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Wie bereitet man sich auf ein landesweit ausgestrahltes Interview vor, wenn man gerade herausgefunden hat, dass der Liebste mit seiner Ex schläft?

Gavin ist nicht dein Liebster, schon vergessen? Ihr nehmt gerade eine Auszeit.

Ich wische mir noch eine Träne ab.

Wie auch immer. Er hat mich gebeten, zu warten. Angefleht hat er mich und geschworen, er würde nicht mit Angelique schlafen. Du hast ihn glauben lassen, mit Daren liefe etwas. Aber er hätte mir doch nur zu erklären brauchen, was er in Rhode Island getrieben hat, dann wollte ich ihm im Gegenzug die Sache mit Daren erklären. Das wusste er, ich hatte es ihm gesagt.

So geht es in meinem Kopf hin und her, während ich die erste Tasse Kaffee des Tages trinke. Noch ist es früh, noch bleiben mir ein paar Stunden Zeit, bis ich mich unten in der Lobby mit meiner Presseagentin und der Anwältin treffen soll.

Meine Augen sind rot geschwollen, und ich hätte zu gern eine von meinen blauen Pillen, die ich leider zu Hause gelassen habe. Da das Regent Hotel wohl kaum alle nur denkbaren Medikamente vorrätig haben dürfte, entscheide ich mich für das Nächstbeste: Zimmerservice.

»Hallo? Hier ist die Vega Suite.« Meine Stimme klingt unglaublich heiser, ich lege kurz die Hand auf die Sprechmuschel des Telefons, um mich räuspern zu können. »Ich hätte gern einen Eisbecher mit Schokoladensauce, eine Cola Rum und einen Teller eisgekühlte Gurkenscheiben.« Am anderen Ende der Leitung herrscht Schweigen. Habe ich etwas falsch gemacht, stimmt mit der Verbindung was nicht? Nein, die nette Dame vom Zimmerservice braucht nur ein bisschen, bis ihr klar ist, dass ich es ernst meine. Dann versichert sie mir, ich könne in fünfzehn Minuten mit dem Gewünschten rechnen.

Nachdem ich unter der Dusche noch ein bisschen geweint habe, kommt meine Bestellung auch schon. Ich genehmige mir etwas lustlos ein paar Löffel Eis, packe mir Gurkenscheiben auf die Augen und lasse mich mit ausgebreiteten Armen rückwärts aufs Bett fallen.

Mein Gott, wie oft will ich mir das eigentlich noch antun? Wie oft will ich mich noch von einem Jungen so fertigmachen lassen? Salzige Tränen bahnen sich einen Weg unter den Gurkenscheiben hervor und laufen mir über das Gesicht, während ich darüber nachdenke, wie sehr Gavin mich verletzt hat. Es könnte schlimmer sein, stell dir vor, du hättest mit ihm geschlafen! Vielleicht würde ich dann nicht hier liegen – dieser hinterhältige Gedanke meldet sich immer wieder. Dabei habe ich fast schon meine Mutter und ihre gehässige Bemerkung von damals im Ohr.

Wie viele Male haben Gavin und ich zusammen im Bett gelegen, haben gekuschelt, einander berührt, sind zusammen eingeschlafen. Und jetzt macht er das Gleiche mit Angelique. Natürlich wollte er Sex. Welcher Einundzwanzigjährige will das nicht? Nur hatte ich gehofft, zwischen uns sei mehr als nur das. Ich hatte doch selbst oft genug kurz davor gestanden, aufs Ganze zu gehen, mein Körper war ja nun wirklich nicht hermetisch gegen alles abgeriegelt! Ich wollte diesen Schritt mit Gavin wagen, trotzdem fürchtete ich weiterhin genau die Situation, die jetzt eingetreten ist: Ich lasse mich auf einen Mann ein, der ist mir untreu, mir wird das Herz gebrochen, ich breche zusammen.

Doch diesmal werde ich nicht zusammenbrechen. Scheiß drauf! Ich habe hart gearbeitet und bin weit gekommen, zu weit, um mich wieder von einem Mann in Stücke reißen zu lassen. Das Beste wird sein, gar nicht zu sehr zu grübeln. Jedenfalls nicht im Moment. In ungefähr drei Stunden, wenn ich mit dem Interview durch bin, kann ich mich in diesem Bett zusammenrollen und noch ein bisschen heulen, damit ich das hinter mir habe und nicht sterbenselend aussehe, wenn ich ihn nächste oder übernächste Woche irgendwo treffe. Damit er nicht denken muss, er hätte mir das Herz aus dem Leibe gerissen, obwohl er genau das getan hat. Ich werde stark sein.

Wieder im Bad, stelle ich mein Glas Cola Rum auf die Ablage und lege mir mein Make-up zurecht. Jede Menge Abdeckstift und Eyeliner tarnen die Folgen einer durchweinten Nacht ganz gut. Ich hole mir iPhone und Ohrstöpsel aus dem Zimmer und lasse mich von Musik beschallen, bis ich aufbruchbereit bin. In schwarzer Jeans und grauer Bluse, mit dem Gefühl, gut genug beieinander zu sein, um die nächsten Stunden durchzustehen.

Kate, meine Anwältin, Anfang dreißig, die live dieselbe Intensität ausstrahlt wie am Telefon, geht auf der Fahrt zum Studio mit mir die Themen durch, denen ich nach Möglichkeit aus dem Weg gehen soll. Außerdem nennt sie mir ein paar Standardkommentare zu trickreichen Fragen. Dass ich sie beim Interview nicht dabeihaben will, gefällt ihr nicht, obwohl sie andererseits eingesteht, dass es vielleicht wirklich schlauer sein könnte, beim ersten Medienkontakt nicht gleich so anwaltlich durchgestylt aufzutreten.

Was schlau ist oder nicht, ist mir egal. Ich möchte sie nicht beim Interview neben mir sitzen haben, weil sie mich nur nervös machen würde. Glaube ich jedenfalls.

Im Gegensatz zu Kate wirkt meine Presseagentin Maeve rundum zufrieden: Endlich mache ich mal etwas, um mein Buch zu vermarkten. Ihrer Meinung nach ist jede Art von Beachtung gut.

Ich verrate beiden Frauen nichts vom Besuch der FBI-Agenten. Diese Hürde nehme ich dann doch lieber an einem anderen Tag.

Bei NBC werde ich kurz den Moderatoren der Sendung vorgestellt, bevor man mich zu einer Sitzgruppe aus zwei einander gegenüberstehenden kleinen Sofas bringt. Kate und Maeve bauen sich außerhalb der Kamerareichweite auf, mir gegenüber sitzt die Reporterin, die mich interviewen soll. Sie wirkt jung, aber durchaus kompetent, und ich kenne sie, denn ich habe sie schon auf dem Campus gesehen. Sie trägt das lange schwarze Haar zu einem Knoten zusammengefasst und hat ein Nadelstreifenkostüm an, das ihr umwerfend gut steht.

»Hi, Clementine!« Sie streckt mir die Hand hin. »Ich bin Madeline McDermott, Maddie für meine Freunde.« Sie senkt verschwörerisch die Stimme. »Stimmt das? Die Today Show wollte dich nach New York einfliegen, um dich dort heute Morgen von Matt Lauer interviewen zu lassen, aber du wolltest lieber ein Interview hier, mit einer Unipraktikantin?« Ihren makellosen Zügen ist anzusehen, wie erstaunlich sie das findet.

Über diesen Punkt habe ich nicht mit mir verhandeln lassen, obwohl Maeve fast einen Herzinfarkt bekam, als ich das klarstellte. Das gehört zu den wenigen Dingen, die ich von meiner Mutter gelernt habe: Wer gerade heiß begehrt ist, darf Forderungen stellen. Für mich persönlich ist die Entscheidung, auf New York und Lauer zu verzichten, im Grunde keine große Sache, ich kann Maddies Verwunderung trotzdem nachvollziehen.

»Mir selbst ist in beruflicher Hinsicht ein paarmal geholfen worden, da wollte ich mich revanchieren und zur Abwechslung mal jemand anderem ein bisschen unter die Arme greifen.«

Ich weiß noch genau, wie der Verkauf meines Buches damals in Gang kam: Eine im Netz sehr beliebte Bloggerin war zufällig darüber gestolpert, hatte sich sofort in meine Geschichte verliebt und ihre Fans begeistert darauf aufmerksam gemacht. Bereits am nächsten Tag trat mein Roman den Siegeszug durch die Bestsellerlisten an.

Maddie strahlt. »Ich kann dir gar nicht genug danken.«

»Ich kenne deine Arbeit und weiß, dass du gut bist. Ich habe ein paar Sachen gesehen, die du auf dem Campus gedreht hast.«

Wie um mich einzuschätzen, legt sie den Kopf schief. »Ich glaube, du könntest meine neue beste Freundin werden!« Als sie lacht, kann ich nicht anders, ich muss mitlachen.

Hinter einer riesigen Konsole steht ein Typ, der die Beleuchtung richtig einstellt. Maddie und ich kriegen kleine Mikros an die Blusen geheftet, der Ton wird geprüft, dann erklärt man uns, wie der Sender in New York unsere Sequenz einblenden wird.

Mein Herz hämmert wie verrückt. Was noch verrückter ist: Ich muss an meine Mutter denken, die sich in Situationen wie dieser hier als Mischung aus Stahl und Stein präsentiert. Mit diesem Bild im Kopf hole ich tief Luft und richte mich auf alles ein, was da kommen mag.

»Gleich sind wir dran.« Der Kameramann hält fünf Finger hoch, an denen er den Countdown abzählt, bis er auf das rote Licht deutet, mit dem signalisiert wird, dass wir jetzt live auf Sendung sind.

Auf dem Monitor sehe ich den Moderator in New York in meine Geschichte einführen, ehe sich der Bildschirm teilt und Maggie neben ihm auftaucht.

Sie holt tief Luft und hält sie kurz an, während sie in die Kamera schaut. Dann, als hätte sie das schon eine Million Mal getan, fängt sie mit einer glatten Rundfunkstimme, in der eine gewisse melodische Kadenz mitschwingt, an zu reden.

»Hier bei mir ist Clementine Avery, die Erbin von Avery International, die diese Woche in die Schlagzeilen geriet. Während eines von ihr besuchten Schreibseminars wurde auf dramatische Weise enthüllt, dass sie die als Austen Fitzgerald bekannte Bestsellerautorin ist, die ihre Identität bis dahin erfolgreich verbergen konnte. Clementine, wie schön, Sie kennenzulernen.«

»Vielen Dank für die Einladung, Madeline.«

»Stimmt es, dass bis jetzt keiner Ihrer Professoren auch nur ahnte, wer Sie sind?«

»Bis auf den Dozenten, der mir vor drei Jahren bei der Überarbeitung meines Buches half, wusste niemand von dem Pseudonym.«

»Meinen Sie damit den Young-Adult-Autoren Jason Wheeler? Sohn von Richard Wheeler, dem ehemaligen Gouverneur von Rhode Island?«

»Ja.«

Sie richtet sich gerade auf und wirft einen Blick auf ihre Notizen.

»Soweit ich es verstanden habe, hat Mr Wheeler Ihr Buch während eines Seminars kritisiert und Sie des Plagiats beschuldigt. Sie sahen sich daraufhin gezwungen, öffentlich preiszugeben, dass Sie Austen Fitzgerald sind. Was haben Sie zu seinen Anschuldigungen zu sagen?«

»Ich werde Mr Wheeler wegen Verleumdung verklagen. Alles, was ich geschrieben habe, ist mein geistiges Eigentum, und ich besitze Kladden und Tagebücher, aus denen das eindeutig hervorgeht. Sicherlich hat Mr Wheeler vorgeschlagen, die Storyline leicht zu verändern und bestimmte Sachen ein wenig umzuformulieren. Aber die Behauptung, meine Ideen würden irgendjemandem außer mir gehören, ist schlichtweg lächerlich.«

Aus den Augenwinkeln sehe ich meine Anwältin lobend den Daumen recken.

Obwohl ich nervös bin, gelingt es mir, langsam und deutlich zu reden, als hätten Maddie und ich alle Zeit der Welt. So redet, wer in der Welt etwas zu sagen hat: voller Überzeugung, dass jeder sie hören will und dass nichts sie erschüttern kann. Vielleicht zahlen sich all die Jahre in meiner verkorksten Familie heute endlich einmal aus.

»Warum hat Mr Wheeler Sie öffentlich kritisiert? Was glauben Sie?« Maddie beugt sich mit leicht schief gelegtem Kopf vor.

»Ich glaube, er wollte meine Gefühle verletzen, damit es mir schlecht geht. Er weiß, wie sehr ich meine Privatsphäre schätze. Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass ich ihn auf seine Lügen festnagele.«

»Das hört sich fast so an, als hätte er eine Art Vendetta gegen Sie laufen.«

Ich hole tief Luft und nicke. »Während meines ersten Studienjahrs erhoffte sich Jason Wheeler mehr von unserer Beziehung, als ich zu geben bereit war. Ich sah ihn als meinen Mentor, er wollte eine Liebesbeziehung. Ich glaube, sein jetziges Verhalten ist seine Art, es mir heimzuzahlen.«

Maddie zieht die Augenbrauen hoch, verfolgt diesen Strang der Befragung jedoch nicht weiter.

»In Ihrem Buch ist die Hauptfigur die Tochter einer wohlhabenden Familie, die sich in den Star-Quarterback ihrer Schule verliebt. Der Junge betrügt sie mit ihrer besten Freundin und bricht ihr damit das Herz. Ich weiß, bei Ihrem Roman handelt es sich um Fiktion, aber die Übereinstimmungen mit Ihrem eigenen Leben sind wirklich frappierend. Sie waren auf der Schule mit Daren Sloan zusammen, der jetzt für das Boston College Football spielt und einer der Mitbewerber für die Heisman Trophy ist. Er ist mit Veronica Roberts verlobt, die auf der Highschool Ihre beste Freundin war. Was die Sache mit der Tochter aus gutem Hause betrifft: Ihre Mutter ist Jocelyn Avery, Aufsichtsratsvorsitzende von Avery International.«

Damit wären wir offiziell in meinem schlimmsten Albtraum gelandet: Mein ganzes Leben liegt der Öffentlichkeit zu Füßen. Noch einmal hole ich tief Luft, ohne danach zu wissen, wo ich anfangen soll.

»War das eine Frage?«, frage ich leise lachend. Genau so würde meine Mutter reagieren: Sie würde so tun, als handele es sich bei der Hiroshima-Bombe um eine Fliege in ihrem Salat.

»Hat Daren Sie betrogen?« Maddie beugt sich erneut vor, diesmal mit einem Stirnrunzeln. »Basiert die Geschichte auf Ihrer Beziehung?«

»Maddie, ich hatte nicht vor, eine Autobiografie zu schreiben. Ich kann also uneingeschränkt versichern, dass es sich bei diesem Buch um Fiktion handelt. Natürlich habe ich mich bei einigen Aspekten der Geschichte von meinen eigenen Erfahrungen inspirieren lassen, das macht doch jeder Schriftsteller. Ja, Daren und ich waren auf der Highschool zusammen, aber da hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Wir haben uns getrennt, weil wir uns auseinandergelebt hatten. Er ist für mich nach wie vor ein lieber Freund. Ich wünsche ihm und seiner Verlobten nur das Beste.«

Atmen, atmen.

Tapfer schaue ich Maddie direkt in die Augen, wobei ich lächele. Sie scheint von meiner Antwort überrascht, nickt aber brav. Wahrscheinlich hat sie gedacht, ich würde jetzt über Daren herfallen. Dabei würde ich ihn nie öffentlich demütigen, selbst wenn wir uns nicht gerade auf wundersame Weise wieder versöhnt hätten.

»Was ist mit Ihrer Mutter? In Ihrem Buch verlangt die Mutter ja, ihre Tochter solle mit ihrem Freund schlafen, weil man einen Star-Athleten nur mit Sex an sich binden kann, wie sie glaubt. Ist Ihnen das so mit Ihrer Mutter passiert? Und sind Sie wirklich mit Ihrer Mutter zerstritten, weil die sie als Model und Repräsentantin ihrer Modelinie wollte, was Sie strikt ablehnten?«

Scheiße.

Wieder muss ich meine Worte sorgsam abwägen.

»Meine Mutter und ich, wir stehen einander nicht besonders nahe, das werden Ihnen viele Leute bestätigen können. Aber ich werde mich hier nicht abfällig über meine Mutter äußern. Ihr Unternehmen gehört zu den führenden seiner Branche, sie hat hart dafür gearbeitet, dort anzukommen, wo sie heute ist. Ich bewundere sie für ihre vielen Erfolge. Lassen Sie mich abschließend noch sagen, dass unsere Familie schon seit Jahrzehnten mit den Sloans befreundet ist und wir diese Freundschaft nach wie vor pflegen.«

Nein, ich bin nicht hierhergekommen, um meine Familie zu verteidigen. Aber mein Verhältnis zu meiner Mutter und meinem Vater ist meine Privatsache und geht die Öffentlichkeit nichts an. Vielleicht habe ich da gerade laut geäußert, was eigentlich Wunschdenken ist, aber auch das wäre mir egal. Meine Mutter weiß, was sie getan hat. Alles andere spielt für mich keine Rolle.

Gott sei Dank wechselt Maddie das Thema. Wir kommen auf Verkaufszahlen zu sprechen, und ich darf erklären, wie ich mir das E-Book-Format zunutze machte, mit dessen Hilfe es mir gelungen ist, meinen Roman auch ohne Unterstützung eines großen Verlages gut zu verkaufen.

»Inzwischen liegt das Buch auch in gebundener Form vor.« Maddie hält ein Exemplar in die Höhe. »Ich habe mir sagen lassen, dass die Läden es kaum schnell genug nachbestellen können. Warum lieben so viele Leute Ihre Geschichte, was meinen Sie?«

»Da bin ich ehrlich gesagt überfragt.« Da mir mein Erfolg immer noch ein wenig peinlich ist, zucke ich mit den Achseln. »Es überrascht mich immer wieder, dass es Leute gibt, die mein Buch lesen möchten. Ich habe eine Menge durchgemacht, als ich es schrieb, und ich glaube, es beschreibt ganz ehrlich, was ein gebrochenes Herz mit einem anstellen kann. Das scheint die Menschen anzusprechen. Vielleicht, weil sie sich darin wiedererkennen.«

Als Maddie jetzt lächelt, habe ich das Gefühl, dass alle wirklich brisanten Fragen inzwischen gestellt worden sind.

»Sie haben noch nicht einmal das College abgeschlossen und stehen schon auf der Bestsellerliste der New York Times. Was hält die Zukunft bereit? Arbeiten Sie gerade an einer neuen Geschichte?«

»Ja. Ich sitze an einem Liebesroman, was ein Novum für mich ist. Es geht um eine Erstsemester-Studentin an einem College, die sich in ihren Wohnheimtutor verliebt.«

»Und ist das jetzt eine wahre Geschichte?« Maddies Augen funkeln, es scheint sie ehrlich zu interessieren.

»Hm, da muss ich jetzt vorsichtig sein.« Ich feixe, was mir ein Lächeln ihrerseits einträgt. »Der Typ, in den meine Heldin sich verliebt, Aiden, hat Ähnlichkeit mit jemandem, den ich kenne. Dieser Jemand war jedoch nie mein RA.«

»Und sind Sie zurzeit mit diesem Aiden zusammen?«

Verdammt, die Frau ist gut.

»Ich war mit ihm zusammen«, gestehe ich langsam. Maddie zieht die Augenbrauen hoch, und ich schlucke. Sag es einfach. Sei ehrlich, steh zu deinen Gefühlen. »Aber wir sind nicht mehr zusammen, was mich unglücklich macht, weil ich ihn irgendwie liebe.« Heilige Scheiße, habe ich das gerade laut gesagt? Verlegen schaue ich zu Boden. Ich habe ernsthaft meine Liebe zu Gavin eingestanden, noch dazu im verfickten Fernsehen! Am liebsten würde ich jetzt im Boden versinken und schaffe es nur gerade so eben, mich noch aufrecht zu halten.

Maddie tippt sich an ihren Knopf im Ohr. Sie nickt.

»Tut mir leid, aber unsere Zeit ist um, Clementine. Vielen Dank für das Gespräch. Und Aiden, wer immer du sein magst: Sorg dafür, dass es bei diesem Mädel zu einem ›Glücklich bis ans Ende ihrer Tage‹ kommt! Ich bin Madeline McDermott. Zurück nach New York.«

Mit leisem Klicken gehen die roten Lichter aus, die Kameras laufen also nicht mehr. Erleichtert, weil alles vorbei ist, stoße ich einen lauten Seufzer aus.

Kaum hat sich Maddie den Knopf aus dem Ohr gezogen, als von ihrem professionell ruhigen, gelassenen Benehmen nichts mehr zu merken ist. Ihre blauen Augen sind riesengroß geworden, sie schiebt sich die rechte Hand ins Haar und ballt sie zur Faust. »Heilige Scheiße, das war unglaublich.«

Ich muss lachen. Wetten, dass Matt Lauer sich nie und nimmer so über ein Interview mit mir gefreut hätte?

»Du hast das ganz prima gemacht!«, bringe ich mühsam über die Lippen, wobei ich mir die Hände unter die Achseln schiebe, damit man nicht merkt, wie sehr sie zittern.

Maddie beugt sich verschwörerisch vor. »Entschuldige die vielen persönlichen Fragen! Der Sender wollte noch mehr, sie hatten mir eine Liste mit einem ganzen Dutzend geschickt, ein paar davon waren fast schon erniedrigend, viel zu sehr in die Privatsphäre eingreifend. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, dich so in die Enge zu treiben und habe sie einfach umformuliert.«

»Danke, dass du so nett zu mir warst. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«

Sie wechselt von ihrer Couch zu meiner, wo sie sich dicht neben mich setzt. »Darf ich dich was fragen? Ganz inoffiziell natürlich?« Als ich nicke, merke ich erst, dass mir richtig schwindelig ist. »Wer ist der RA? Kenne ich ihn?«

Kurz denke ich nach. Maddie hätte mich eben im überregionalen Fernsehen live total auseinandernehmen können und hat es nicht getan. Die Beziehung ist doch sowieso vorbei.

Ich flüstere, weil auch sie ihre Frage flüsternd gestellt hat. »Gavin Murphy.«

»Gavin Murphy? Der scharfe Typ, der Leitartikel für die Free Press schreibt?«

»Genau.« Sie tut so, als müsse sie sich Luft zufächeln, weil Gavin so heiß ist. Ich kann nur traurig lächeln. »Ich weiß«, gestehe ich seufzend. »Wem sagst du das?«

»Ich dachte, er ist mit dieser fiesen Rothaarigen zusammen.« Maddie rümpft verächtlich die Nase, und wenn ich sie nicht ohnehin schon gemocht hätte, würde ich das Mädel ab jetzt auf jeden Fall lieben.

»Ja, war er auch. Oder ist er noch. Ich weiß es nicht.« Vielleicht schlafen sie auch nur miteinander, was noch schlimmer wäre.

Maddie runzelt die Stirn. »Du siehst aus, als könntest du einen Schluck vertragen. Soll ich dir einen Drink holen? Als Dankeschön?«

»Auf jeden Fall.«

Auch wenn es noch nicht mal zehn Uhr morgens ist … Egal – ich hatte schon jetzt einen absolut beschissenen Tag.