DEN WALDGEISTERN AUF DER SPUR
Der sagenumwobene Wald hat seinen Namen vom slawischen Wort „Granitza“. Das kann sowohl „Grenze“ als auch nach älteren Überlieferungen „Eiche“ bedeuten. Tatsächlich gibt es in dem fast tausend Hektar großen Naturschutzgebiet eine Vielzahl von Waldgesellschaften, neben Buchen, Erlen, Linden und Nadelhölzern zählen auch Traubeneichen dazu. Die Landschaft ist nicht flach, sondern in der letzten Eiszeit entstanden, hat Hügel, Schluchten und Steilhänge. Der höchste Berg ist der 107 Meter hohe Tempelberg, auf dem das Jagdschloss Granitz steht. Noch vor 200 Jahren gab es hier für die Fürsten zu Putbus reichlich Hochwild. Heute heißt es statt zu jagen nach dem Weg zu fragen, denn da gibt es einige im Wald. Doch keine Angst, Wegweiser sind vorhanden, auch andere Wanderer, sodass man immer irgendwo ankommt.
Start dieser Tour ist die Kurverwaltung im Ostseebad Sellin in der Warmbadstraße. Rechts davon geht es in die August-Bebel-Straße, die dann links in den Uhlenweg mündet. Steil ist der erste Anstieg in den Wald. Man folgt dem kleinen Weg, der nun noch einmal eine Biegung nach links macht, bis man an eine Weggabelung kommt. Dort rechts abbiegen und bis zum Hochuferweg vorlaufen, der führt durchgehend von Sellin (Seebrücke) bis nach Binz. Hier, wie an allen anderen Hochuferwegen, bitte die aktuellen Absperrungen beachten. Das Hochufer ist in ständiger Bewegung, immer wieder gibt es Abbrüche! Ein Beispiel sieht man keinen Kilometer weiter an der ehemaligen Waldhalle. Das Ausflugslokal auf dem Falkenberg wurde 1880 errichtet, doch schon 100 Jahre später musste man das Gebäude aufgeben. Wenn man Glück hat, je nach Wetter, gibt es hier eine traumhafte Aussicht nach Sellin. Links geht es jetzt zu einem Rastplatz und ein Schild weist den Weg zum Schwarzen See, einem kleines Paradies im Wald. Der seltene Kesselsee ist bis zu 15 Meter tief und gehört zu einem 24 Hektar großen Naturschutzgebiet der Kategorie 1, einem Totalreservat. Rund um den See liegt eine für das Klima so wichtige Moorlandschaft. Moore haben nicht nur eine überaus reiche Artenvielfalt, sie säubern auch das Wasser, regulieren den Grundwasserspiegel und speichern jede Menge Kohlendioxid, weltweit sogar doppelt so viel wie alle Wälder zusammen.
Um den wunderschönen Waldsee ranken sich natürlich auch Geschichten. Eine besagt, dass hier ein Prinz eines Tages zur Jagd aufbrach. Als er nach Hause kam, fand er statt des Schlosses einen See vor, auf dem ein kunstvoller Stuhl schwamm, auf dem ein Paar Handschuhe lagen. Der Stuhl galt damals als ein Symbol der Gastfreundschaft und hätte wahrscheinlich das Schloss zurückgebracht. Doch der eitle Königssohn griff nach den Handschuhen und wurde in eine Eiche verwandelt. Dieser knorrige alte Baum steht immer noch am Ufer, nachts soll er sich wieder in einen schönen Königssohn zurückverwandeln, der wehklagend um den See streift und nach seinem Schloss sucht.
Der Wanderer verlässt nun diesen schaurig-schönen Ort, kehrt an den Hauptweg zurück und folgt den Schildern Richtung Jagdschloss Granitz. Wieder geht es die kleinen Hügel hoch und wieder hinunter, bis man an eine große Weggabelung mit der nächsten großen Eiche stößt. Die Eiche war für die Germanen ein heiliger Baum, am häufigsten wurde sie mit blitztragenden Göttern in Verbindung gebracht. Auch bei den Griechen stand die Eiche als Sinnbild für Zeus, der dem Blitzgott Jupiter entsprach. Noch heute sagt man bei Gewitter: „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen.“ Leider ein gefährlicher Trugschluss! Bei den Buchen sieht man den Blitzeinschlag nicht sofort, weil das Wasser am glatten Stamm abläuft, während bei der krossen Rinde der Eiche das Holz schon vorher splittert.
Das nächste Hinweisschild weist zum Grab des finnischen Kriegers. Der Waldweg steigt nun wieder an, bei der nächsten Kreuzung geht es rechts ab. Gleich dahinter befindet sich der kleine Grabstein. 1806 war auf Rügen das Schwedische Heer stationiert, welches gegen die Franzosen kämpfte, darunter auch viele finnische Soldaten. Sie waren im Forsthaus einquartiert. 1807 zogen sie ab, aber ein kranker Krieger kehrte zurück und starb hier. Sein Grabmal wird bis heute gepflegt. Die Franzosen schlugen übrigens die Schweden, von 1807 bis 1813 war Rügen unter der Trikolore.
Weiter geht es auf dem Waldweg Richtung Jagdschloss Granitz, doch ehe man die große Runde auf dem Hauptweg fast bis Binz läuft, biegt man so früh wie möglich ab. Hier führen nun alle Wege hinauf zum Jagdschloss, es geht steil bergauf. Zunächst erreicht man auf einem Plateau den Waldbiergarten und das Granitzhaus, das wie eine kleine Ausgabe des großen Jagdschlosses aussieht. Bereits 1726 ließ der damalige Fürst zu Putbus Moritz Ulrich I. an dieser Stelle ein Jagdhaus für seine Gäste bauen. Heute steht hier das Forsthaus von 1901, es beherbergt das Informationszentrum des Biosphärenreservats Südost-Rügen mit einer Ausstellung. Von dort ist nur noch ein kleiner, aber steiler Anstieg zum Jagdschloss zu bewältigen.
Info
Lage: Die Granitz liegt zwischen Binz, Lancken-Granitz und Sellin.
Aktivitäten:
•Wanderung: etwa acht Kilometer von Sellin (Parkplatz Kurhaus) bis zum Jagdschloss Granitz, vorwiegend auf Wald- oder Schotterwegen, einfache Tour mit einigen Steigungen. Bitte an Wegzehrung und Wasser denken.
•Das Granitzhaus: Informative, moderne Ausstellung. Das Granitzhaus ist von den Haltestellen „Jagdschloss Granitz“ oder „Garftitz“ des Rasenden Rolands zu Fuß bzw. mit dem Jagdschlossexpress von Binz zu erreichen; Jagdschloss Granitz 1, 18609 Binz, Tel. 038301 88290, www.biosphaerenreservat-suedostruegen.de
Einkehr:
•Waldbiergarten: Am Fuße des Jagdschlosses liegt dieser schöne Biergarten mit einem Spielplatz. Es gibt kleine Gerichte zu fairen Preisen, Erbsensuppe mit Bockwurst, Pommes, Eis; Am Jagdschloss 1, 18609 Binz, Tel. 038393 125493, waldbiergarten-granitz.de