht kamelfarben. Eher so ein helles Mokka oder besser noch Karamell. Selten bei einem Mann, hatte sie noch gedacht. Sehr schick auf jeden Fall. Ebenso der andere. Ein Herrenhut aus Filz. Anthrazit war der gewesen, wie der Mantel. Und Lederhandschuhe, feinstes Kalbsleder. So eine Kombination sah man hier selten. Die hätten besser nach Mailand gepasst. Dort vorne im Wintergarten hatten sie gesessen … und nein, sie hatte nicht mitbekommen, worüber die sich unterhalten hatten … Wie alt? Na, jung waren die nicht mehr gewesen. Mitte fünfzig, Anfang sechzig …

Zurück an seinem Auto fand Kamforski den obligatorischen, in Plastik verpackten Zettel unter seinem rechten Scheibenwischer.

»Mist«, fluchte er, schob das Knöllchen achtlos in die Jackentasche und machte sich zurück auf den Weg nach Münster.

* * *

Essen, 7. April

»Nora schläft«, berichtete Jan, während er leise die Küchentür hinter sich schloss. »Ich hab geklopft, aber sie hat nicht reagiert. Was meinst du, soll ich sie wecken?«

»Besser nicht. Bei Kopfschmerzen ist das gar nicht so einfach mit dem Einschlafen. Wir schauen lieber später nach ihr.« Idgie inspizierte den Kühlschrank, während sie das sagte. »Wie läuft denn das ernährungstechnisch hier?«, fragte sie dann. »Gibt es eine Kasse, in die ihr was reintut?«

Jan warf ihr einen erstaunten Blick zu.

»Sag bloß, ihr lebt beide auf Mannis Kosten?«

»Was heißt denn hier auf seine Kosten? Nora ist doch seine Tochter«, wandte Jan ein.

»Bei Nora lass ich das ja gerade noch durchgehen. Das heißt doch aber noch lange nicht, dass Manni Noras Freunde und Bekannten mit durchfüttern muss, oder?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß schon, warum ich nie Kinder haben wollte«, brummelte sie.

Jan beobachtete sie stumm. Er hatte noch nie darüber nachgedacht und sich wie selbstverständlich aus dem immer gut gefüllten Kühlschrank bedient. »Wir könnten ja einkaufen gehen«, druckste er schließlich heraus.

»Habt ihr das denn schon mal gemacht?«

Jan räusperte sich. »Eigentlich nie«, sagte er verlegen.

»Dann sollten wir besser auf Manni warten. Der Kühlschrank ist ziemlich leer, und wahrscheinlich kauft er auf dem Rückweg von der Arbeit ein. Wenn nicht, können wir immer noch los. Auf jeden Fall habe ich Hunger. Ich mach mir eine Stulle.«

»Und was machen wir nun?«, fragte Jan, als sie sich mit einem Teller und einer dampfenden Kanne Tee ihm gegenüber niederließ. »Ich meine, die ganze Sache da heute Nachmittag hat doch nichts gebracht. Nicht wirklich jedenfalls.«

»Das sehe ich anders. Ich finde, wir wissen eine ganze Menge mehr als vorher.«

»Ach ja?«

»Ja. Wir wissen jetzt, dass NORM-Schlämme ebenso wie Prozesswasser ein heißes Thema sind, über das nicht gerne geredet wird. Wir wissen außerdem, dass diese Veranstaltung dazu diente, publik zu machen, dass weiter gefrackt werden wird, und zwar im Münsterland bis hinein ins nördliche Ruhrgebiet. Und wir wissen, dass es verdammt still war auf dem Podium, als der Name Hannes Schindler fiel. Wir wissen außerdem, dass dieser Taeschel seine Finger im Spiel hatte bei dem Gutachten, das die ganze Chose rechtfertigt, und wir wissen nun, dass Land und Erdgasindustrie an einem Strang ziehen. Das ist doch wohl eine ganze Menge mehr als vorher. Vorher haben wir das nämlich nur vermutet. Als Journalist, mein Lieber, sollte man seine Vermutungen stets belegen.« Sie zwinkerte ihm freundlich zu. »Aber jetzt höre ich auf mit der Klugscheißerei. Sag mal, bei diesem Taeschel, hat es da nicht auch bei dir geklickt? Dr. Taeschel … ich bin mir ziemlich sicher, dass der Name mehrfach in den Unterlagen von Hannes aufgetaucht ist.«

»Das war so viel Material, da habe ich die Einzelheiten nicht alle behalten«, gestand Jan. »Aber wir können ja noch mal suchen.«

»Das übernehme ich«, entschied Idgie. »In Hannes’ Chaos finde ich mich wahrscheinlich besser zurecht als du. Jahrelange leidvolle Routine.«

Jan stand auf. »Ich hole mein Notebook. Vielleicht finde ich im Netz was zu den übrigen Podiumsteilnehmern.«

»Haben wir denn Netz hier?«

»WLAN, völlig unverschlüsselt.« Jan verdrehte die Augen. »Manni halt.«

»Gut für uns. Dann bring mein Netbook mit und die Festplatte. Am besten den ganzen Rucksack, da ist alles drin, was ich brauche. Aber pass auf, dass du deine Kleine nicht weckst.«

* * *

Münster, 7. April

Lothar Kamforski suchte eine CD in seinem Regal. Santanas Supernatural. Gute Scheibe, lange nicht gehört. Er schob sie in den Player, setzte sich in den Schwingsessel aus weichem Büffelleder mit der hohen Rückenlehne und legte die Füße auf den zugehörigen Fußhocker.

Nachdem die letzten Töne von Love Of My Life verklungen waren, drehte er die Lautstärke mit der Fernbedienung ein paar Dezibel höher, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.

Hey now, all you sinners … put your lights on, put your lights on … Carlos Santana, immer noch großartig, auch mit seinen neueren Alben. Kamforski versetzte den Sessel in leise Schwingungen, während er der Musik samt der Stimme von Everlast lauschte.

Hannes Schindler, der Geliebte von Idgie Callahan. Liebte sie ihn immer noch? Und wenn schon. Es war nicht verkehrt, auch diejenigen weiterhin im Herzen zu tragen, die es so lange Zeit bewohnt hatten. Und zwölfeinhalb Jahre waren eine lange Zeit …

Zwei Herren in feinem Kaschmir, die Hannes Schindler etwas hatten aufdrängen wollen. Geld? Das würde durchaus Sinn machen … ein Geländewagen auf einem Feldweg, ein stiller Beobachter, ein Einbruch …

Ob Idgie wohl in Sicherheit war, dort in Essen?

… a monster, living under my bed … Große Monster, mit denen sie da in den Clinch gehen wollte. Kamforski dachte an das, was er am Vorabend am PC seines ehemaligen Partners herausgefunden hatte. Bestechung und Bestechlichkeit von Politikern und Sachverständigen und ein eingestelltes Verfahren. Alles aus dem Jahr 2009. Mächtige Gegner, diese E.O.A.G und die NEdZ. Verdammt mächtige Gegner. Wer einmal lügt …

Solchen Monstern konnte man jedenfalls nicht so einfach an den Karren, denn sie waren schlau, und mächtig. Sie musste vorsichtig sein. Er musste sie anrufen und ihr das sagen.

Er drehte die Musik leise, stand auf und suchte in seiner Jackentasche nach seinem Handy. Dabei geriet ihm wieder das Knöllchen in die Finger. Achtlos warf er es auf den Küchentisch und wählte Idgies Nummer. Aber wie auch schon am Vorabend nahm sie nicht ab.

* * *

Essen, 7. April

»Hier ist es«, murmelte Idgie und rückte sich die Lesebrille auf der Nase zurecht. »Es sind Gutachten. Aber dieses Mal geht es um was anderes.«

»Worum denn?«

»Schschsch.«

Jan interpretierte dies als Jetzt nicht und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Er hatte bereits nach Kaiser, Reiff und Haberle gegoogelt und sich durch eine Flut von Artikeln gelesen, zu denen er sich stichpunktartig Notizen aufgeschrieben hatte. Nun machte er mit Taeschel weiter. Als er fertig war, sah er auf und merkte, dass Idgie ihn über den Rand ihrer Lesebrille hinweg beobachtete.

»Den Biss, den ein guter Journalist braucht, hast du auf jeden Fall«, stellte sie fest. »Es macht dir Spaß. Und? Was gefunden?«

»Na klar.« Jan fühlte die Röte, die ihm ins Gesicht stieg bei diesem Lob. Scheiß drauf. Er lächelte sie an. »Ich fasse mal zusammen. Also: Beginnen wir mit dem Kaiser. Der Kaiser von Essen, könnte man auch sagen.«

»Er ist doch nur Stadtrat.«

»Tja. Ein Mann mit viel Einfluss hier in der Stadt ist er auf jeden Fall. Er ist gebürtiger Essener, einer von den Schwarzen, und er strebt nach Höherem in der Politik, so viel steht fest.«

»CDU also.«

»Genau. Ebenso wie Haberle. Essen ist für Kaiser nur eine Durchgangsstation, das wurde auf einem Parteitag deutlich, wo er sich ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hat. Er hat sich immer sehr für den Wirtschaftsstandort Essen eingesetzt, Essen attraktiver machen für die Wirtschaft, noch bessere Anbindung, Arbeitsplätze … das ganze Bauprojekt am Limbecker Platz wurde von ihm protegiert.«

»Was ist das?«, fragte Idgie.

»Hier im Ruhrgebiet will jede Stadt ihr eigenes superlatives hypermodernes Einkaufszentrum haben, je größer und schöner, desto besser. Ein Platz in der Innenstadt wurde dafür komplett umgekrempelt, ein gigantisches Bauprojekt. Nun steht da so ein bogenförmiger Glaspalast, nicht so groß wie das Centro in Oberhausen, aber ziemlich schick und dafür deutlich zentraler.«

»Ach, so ein Städtekonkurrenzdings«, kommentierte Idgie gelangweilt.

»Du sagst es. Auf jeden Fall macht sich Kaiser seit zwei Jahren Hoffnungen auf das Umweltamt NRW. Bislang kann er da aber noch nicht richtig punkten.«

Idgie grinste schadenfroh.

»Dass er verheiratet ist und zwei Kinder hat, interessiert dich vermutlich weniger.«

»Stimmt.«

»Ach ja, er hat jahrelang das Tiefbauamt der Stadt geleitet. Bauingenieur, das ist er von Haus aus. Sehr interessant fand ich, dass er im Rotarier-Club zugange ist. Und dort findet man auch Dr. Reiff, ebenso wie Haberle sich da rumtreibt.«

»Alte Seilschaften?«

»Warum nicht? Allerdings gibt es solche Clubhäuser in jeder Großstadt, und Reiff und Haberle wohnen nicht hier in Essen. Haberle lebt in Düsseldorf, wo Reiff wohnt, habe ich nicht rausbekommen. Kommen wir nun also zu Kaisers politischem großem Bruder, Hans-Dieter Haberle. Der hat ziemlich schnell eine parteipolitische Karriere gemacht. Muss ein flinkes Köpfchen haben und wird als guter Redner gelobt. Sein Steckenpferd ist das Thema Energie, dazu hat er sich in etlichen Fachartikeln ziemlich ausgebreitet. Früher war er ein Verfechter der Atomenergie. Seit der Ausstieg beschlossene Sache ist, hat er sich in NRW für die erneuerbaren Energien starkgemacht, trägt aber immer wieder energisch vor, dass die erneuerbaren Energien allein das Versorgungsloch so schnell nicht stopfen können. Er ist übrigens Aktionär der NEdZ – ganz schön aufschlussreich, nicht wahr?«

»Wo hast du das denn her?«

»Aus einem Bericht über die Jahreshauptversammlung 2013. Dort wird er als Großaktionär bezeichnet.«

»Ach was«, kommentierte Idgie hellhörig. »Da sollte man sich noch intensiver hinterklemmen.«

»Finde ich auch. Aber noch spannender finde ich, dass Haberle im Verband der Erdöl- und Erdgasindustrie ist. Dort war er jahrelang Pressesprecher.«

Idgie pfiff anerkennend durch die Zähne. »Gut gemacht.«

»Oh. Danke.« Verlegen drückte Jan auf dem Federknopf seines Kugelschreibers herum und ließ die Mine mit einem schnackenden Geräusch raus- und reinschnellen.

Idgie, die seine Verlegenheit sehr wohl bemerkte, stand auf, räumte die Teller in die Spülmaschine und setzte sich zurück an den Küchentisch. »Sonst noch was?«, fragte sie.

»Ja. Ich hab noch was zu Dr. Gisbert Reiff. Der ist Ende fünfzig, wie die anderen übrigens auch, ich habe nur vergessen, das zu erwähnen. Er hat seinen Doktor in BWL gemacht. Dass er nicht nur Vorstandsmitglied der Neuen Energie der Zukunft ist, sondern auch im Aufsichtsrat der European Oil and Gas sitzt, hatten wir ja bereits heute Nachmittag.«

»Die wiederum Tochter der Neuen Energie ist«, ergänzte Idgie.

»Ich möchte nicht wissen, wie viel der im Jahr nach Hause trägt.«

Idgie registrierte die Ehrfurcht in Jans Stimme und schmunzelte. »Es wird schon ein nicht unerhebliches Sümmchen sein. Aber du musst dir schon überlegen, was du willst. Good Guy wie Robert Redford in Die Unbestechlichen oder Bad Guy wie Michael Douglas in Wall Street. Rein optisch würde Redford besser zu dir passen.«

Jan verdrehte die Augen. »Last, but not least: Dr. Eckart Taeschel. Nachdem er seinen Doktor in Chemie in der Tasche hatte, hat er einige Jahre bei Bayer gearbeitet, bevor er dann zu Atomic Removal ging.«

»Atomic Removal? Klingt wie Atomic Rooster.«

»Was?«

»Eine sehr eigenwillige englische Rockband Anfang der Siebziger. ›Tomorrow Night‹, ›Devil’s Answer‹, ›Black Snake‹, nie gehört? Waren echte Hits damals. Wilde Jungs, viel Hammond-Orgel, hartes Schlagzeug, ebenso harte Gitarrenriffs und psychedelischer Gesang«, sagte Idgie, leise Nostalgie im Blick.

»Ich kenne nur Atomic Kitten. Und so was hast du gehört?«

»Ja. Fand ich gut. Der Keyboarder hatte Haare bis zum Arsch und der Sänger eine unglaublich wuschig lockige Mähne. Aber zurück zu Taeschel und diesem Atomic Rooster – äh …«

»Atomic Removal.«

»Was gibt es denn da zu feixen?«

»Och, nichts. Dort war Taeschel auf jeden Fall nicht ganz so lang angestellt, knapp zwei Jahre nur. Er hat dann ein Institut gegründet, bei dem es um Beratung in Chemie, Biochemie und Technik geht. Die erstellen auch Gutachten.«

»Das ist mein Stichwort. Als Gutachter ist Taeschel wirklich gut im Rennen.« Idgie betonte beide Male die Silbe »gut«. »Er hat nicht nur an diesem Werk zum Thema Fracking maßgeblich mitgewirkt, das uns vorhin werbetechnisch so unglaublich brillant verkauft wurde, nein: Er hat einige Gutachten erstellt, die sich mit der Einteilung von Sondermüll in sogenannte Schadensklassen beschäftigen. Diese Klassifizierungen sind ausschlaggebend dafür, auf welcher Art von Mülldeponie der jeweilige Sondermüll entsorgt werden muss. Es gibt eine lange Liste von Zuordnungen. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass die Entsorgung auf Hausmülldeponien deutlich preiswerter ist als auf Deponien anderer Schadstoffklassen, weshalb Sondermüllentsorgung auch so ein immens lukratives Geschäft ist.«

»Hmpf.«

»Genau.« Idgie interpretierte Jans Grunzlaut als Zustimmung. »Viele Firmen haben deshalb ein wirklich großes Interesse daran, dass der von ihnen verursachte Dreck möglichst gut bei der Schadensbeurteilung abschneidet. Ein weites Feld für Gutachten jeglicher Art.«

»Weshalb es von Vorteil ist, wenn man seinen Gutachter gut kennt«, witzelte Jan.

Idgie kicherte. Dann wurde sie wieder ernst. »Aber Beweise für eine nähere Bekanntschaft dieser vier Herren gibt es nicht, oder?«

»Leider nein. Ich habe nichts weiter gefunden. Allerdings finde ich die Verflechtungen sehr auffällig.«

»Solche Verflechtungen sind leider völlig normal und dabei so hübsch undurchsichtig. Das hat Prinzip. Es ist ja nicht so, als wäre das alles streng geheim. Stehen tut das immer irgendwo. Aber man muss sehr gezielt danach suchen und dann ganz genau hingucken, und wer tut das schon? Guck dir bloß mal an, was sich in den Aufsichtsräten großer Konzerne so alles herumtreibt. Da wirst du etliche bekannte Pappnasen aus der Politik wiederfinden.«

»Um was für Pappnasen geht’s denn hier?«, fragte Manni, der gerade mit Ruth in die Küche kam.

Idgie und Jan brachten sie auf den neuesten Stand.

»Stinkt ja schlimmer als’n Köttelbecken im Hochsommer«, grunzte Manni. »Diesen Dr. Reiff, den kenn ich. Ich meine, ich weiß, wo der wohnt. Echt schick, so ’ne große Villa in Hösel, aber eingekastelt wie ’ne Festung. Mitten im Wald ist die, mit hohen Mauern und Videoüberwachung und dem ganzen Schnick und Schnack. Ich bin da mal mit ’nem Kollegen aus Düsseldorf hin, war so ein Kompetenzgerangel, wer für den Schaden an der Leitung zuständig ist. Die Düsseldorfer wollten uns doch glatt dafür verantwortlich machen, dass bei Reiff die Scheiße hochgekommen ist. Aber keine Chance, das konnten sie uns nicht anhängen. Mit einem Monatsgehalt von dem würde ich gut drei Jahre auskommen, das könnt ihr mir glauben.«

»Da kann’s einem wirklich die Galle hochtreiben bei so einer Vetternwirtschaft und dem ganzen Klumpatsch«, sagte Ruth und stand auf. »Ich guck jetzt mal nach Nora. Und dann muss ich mich dringend um Schimmi kümmern.«

* * *

Leise klopfte sie an die Tür. »Ich bin’s, Ruth. Kann ich reinkommen?«

Sie hörte einen Laut, der sie an das Klagen einer Katze erinnerte, oder an ein Baby, und öffnete die Tür. Infernalischer Gestank schlug ihr entgegen. »Um Gottes willen«, murmelte sie, tastete nach dem Lichtschalter, holte tief Luft und ging hinein.

Im Schein der Deckenlampe blinzelte Nora sie aus verquollenen Augen an. Neben dem Bett stand ein Eimer, aus dem die üblen Gerüche drangen.

»Ich lass mal ein bisschen frische Luft rein.« Ruth öffnete das Fenster. Dann setzte sie sich auf die Bettkante. »Was ist denn los, Schätzle?«

»Mir ist so schlecht«, wimmerte Nora. »Und ich hab so schrecklich Bauchweh.«

Besorgt legte Ruth ihr die Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich fiebrig und heiß an, das Mädchen schwitzte stark und zitterte gleichzeitig. Fieber, dachte Ruth und zog ein paar Latexhandschuhe aus ihrem Arztkoffer.

»Hast du genug getrunken?« Ruth fragte das eher, um überhaupt etwas zu sagen, während sie Noras Bauch abtastete, der sich prall und hart anfühlte.

»Ich kann nicht. Dann muss ich wieder brechen …«

Sie klingt wie ein Kind, dachte Ruth alarmiert. Wie ein kleines, verängstigtes Mädchen. Es musste ihr schlechter gehen, als sie es ausdrücken konnte.

»Wann fing das mit der Übelkeit an?«

»Keine Ahnung. Irgendwann vormittags, glaube ich. Ich habe ganz viel geschlafen …«

Ruth verkniff sich die Frage, warum sie nicht angerufen hatte. Stattdessen kontrollierte sie den Puls und fand ihn schnell und holprig, viel zu schnell für eine so sportliche junge Frau.

»Und Durchfall hab ich auch.« Nora begann still zu weinen. »Das kann doch nicht von diesem blöden Sturz kommen«, schluchzte sie. »So was Bescheuertes …« Sie krümmte sich zusammen, als hätte ihr jemand eine Faust in den Magen gerammt.

Ruth schob ihr ein Fieberthermometer in den Mund und wartete, bis ein leises Piepsen das Ende des Messvorgangs signalisierte. Sie kontrollierte die Anzeige und sog scharf die Luft ein. »Wo genau sind die Schmerzen?«

»Im ganzen Bauch … überall …« Nora krümmte sich erneut und wimmerte. Sie begann zu keuchen, würgte und spuckte eine blutige Flüssigkeit auf den Fußboden.