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Es rauschte nichts mehr, und auch das Gurgeln des Flusses war eine Einbildung gewesen. Es hatte sich nur in seinem Schädel abgespielt, in dem auch jetzt noch keine Ruhe herrschte. Alles klang dumpf: sein würgendes Husten, sein verkrampftes Stöhnen, als er unter Schmerzen alles erbrochen hatte, was in seinem Magen gewesen war, und jede kleinste Bewegung, die er im Liegen vollführte. In seinen Ohren dröhnten die Geräusche, aber so, als müssten sie zunächst durch einen dichten Stoff hindurch, der ihnen die Höhen nahm und die Ankunft in seinem Schädel verzögerte. Er hustete, was diesen Eindruck erneut bestätigte, und überlegte, ob es nicht besser wäre, die Augen zu schließen, um im Schlaf alles hinter sich zu lassen.

Die Pein in den Knien, den Armen, im Nacken und überall sonst, wo in seinem Körper Knochen aufeinanderstießen, wenn er versuchte, sich zu bewegen, ließ ihn starr ausharren. Er atmete flach, um nicht wieder in Panik zu geraten, wenn es ihm nicht gelang, seine Lungen mit Luft zu füllen. Er tastete mit den Fingerspitzen über den rauen Untergrund. Es fühlte sich an wie Sand. Feines, körniges Material, das er zwischen den Fingern zerrieb. Neben ihm lag ein etwas größeres Gebilde. Seine Fingerspitzen waren schon dort gewesen und hatten es erkundet. Eine schmerzhafte Reise, weil er dafür die Muskeln in seiner Schulter benötigte. Sie leisteten seinem Willen erbitterten Widerstand. Als ob die sonst beweglichen Teile durch eine starre Rostschicht miteinander verbunden wären und rohe Gewalt notwendig wäre, um sie zu lösen. Das knirschende Geräusch, das seine Tastversuche begleitet hatte, passte gut dazu.

Seine Finger steuerten nun wieder in diese Richtung. Die Reibung in seiner Schulter ließ nicht nach, aber die Marter erschien erträglicher. Er musste sich bewegen, um den Rost zu beseitigen. Das Bruchstück fühlte sich an wie ein kleines Steinchen mit scharfen Bruchkanten. Es klang auch so, wenn er seine Hand mühsam anhob und es dann wenige Zentimeter hinabfallen ließ. Er meinte, dass es sogar noch ein wenig der Wärme ausstrahlte, die er ihm bei seiner ersten Begutachtung eingehaucht hatte. Das war natürlich Unsinn, weil es zu lange zurücklag. Außerdem war hier alles warm.

Darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht. Er lag auf dem Boden im feinen Sand. Seine Jacke rieb an den Ärmeln darüber. Und obwohl er an so vielen Stellen seines Körpers Schmerzen empfand, fror er nicht. Er zitterte immer mal wieder. Aber das lag an der Übelkeit, die in seinem Magen weiterhin ihr Unwesen trieb, und am Durst. Sein Mund war schrecklich trocken.

Krustenkandis. Die Erinnerung war schlagartig wieder da. Genau so fühlte sich das an, was er zwischen den Fingerspitzen hin und her drehte. Harte, aber nicht allzu scharfe Kanten. Seine Großmutter hatte den immer für ihren Tee verwendet. Zwei Brocken kamen in die Tasse, aus der es dampfte, wenn sie den Tee darübergoss, und einen steckte sie sich in den Mund, um ihn in der Backentasche zergehen zu lassen. Hin und wieder hatte er auch einen bekommen, obwohl er das Aroma eines Bonbons dem Kandis vorzog. Die kleinsten Brocken hatte seine Großmutter in einer separaten Porzellandose gesammelt, um daraus im Krankheitsfall ihren eigenen Hustensaft herzustellen. Er hatte den Geschmack des klebrigen Zeugs sofort wieder auf der Zunge und schluckte. Aus dem Sand im Vorratsbehälter, der in ihrem Keller stand, suchte sie eine der dicksten Möhren heraus, höhlte sie vorsichtig so weit aus wie möglich und füllte sie dann mit den Kandisresten auf. Die sich nach einigen Stunden bildende dunkle, süße Flüssigkeit wanderte auf einem Löffel in hustende Kindermünder, die stets mehr forderten, als die Möhre hergab.

Er versank immer tiefer in diesen Erinnerungen, die wohltaten und ihn davor bewahrten, sich erneut im Dickicht der Erklärungsversuche zu verirren. Er wusste nicht, wo er sich befand, und er hatte auch keine Ahnung, wer dafür verantwortlich zeichnete, dass er hier fast reglos in der Dunkelheit lag und verdurstete. Er spürte nur die Angst, die langsam immer tiefer in ihn hineinkroch, egal wie sehr er sich dagegen wehrte.