23 HELL AIN’T A BAD PLACE TO BE

AC/DC in der Hölle auf Erden

Als ob die zurückgehenden Verkaufszahlen seit For Those About To Rock – We Salute You nicht schon genug Anlass zur Sorge gegeben hätten, kamen nun auch noch Schwierigkeiten ganz anderer Art auf die Band zu. Hatten sich auch die meisten konservativen Musikjournalisten inzwi­schen damit abgefunden, dass AC/DC nicht die Band war, die ihren zarten Ohren zu Gefallen spielen würde, nur um bessere Kritiken zu bekom­men, so trat jetzt eine andere Gruppe von Kritikern auf den Plan, die der Band ganz im Gegenteil ein reichliches Maß an Kunstfertigkeit zuge­stand, und zwar bei der Ausführung des Auftrags, die Seelen der ah­nungslosen Jugendlichen ‒ dem Satan höchstpersönlich auszuliefem!

Seit den Tagen des frühen Rock’n’Roll in den fünfziger Jahren ist es in Amerika üblich, bei der Erforschung der Ursachen von Missständen in der Gesellschaft der Musik der jungen Leute den Schwarzen Peter zuzuschieben, ln den achtziger Jahren wurde von den konservativen Kräften des Landes eine ganze Lawine von Schuldzuweisungen an die Rockmusik losgetreten, die auch für AC/DC das Gelände für eine Weile recht unwegsam machen sollte.

In einem Artikel der United Press International vom 1. November 1981 war von den Bemühungen des Kirchenmannes James „Gibby“ Gilbert aus Dallas zu lesen, der auf mögliche Gefahren durch unter­schwellige Botschaften beim Hören von Rockmusik aufmerksam mach­te. Gilbert tat sich unter anderem dadurch hervor, dass er auf die Nebenbedeutung des Namens AC/DC hinwies und dabei noch eine weitere seiner „Beobachtungen“ mitteilte: „Der Begriff bezeichnet Bise­xualität, und das Zeichen zwischen AC und DC ist ein ,S‘, das für ,Satan‘ steht.“ Weiter behauptete er: „Gruppen wie Led Zeppelin, Fleetwood Mac, die Eagles und die Rolling Stones betreiben echten Okkultismus.“

Die Band wurde immer häufiger wegen ihrer angeblich von satani­schen Botschaften durchsetzten Texte an den Pranger gestellt, und irgendwann kam dann jemand hinter die wahre Bedeutung des Na­mens AC/DC: Die Buchstabenkombination war eine Abkürzung für „Antichrist/Dämonenchor“ (oder vielleicht doch „Anarchisches China/Demokratisches Chile“?) Natürlich! ‒ Warum war man darauf nicht gleich gekommen?

Tatsache war lediglich, dass die Band manchen ihrer Stücke Titel gegeben hatte, die den Verdacht erregen konnten, die Texte beförder­ten satanische oder okkulte Botschaften. Dieser Verdacht konnte sich beim genauen Anhören der Stücke jedoch nicht bestätigen ‒ mit Aus­nahmen: Sowohl „Highway To Hell“ als auch „Hell’s Bells“ zeugen von der Geneigtheit der Musiker, hin und wieder auf recht derbe Weise mit Bildern aus den genannten finsteren Bereichen zu spielen.

„Highway To Hell“ ist eine Metapher für den zermürbenden Weg, den die Band in ihrem Streben nach Erfolg eingeschlagen hatte. „Das hat überhaupt nichts mit Teufelsanbetung zu tun“, entrüstete sich Angus in einem Interview mit der Los Angeles Times. „Wir waren vier Jahre ohne Pause auf Tournee gewesen. Man fragte uns, wie man das am besten nennen könnte. Wir sagten ganz spontan: ,Es ist eine Schnell­straße zur Hölle.‘ Der Satz blieb hängen. Wir haben in dem Song einfach nur beschrieben, wie es ist, vier Jahre unterwegs zu sein. Wenn man mit den Socken des Sängers fünf Zentimeter unter der Nase schlafen muss, dann ist das schon so was wie die Hölle, das könnt ihr mir glauben.“

Doch auch für die bezüglich des Satanismusvorwurfs unbelasteten Stücke musste die Band sich verteidigen und erlaubte sich dabei mitun­ter einen Scherz: „,Hell Ain’t A Bad Place To Be‘ ist nur ein Witz“, erklärte Angus. „Wir sagen darin nur, dass, wenn man die Wahl zwi­schen Himmel und Hölle hat, man sich vielleicht für die Hölle entschei­det. Im Himmel gibt es Harfenmusik, und in der Hölle spielt eine gute Rockgruppe. Das würden wir natürlich nehmen, da lebt es sich doch gut. ‒ Das ist doch alles nur Spaß.“

„Diese Leute reden doch öfter vom Teufel als wir“, erboste sich Brian. „Die wollen den Leuten doch bloß Angst machen. In ihren Designerkirchen ziehen sie ihnen auch noch das Geld aus der Tasche. Uns geht es nicht um satanische Botschaften. Wir müssen einfach nur eine Zeile finden, die sich auf die andere reimt.“ ‒ „Wir betreiben keine schwarze Magie“, bekräftigte Angus. „Ich trinke kein Blut und bin auch kein Satansjünger, auch wenn ich vielleicht manchmal schwarze Unter­hosen anhabe.“

„Einmal machte ich den Fernseher an, und einer von diesen Predi­gern hielt im Madison Square Garden eine Rede“, wusste Brian zu erzählen. „Er hatte die gleichen Sprüche drauf wie früher die Bands: ,Mir ist egal, was über New York gesagt wird, dies ist die schönste Stadt, die ich je gesehen habe.‘ Die Leute waren natürlich hellauf begeistert. Ein anderer sagte einmal: ,Heute nacht sah ich Gott. Er kam im Traum zu mir und er sprach zuvmir.‘ Das ist Gotteslästerung! Wenn Gott wirklich herunterkommen und mit jemandem sprechen würde, dann bestimmt nicht mit einem, der einen ganzen Fuhrpark von Cadillacs hat und behauptet, mit ihm seit fünfzehn Jahren auf du und du zu sein.“

Gelegentlich wurden die amerikanischen Konzerte der Band auch von Flugblattaktivisten heimgesucht. „Die meisten Fans lachten nur über sie“, erzählte Brian. „Diese Leute wollten ihnen weismachen, dass unsere Musik ihre Seele verdirbt, aber die lassen sich doch nicht von so einem Fetzen Papier den Spaß verderben. Diese Fanatiker folgten uns von Stadt zu Stadt mit ihrem ,Informationsmaterial‘. Gott sei Dank ist ihnen nichts passiert; es hätte wirklich gefährlich werden können. Nur in Cleveland gab es ein bisschen Ärger, als es einigen von unseren Fans zu viel wurde und sie die Störenfriede durch recht schlagkräftige Argu­mente davon überzeugen mussten, dass sie mit ihren Flugblättern uner­wünscht waren. Ich bin wirklich ein friedlicher Mensch, aber da wäre ich auch gerne dabei gewesen.“

Was die damalige persönliche Einstellung von Angus zu Themen wie Religion und Kirche angeht, so war von ihm zu erfahren: „Ich glaube an den gesunden Menschenverstand. Ich glaube, die Leute müssen sich nur einreden, dass es ein Leben nach dem Tode gibt, weil sie sich nicht damit abfinden können, dass vielleicht irgendwann alles aus ist.“ Malcolm und Angus hatten jedoch auch nie viel Gelegenheit gehabt, zu neuen Ufern aufzubrechen: „Als wir klein waren, wollte uns unser Vater nicht in die Kirche lassen. In Nordirland war diese Sache zwischen den Protestanten und den Katholiken, und davon bekamen auch wir in Glasgow einiges mit. Es gab Straßenkämpfe zwischen den einzelnen Gruppen, und für ihn war das alles Mist.“

Nachdem die Band der Öffentlichkeit acht Monate lang den Rücken zugekehrt hatte, erschien sie im Hochsommer 1984 mit den Vorgrup­pen Mötley Crüe, Accept, Gary Moore, Ozzy Osbourne und Van Halen auf der europäischen Festivalszene. Auch in diesem Jahr machten sie wieder in Castle Donington Station. Malcolm, Angus und Brian hatten zwar schon wieder ausreichend Lieder für die nächste Platte geschrie­ben, aber den Weg ins Studio hatten sie noch nicht gefunden, und sie wollten getreu ihrem alten Leitsatz, den sie jedoch in der Vergangenheit nicht immer hatten befolgen können, auch diesmal keine unbekannten Lieder spielen.

Wir haben nie viel davon gehalten, Lieder zu spielen, die keiner kennt“, erklärte Brian anläßlich der Open-Air-Tournee. „Die Fans kom­men wegen der alten Sachen, weil sie die schon kennen. Es wäre nicht schön, wenn wir sie enttäuschen würden. Wir freuen uns schon darauf, die Platte mit den neuen Songs aufzunehmen und diese dann auf der nächsten Tournee zu spielen. Wir werden im Frühjahr in Amerika sein, und dann können die Leute die neuen Sachen live hören. Und eins kann ich jetzt schon verraten: Sie werden nicht enttäuscht sein.“

Doch wenigstens konnten sich die Anhänger der Band mit einer anderen Veröffentlichung, der man den Namen ’74 Jailbreak gegeben hatte, über die lange Durststrecke hinweghelfen. Der Titel sollte daran erinnern, dass die Band zehn Jahre zuvor die ersten Versuche unter­nommen hatte, sich freizuschwimmen. Es handelte sich bei der Platte um eine Sammlung aus vier Stücken von der in der übrigen Welt nicht erschienenen australischen Veröffentlichung High Voltage und einem Stück von der australischen Dirty Deeds Done Dirt Cheap, das auf der internationalen Fassung nicht enthalten war.