Eine Woche später kam Aphrodite unerwartet zu ihm. Zugegeben, sie kam immer ohne Vorankündigung, aber Hades hatte gedacht, sie würde erst kommen, wenn sich ihre sechsmonatige Frist dem Ende näherte, und die war noch mehrere Wochen entfernt.
Hades saß gerade an seinem Schreibtisch in der Cypress Foundation und legte noch ein paar Details für das Halcyon-Projekt fest, bevor er es an Katerina übergeben würde. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, und er dachte daran, dass er das letzte Mal, als er an einem Schreibtisch gesessen hatte, auf weit angenehmere Art mit Persephone beschäftigt gewesen war.
Er wünschte, sie wäre hier, und schmunzelte bei dem Gedanken, sie zu sich zu teleportieren. War sie gerade dabei, einen Artikel zu schreiben, oder mitten in einem wichtigen Meeting? Wäre sie lange wütend auf ihn, wenn er ihren Mund mit einem heißen Kuss eroberte? Wenn seine Hände ihre Oberschenkel hinauf wanderten, seine Finger zwischen ihre Beinen glitten und er ihr endlich gäbe, worum sie bettelte – Erlösung.
»Du hast gewonnen«, sagte da Aphrodite. Sie sah strenger aus als gewöhnlich. Selbst wenn sie wütend war, hatte sie nicht diesen … Ausdruck. Zuerst fiel es Hades schwer, ihn einzuordnen, doch bald erkannte er, was es war, denn in den letzten sechs Monaten hatte er dasselbe viele Male gefühlt.
Hysterie .
»Sie liebt dich.«
Hades runzelte die Stirn.
»Wovon sprichst du?«
»Ich habe sie heute besucht, deine kleine Liebste«, erklärte die Göttin.
Plötzlich hatte er ein Gefühl endloser Leere im Bauch. Er stand auf, und sein Zorn rollte sich ein wie eine Schlange.
»Was hast du getan, Aphrodite?« Seine Stimme bebte, als sich Grauen auf ihn senkte, ihn einhüllte. Er fühlte sich, als versuche er, ohne Luft zu atmen.
»Ich wollte nur ihre Zuneigung zu dir einschätzen. Ich …«
»Was hast du getan?«, knurrte er.
»Ich habe ihr von unsere Wette erzählt.«
»Verdammt!«
Hades donnerte die Fäuste auf den makellosen Tisch. Dieses Mal zersprang er. Aphrodites Augen weiteten sich, aber sie wich nicht von der Stelle und zuckte auch nicht zusammen.
»Warum?«, wollte er wissen. »Ist das deine Rache für Adonis?«
»So hat es angefangen«, gab sie zu und sah dabei überraschend niedergeschlagen aus.
»Und wie hat es geendet, Aphrodite?«
»Ich habe ihr das Herz gebrochen.«
»Wo ist sie?«, wollte Hades wissen, als er in die Unterwelt teleportierte. Er hatte sich noch nicht weit genug beruhigt, um sie wahrzunehmen. Er erschien mitten in seinem Palast, wo sein Personal umherlief, ohne seine Qual, seine Furcht, das mögliche Ende der glücklichsten Zeit, die er je erlebt hatte, wahrzunehmen.
Er hatte gewusst, dass das möglich war, aber er war trotzdem kaum darauf unvorbereitet, denn letzten Endes liebte er sie.
»Persephone! Wo ist sie ?«
»S-sie ist spazieren gegangen, mein Lord«, sagte eine Nymphe.
»Sie ist Zerberus gefolgt«, fügte eine andere hinzu.
»Zum Tartaros.«
Verdammt.
Er verschwand und erschien im Randgebiet des Tartaros wieder. Dieser Teil seines Reiches war riesig und erstreckte sich hunderte Morgen weit. Warum sollte sie hierherkommen?, fragte er sich, während er versuchte, sich nicht auf sein rasendes Herz und das Grauen zu konzentrieren, das sich in ihm breitmachte, sondern darauf, sie zu finden.
Er hatte ihr von Beginn an gesagt, dass er nicht wollte, dass sie den Weg zum Tartaros kannte, weil ihre Neugier sie überwältigen würde. Hatte sie Aphrodites Worte gehört und strebte nun danach, sich zu beweisen, dass sie recht in Bezug auf ihn gehabt hatte? Vielleicht war sie in der Hoffnung gekommen, etwas zu finden, das bewies, dass er doch genau so grausam und berechnend war, wie sie gedacht hatte.
Nun, hier würde sie solche Beweise finden.
Es dauerte nicht lange, bis er sie wahrnahm und ein schwaches Prickeln am Rande seiner Sinne verspürte.
Sie war in der Höhle, dem ältesten Teil des Tartaros. Als er dort erschien, fühlte er ihre Präsenz stärker werden, und er wusste, wo er sie finden würde.
In Tantalos’ Höhle.
Abscheu stieg in ihm auf.
Tantalos war ein König, ein Halbgott, der von Zeus abstammte und zu der ersten Generation von Sterblichen gehörte, die die Erde bevölkert hatten. Ausgestattet mit Zeus’ besonderer Form von Arroganz, wollte er die Götter auf die Probe stellen, indem er Kindesmord beging. Der bösartige König tötete seinen Sohn Pelops, zerstückelte ihn und versuchte, ihn den Olympiern als Speise vorzusetzen. Hades erinnerte sich noch an den Geruch von verbranntem Fleisch, der durch die Große Halle wehte. Die Heiterkeit hatte auf der Stelle ein Ende gefunden, und der Zorn der Götter kam prompt. Hades war aufgestanden, hatte auf Tantalos gezeigt und ihn direkt in den Tartaros geschickt, während die anderen versuchten, Pelops wieder zusammenzufügen.
Doch das war noch nicht das Ende von Tantalos’ Bestrafung gewesen, denn Zeus hatte sein Erbe verflucht, und die Wirkung dieses Fluches war heute noch spürbar.
Hades schritt in die Dunkelheit, die in der Höhle, in der Tantalos schon seit einer Ewigkeit lebte und litt, herrschte. Er sah Persephone auf sich zu stürmen, Entsetzen in ihrem schönen Gesicht. Sie prallte gegen ihn, und er hielt sie an den Schultern fest, um sie zu stützen.
»Nein! Bitte …« Ihre Stimme versagte voller Angst, und seine Gefühle begannen zu toben.
»Persephone«, sagte er und versuchte, sie zu beruhigen.
Als sie seinem Blick begegnete, traten Erkennen und Erleichterung in ihre Miene.
»Hades!«
Sie warf die Arme um seine Taille, barg den Kopf an seiner Brust und schluchzte.
»Sssch.« Er küsste ihr Haar und war dankbar, dass sie ihn noch immer berührte und noch immer Trost in seiner Gegenwart fand. »Was tust du hier?«
In diesem Moment hörte er Tantalos’ Stimme durch die Dunkelheit dringen, und sein Blut wurde zu Eis.
»Wo bist du, du kleine Schlampe?«
Hades schob Persephone zur Seite, näherte sich der Grotte, in der Tantalos gefangen war, und schnippte mit den Fingern, so dass sich die Säule, an der Tantalos angekettet war, drehte. Der Mann war nur noch Haut und Knochen, schlaffe Haut, die über spitzen Knochen hing. Er war blass und verhutzelt, sein Haar zottelig und verfilzt, mehr wie Drähte, die aus seinem Gesicht und Kopf ragten.
Er hatte den Gefangenen seit Jahren nicht mehr betrachtet, da seine Methode der Folterung beinhaltete, ihn sich selbst zu überlassen– hungernd und dürstend, während sich Nahrung und Wasser immer nahezu in Reichweite befanden. Doch Hades erkannte nun, dass der Mann getrunken hatte, denn seine farblosen Lippen glitzerten.
Hades streckte blitzschnell die Hand zu Tantalos aus, und die Knie des Sterblichen knickten ein, zogen an den Fesseln, die seine Arme über dem Kopf festhielten, und der Mann schrie auf.
»Meine Göttin war freundlich zu dir«, zischte er. »Und so dankst du es ihr?«
Hades ballte eine Faust, und Tantalos würgte und spuckte das Wasser, das Persephone ihm gegeben hatte, wieder aus, bis es nichts mehr auszuspucken gab. Dann teilte er das Wasser in der Grotte und schuf einen trockenen Pfad direkt zu dem Gefangenen. Der bösartige König zappelte, um Halt zu finden, und presste die Füße flach an die Säule, an die er gekettet war. Hades genoss es, seinem Mühen zuzusehen. Es linderte die Last seiner Wut und seinen Wunsch, zu sehen, wie der Sterbliche ein gewalttätiges Ende fand.
»Du verdienst es, dich so zu fühlen, wie ich mich gefühlt habe – verzweifelt, ausgehungert und allein!«, stieß Tantalos hervor, als Hades auf ihn zukam.
Hades’ Hand schloss sich um den Nacken des Mannes.
»Woher willst du wissen, dass ich das nicht schon seit Jahrhunderten fühle, Sterblicher?«, fragte er leise. Sein Tonfall war tödlich und versprach Strafe und Schmerz. Er versprach all die Dinge, von denen Tantalos behauptete, sie jetzt schon zu fühlen, nur schlimmer.
Seine Aura schmolz dahin, und er stand in seiner Göttlichen Form vor seinem Gefangenen, so wie in der Vergangenheit.
»Du bist ein ignoranter Sterblicher«, sagte er, und seine Magie brodelte unter der Oberfläche. »Bisher war ich nur dein Kerkermeister – doch nun werde ich dein Folterer sein, und ich denke, meine Urteile waren zu gnädig. Ich werde dich mit unstillbarem Hunger und Durst verfluchen. Ich werde sogar Nahrung und Wasser in deiner Reichweite platzieren – doch alles, was du zu dir nimmst, wird Feuer in deiner Kehle sein.«
Damit ließ er Tantalos fallen, und dieser prallte hart auf den Stein. Doch das schreckte den Sterblichen nicht ab, der wie ein Tier knurrte, auf ihn loszugehen versuchte und nach ihm schnappte. Doch der wilde Versuch eines Angriffs amüsierte Hades lediglich und brachte ihm einen Platz auf seiner Opferliste ein.
Hades schnippte mit den Fingern und schickte den Gefangenen in sein Büro, damit er dort auf ihn wartete. Danach wandte er sich Persephone zu.
So hatte er sie noch nie gesehen – die Augen weit aufgerissen, klein und zitternd. Sie wich einen Schritt vor ihm zurück und rutschte aus. Hades machte einen Satz nach vorn, um sie aufzufangen, bevor sie zu Boden fallen konnte.
»Persephone.« Ihren Namen auszusprechen, tat ihm im Herzen weh. »Bitte habe keine Angst vor mir. Nicht du.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie brach zusammen und weinte in sein Gewand. Sein Griff um sie wurde fester, und doch, obwohl er sie eng an sich drückte, hatte er das Gefühl, sie sei weit weg, und ihm wurde klar, dass es genau so war, wenn man kurz davor war, alles zu verlieren.
Trotzdem , dachte er, wenn ich sie nur lange genug in den Armen halte, wenn ich ihr lange genug Zeit gebe, vielleicht könnte ich sie dann zusammenhalten. Vielleicht könnte ich dann uns zusammenhalten.
Er teleportierte in sein Gemach, ließ Persephone neben dem Feuer nieder und hoffte, ihr würde warm genug, um nicht mehr zu zittern, aber das schien nicht einzutreten. Er wurde zunehmend frustrierter, also hob er sie wieder hoch und ging mit ihr in die Badegemächer.
Dort stellte er sie auf den Boden, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, damit sie ihm in die Augen sah. Er wollte, dass sie sprach, dass sie etwas – irgendetwas – sagte, aber sie blieb still. Das Einzige, das ihn hoffen ließ, war, dass sie weder protestierte, als er sie auszog, noch als er sie an sich drückte und ins Wasser trug.
»Du fühlst dich unwohl«, sagte er, als er die Stille zwischen ihnen nicht mehr ertrug. »Hat er … dich verletzt?«
Er fragte, weil er es wissen musste.
Ihre Antwort bestand darin, dass sie die Augen zukniff, und das war etwas, von dem er nie gewusst hatte, dass es seinem Herzen so wehtun könnte.
»Sag es mir«, flüsterte er und streifte mit den Lippen über ihre Stirn. »Bitte.«
Sie öffnete die Augen, in denen Tränen glitzerten. »Ich weiß das mit Aphrodite, Hades«, sagte sie. »Ich bin nicht mehr als ein Spiel für dich.«
Diese Worte machten ihn wütend. Sie war nie ein Spiel gewesen. In Wahrheit hatte er kaum an die Wette mit Aphrodite gedacht, seitdem sie begonnen hatte. Nein, es war immer mehr als das gewesen. Es war ihm eine Aufgabe geworden, ihre Macht zu sehen, ihr zu zeigen, was es bedeutete, göttlich zu sein, und sie zu überzeugen, dass sie eine Königin sein konnte.
»Ich habe dich nie als Spiel betrachtet, Persephone.«
»Die Wette …«
»Das hat nichts zu tun mit der Wette!«
Er ließ sie los, und Persephone richtete sich mit Mühe auf und antwortete zornig: »Es hat alles zu tun mit der Wette! Götter, ich war so dumm! Ich habe mich verleiten lassen, dich für gut zu halten, obwohl ich deine Gefangene war.«
»Gefangene? Du siehst dich als eine Gefangene hier? Habe ich dich so schlecht behandelt?«
»Auch ein freundlicher Kerkermeister bleibt ein Kerkermeister«, fauchte sie.
»Wenn du mich für deinen Gefängniswärter hältst, wieso hattest du dann Sex mit mir?«
»Du warst derjenige, der das vorausgesagt hat.« Ihre Stimme bebte. »Und du hattest recht – ich habe es genossen, und nun, da es getan ist, können wir es hinter uns lassen.«
»Hinter uns lassen?« Er war der Zorn in Person, und er bebte am ganzen Körper. Redete sie nur so, weil ihre Mutter sie beide erwischt hatte? »Ist es das, was du willst?«
»Wir wissen doch beide, dass es das Beste ist.«
»Langsam fange ich an zu denken, dass du gar nichts weißt«, sagte er und ging wieder auf sie zu. »Ich beginne zu begreifen, dass du nicht einmal für dich selbst denkst.«
Wie waren sie an diesen Punkt gekommen? Wo war die Frau, die inmitten seines Volkes so selbstsicher aufgetreten war? Die Frau, die nackt in seinem Büro auf ihn gewartet hatte? Die Frau, die ein Zuhause in seinem Herzen gefunden hatte?
»Wie kannst du es wagen …«
»Wie kann ich was wagen, Persephone? Deinen Unsinn auszusprechen? Du tust so machtlos, aber du hast noch nie eine verdammte Entscheidung für dich selbst getroffen. Willst du dir jetzt auch noch vorschreiben lassen, mit wem du schläfst?«
»Sei still!«
»Sag mir, was du willst.« Er drängte sie in die Ecke, an den Rand des Pools.
Sie wandte den Blick ab.
»Sag es mir!«, befahl Hades.
»Du kannst mich mal!«
Sie war wütend, und ihre Augen leuchteten. Sie sprang hoch und schlang die Beine um seine Taille, küsste ihn hart, und er nahm alles an. Er hielt sie fest, umfasste mit den Händen ihren Rücken und ihren Po. Dann setzte er sie auf den Rand des Pools und wollte sie mit dem Mund verwöhnen, um ihren Zorn und das tobende Verlangen zwischen ihren Beinen zu kosten, aber sie krallte die Finger in seine Haut.
»Nein, ich will deinen Schwanz in mir haben«, sagte sie. »Jetzt.«
Er gehorchte und sprang förmlich aus dem Pool. Sie drückte ihn auf den Rücken, legte die Hand um seinen Schaft und führte ihn in sich, so dass er sie ganz füllte, bis ihr Po seine Hoden berührte. Er stöhnte und grub die Finger in ihre Haut.
»Bewege dich schneller«, befahl er. Sie waren beide wütend und provozierten einander, und Hades spürte, wie seine Magie in ihm aufstieg. Sie rief nach ihrer Magie. Die Finsternis, die das Licht reizte.
»Klappe«, fauchte sie und sah ihn finster an.
Hades antwortete, indem er ihre Brüste knetete und sich aufrichtete, um an ihren Brustwarzen zu saugen. Persephone stöhnte, drückte ihn an sich und spannte die Beine um seine Taille an. Er bekam kaum Luft, aber er spornte sie weiter an. Er würde noch den Verstand an sie verlieren.
»Ja«, zischte er. »Benutz mich. Härter. Schneller.«
Er kam mit einem Aufschrei und drückte seinen Mund auf ihren. Doch die Ekstase währte nur kurz, als sie ihn von sich schob, aufstand und ihn auf dem kalten Marmor sitzen ließ. Sie sammelte ihre Sachen ein und eilte die Treppe hinauf. Hades folgte ihr.
»Persephone!«
Sie ging weiter und zog sich im Gehen an. Er beeilte sich, um sie einzuholen, entblößt im Flur vor den Badegemächern.
»Verdammt!«
Als er sie erreichte, griff er ihren Arm und zog sie in den Thronsaal. Er schloss die Tür, drückte sie dagegen und sperrte sie mit ihren Armen ein. Sie stemmte sich gegen seine Brust, aber er rührte sich keinen Zentimeter.
»Ich will wissen, wieso!«, forderte sie. Ihre Stimme war tränenerstickt, und Hades hasste es, dass er diesen Schmerz verursacht hatte. Er hasste es, dass er der Grund für ihren Zusammenbruch war. Aber er nahm noch etwas anderes in ihr wahr, etwas Mächtiges, das erwachte, je wütender sie wurde. »War ich ein so leichtes Ziel? Hast du in meine Seele geblickt und jemanden gesehen, der verzweifelt nach Liebe suchte, nach Wertschätzung? Hast du mich gewählt, weil du wusstest, dass ich die Bedingungen deiner Wette nicht erfüllen konnte?«
»So war es nicht.«
Es war etwas vollkommen anderes, und er wünschte, dass er es erklären könnte. Aber er wollte nicht mit den Moiren anfangen, denn auch wenn diese sie in seine Zukunft gewoben hatten, hätte er sie trotzdem gewollt. Wenn er sie ansah, sah er ihre Macht, er sah ihr Mitgefühl – er sah seine Königin.
»Dann sag mir, was es war!«
»Ja, Aphrodite und ich haben eine Wette, aber der Handel, den ich mit dir geschlossen habe, hatte nichts damit zu tun. Ich habe dir Bedingungen geboten auf der Grundlage dessen, was ich in deiner Seele gesehen habe – eine Frau, die von ihrem eigenen Verstand gefangen gehalten wird.« Er wusste, dass seine nächsten Worte sie sauer machen würden, aber sie musste sie hören. »Du bist diejenige, die die Wette unmöglich genannt hat. Aber du bist mächtig, Persephone.«
»Du sollst mich nicht verspotten.«
»Das würde ich nie tun.«
Sie knurrte: »Lügner.«
Es gab nur wenig, das er mehr hasste als dieses Wort.
»Ich bin vieles, aber ein Lügner bin ich nicht.«
»Dann kein Lügner, sondern ein Täuscher.«
»Ich habe dir immer nur Antworten gegeben«, sagte er und wurde mit jeder Sekunde wütender. »Ich habe dir geholfen, deine Macht zu erlangen, und doch hast du sie nie genutzt. Ich habe dir eine Möglichkeit gegeben, aus dem Schatten deiner Mutter hervorzutreten, und doch willst du keinen Anspruch darauf erheben.«
»Wie denn? Was hast du getan, um mir zu helfen?«
»Ich habe dir gehuldigt!«, fauchte er. »Ich habe dir gegeben, was deine Mutter dir vorenthalten hat – Anhänger .«
Hätte Demeter sie nach ihrer Geburt in die Gesellschaft eingeführt, wäre ihre Macht aufgeblüht. Altäre wären gebaut und Tempel in ihrem Namen errichtet worden, sie wäre in den Rängen aufgestiegen und hätte alle anderen Olympier an Beliebtheit übertroffen. Davon war er überzeugt.
Sie sah ihn blinzelnd an.
»Du willst mir sagen, dass du mich in eine Wette gezwungen hast, wo du mir einfach hättest sagen können, dass ich Anhänger brauche, um meine Macht zu gewinnen?«
Doch so einfach war es nicht, und das wusste sie. Sie hatte die Göttlichkeit abgelehnt, als sei sie die Pest. Hades glaubte nicht, dass sie mit dem bloßen Wissen irgendetwas anderes getan hätte, als sich zu verstecken und das Unbekannte zu fürchten.
»Hier geht es nicht um Macht, Persephone! Es ging nie um Magie oder Illusionen oder eine Aura. Es geht um Selbstvertrauen. Es geht darum, dass du an dich glauben musst!«
»Das ist doch pervers, Hades …«
»Ist es das?«, unterbrach er sie. Er wollte nicht von ihr hören, wie schrecklich er war, wie betrügerisch. »Sag mir, wenn du es gewusst hättest, was hättest du getan? Deine Göttlichkeit der ganzen Welt verkündet, damit du Anhänger und dadurch an Macht gewinnst?« Persephone kannte die Antwort, und er auch. »Nein, du wärst nie in der Lage dazu gewesen zu entscheiden, was du willst, weil du das Glück deiner Mutter höher schätzt als dein eigenes!«
»Ich hatte Freiheit, bis du kamst, Hades.«
»Du dachtest, vor mir seist du frei gewesen?«, fragte er. »Du hast nur Glaswände gegen eine andere Art Gefängnis eingetauscht, als du nach New Athens gekommen bist.«
»Wieso erzählst du mir nicht noch mehr darüber, wie armselig ich bin?«, schimpfte sie.
»Das ist nicht das, was ich …«
»Ach nein? Lass mich dir sagen, was mich sonst noch armselig macht: Ich habe mich in dich verliebt.«
Verdammt. Verdammt. Verdammt . Sein Herz fühlte sich an, als würde es in seiner Brust ersticken. Sie sah so am Boden zerstört aus, wie er sich fühlte, und er wollte sie berühren, aber sie schob ihn vehement von sich und ging auf Abstand. »Nicht!«
Er gehorchte, obwohl sein ganzer Körper ihre Forderung ignorieren wollte. Das Einzige, was er wollte, war, bei ihr zu sein, weil sie ihn liebte. Weil er sie liebte.
Er sollte ihr das sagen.
Aber sie war so wütend und verletzt.
»Was hätte Aphrodite bekommen, wenn du gescheitert wärst?«
Er wollte nicht antworten, denn er wusste, was sie denken würde. In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, dass alles, was Demeter ihr beigebracht hatte, wahr sei. Sie würde denken, dass Hades alles tun würde, um sein Volk in seinem Reich zu behalten, sogar sie zu täuschen, aber er antwortete trotzdem.
»Sie wollte, dass einer ihrer Helden wieder zu den Lebenden zurückkehren darf.«
Eine Forderung, die er mit Freuden erfüllen würde, wenn es bedeutete, dass sie blieb.
»Nun ja, du hast gewonnen. Ich liebe dich«, sagte sie, und er wollte nur noch zusammenbrechen. »War es das wert?«
»So war es nicht, Persephone!«, rief er. Er wollte verzweifelt, dass sie es verstand, und als sie sich abwandte, fragte er: »Du willst Aphrodites Worten mehr glauben als meinen Taten?«
Darauf blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Er konnte sehen, dass sie am ganzen Körper zitterte, konnte ihre Macht durch ihr Blut rauschen fühlen. Er konnte ihre Magie riechen, und es war himmlisch, ein Duft, so anders als alles andere, was er bisher wahrgenommen hatte. Er gehörte eindeutig zu ihr – eine warme Mischung aus Vanille, Sonnenschein und frischer Frühlingsluft. Aber sie sagte nichts, und er schüttelte den Kopf, enttäuscht von ihrer Unfähigkeit, die Situation zu verstehen, ihren Wert und ihre Macht zu verstehen.
»Du bist deine eigene Gefangene.«
Diese Worte zerbrachen sie. Er sah es in dem Augenblick, als die letzte Silbe heraus war. In seinen Ohren war ein lautes Rauschen, ähnlich einem Schrei, und große schwarze Weinreben schossen aus dem Boden hervor und wanden sich um seine Arme und Handgelenke wie Fesseln. Er war schockiert. Ihre Macht war zum Leben erwacht, und Persephone hatte sie gegen ihn gerichtet.
Sie hatte Leben erschaffen.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich mit schweren Atemzügen. Er hätte sie gern gelobt, sie gefeiert, sie geliebt. Dies war ihr Potenzial, eine Kostprobe der Magie in ihr, aber es hatte ihre Wut gebraucht, um sie zu entfesseln.
Er testete die Fesseln: Sie waren stark und zogen sich zusammen, als er daran zerrte, so rachedurstig, wie sie in ihrem Zorn war. Er sah Persephone an und lachte humorlos. Sie anzusehen war, als würde er seinen Tod sehen, ein Tag, von dem er gedacht hatte, dass er nie kommen würde.
»Nun, Lady Persephone. Wie es aussieht, hast du gewonnen.«