Auf dem Flug der China Airlines nach Xian standen die Flugbegleiter vorne im Flugzeug, schwätzten miteinander und warfen jedem Passagier, der es wagte, sich zu beschweren, eine Tüte mit Saft zu. Alles war improvisiert, und Anna hatte das Gefühl, dass das Flugzeug nur durch Klebeband zusammengehalten wurde. Als sie ihre Hand an das zerkratzte Plastikfenster legte, konnte sie den Luftzug spüren, der in die Kabine drang.
Mit Hilfe von einigen verdrehten Tatsachen hatte Anna ihrem Vater die Erlaubnis für diese Reise abringen können. Sie hatte ihm nicht gesagt, dass sie mit Chenxi allein unterwegs sein würde. Er glaubte, sie befände sich auf einer Exkursion der Kunstakademie. Mr White hatte sie gehen lassen unter der Bedingung, dass sie das Flugzeug nahm und nicht den Zug. Nach einer Bahnreise von siebenundzwanzig Stunden würde sie sicherlich krank am Ziel ankommen, bei all dem ungenießbaren Essen und dem Zustand der Toiletten im Zug. Es war doch viel besser, so meinte er, die Klasse vorauszuschicken und am Wochenende zu folgen. Eine Woche war mehr als genug, versicherte er ihr. Und so war Chenxi am Dienstag mit dem Zug losgefahren und Anna folgte ihm am Samstag mit dem Flugzeug.
Als sie zum Landeanflug auf Xian ansetzten, waren die Passagiere schon aufgestanden und schubsten und drängten sich zu den Türen, noch ehe das Flugzeug gelandet war. Die Flugbegleiter riefen erst etwas auf Chinesisch, dann auf Englisch. Alle Passagiere sollten zu ihren Plätzen zurückkehren. Nur einer oder zwei folgen dieser Anweisung.
Als die Türen geöffnet wurden, drückten sich die Flugbegleiter flach gegen die Türrahmen, um zu vermeiden, von den herausstürzenden Menschen niedergetrampelt zu werden. Im Glauben, dass es für diese Panik einen Grund geben musste, warf sich Anna in die Menge hinein und ließ sich von ihnen mitreißen.
Als sie wieder auftauchte, fand sie sich in einer staubigen Hütte aus Wellblech wieder. In der Mitte lag ein riesiger Haufen Koffer. Passagiere kletterten einfach darüber hinweg, um ihr Gepäck zu finden, und Anna war froh, dass sie nur ihren Rucksack als Handgepäck mitgenommen hatte.
Sie schaute sich nach dem Ausgang um und sah, dass die gegenüberliegende Wand der Hütte aus Maschendraht bestand, hinter dem eine weitere Menschenmenge stand und auf ihre Lieben wartete. Anna war froh, als sie Chenxi entdeckte. Er rief sie zu sich und lachte, als er ihr besorgtes Gesicht sah. »Komm schon«, sagte er und schwang sich ihren Rucksack über die Schulter. »Wir müssen mit Bus fahren. Zwei Busse.«
Chenxi schien sich zu freuen, sie zu sehen. Anna joggte hinterher, um mit ihm Schritt zu halten, während sie die Menschenmenge und die aufmunternd rufenden Taxifahrer hinter sich ließen und über den Parkplatz gingen. Ihre Schritte ließen kleine, kugelförmige Staubwolken aufstieben.
Während des langen Marsches die Straße entlang, die vom Flugplatz wegführte, begegneten sie niemandem. Es war merkwürdig still und sonnig nach dem Lärm und dem grauen Smog von Shanghai. Anna hörte Vögel zwitschern. Es war so friedlich, hinter Chenxi herzutrotten, am liebsten hätte sie sich bei ihm untergehakt. Aber sie gab sich mit dem Gefühl seiner Nähe zufrieden.
Ein Fahrradfahrer kam ihnen entgegen. Er schwankte unter einer unförmigen Last, als ob er betrunken wäre. Als er mit vor Konzentration gerunzelter Stirn näher kam, erkannte Anna, dass hinter ihm quer auf dem Fahrrad der Kadaver eines riesigen Schweins lag. Vorne im Korb an der Lenkstange lag der Kopf. Die glasigen Augen starrten. Auch der Radfahrer starrte, und zwar auf Anna. Sein Fahrrad neigte sich gefährlich und die Füße des Schweins kratzten lange Rillen in den Staub. Anna musste lachen und rannte dann hinter Chenxi her.
Sie erreichten die Haltestelle in dem Moment, in dem der Bus vorfuhr. Chenxi schob Anna die Stufen hinauf und folgte ihr. Sie drückte sich auf eine Bank und hielt sich fest, als der Bus schwankend und schaukelnd losfuhr.
Graue Gebäude, wie Schuhkartons aus Zement, schoben sich näher und näher zusammen, und immer mehr Radfahrer tauchten auf der Straße auf, während sie sich dem Zentrum von Xian näherten.
Die Stadt war schäbiger und staubiger als Shanghai, aber auch lange nicht so überfüllt. Trotzdem hielt sich Anna am Saum von Chenxis Hemd fest, aus Angst, von ihm getrennt zu werden, während er sich zwischen den Menschen hindurchschob, die beim Anblick der Ausländerin stehen blieben und sie beide anstarrten. Immer wieder schaute Chenxi sich um, wo Anna blieb, und dann prallte sie gegen ihn. Aber meistens hielt sie den Kopf gesenkt und versuchte, den Bettelkindern auszuweichen, die nach ihr grabschten.
»Viele Diebe in Xian«, flüsterte Chenxi, als sie in den nächsten Bus stiegen. »Vorsichtig mit Geld! Sie sehen Ausländer … also aufpassen!«
Diesmal fanden sie keine Sitzplätze, und so hielt sich Anna an einem Lederriemen fest, der von der Decke herabhing. Neben ihr stand ein junger Bauer mit Plastiksandalen an den Füßen. Die Haare klebten ihm quer über der Stirn. Seine Hände waren rau und gelb vor Nikotin, und noch während Anna ihn betrachtete, steckte er eine Hand in ihre Jackentasche.
»Würden Sie bitte die Hand aus meiner Tasche nehmen?«, sagte sie so höflich, wie sie konnte, während sie ihn gleichzeitig schockiert anstarrte.
Er schaute sie an und fuhr dann fort, inmitten der schmutzigen Taschentücher in ihrer Tasche zu wühlen. Anna versuchte, ihren Satz in Chinesisch zu übersetzen, aber alles, was sie herausbrachte, war: »Nein! Nicht gut!«
Unbeirrt nahm der Mann die Hand aus ihrer linken Tasche und schob seinen Arm um ihre Taille, um sein Glück in der anderen zu versuchen. Anna hätte beinahe gelacht. Sie wollte ihm eigentlich keine Schwierigkeiten machen, aber sie überlegte, dass er sich wohl als Nächstes über ihre Hosentaschen hermachen würde, wo ihr Geld tatsächlich steckte. Und so zischte sie Chenxi zu, der ein Stück weit von ihr entfernt stand: »He, Chenxi, wie sagt man auf Chinesisch: ›Haltet den Dieb‹?«
Fragend schaute er sie an.
»Neben mir steht ein Mann, der in meinen Jackentaschen herumwühlt!«
Chenxi schrie etwas auf Chinesisch, und plötzlich gab es einen Tumult. Der Bus kam mitten auf der Straße mit quietschenden Bremsen zum Stehen, und eine Meute kreischender Hausfrauen warf den jungen Mann aus dem Bus. Als sich die Türen wieder schlossen, schnalzten sie missbilligend mit den Zungen und schüttelten die Köpfe. Der Bus fuhr wieder an und Anna sah, wie der einfältige junge Mann den Gehsteig entlang davonschlich. Er tat ihr leid.
Nach und nach leerte sich der Bus, und Anna ergatterte einen Fensterplatz. Ihr war heiß und die Kleider klebten ihr am Leib, aber trotzdem behielt sie die Jacke an, aus Angst vor weiteren dreisten Händen.
Durch das Fenster sah sie einen Bus, der größer und noch verbeulter war als der, in dem sie saß. Auf dem Dach waren Dutzende kreischende und mit den Flügeln flatternde Hühner festgebunden. Ein Bauer hockte im Schatten eines Hauseingangs, an dessen Türrahmen tiefgelbe Maiskolben zum Trocknen aufgehängt waren. Frauen mit federnden Bambusstangen über den Schultern, an denen schwere Körbe hingen, trotteten vorbei. Jeder, der Annas Gesicht hinter der Fensterscheibe des Busses bemerkte, blieb stehen und starrte.
Chenxi setzte sich neben Anna und sagte: »Ort von Schwester ist sehr weit.«
Anna betrachtete das flache, von einem Flickenteppich aus Feldern übersäte Land, das neben dem offenen Fenster vorbeizog. Minuten später war sie eingenickt, mit dem Kopf auf Chenxis Schulter.
Den Rest der Fahrt blieb Chenxi still sitzen und rührte sich keinen Millimeter.
Eine hochgewachsene Frau erwartete sie an der Haltestelle in Shendong. Ein hagerer Junge in Ledersandalen sprang aufgeregt um sie herum. Sie lächelte, als Anna aus dem Bus stieg, und nahm die Hände der Ausländerin in ihre eigenen. Sie hatte Chenxis Lächeln, aber anders als bei ihm lächelten auch ihre Augen. Kleine Fältchen bildeten sich an den Augenwinkeln. Anna vermutete, dass sie älter war, als sie aussah.
Man konnte einem Chinesen sein Alter kaum ansehen. Einmal hatte ein alter Mann Anna auf der Straße angesprochen und sie in perfektem Englisch gebeten, sein Alter zu schätzen. Anna hatte sich auf fünfzig festgelegt und insgeheim sechzig vermutet. Sie war erstaunt, als sie erfuhr, dass der Mann achtundsiebzig Jahre alt war! Er war auf sein Fahrrad gestiegen und weggefahren, wobei er zufrieden kicherte.
»Deine Schwester?«, fragte Anna.
»Jüngere Schwester von Mutter. Ich haben keine Geschwister.«
»Dann ist sie also deine Tante.«
Chenxi stellte sie einander vor. Der Name der Frau war Yang Wen und der schlaksige Junge hieß Zhou Jin. Als sie losgingen, erklärte Chenxi Anna, dass chinesische Frauen ihre Mädchennamen bei der Vermählung behielten, was der Grund war, warum der Familienname der Tante ein anderer war als der ihres Sohnes. Das Kind nahm automatisch den Nachnamen des Vaters an.
Sie waren nur ein kleines Stück die Straße entlanggegangen, als Yang Wen vor einem Geschäft, in dem ein Fotolabor untergebracht war, stehen blieb und Chenxi etwas zumurmelte. Chenxi seufzte und sagte: »Schwester will dich Leuten zeigen.«
»Tante«, korrigierte ihn Anna. »Ja, natürlich.«
Im Gänsemarsch betraten sie den kleinen Laden, und ein dicker Mann mit einem breiten Grinsen und fettigen Haaren kam hinter der Verkaufstheke hervor, um sie zu begrüßen.
»Oh!«, sagte er und lächelte Anna an. »Australien, Australien.« Offensichtlich hatte er sie erwartet.
»Ja«, sagte Anna.
»Sehr gut! Sehr gut!« Der Mann hob beide Daumen hoch.
Er holte ein paar Stühle hervor, und sie setzten sich und fingen an, sich zu unterhalten. Dabei schauten sie immer wieder zu Anna, als ob sie sie in das Gespräch mit einbeziehen wollten. Chenxi stand an der Wand und betrachtete einen Kalender, deshalb sah Anna davon ab, ihn um eine Übersetzung zu bitten.
Zwanzig Minuten später standen sie auf und verabschiedeten sich. Nach einer kurzen Strecke brachte Chenxis Tante erneut ihre Bitte vor, nur dass sie Anna diesmal dem Gemüsehändler vorstellen wollte.
Fast zwei Stunden später, nachdem Anna jeden Ladenbesitzer und jeden Postbeamten in Shendong kennengelernt hatte, kamen die vier endlich in Yang Wens Haus an. Anna war erschöpft, nachdem man sie begutachtet und betastet hatte wie ein Pony, das zum Verkauf stand. Aber gerade als sie dachte, sie hätte es überstanden, sah sie, dass in dem kleinen Wohnzimmer die andere Hälfte der Stadt saß und auf sie wartete.
Auf dem runden Tisch aus Palisanderholz lagen Erdnuss- und Mandarinenschalen; Menschen saßen auf Stühlen und auf der Kante eines großen Bettes. Sie rauchten und schwatzten. Es war offensichtlich, dass sie schon geraume Zeit warteten.
»Ah!«, riefen sie entzückt aus, als Anna hereinkam. Sie sprangen auf, zogen ihr einen Stuhl herbei, reichten ihr Tee und Nüsse und Obst. Anna versuchte, Chenxis Blick einzufangen, aber er konzentrierte sich ganz darauf, eine Mandarine zu schälen.
Einer nach dem anderen verabschiedeten sich die Besucher, und Chenxi stellte Anna die Familie seiner Tante vor. Yang Wens Ehemann war groß, mit einer breiten Nase und dicken Brillengläsern. Sein Name war Zhou Yi, und auch er hieß Anna herzlich willkommen. Der älteste Sohn, der fünfzehn war, hatte die Nase seines Vaters und seine Sehschwäche geerbt. Er stellte sich Anna selbst in gebrochenem Englisch als Zhou Lai vor, und alle lachten gutmütig. Er erzählte, dass er in der Schule Englisch lernte und froh sei, jemanden zum Üben zu haben. Schließlich wurde Anna noch einer alten Dame mit goldenen Ringen in den dunklen Ohrläppchen vorgestellt, der Mutter von Chenxis Onkel. Aber Anna durfte sie Nai nai nennen, was Großmutter bedeutete. Hierauf mussten wieder alle lachen.
Anna reichte Chenxis Tante eine Schachtel Pralinen, die sie mitgebracht hatte. Die Tante lächelte und bedankte sich und legte das Präsent in eine Schublade neben zwei weitere ungeöffnete Pralinenschachteln.
Chenxis Onkel schlug sich auf die Oberschenkel und kramte in einer Aktentasche aus Kunststoff nach einem Fotoapparat. Abwechselnd machten sie Fotos, und jeder durfte einmal neben Anna sitzen. Dann rannte Chenxis Tante aus dem Haus zu einem Nachbarn, der ein Foto von ihnen allen machen sollte. Sie lächelten alle zum Blitzlicht, und dann setzte sich der Nachbar zu Anna, und wieder wurde ein Foto gemacht. Annas Wangen schmerzten vom vielen Lächeln.
Dann war Essenszeit. Chenxi half seiner Großmutter und seiner Tante, das Essen in einem Wok über einem Kohleofen vor der Haustür zuzubereiten. Anna bot ebenfalls ihre Hilfe an, aber Chenxis Tante reagierte mit einem gekränkten Gesicht. Chenxi erklärte, dass seine Tante durchaus in der Lage sei, allein zu kochen und ganz bestimmt keine Hilfe von einem Gast brauche! Und so setzte sich Anna hin und wartete, bis das Essen auf dem Tisch stand. Sie schämte sich, dass sie ohne zu überlegen angenommen hatte, die Manieren, zu denen sie erzogen worden war, hätten auch in China Gültigkeit.
Zhou Jin und sein Vater brachten die fertigen Gerichte von draußen herein und stellten sie feierlich vor Anna hin. Zhou Lai setzte sich neben sie aufs Bett und versuchte, auf Englisch zu erklären, was sie enthielten.
»Bohnen. Fisch. Schwein. Das … wie du sagen? … Doufu?«
»Tofu.«
»Doufu in scharf Soße. Das …« Er blätterte durch ein Wörterbuch. »… Zunge von Ente.«
»Ente?«
»Quak, quak.«
»Ja, Ente.«
Die Zungen waren länger, als Anna gedacht hatte, aber im Grunde genommen hatte sie noch nie wirklich über diesen Teil eines Vogels nachgedacht.
Sie war überrascht, wie köstlich alles schmeckte. Sie kostete alles, außer den Entenzungen, was die Familie zu enttäuschen schien. Ohne Zweifel hatten sie diese Delikatesse extra für Anna zubereitet.
Statt über einer Schale Reis zu essen, wie es in Shanghai üblich war, nahm man sich hier das Essen direkt aus den Schüsseln und von den Tellern und aß es über einem dampfenden Fladen aus Reismehl, der Mantou genannt wurde und gleichzeitig als Teller diente. Jedes Gericht, das Anna zu schmecken schien, wurde vor sie hingeschoben, während Chenxis Neffe lachend übersetzte: »Dir schmecken? Du essen alles!«
Chenxi sagte kaum etwas, außer, um Zhou Lais Übersetzungen zu korrigieren, aber er schien hier im Kreise seiner Familie entspannter zu sein. Nach dem Essen bot er seinem Onkel eine Zigarette an, und sie rauchten gemeinsam, während Anna mit den beiden Jungen scherzte und seine Tante und seine Großmutter das Geschirr spülten. Es war Nacht geworden, und als Anna gähnte, sprang Chenxis Onkel auf und rief seine Frau, die sogleich herbeieilte.
Yang Wen hakte sich bei Anna unter und führte sie zu den Schlafräumen gegenüber. Sie wies Chenxi an, ihr mit Annas Rucksack zu folgen. Sie gingen eine schlecht beleuchtete Treppe hinauf zum zweiten Stock und dann einen Flur entlang, in dem es nach Fisch und Reis roch. Anna hörte das Klicken von Essstäbchen in Schüsseln aus Steingut. Hinter den Türen waren andere Familien noch beim Abendessen. Am Ende des Flurs zog Yang Wen einen Schlüssel aus ihrer Tasche und öffnete eine Tür zu einem kleinen Schlafzimmer mit einem sauberen Zementboden. Yang Wen schaltete das Licht ein, dann den Fernseher, und dann kam die ganze Familie und setzte sich zu Anna aufs Bett. Sie knackten Kürbiskerne mit ihren Zähnen und schauten sich gemeinsam die Nachrichten an.
Anna schaute sich in dem einfachen Zimmer um, das in helles Licht gebadet war, und dachte, wie schlicht und ordentlich es doch hier war. Nichts war überflüssig. Sie sah das verwinkelte alte Haus in dem wohlhabenden Vorort von Melbourne vor sich, in dem sie mit ihrer Mutter und ihren Schwestern lebte, und die Sachen, die sich über die Jahre hinweg angesammelt hatten. Jedes Mal, wenn sie in ein größeres Haus zogen, war der zusätzliche Platz schon bald mit noch mehr Trödel zugestellt.
Als die Nachrichten zu Ende waren, scheuchte Yang Wen die Männer aus dem Zimmer, und Chenxi erklärte Anna, dass sie bei seiner Tante schlafen würde. Sein Onkel, seine Neffen und er teilten sich den Raum gegenüber. Seine Großmutter schlief, wie immer, im Wohnzimmer.
Anna zog sich aus, während Yang Wen den Fußboden fegte, auf dem nun verstreut Zigarettenstummel und Kürbiskernschalen lagen. Dann rollte Yang Wen eine wattierte Seidendecke aus, die mit Pfingstrosen verziert war, und steckte sie um Anna fest wie einen Schlafsack. Während sie fröhlich auf Chinesisch auf Anna einredete, schlüpfte sie aus ihren Kleidern und kuschelte sich in eine andere Decke neben Anna.
Anna wollte mit der Hand eine Kuhle in das knirschende Kopfkissen drücken, das mit Sand oder Streu gefüllt war, aber es blieb so fest wie zuvor und ihre Bewegungen führten nur dazu, dass sich die Decke um ihren Körper verschob. Und so rutschte sie einfach ein Stück nach unten, legte den Kopf flach hin und schlief ein.