16
Königlicher Besuch

Die Vorbereitungen für die Ankunft meiner Gäste liefen an. Ich brachte das Haus von oben bis unten auf Vordermann. Nichts konnte zu gut oder zu sauber für die Besucher sein, die ich nun als »meine royale Familie« betrachtete.

Am Dienstag in dieser Woche rief nachmittags meine neu entdeckte Schwester Eileen an. »Ich kann es nicht erwarten, dich zu sehen. Ich war schon drauf und dran, mir meine Lebensversicherung auszahlen zu lassen, um mein Flugticket bezahlen zu können.«

»Tu das bloß nicht. Ich bin mir sicher, dass wir uns bald sehen werden«, sagte ich.

»Daddy ist so froh, dass er dich gefunden hat. Er kann es auch nicht erwarten, dich zu sehen. Er war wütend auf Tante Rosaleen, weil sie ihm nichts von dir gesagt hatte.«

Diese Bemerkung fand ich ausgesprochen seltsam. Ich hatte erwartet, dass mein Vater auf meine Mutter wütend sein würde, weil sie so viele Jahre lang geschwiegen hatte. Doch das schien gar kein Thema zu sein. Ich hakte aber bei meiner Schwester nicht nach, schließlich wollte ich Brücken bauen, sie aber nicht schon zerschlagen, noch bevor sie überhaupt hatten entstehen können.

Sie erzählte, dass sie zu Beginn ihrer Ehe auch in London gelebt hatte. Sie fragte nach meinen Kindern, ich fragte sie nach ihren. Es stellte sich heraus, dass ihre Tochter und mein Sohn Anthony im gleichen Jahr zur Welt gekommen waren. Wir beendeten das Telefonat, indem wir uns gegenseitig versicherten, dass wir uns bald sehen würden.

»Ich liebe dich, Schwester«, fügte sie schließlich noch an.

»Ich liebe dich auch, meine neu gefundene Schwester«, entgegnete ich im gleichen ernsten Tonfall.

Ich fand es eigenartig, solche Dinge zu jemandem zu sagen, dem ich noch nie begegnet war und mit dem ich mich gerade eben zum ersten Mal ausführlich unterhalten hatte.

Später fand ich heraus, dass die Geschehnisse völlig außer Kontrolle geraten waren, nachdem ich Clifford in Clarina besucht hatte. Am nächsten Tag hatte er sich auf den Weg nach Janesboro begeben, und da war mir klar, dass er meine Mutter aufsuchen und ihr sagen würde, dass ich Clarina besucht und mit Paddy O'Sullivan geredet hatte. Im Bus war er Charlie Healy begegnet, über den ich später herausfinden sollte, dass er mein Schwager war. Er war mit meiner ältesten Schwester Eileen verheiratet. Clifford hatte Charlie von meinem Besuch und damit von meiner Existenz erzählt. Charlie war völlig perplex gewesen, hatte aber sofort erkannt, dass am Horizont Ärger für die Familie drohte.

Charlie wies Clifford an, zu niemandem ein Wort zu sagen, bis er wieder mit ihm gesprochen hatte. Dann nahm er Kontakt mit seiner Schwägerin auf, der Ehefrau von Eileens Bruder Tommy O'Sullivan junior. Sie trafen sich und redeten über die Situation. Marion war geschockt, als sie von meiner Existenz erfuhr. Beide beschlossen sie, die Sache mit ihrem jeweiligen Ehepartner zu besprechen und dann meine Mutter darauf anzusprechen.

Als Tommy junior am Abend von der Arbeit nach Hause kam, berichtete Marion ihm davon, dass er eine ältere Schwester hatte, die er noch nie kennengelernt hatte. Er war fassungslos, aber er sagte auch, wenn er noch eine Schwester hat, will er sich mit ihr treffen und sie kennenlernen. Charlie wiederum nahm Eileen an diesem Abend mit in den Pub, spendierte ihr ein paar starke Drinks und erzählte ihr dann von mir. Ihre erste Reaktion war: »Was für ein Blödsinn! Wir sind neun Kinder, und von denen bin ich das älteste.« Fast beiläufig fügte Eileen dann noch die Frage an: »Aus reinem Interesse: Wie heißt sie eigentlich?«

»Celine«, antwortete Charlie.

»Heilige Mutter Gottes! Dann muss es ja doch stimmen. Mummy heißt mit vollständigem Namen Doreen Marie Celine!«, rief Eileen.

Danach erzählte Charlie ihr, Tommy junior und seine Frau Marion wüssten auch schon von mir, woraufhin sie sich alle vier zusammengesetzt und einen Plan ausgeheckt haben. Der sah vor, dass sie am nächsten Samstag, dem 5. November 1983, in der Zeit, in der mein Vater sich wie gewohnt seiner Lieblingsbeschäftigung – Hunderennen und das damit verbundene Wettgeschäft – nachging, meine Mutter unter einem Vorwand dazu bringen würden, zu Eileen zu kommen. Wenn sie dann ganz unter sich waren, wollten sie sie fragen, ob sie noch eine Schwester namens Celine haben.

Charlies Aufgabe bestand darin, Tom O'Sullivan von der Hundebahn abzuholen und ihn unter dem Vorwand, etwas Geschäftliches bereden zu müssen, zu sich nach Hause zu fahren, wo Doreen bereits war.

Als der Samstag gekommen war, nahm der Plan seinen Lauf und wurde tadellos umgesetzt. Tom O'Sullivan war beim Hunderennen. Charlie hatte meine Mutter Doreen abgeholt und mit zu sich nach Hause genommen. Als sie dort angekommen waren und sich alle begrüßt hatten, zogen sich Marion und Charlie als die beiden Angeheirateten in die Küche zurück, während Tommy junior und Eileen ihre Mutter zur Rede stellten.

Viel später erfuhr ich, dass Tommy junior ohne Umschweife gefragt hatte: »Haben wir eine Schwester namens Celine?«

Meine Mutter hatte ihn verdutzt angesehen und erwidert: »Woher weißt du das?«

»Woher ich das weiß, ist unwichtig«, gab er zurück. »Wichtig ist, ob es stimmt.«

Meine Mutter antwortete: »Ja, das stimmt. Ihr habt eine Schwester namens Celine.«

»Wer ist der Vater?«, wollte Eileen wissen

»Natürlich euer Daddy«, sagte sie. »Aber er hat davon nie etwas erfahren.«

Als Clifford ursprünglich mit Charlie gesprochen hatte, da hatte er auch erwähnt, dass ich mich mit Toms Bruder Paddy O'Sullivan getroffen hatte, dem damit meine Existenz ebenfalls bekannt war. Als die vier »Verschwörer« Charlie, Eileen, Tommy junior und Marion sich abgesprochen hatten, waren sie alle davon ausgegangen, dass Paddy O'Sullivan schon immer von meiner Existenz gewusst haben musste.

Tommy junior sagte deshalb zu seiner Mutter: »Paddy O'Sullivan weiß von Celine. Möchtest du, dass er mit dabei ist, wenn Daddy nach dem Hunderennen herkommt?«

»Ja«, sagte sie.

Eileen rief Paddy O'Sullivan an und bat ihn, zu ihrem Haus zu kommen. Er war einverstanden und traf kurz darauf zusammen mit seiner Ehefrau Mary ein. Dann machte sich Charlie auf den Weg, um seinen Schwiegervater vom Hunderennen abzuholen. Das große Finale stand kurz bevor. In gewisser Weise wäre ich gern dabei gewesen.

Tom O'Sullivan hatte einen guten Tag beim Rennen und fühlte sich großartig, weil er etwas Geld gewonnen hatte. Nachdem sie den Wagen verlassen hatten und zum Haus gingen, fielen Tom die Autos ringsum auf, die alle seinen Verwandten gehörten. »Du hast kein Wort davon gesagt, dass ihr eine Party gebt.«

»Ich glaube nicht, dass es heute Abend noch eine Party geben wird, Tom«, gab Charlie verhalten zurück.

Sie gingen ins Haus, und Tom setzte sich etwas irritiert zu seiner Frau Doreen. Alle waren nun anwesend, und Tom sah sie einen nach dem anderen fragend an. Schließlich fragte Paddy O'Sullivan seinen Bruder: »Denk mal fünfunddreißig Jahre zurück, denk an die 18 Sarsfield Street, als Doreen und du noch ein junges Liebespaar wart.«

Zögerlich antwortete Tom: »Ja, ich kann mich erinnern. Ich werde nicht versuchen, das zu rechtfertigen. Ich habe die Situation ausgenutzt, die sich mir geboten hatte.«

Dann legte Paddy ohne Umschweife nach: »Was du aber nicht weißt, ist die Tatsache, dass aus eurer damaligen Liebe ein Mädchen zur Welt kam, von dem du nie etwas erfahren hast.«

Tom drehte sich ruckartig zu Doreen um und sah sie eindringlich an. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«

»Ich hatte Angst«, antwortete sie.

»Du wirst sehr stolz auf sie sein«, fügte Paddy hinzu. »Sie ist Krankenschwester. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in London.«

Tom war schockiert. Zu Doreen sagte er: »Das verletzt mich zutiefst. Du weißt, ich hätte dich nie verlassen.«

Mehr gab es in diesem Moment nicht dazu zu sagen. Tom schlug vor, dass Doreen und er sich auf den Heimweg machten. Charlie fiel die alles andere als beneidenswerte Aufgabe zu, die beiden nach Hause zu fahren.

Viele Monate später konnte ich meinen Vater fragen, was er in diesem Augenblick empfunden hatte. Seine Antwort lautete: »Ich hatte mir gewünscht, dass sich der Boden unter mir auftut und mich verschluckt.« Das Ganze war ihm so unendlich peinlich. An diesem Abend erinnerte er sich an das Haus, in dem sie sich heimlich getroffen hatten, um sich zu lieben. Er wusste auch noch, dass er Doreen zu der Zeit gefragt hatte, ob sie schwanger sei. Als ich danach irgendwann meine Mutter darauf ansprach, gab sie zu, dass sie damals nicht mal gewusst hatte, was schwanger sein eigentlich bedeutete.

Ich vermute, nachdem meine Eltern gegangen waren, haben sie alle noch beisammengesessen und sich unterhalten. Ich habe über solche Unterhaltungen nie etwas erfahren, daher kann ich nur spekulieren, was da geredet wurde.

Als Nächstes hatte Tom O'Sullivan – der nun offiziell mein Vater war – für den nächsten Dienstagabend eine Familienkonferenz angesetzt. Da wusste er nicht, dass ich am Sonntag zuvor versucht hatte, ihn anzurufen, daran aber von meiner Mutter gehindert worden war. Ich musste mich zu dem Zeitpunkt noch immer von ihrer Zurückweisung, vor allem aber von der Erkenntnis erholen, dass sie sehr wohl miteinander verheiratet waren. An der Familienkonferenz nahmen seine Frau Doreen und alle neun Kinder teil. Nicht eingeladen waren die Ehepartner der verheirateten Kinder.

Nachdem sie sich alle hingesetzt hatten, begann mein Vater zu erzählen: »Als eure Mutter und ich noch sehr jung waren …« Am Ende seiner Ansprache musste er wohl gesagt haben, dass er mich anrufen würde und dass sie mir alle Guten Tag sagen könnten. Monate später erfuhr ich von Thelma, dass sie nach dem Treffen am Samstag bis zur Konferenz am Dienstag gewusst hatte, dass irgendetwas wirklich Einschneidendes vorgefallen sein musste. Da sie aber bis zur Konferenz weiter nichts erfahren hatte, war sie davon überzeugt gewesen, dass entweder bei ihrem Vater oder ihrer Mutter eine lebensbedrohliche Krankheit festgestellt worden war. Ihr Vater Tom fragte sie ein paar Mal: »Liebst du mich noch immer, Thelma?« Sie hatte gedacht, er würde bald sterben. Er schien ihre Versicherung zu benötigen, so als würde ein folgenschweres Ereignis bevorstehen.

Am Donnerstag in dieser Woche hatte mein Vater mich dann angerufen, was auch durchaus etwas Einschneidendes gewesen war.

Noch Tage nach diesem Anruf fing mein Herz immer wieder an, vor Begeisterung zu rasen. Ich kam nicht darüber hinweg, dass ich mit meinem leiblichen Vater telefoniert hatte.

Die folgenden Tage bestanden aus einem schier unendlichen Strom an häuslichen Aktivitäten.

Kuchen wurde gebacken.

Fleischgerichte wurden vorbereitet.

Der Tisch wurde gedeckt.

Der Tisch wurde neu gedeckt.

Rezepte wurden studiert.

Alles war bereit.

Ich ganz besonders!

Harry ließ mich machen, wie ich es wollte, und Anthony war ganz begeistert. Ronan war noch zu jung, um zu verstehen, was um ihn herum los war.

Dann war der Sonntag gekommen.

Es sollte der wichtigste Tag meines Lebens werden.

Noch am Sonntag waren letzte Details vorzubereiten. Dann war alles so, wie ich es haben wollte. Ich versuchte, nicht über das nachzudenken, was sich bald ereignen würde. Ich würde meinen Vater kennenlernen. Und ich würde meine Mutter wiedersehen. So weit, wie ich gekommen war, hatte ich tatsächlich damit gerechnet, dass er allein herkommen würde.

Auch hatte ich mir von ihm eine unmittelbarere Reaktion erhofft. Ich wollte ihn für mich allein haben, doch stattdessen hing über allem ein dunkler Schatten in Gestalt meiner Mutter. Ich hatte mich noch immer nicht vollständig von der Zurückweisung erholt, die mir von ihr bei meinem Anruf zuteilgeworden war. Andererseits konnte ich mir vorstellen, dass mein Vater etwas unternommen hatte, um meine Mutter von ihrer abweisenden Haltung mir gegenüber abzubringen.

Ich erwartete von meinem Vater, dass er all meine Probleme würde lösen können. Ich dachte, er würde meine Mutter dazu bringen können, mich zu lieben. Ich erwartete, dass von nun an alles absolut wunderschön werden würde. In meinem Leben würde von nun an alles glatt und problemlos verlaufen, denn mein Vater war hergekommen, um alle meine Probleme aus der Welt zu schaffen. Es war natürlich dumm von mir, so etwas zu denken, doch mein Verstand war mit einem Mal wie benebelt.

In Wahrheit jedoch wusste ich, dass meine Mutter nichts von meinem Wiederauftauchen wissen wollte und dass sie mein Eindringen in »ihre« Familie nicht dulden würde. Sie konnte mich niemals als Teil der Familie akzeptieren. Meine Einstellung zu ihr ist heute, dass sie mich zur Welt gebracht hatte und dass ich von ihr mit gerade einmal fünf Monaten weggegeben wurde. Sie hatte die Türen zu ihrem Herzen und ihrem Verstand hinter mir zugeworfen und verriegelt, und deshalb konnte sie mich niemals akzeptieren.

Ich muss oft an dieses Zusammentreffen im Kloster zurückdenken, das auf mein Drängen hin stattgefunden hatte. Bis zu diesem Treffen hatte sie ganz allein die Kontrolle über mein Verschwinden gehabt, doch an diesem Tag hatte sie einen Teil dieser Kontrolle verloren, und ich war zu einer sehr greifbaren Bedrohung geworden. Ich glaube, sie hatte einsehen müssen, dass ich nicht einfach wieder verschwinden würde und dass sie meine Existenz akzeptieren musste, ob sie nun wollte oder nicht. Ich glaube, dafür hat sie mich von da an gehasst.

Im Schlafzimmer meiner Eltern hatte ich eine Vase mit Blumen platziert. Ich überprüfte ein zweites und auch ein drittes Mal, ob alles genau richtig war. Dann zog ich mich für den Empfang am Flughafen an. Harry, ich und die Kinder gingen zuerst noch zur Abendmesse um sechs Uhr in die St. Bart’s Church in Norbury. Ich konnte mich aber nicht auf den Gottesdienst konzentrieren, weil ich mit den Gedanken ganz woanders war. Während der Messe kam ich zu dem Entschluss, dass meine sorgfältig ausgewählte Kleidung doch nicht die richtige war. Harry und die Jungs mussten aufstehen, dann ging es im Gänsemarsch nach draußen. Wir fuhren nach Hause, wo ich erneut ins Grübeln geriet, was ich stattdessen anziehen sollte.

Irgendwann war ich dann fertig, und wir konnten zum Heathrow Airport fahren. Dort trafen wir pünktlich ein, stellten den Wagen ab und gingen in die Ankunftshalle. An der Halle angekommen, stellten wir uns an eine freie Ecke, um zu warten. Anthony und Ronan benahmen sich wirklich vorbildlich und taten das, was wir ihnen sagten. Sie hatten wohl gemerkt, wie nervös ich war. Auch Harry gab keinen Ton von sich. Ich glaube, er war überwältigt von allem, was sich vor seinen Augen abspielte.

Meine Mutter entdeckte ich zuerst. Neben ihr ging ein Mann. Das war das erste Mal, dass ich meinen Vater zu sehen bekam. Ich musste ihn nur sehen und wusste schon, dass er es war. Er trug einen beigefarbenen Crombie-Mantel, eine beigefarbene Hose und braune Lederschuhe. Er war ein großer und stattlicher Mann, der mit großen, selbstbewussten Schritten auf mich zukam.

Ich ließ Harry und die Jungs stehen. Meine Mutter erreichte ich als Erste, aber der Kuss, mit dem ich sie begrüßte, war nur der Hauch einer Berührung. Gleich darauf warf ich mich meinem Vater an den Hals, der mir die Arme entgegenstreckte. Bestimmt fünf Minuten lang stand ich an ihn gedrückt da und ließ meinen Tränen freien Lauf. Wir kehrten zu Harry und den Jungs zurück, die außerhalb der Absperrung auf uns warteten. Mein Vater gab den Jungs einen Kuss und reichte Harry die Hand. Harry brachte ihr Gepäck zum Wagen.

Meine Mutter wollte zur Toilette, ich zeigte ihr den Weg, kehrte aber sofort zu meinem Vater zurück. Ich wollte unbedingt in seiner Nähe sein, weil ich Angst hatte, er könnte einfach verschwinden, wenn ich ihn aus den Augen ließ. Meine Mutter kehrte zu uns zurück, wir gingen zum Auto. Während Harry und mein Vater das Gepäck im Kofferraum verstauten, sagte meine Mutter zu mir: »Dein Vater weiß nichts von unserem Treffen im Cruise's Hotel. Es wäre mir lieber, wenn es auch so bleibt.«

»Wegen meiner Vergangenheit musste ich mein Leben lang überall nur Lügen erzählen«, entgegnete ich. »Ich weigere mich, je wieder zu lügen.« Meine Worte ließen den Graben zwischen uns noch etwas breiter werden. Mag sein, dass das nicht sehr diplomatisch war, aber ich war wirklich nicht bereit, je wieder irgendwas zu tun, was meine Mutter wollte oder von mir erwartete. Das hier war das erste Mal, dass ich mich meiner Mutter widersetzt hatte. Bis dahin hatte ich immer alles mitgemacht, doch der Schock saß noch tief, seit ich das wahre Ausmaß der Lügen kannte, die sie mir aufgetischt hatte. Für mich hatte damit festgestanden, dass ich mich nie wieder nach dem richten würde, was sie mir sagte.

Wir fuhren zurück zu unserem kleinen, aber makellosen Haus. Bevor wir zum Flughafen abgefahren waren, hatten die Jungs schon gegessen, und fürs Abendessen war alles vorbereitet. Ich musste jetzt nur noch alles fertig machen, während Harry die Jungs ins Bett brachte. Dann setzten Harry, meine Mutter, mein Vater und ich uns an den Esstisch und ließen uns das schmecken, was ich für uns gekocht hatte.

Ich schwebte im siebten Himmel. Aber ich war auch schrecklich nervös, weil ich nicht wusste, ob ich den Erwartungen meiner Eltern gerecht werden konnte. Nachdem ich meine Eltern zu sehen bekommen hatte, fand ich, dass sie elegant und vornehm waren. Sie trugen teure Kleidung. Ich hatte davon geträumt, dass sie wohlhabende Aristokraten sind. Ich fand, die Realität kam meinem Wunschdenken sehr nahe.

Die Stimmung beim Abendessen war eigenartig. Ich aß bei mir zu Hause mit meiner Mutter und meinem Vater zu Abend, und doch kannte ich sie gar nicht. Sie waren für mich fremde Leute. Wenn sie sich miteinander mit wenigen Worten unterhielten, so wie es verheiratete Paare nun einmal tun, fühlte ich mich ausgeschlossen.

Die Unterhaltung zwischen ihnen und mir war Small Talk von der verkrampften, bemühten Sorte. Mein Vater erzählte, dass er sich heute in London nicht mehr zurechtfinden würde. Ich versuchte so viele Fragen wie möglich über seine Familie zu stellen, die genau genommen meine Geschwister waren. Mein Vater war derjenige, der die meiste Zeit redete und der mir erklärte, wer wer war, wer was tat und wer mit wem verheiratet war.

Als wir aufgegessen hatten, räumte Harry alles zusammen und brachte das Geschirr zum Spülen in die Küche. Ich glaube, er war froh, dass er etwas zu tun hatte. Meine Mutter bot sich an, beim Abwasch zu helfen. Zu mir sagte sie: »Bleibt ihr zwei ruhig sitzen und redet. Du hast lange genug ohne ihn auskommen müssen.«

Ich war überrascht, aber auch froh, mit ihm ins Wohnzimmer zu wechseln, wo ich mich zu ihm auf die Couch setzte und seine Hand nahm. Irgendwann zwischendurch sagte er: »Weißt du, deine Mutter wollte immer Krankenschwester werden.«

Was mich damals sehr überraschte, waren seine Antworten auf die Fragen, die ich zu meinen Geschwistern stellte. Ich hatte erwartet, dass sie alle extrem erfolgreiche Geschäftsleute oder Akademiker wären, doch in Wahrheit waren sie zwar alle erfolgreich, übten aber eigentlich ganz normale Berufe aus. Soweit ich das erkennen konnte, hatten sie nicht nur alle ihre Eltern gehabt, sondern auch eine vernünftige Ausbildung und eine ebensolche Erziehung in einem intakten Familienumfeld genossen. Ich hatte gedacht, wenn das Leben einem solche Gelegenheiten bietet, könnte man jeden Karriereweg einschlagen und mit Erfolg abschließen. Ich konnte nicht verstehen, dass Leute, die all das besaßen, was mir verwehrt geblieben war, dennoch keinen Beruf ergriffen hatten, der sie über alle Maßen reich machen würde.

Ich dachte, wenn man Eltern hat, dann fehlt es einem an nichts. Aber je mehr ich über die Berufe meiner Geschwister erfuhr, umso gelassener wurde ich, was mich anging. Ich sagte mir: »Ich bin erfolgreich. Ich habe mit Blick auf meine Bildung und meine Karriere genauso viel erreicht wie die anderen auch. Ich bin jemand, und das habe ich nur mir ganz allein zu verdanken. Ich war auf niemanden angewiesen gewesen.«

Für mich war diese Erkenntnis der Beginn für ein wachsendes Selbstvertrauen. Ich sagte mir: »Ich bin nicht der Abschaum der Erde. Ich bin jemand, der genauso Respekt verdient wie jeder andere.« Mit einem Mal sah ich mich in einem ganz anderen Licht, und das fühlte sich gut an.

Überall auf der Welt stellen sich Eltern schützend vor ihre Kinder, um alles Böse von ihnen fernzuhalten. Ich fragte meinen Vater: »Wenn du gewusst hättest, dass es mich gibt, hättest du mich dann gewollt?«

»Ja«, sagte er, was für mich keine befriedigende Antwort war. Dann aber fügte er noch hinzu: »Wärst du anderswo untergekommen, wo meine Schwestern als Nonnen tätig sind, dann hätte man sich auch um dich gekümmert.« Diese Ausführungen weckten in mir das Gefühl, dass er mich eigentlich auch nicht haben wollte. Es fühlte sich so an, als wollte er die Schmach einer unehelichen Tochter von sich abwenden. Er fand, dass alles in Ordnung gewesen wäre, wenn ich anderswo untergebracht gewesen wäre. Hauptsache ich wäre dort sicher aufgehoben gewesen – und vor aller Welt versteckt.

Ich kam wieder auf meine Geschwister zu sprechen, die alle neun zu meiner neuen Familie gehörten. Als ich mit der Suche nach meinem Vater begonnen hatte, war ich an seinen anderen Kindern nicht interessiert, da sie ja nur Halbgeschwister waren. Jetzt dagegen wollte ich alles über sie wissen, und ich konnte es nicht erwarten, ihnen endlich zu begegnen.

Harry und meine Mutter hatten den sehr langwierigen und ausgiebigen Abwasch beendet und unterbrachen unsere Unterhaltung auf dem Sofa, da sie ins Wohnzimmer zurückkamen. Wir entschieden einvernehmlich, dass wir uns alle erst mal schlafen legen sollten. Morgen früh konnten wir immer noch weiterreden. Ich umarmte meine Mutter kurz, an meinen Vater klammerte ich mich wieder gut fünf Minuten. Dann gingen wir zu Bett.

An Schlaf war nicht zu denken, weil in meinem Kopf keine Ruhe einsetzen wollte.

Mein Vater hatte sich in jeder Hinsicht so entpuppt, wie ich ihn mir gewünscht hatte. Allerdings hatte mich eine Sache doch überrascht: Er war gar kein Anwalt, sondern arbeitete als Kellner. Er war stark und klug, und er sah so gut aus. Aus einem unerklärlichen Grund hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass da ein Mann war, dem ich vertrauen konnte und der mich beschützen konnte. Er war jemand, auf den ich stolz sein und den ich – endlich – Dad nennen konnte.

Meine Gedanken ließen mir immer noch keine Ruhe.

Am 13. November 1983 war ich zum ersten Mal in meinem Leben meinem Vater begegnet. Dafür hatte ich fünfunddreißig Jahre alt werden müssen!

Am nächsten Morgen stand ich auf, ging in die Küche und begann Frühstück vorzubereiten, von dem man eine ganze Armee hätte ernähren können.

Mein Vater sagte, dass er kurz rausgeht, um sich eine Tageszeitung zu holen. Ich hätte zwar gedacht, dass es ihn mehr interessieren würde, mit mir zu reden. Aber dann kam er zurück und gab mir eine Geburtskarte mit dem Aufdruck »Für eine liebevolle Tochter«. Innen hatte er hingeschrieben: »Für Celine, mit Liebe von Mum und Dad.«

Natürlich! Es war mein Geburtstag. Vor lauter Aufregung hatte ich den ganz vergessen. Es war der 14. November, der Tag, an dem ich fünfunddreißig Jahre zuvor zur Welt gekommen war.

Es war meine erste Geburtstagskarte von meinen Eltern. Ich war wirklich begeistert, dass ich eine Karte bekommen hatte, allerdings war ich von dieser speziellen Karte schon ein wenig enttäuscht. Der vorgedruckte Text war für eine Tochter gedacht, die ihre Eltern ihr Leben lang kannte, was in keiner Weise unser Verhältnis widerspiegelte. Natürlich hatte ich gar nichts von ihnen erwartet, dennoch war es mit Blick auf die Karte schon etwas eigenartig, dass er nicht mal ein winziges Geschenk für mich hatte, das als Symbol für unseren ersten gemeinsam verbrachten Geburtstag hätte fungieren können. Ich hatte an eine Art Erinnerungsstück für ihren Besuch oder auch an ein kleines Geschenk für meine Kinder gedacht. Am Flughafen hatte mein Vater ein Päckchen unter den Arm geklemmt mit sich herumgetragen. Als wir in den Wagen einstiegen, sagte er: »Das ist ein Geschenk für euch beide. Gott sei Dank kann ich es jetzt ja runternehmen. Ich dachte bereits, mir würde der Arm abfallen.«

Das Geschenk entpuppte sich als ein roher Limerick-Schinken.

Ich wollte etwas haben, das mich auf Dauer an diesen denkwürdigen Tag erinnerte, der neben der Geburt meiner Kinder der markanteste Tag meines Lebens war. Ein roher Limerick-Schinken konnte diesen Vorstellungen nicht so recht entsprechen. Mit untypischer Wucht hatte ich den Schinken in die Kühltruhe geworfen, um ihn für Weihnachten aufzubewahren. Das war bei Weitem nicht genug, um langfristig an diesen ganz besonderen Tag zu erinnern.

Meine Nachbarinnen May und June kamen für ein paar Minuten vorbei, um meine Eltern kennenzulernen. Ronan war in der Vorschule, Anthony in der Schule. Meine Mutter saß nur da und sagte kaum etwas, dafür redeten mein Vater und ich umso mehr.

Nachdem meine Nachbarinnen wieder gegangen waren, wurde zunächst über nichts allzu Persönliches gesprochen. Es war mehr eine allgemeine Unterhaltung. Dann wollte mein Vater wissen, wo ich hinfuhr, wenn ich in Irland war, und bei wem ich unterkam. Ich erzählte ihm davon, dass ich mit Carmel Dillon ein paar Mal zu den Limerick-Rennen gegangen war. Er sagte, dass er da immer hingeht. Wenn wir uns dort über den Weg gelaufen wären, dann hätte er mich sofort erkannt, weil ich meiner Mutter einfach viel zu ähnlich sehen würde.

Dann fragte er, wo ich aufgewachsen bin. Ich antwortete: »In Kilmallock.«

»Wo in Kilmallock?«

»Ballyculhane.«

Er sagte, er kenne diesen Ort, und dann fragte er: »Ist da irgendetwas vorgefallen?«

»Allerdings.«

»Ich weiß von diesem Ort, und ich weiß auch von dem Ruf dieses Hauses«, sagte er. Dann wandte er sich an meine Mutter: »Wusstest du, dass deine Tochter dort als Kind vergewaltigt wurde?«

Ich konnte es nicht fassen, dass er eine solche Frage in einem so sachlichen, nüchternen Tonfall stellte. Ich war erstaunt, dass er vom Haus meiner Pflegeeltern wusste. Und ich war sehr schockiert, dass ihm auch der Ruf dieses Hauses bekannt war.

Meine Mutter reagierte auf eine herablassende Weise, indem sie erklärte: »Manchen Leuten sollte man nie erlauben, Kinder großzuziehen.«

Das war schon ein heftiger Spruch, und dann auch noch aus ihrem Mund. Aber es war ihr Ernst. Sie betrachtete sich selbst ganz offensichtlich als jemand, der seine Kinder vorbildlich großgezogen hatte.

»Was in meiner Kindheit vorgefallen ist«, warf ich ein, »hat Auswirkungen auf mein ganzes Leben!« Zögerlich begann ich, die sexuellen Probleme in meiner Ehe zu schildern, die mit diesen Ereignissen zu tun hatten. Ich glaube, mein Vater wusste einfach nicht, was er dazu sagen sollte, denn auf einmal begann er mich nach den gleichen Verwandten in Kilmallock zu fragen, auf die schon Paddy O'Sullivan bei unserer ersten Begegnung zu sprechen gekommen war. Nach der Begegnung mit meinen Eltern hatte ich einige Rückblenden zu Ereignissen, die für mich keinen Sinn ergeben hatten, als sie geschahen, die sich mir aber jetzt erschlossen. Mein Vater fragte, ob ich O'Sullivans Pub kennen würde. Ich sagte, dass ich für kurze Zeit dort sogar gearbeitet hatte. Die Erwähnung von Jimmy O'Sullivan holte eine Erinnerung hervor. Noch bevor ich das erste Mal meiner Mutter begegnet war, hatte ich Schwester Bernadette immer gebeten, doch meine Mutter zu fragen, ob sie mir nicht einen Brief schreiben könnte. Als ich für Jimmy O'Sullivan und seine Frau Nonie arbeitete, war eines Tages ein Brief von Schwester Bernadette in der Post. In diesem Umschlag befand sich ein weiterer Umschlag mit der Aufschrift »Celine«. Schwester Bernadette schrieb in ihrem Brief: »Ich lege den Schatz bei, auf den du gewartet hast.« Ich öffnete den Umschlag mit der Aufschrift »Celine«, der keinen Hinweis auf den Absender enthielt. Darin befand sich ein Brief.

»Meine liebe kleine Celine,

es fällt mir schwer, Zeit und ein leeres Zimmer zu finden, um dir ungestört schreiben zu können. Dein Vater hat nie von deiner Existenz erfahren. Würde er es jetzt herausfinden, wäre es für seine Ehe das Ende, und seine Familie würde daran zerbrechen. Ich bete jeden Tag für dich und dafür, dass ich dich noch einmal in meinen Armen halten darf, bevor ich sterbe. Jetzt, da du sechzehn Jahre alt bist, brauchst du immer noch jemanden, der dir zur Seite steht. Wende dich an Schwester Bernadette, wenn du einmal nicht weiterweißt. Sie kennt sich in der Welt aus und wird dir einen guten Ratschlag geben.

Gezeichnet, deine dich ewig liebende Mutter«

Ich war völlig begeistert gewesen, als ich diesen Brief bekommen hatte. Ich wollte ihn jedem zeigen, denn für mich war das der Beweis, dass ich eine Mutter hatte, die mich liebte. Vor lauter Freude zeigte ich ihn Nonie. Nachdem sie ihn gelesen hatte, fragte sie: »Wie heißt deine Mutter?« Als ich »Doreen« antwortete, sagte Nonie kopfschüttelnd: »Die einzige Doreen, von der ich mal gehört habe, ist mit Jimmys Cousin in Janesboro in Limerick verheiratet. Aber ich glaube nicht, dass sie das sein könnte. Die hat nämlich neun Kinder.« In dieser Sekunde wäre ich mit sechzehn Jahren beinahe dahintergekommen, wer mein Vater war.

Wäre mir doch nur bewusst gewesen, wie dicht ich davorgestanden hatte, dieses Wissen in Erfahrung zu bringen!

Aber selbst wenn, hätte jemand wie ich zu dieser Zeit keine Fragen stellen können. Ich hätte nichts bewegen können, denn ich war nur ein Dienstmädchen mit einer problematischen Vergangenheit. Wie hätte ich irgendetwas beweisen sollen?

Die nächsten Besucher, die vorbeikamen, um meine neuen »Ausstellungsstücke« zu begutachten, waren Harrys Bruder Paddy und dessen Frau Kitty, die auch noch ihre Schwester mitgebracht hatte. Dass Kittys Schwester mitgekommen war, war mir peinlich, denn ich hatte das Gefühl, dass diese unangenehme Situation ganz allein meine Schuld war. Immerhin hatte ich jedem erzählt, dass meine Eltern vor Jahren gestorben waren. Es war für einige Leute ein ziemlicher Schock, zu erfahren, dass sie plötzlich wiederauferstanden waren. Das galt vor allem für die, die zu meiner Hochzeit gekommen waren.

Diese Auferstehung besaß wahrhaft biblische Ausmaße. Beide Elternteile waren lebendig und erfreuten sich bester Gesundheit, und das, nachdem sie so viele Jahre tot und beerdigt gewesen waren. Ich hatte Paddy Roberts eingeweiht, aber ich wollte nicht, dass es weitere Kreise zog, die über die unmittelbare Familie hinausgingen. Ich schämte mich so sehr, dass ich nicht wollte, dass Kittys Schwester davon erfuhr. Es war mir so peinlich, weil die Roberts’ sich als eine sehr aufrechte und moralisch konservativ ausgerichtete Familie sahen, während ich mich für meine Geburt schämen musste. Paddy Roberts riss einen Witz über die verlorene Tochter, doch meine Eltern reagierten nicht darauf.

Meine Mutter wandte sich an Paddy Roberts und erklärte abermals, dass es manchen Leuten nicht erlaubt werden dürfte, Kinder großzuziehen. Mein Vater schloss sich dem an und stimmte ihr zu.

Ich saß wie unter Schock da, als sie ungeniert weiterredeten und einige meiner schlimmsten Lügen enthüllten. Meine Eltern ließen den frommen Roberts’ gegenüber keine Zweifel daran offen, unter welchen Umständen ich aufgewachsen war. Sie ließen dabei kein Detail aus. Ich stand unter Schock, und Harry in seiner Rolle als Tugendwächter der katholischen Kirche sagte keinen Ton. Ich hatte meinen Eltern vom Horror erzählt, weil ich fand, dass sie das wissen sollten. Aber das waren vertrauliche Dinge, und nun saßen sie da und plauderten mit den Roberts’ über mich, als wäre ich eine Fremde! Ihr Tonfall belegte auch noch ihre Missbilligung, als sie sich über meine Vergangenheit ausließen. Wie konnten sich meine Eltern nur auf dieses hohe moralische Ross setzen, wenn es doch ihre Schuld war, dass meine Kindheit in der Hölle stattgefunden hatte? Ich kochte vor Wut, weil ich mich hintergangen und verraten fühlte.

Obwohl das hier mein Haus und mein Heim war, in dem ich meine liebevollen Kinder um mich hatte, fühlte ich mich wie in eine Falle gelaufen. An diesem Abend kam ich mir wieder einmal so vor, als wäre ich nicht besser als die nächstbeste Bettlerin.

Ich verließ das Zimmer, weil ich da rausmusste!

Ich ging in die Küche und kümmerte mich um das Abendessen. Kochen war schon immer meine Zuflucht vor schlimmen Dingen gewesen. Am Herd konnte ich aus den Trümmern meines Lebens etwas Neues erschaffen.

Ich tat für andere Leute das, was ich von ihnen erwartete, dass sie es auch für mich tun würden. Ich wollte, dass sie auf mich Acht gaben. Als ich an diesem Abend die Kinder ins Bett brachte, musste ich daran denken, dass sie das einzig Kostbare in meinem Leben waren. Sie waren die einzigen Menschen in meinem Leben, denen ich wirklich vertrauen konnte.

Am nächsten Tag gingen meine Eltern und ich einkaufen. Im Aer-Lingus-Büro in der Regent Street buchten wir ein Flugticket nach Limerick, damit ich meine Geschwister kennenlernen konnte. Ich würde am Sonntag meine Eltern begleiten, wenn sie nach Shannon zurückflogen. Ich wollte mir ein Paar schwarze Lacklederschuhe für meine Reise nach Irland kaufen. Meine Mutter wollte mir das Geld dafür geben, aber ich lehnte das Angebot ab.

Mein Vater sagte: »Lass sie die Schuhe bezahlen. Sie schuldet dir Millionen.« Schließlich entschied ich mich für ein billigeres Paar, das ich mir von meinem Geld nie gekauft hätte, aber ich wollte nicht, dass sie so viel ausgab. Nach dem Ärger am Abend zuvor war es das Einzige, was ich akzeptieren konnte und wollte.