Meine emotionale Zukunft wurde durch ein Ereignis im Mai 1956 bestimmt, das mein Leben von Grund auf veränderte. Mit sieben Jahren sollte ich zur Erstkommunion gehen. In der Schule waren wir Kinder in den Wochen vor diesem wichtigen Ereignis alle sehr aufgeregt. Sogar meine Pflegemutter war darauf bedacht, dass ich diesen großen Tag in meinem Leben nicht versäumen würde. Wenigstens würde sie dann von anderen dabei gesehen, wie sie sich um meine religiöse Erziehung kümmerte.
Bis zu dem Tag mussten wir bestimmte neue Gedichte auswendig lernen. Was den praktischen Ablauf betraf, mussten wir uns in der Kirche einfinden und üben, wie man den Mittelgang entlangging, wie man sich vor dem Altar hinkniete und die Zunge rausstreckte, damit der Priester uns die Hostie in den Mund legen konnte.
Wir würden alle ganz fein angezogen sein.
Unter den Mädchen gab es aufgeregte Unterhaltungen darüber, welche Art von Kleid sie tragen sollten. Natürlich sollte an diesem Tag alles in Weiß gehalten sein. Aber mit Blick auf die Tatsache, dass meine Kleidung immer abgetragene Sachen aus zweiter Hand waren und ich auch noch nie eine Schuluniform besessen hatte, fragte ich meine Pflegemutter sehr zögerlich, ob ich denn wohl auch ein weißes Kleid bekommen würde. »Sicher kriegste das, Kind. Ganz sicher«, versicherte sie mir in ihrem trällernden Cork-Akzent. Ich glaubte trotzdem nicht daran. Normalerweise musste ich in einen Laden in Limerick gehen und mir da die von anderen abgelegten Sachen und Schuhe holen.
Ich hatte Angst davor, noch irgendetwas zu dem Thema zu sagen, und konnte nur beten, dass ich wirklich ein weißes Kleid bekam, damit ich mich nicht von den anderen Mädchen unterschied.
Die Erstkommunion sollte im Rahmen der Frühmesse an einem Sonntagmorgen stattfinden. Danach sollte es weitergehen in die Schule, wo wir frühstücken und anschließend ein paar Stunden auf dem Schulhof mit Spielen verbringen sollten. Auf das Frühstück freute ich mich auch, weil ich gehört hatte, dass es Speckschnitten und Würstchen geben sollte. Gegessen hatte ich das noch nie, aber schon gerochen, wenn meine Pflegemutter es zubereitet hatte, was allerdings nur selten vorkam.
Der Duft war so köstlich, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief, wenn das Essen in der Pfanne brutzelte, aber ich bekam nie was davon ab. »Die sind Gift für dich, Kind«, bekam ich von ihr zu hören, während sie die ganze Portion runterschlang. Dazu gehörten immer ein paar Scheiben Brot, die ebenfalls in der Pfanne angebraten wurden. Wenn sie die aß, tropfte jedes Mal das Fett auf ihren üppigen Busen.
Ein paar Tage vor dem Weißen Sonntag kam der Priester unserer Pfarrei mit einem großen Karton zu uns nach Hause. Ich wurde dazugerufen, um ihn kennenzulernen. Vor meiner Pflegemutter und mir machte er den Karton auf und holte das wunderschönste, makellos weiße Kommunionkleid mitsamt Kopfschmuck heraus, das ich je gesehen hatte. Dann gab er es mir.
»Das ist von deinen Nonnentanten in Cork«, sagte er.
Ich hatte keine Ahnung, wen er mit meinen »Nonnentanten« meinte, weil ich keine anderen Nonnen kannte außer den Lehrerinnen in der Klosterschule, die ich nur unregelmäßig besuchte. Die Bemerkung war mir schlicht zu hoch. Das Kleid war brandneu. Noch nie hatte ich etwas so Schönes gesehen.
»Darf ich das behalten?«
»Das ist das Kleid für deine Erstkommunion. Es gehört dir.«
Ich war vor Freude völlig außer mir. An meinem großen Tag würde ich ein eigenes, ganz neues Kleid tragen.
Dann war der Sonntag gekommen. Ich war schon früh auf und wusch mich, so gut das irgendwie möglich war. Das Wasser, das ich aus einem Krug in eine Schüssel gießen musste, war eiskalt, und es trieben Insekten darin. Dann trocknete ich mich mit dem Lappen ab, der in der Küche an einem Nagel in der Wand hing.
Bis zur Kommunion mussten wir fasten, also gab es kein Frühstück, und meine Pflegeeltern blieben im Bett.
Einen Tag nach dem Kleid war auch noch ein Paar weiße Schuhe für mich abgegeben worden. Sie waren wirklich schön, aber für meine Füße zwei Nummern zu groß. Ich stopfte sie so mit Papier aus, dass sie mir wie angegossen passten. Das war ich von all meinen anderen Schuhen gewöhnt, die ich immer alle gebraucht bekam und die deshalb sowieso nie richtig passten.
Als ich fertig angezogen war, kam ich mir wie eine Prinzessin vor.
Mit meiner Pflegemutter ging ich zur Kirche, wo ich mich dann zu den anderen Kindern begeben durfte, die in den vorderen Reihen saßen.
Die Zeremonie lief genauso ab wie geplant, und anschließend ging es zur Schule, wo wir alle zusammen frühstückten. Als es endlich Frühstück gab, fühlte ich mich zwar wie ausgehungert, aber ich war ohnehin daran gewöhnt, mit leerem Magen zur Schule zu gehen. Wenn ich an den Tag zurückdenke, habe ich direkt wieder den herrlichen Geschmack von Speckschnitten und Würstchen im Mund. Die Nonnen hatten alles gedeckt, und der Saal sah strahlend weiß und wirklich schön aus. Auf allen Tischen lagen weiße Decken. Bis heute liebe ich das Aroma von gebratenem Speck.
Nach dem Frühstück ging es zum Spielen nach draußen auf den Schulhof. Nach einer Weile ertönte die Klingel, und jeder von uns ging zu seinen Familienangehörigen, die gekommen waren, um uns abzuholen. Ich weiß noch, wie mir durch den Kopf ging, dass alle anderen einen Vater hatten, nur ich nicht. Mir wurde gesagt, ich solle allein nach Hause gehen, weil niemand gekommen war, um mich abzuholen. Das war für mich völlig normal, weshalb es mich auch nicht störte.
Bis nach Hause waren es zwei Meilen zu gehen, und unterwegs begegneten mir ein paar Leute, die mir alle sagten, wie reizend ich aussah. Ein paar von ihnen drückten mir Geld in die Hand. Von einem bekam ich einen Sixpence, andere gaben mir einen Threepence. Ein Mann hatte eine Kamera und bat mich darum, mich neben dem Eingang zu seinem Haus hinzustellen, damit er ein Foto von mir machen konnte. Er versprach, mir einen Abzug zu schenken, wenn er das Bild entwickelt hatte. Ich war total begeistert.
Als ich zu Hause ankam, war ich rundum glücklich. Die Sonne schien, es war ein wunderschöner Tag im Mai. Ein paar von den üblichen Besuchern waren gekommen, vorwiegend erwachsene Männer. Es waren drei oder vier. Zwei von ihnen hatte ich kennengelernt, als ich auf dem Acker gearbeitet und Kartoffeln geerntet hatte. Ich arbeitete nicht gern mit ihnen, weil sie sich über mich lustig machten und weil sie mich immer piksten. Sie sagten ständig, ich würde aussehen wie ein kleiner Lausebengel. Sie erzählten, dass sie extra vorbeigekommen seien, um mir zur Erstkommunion ein Geldgeschenk zu machen. Manche wollten mir einen Sixpence oder sogar einen Shilling geben, aber als meine Pflegemutter die Münzen sah, redete sie ihnen energisch ins Gewissen, mehr zu geben.
»Ach, du elender Geizkragen. Gib ihr wenigstens einen Halfcrown«, forderte sie und sah zu, wie die Männer noch einmal ihre Taschen durchwühlten.
Nachdem sie mir das Geld gegeben hatten, das ich dann meiner Pflegemutter geben musste, wurden die Flaschen Stout auf den Tisch gestellt. Am helllichten Tag wurde dann an einem Sonntag Party gefeiert.
Ein Mann sagte mir, dass er kein Geschenk für mich mitgebracht hätte. Der Halfcrown für mich lag noch bei ihm zu Hause, aber dafür musste ich mit ihm quer über den Acker gehen, damit er mir das Geld geben konnte. Ich wollte das nicht, doch meine Pflegemutter gab ihren Segen, und ich machte mich mit dem Mann auf den Weg. Er hielt meine Hand fest, während wir die Felder überquerten, damit ich mein Kommuniongeschenk bekam.
Als wir an diesem sonnigen Nachmittag im Mai zu ihm nach Hause gingen, packte er mich auf einmal und stieß mich zu Boden. Während er mich auf die Erde drückte und eine Hand so auf meinen Mund presste, dass ich kaum noch Luft bekam, fauchte er mich an: »Du dreckiger kleiner Lausebengel, du. Das brauchst du jetzt nicht mehr.« Gleichzeitig riss er mir mein Kommunionkleid vom Leib. Bis heute werde ich von diesen Worten verfolgt.
Ich röchelte stumm, während ich versuchte, durch die Ritzen zwischen seinen rauen, stinkenden Fingern hindurch irgendwie Luft zu schnappen. Ich spürte, wie ein Stich durch meine Hand ging, und wollte vor Schmerzen schreien. Meine Hand tat unglaublich weh, und ich konnte sie nicht bewegen.
Mit seiner freien Hand riss er mir den Schlüpfer runter, dann knöpfte er seine Hose auf und schob sie ein Stück runter. Er drückte meine Beine auseinander und versuchte, mit irgendetwas Hartem in mich einzudringen. Immer wieder presste und presste er sich gegen mich. Es war die reinste Qual. Er hing da über mich gebeugt, redete vor sich hin und ächzte immer wieder. Ich versuchte, von den Schmerzen in meinem Unterleib nichts wahrzunehmen, doch er drang mit immer festeren Stößen immer weiter in mich ein. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich laut stöhnend zusammenbrach und auf mir niedersank. Er war so schwer.
Ich fühlte mich in diesem Moment innerlich tot, weil ich einfach meine Gefühle abschaltete, und ich war dem Erstickungstod nahe.
Als er wieder zu Atem gekommen war, stand er auf, knöpfte die Hose zu und ging wortlos weg. Mich ließ er einfach auf dem Boden liegen.
Ich war sieben Jahre alt.
Ich war blutverschmiert.
Als ich mich verletzt und ganz allein aufrappelte und nach Hause zurückging, zitterte ich am ganzen Leib. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten und schaffte es nicht, mehr als ein paar Schritte zu machen, ohne gleich wieder stehen zu bleiben. Die Schmerzen waren brutal, und durch den Blutverlust fühlte ich mich schwach, und mir war schwindlig.
Ich schaffte es bis zum Teich, und da versuchte ich dann, den Dreck und das Blut und das klebrige Zeugs abzuwaschen. Ich war in Tränen aufgelöst, weil mein wunderschönes Erstkommunionkleid, das mir meine Nonnentanten geschickt hatten, völlig ruiniert war. Es war zerrissen und mit Blut und Matsch beschmiert. Ich war überzeugt, dass meine Pflegemutter mich dafür umbringen würde.
Ich taumelte weiter zum Haus und versuchte, die Tür aufzumachen, doch ich stand so unter Schock, dass ich bewusstlos zusammensank.
Irgendwann wachte ich auf und lag im Bett meiner Pflegemutter. Ich hatte keine Ahnung, wie ich dorthin gelangt war und wie lange ich erst noch bewusstlos vor der Haustür gelegen hatte. Die nächsten fünf Tage verbrachte ich dort. Die meiste Zeit über fühlte ich mich benommen, aber ich nahm sehr wohl eine schöne, große und elegant gekleidete Dame wahr, die sich mit im Zimmer aufhielt und mit allen anderen redete, nur nicht mit mir.
Meine Verletzungen wurden versorgt, und dann überließ man mich für die Genesung mir selbst. Niemand kam mit einem Wort darauf zu sprechen, was geschehen war. Ich hatte zu große Angst, um etwas zu sagen, und außerdem fühlte ich mich viel zu elend, als dass ich etwas hätte sagen können. Dann entzündeten sich die Verletzungen auch noch, und mir ging es wochenlang sehr schlecht.
Die Haut verheilte schließlich.
Aber mein Verstand erholte sich niemals davon.
An diesem Tag, am Tag meiner ersten heiligen Kommunion, wurde mein Körper auf das Schwerste verletzt. Alle anderen Mädchen, die an diesem Tag im Jahr 1956 ihre Erstkommunion gehabt hatten, waren von ihren Eltern und Verwandten beschenkt worden, von Menschen, die sie liebten. Und was hatte ich an diesem so besonderen Tag geschenkt bekommen? Ich war von einem Ungeheuer brutal vergewaltigt worden, das mich mit gebrochenem Handgelenk und drei gebrochenen Fingern auf einem Acker zurückgelassen hatte. Ich werde nie diesen Tag vergessen, der eigentlich einer der schönsten meines Lebens hätte werden sollen, nur dass er das genaue Gegenteil geworden war.
Das Kommunionkleid habe ich danach nie wiedergesehen.
Es muss viele Monate später gewesen sein, als meine Pflegemutter mit mir nach der Sonntagsmesse aus der Klimallock Church kam. Auf dem Platz davor wimmelte es von Menschen, aber ich sah, wie sie einen Mann am Arm packte. Als er sich umdrehte und sah, wer ihn da festhielt, versuchte er zu entkommen, aber sie hielt ihn nur noch fester. Ich stellte mich hinter meine Pflegemutter und klammerte mich an ihrem langen Wollmantel fest, als sollte der mich beschützen. Dann sah ich um meine Pflegemutter herum und starrte den Mann voller Entsetzen an.
Es war der Mann, der mich vergewaltigt hatte.
»Du hast diesem kleinen Mädchen nie das Geld gegeben, das du ihm zur Erstkommunion versprochen hattest.«
»Ich … ähm, ich hab im Moment kein Kleingeld. Meine letzten Kupfermünzen hab ich in den Klingelbeutel geworfen.«
»Sie will kein Kleingeld von dir!«, herrschte sie ihn giftig an und hielt seinen Arm noch fester umklammert.
»Ich hab nur ein Pfund dabei«, gab er zurück und verzog schmerzhaft das Gesicht. »Ich wollte später noch ein paar Bier trinken.«
»Ein Pfund passt doch gut«, sagte sie und beugte sich bedrohlich über den Mann.
»Ach, scheiß drauf. Hier ist das Geld«, knurrte er wutentbrannt, während er ihr den zerknitterten Geldschein überließ und sich dann endlich aus ihrem unerbittlichen Griff befreite. Er tauchte gleich darauf in der Menge unter, während sie die Finger um das Geld schloss und zufrieden lächelte.
»Lass uns nach Hause gehen, Kind«, sagte sie zu mir und ging los. Ich blieb dicht hinter ihr.
Das war der Tag, an dem ich für eine Pfundnote verkauft wurde.