Nein. In einem Pelikanschnabel zu fliegen, war keine Erfahrung, die Fliegenbein sich gewünscht hätte. Der Schnabel, der ihn und Freddie durch die Luft trug, war glitschig und dunkel und stank nach rohem Fisch. Den Gestank würde er nie wieder loswerden! Ganz zu schweigen von all den blauen Flecken, die ihnen die Flugtechnik ihres Trägers verpasste! Und was, wenn er sie nicht zu Aalstroms Balkon brachte, sondern zu den hungrigen Schnäbeln junger Pelikane? »Sein Name ist Wellenschatten, Señor Fliegenbein«, hatte Alfonso ihn korrigiert, »und er ist ein Fürst unter den Pelikanen dieser Gegend. Es ist eine große Ehre, dass er Euch tragen wird.«
Eine Ehre. Natürlich. Solange der Vogelfürst sie nicht auffraß.
Freddie schlang den Arm um Fliegenbeins schmale Schultern und drückte ihn an sich. »Ich kann es kaum erwarten, dich in Aktion zu sehen, Bruder«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Bisher habe ich immer nur von deiner Arbeit als Doppelagent gehört! Wie du diesen Steinzwerg überlistet hast … unglaublich! Wie war noch gleich sein Name?«
»Kiesbart.«
Der Pelikan ließ sich so abrupt sinken, dass Fliegenbein seinen Magen in der Kehle spürte. Das war schlimmer als Lolas Flugzeug! Und ja, diesen Zwerg hinters Licht zu führen, hatte tatsächlich Spaß gemacht. Nur ging es diesmal nicht darum, einen mäßig klugen Steinzwerg zu täuschen. Aalstrom hatte einringlich bewiesen, wie hintertrieben er war, und der Kupfermann … Nein, diesmal würde es nicht so einfach werden. Dass er nach Fisch roch, würde seine Glaubwürdigkeit ganz bestimmt nicht erhöhen! Und wenn du Erfolg hast, Fliegenbein, werden dein Meister und sein Drache den Köder spielen.
Nein. Verbotener Gedanke.
»Der Feind ist in seinem Wohnzimmer«, hörte er Lola über das Funkgerät sagen, das er bei sich trug. »Falls der Lauschkäfer die Wahrheit sagt. Wenigstens ein paar haben überlebt! Ich hab ein richtig schlechtes Gewissen, dass ich sie nicht ausreichend vor dem Mantikor gewarnt habe. Nun ja, passiert ist passiert. Gib dem Pelikan das Signal!«
Das Signal.
Fliegenbein klopfte von innen gegen den Schnabel, der ihn umschloss, und spürte, wie Wellenschatten die Richtung wechselte. Ich hab ein richtig schlechtes Gewissen, dass ich sie nicht ausreichend vor dem Mantikor gewarnt habe. Na bestens. Hatte Lola das schlechte Gewissen auch ihm und Freddie gegenüber gehabt?
»Vergiss nicht, das Funkgerät und den Ohrstöpsel in dem Pelikanschnabel zu lassen, Humklopus!«, schrillte sie.
Natürlich. Fliegenbein zog sich hastig den Stöpsel aus dem Ohr und legte das Funkgerät auf den Grund des riesigen Schnabels. Es wäre tröstlich gewesen, mit Lola kommunizieren zu können, doch er hatte mit seinem Meister schon zu viele Fernsehkrimis gesehen, um diese Aufgabe verkabelt anzugehen. Die Ratte hatte versprochen, in der Nähe zu bleiben und das Geschehen im Auge zu behalten – und Alfonso zu rufen, wenn Hilfe benötigt wurde.
Jetzt.
Der Vogel war gelandet. Fliegenbein hörte das Rascheln des Gefieders, als der Pelikan seine Flügel zusammenfaltete. Dann wurde aus Dunkelheit Licht. Der gewaltige Schnabel öffnete sich, und Fliegenbein blickte auf mit schwarzen Jalousien verdunkelte Fenster. Na bestens! Was, wenn Aalstrom ihre Ankunft nicht mal bemerkte?
»Hallo?«, rief Fliegenbein. »Hallo, Mr Aalstrom?«
Der Wind wehte so stark vom Meer herauf, dass er ihm die Worte von den Lippen wischte und Freddie beinahe aus dem geöffneten Schnabel blies. Fliegenbein gelang es gerade noch, ihn am Arm festzuhalten.
Das fing ja gut an. Vielleicht war es besser, das Ganze zu vergessen.
Doch gerade als er diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zog, öffnete sich die große gläserne Schiebetür, auf die er blickte, und der Kupfermann trat heraus. Er war sogar noch beeindruckender, als Fliegenbein ihn sich vorgestellt hatte. Seine Präsenz war wie ein Schillern in der Luft, und die glänzenden Metallaugen schienen ihm geradewegs ins Herz zu sehen. Selbst Freddie wich so weit zurück, wie der Pelikanschnabel es erlaubte.
»Zwei Homunkuli … Das war also der Geruch, den ich bei dem seltsamen kleinen Holzhaus bemerkt habe, vor dem der Wiesengrund-Junge lag.« Die Stimme des Kupfermanns tönte wie eine Glocke. »Was wollt ihr? Mr Aalstrom mag keine Besucher. Auch wenn sie so klein sind wie ihr. Und er mag es ebenso wenig, wenn große Vögel auf seiner Balkonbrüstung sitzen.«
Der Pelikan nahm diese Bemerkung mit einem unbeeindruckten Blick zur Kenntnis. Erinnere dich, Fliegenbein. Du hast jahrhundertelang spioniert und gelogen! Der Homunkulus holte tief Luft und kletterte aus der relativen Sicherheit des Schnabels auf die zum Glück recht breite Brüstung. Der Pelikan klappte den Schnabel zu, sobald Freddie ihm gefolgt war, doch er blieb auf der Brüstung sitzen. Ein beruhigender Anblick, wie Fliegenbein zugeben musste.
Der Kupfermann musterte den riesigen Vogel bewundernd und missbilligend zugleich. Dann beschloss er, ihn zu ignorieren, und richtete seine schimmernden Augen auf die beiden Homunkuli.
»Eure Art habe ich seit mindestens zweihundert Jahren nicht mehr gesehen«, sagte er. »Wer hat euch erschaffen? Eine Hexe? Ein Alchemist? Ein Elf?«
Fliegenbein schluckte die Fragen hinunter, die diese Bemerkung in ihm auslöste, und wies Freddie mit einem warnenden Blick an, es ebenso zu halten.
»Wir sind hier, um mit Cadoc Aalstrom zu sprechen!«, rief er gegen den Wind, während er nach Freddies Arm griff, um auf der Brüstung nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Worüber?«
Ganz ruhig, Fliegenbein. Er räusperte sich. »Das werden wir ihm nur persönlich sagen.«
Der Kupfermann sah sie nachdenklich an – so lange, bis Fliegenbein befürchtete, dass er darüber nachdachte, ob er sie packen und ins Meer werfen oder ihnen einfach den Nacken brechen sollte. Doch schließlich drehte er sich wortlos um und verschwand durch die Schiebetür. Der Wind war so kalt, dass Freddie Schutz im Gefieder des Pelikans suchte und Fliegenbein sich wie ein gefrorener Hähnchenschenkel fühlte, als der Kupfermann endlich zurückkam.
»Mr Aalstrom gewährt euch zehn Minuten seiner Zeit. Ihr habt das Glück, dass er noch nie einen Homunkulus gesehen hat. Ihr solltet nicht den Wunsch in ihm wecken, eure Spezies genauer untersuchen zu wollen.«
Die Warnung ließ Fliegenbein schlucken. Ruhig, ganz ruhig, sagte er sich. Sie sind nicht halb so schlimm wie Nesselbrand. Obwohl er sich dessen ganz und gar nicht sicher war.
Der Kupfermann lieh ihnen keine helfende Hand, als sie sich an der Balkonbrüstung hinunterhangelten. Er sah nur ausdruckslos zu und winkte sie, als sie schließlich vor ihm standen, durch die Schiebetür ins Haus.
Der Raum, den sie betraten, war so riesig, wie das Haus erwarten ließ, und durch die geschlossenen Jalousien verdunkelt. Das einzige Licht kam von zwei Lampen, die links und rechts von einem Sofa standen. Cadoc Aalstrom saß darauf, und ja, er sah tatsächlich nicht viel älter aus als sein Meister. Fliegenbeins Augen suchten nach Spuren all der Jahre, die der Staub der Moosfeen ausgelöscht hatte, doch er fand keine. Aalstrom bevorzugte offensichtlich förmlichere Kleidung als Fliegenbeins Meister. Ein weißes Oberhemd, zugeknöpft bis zum Hals, der sehr lang und dünn war, ein maßgeschneidertes dunkelblaues Jackett und Lederschuhe statt der Turnschuhe, die Ben meistens trug. In den blassblauen Augen, die Fliegenbein musterten, nistete eine Kälte, die sein winziges Herz erschaudern ließ. Cadoc Aalstrom interessierte sich einzig und allein für sich selbst. Das sagten sein straffes, fahles Gesicht und seine verschlagenen Augen. Natürlich würde er die Kapseln der Aurelia stehlen – selbst wenn das den Tod jedes einzelnen Fabelwesens auf der Welt bedeutete.
Oh, sein Meister musste sehr vorsichtig sein, auch wenn sein Drache an seiner Seite war.
»Du hast zehn Minuten, Homunkulus.«
Seine Stimme war so jung wie sein Gesicht. Er musste bereits Tausende Moosfeen auf dem Gewissen haben. Fliegenbein musste sich beherrschen, nicht die Fäuste zu ballen.
Als Aalstrom sich von dem Sofa erhob, regte sich etwas dahinter. O nein! Freddie warf Fliegenbein einen alarmierten Blick zu. Der Mantikor. Was tat der hier? Hatte Lola nicht versichert, dass er stets im vorderen Teil des Hauses war? Sein Herr genoss die Angst auf ihren Gesichtern sichtlich. Aber der Mantikor warf ihnen nur einen uninteressierten Blick zu und schlich aufreizend langsam aus dem Zimmer. Vielleicht war er besseres Essen gewohnt als zwei magere Homunkuli. Oder ihre Witterung gefiel ihm nicht. Wie auch immer … Fliegenbeins Herz beruhigte sich erst, als sein Skorpionschwanz durch die Tür verschwunden war.
»Ihr habt Glück. Ich habe ihn gerade erst gefüttert.« Aalstrom trat auf sie zu, bis er nur noch einen Schritt entfernt war. »Hat Barnabas Wiesengrund euch geschickt? Natürlich. Wer sonst würde zwei Wichtel und einen dreckigen Vogel als Boten schicken?«
Er sah mit einem verächtlichen Stirnrunzeln auf Freddie herab. »Sieh an. Einer ist ja sogar ein Krüppel. Typisch Barnabas.«
Freddie beantwortete diese Beleidigung mit einem engelsgleichen Lächeln, während er mit seinem Silberfuß sacht auf den Boden tippte. Zeig es ihm, Bruder!, übermittelte er in perfektem Morsecode. Fliegenbein war sehr stolz auf ihn.
»Mein Bruder Freddie hat tatsächlich ein Bein verloren, Mr Aalstrom«, sagte er. »Seien Sie versichert, das hat keinerlei Einfluss auf die Klarheit seines Verstandes. Ebenso wenig wie seine Größe.« Fliegenbein war erstaunt, wie ruhig sein Herz nun schlug. Die Jahre in Nesselbrands Diensten hatten ihm letztlich doch etwas genutzt. »Es wurde ihm von einem anderen Monster abgerissen, in diesem Fall einem nicht menschlichem.«
Aalstrom starrte auf ihn herab, als sei er sich nicht sicher, ob er die Anspielung als Kompliment oder als Beleidigung auffassen sollte. Würde er sie die gesamte Unterhaltung hindurch zu ihm hochblicken lassen? Vermutlich.
»Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, Barnabas Wiesengrund hat uns nicht geschickt«, fuhr Fliegenbein fort. »Er wäre sogar äußerst erbost, wenn er wüsste, dass wir hier sind. Wir sind gekommen, um Ihnen ein Geschäft anzubieten. Oder eine Form von Zusammenarbeit, wenn Sie diese Bezeichnung bevorzugen.«
Freddie nickte zustimmend. Sie hatten dieses Gespräch ausgiebig geprobt. Sein Einsatz würde noch kommen.
Cadoc Aalstrom wischte ein Mantikor-Haar von seinem Ärmel. Seine Schuhe waren eindeutig das Werk eines Leprechauns. Ein Schritt nach vorne, ging es Fliegenbein durch den Kopf, und er würde mich unter ihnen zerquetschen. Er spürte den blassblauen Blick wie ein Skalpell. Stellte sich Aalstrom gerade vor, wie er sie auseinandernahm, um zu verstehen, was einen Homunkulus atmen ließ? Gut möglich. Oder fragte er sich vielleicht, ob ihre Herzen – gekocht oder zu Hackfleisch verarbeitet – irgendeinen positiven Effekt auf seine Lebenszeit hätten?
»Ich versuche, deinen Akzent zu orten, Homunkulus«, sagte Aalstrom von oben herab. »Amerikanisch ist er nicht. Aber natürlich … du wurdest in der Alten Welt erschaffen.«
»In der Tat.« Fliegenbein begann der Nacken zu schmerzen von all dem Zu-ihm-Hinaufstarren. »In Norditalien, um genau zu sein.« Das brachte die Erinnerung an ein anderes menschliches Monster zurück: den Alchemisten, der ihn erschaffen hatte. Nein! Konzentrier dich, Fliegenbein!
»Wir sind hier, um Ihnen eine Information anzubieten, Mr Aalstrom.« Er straffte die Schulter. »Eine Information, von der ich sicher bin, dass sie von großem Interesse für Sie ist. Uns ist bekannt, wo Barnabas Wiesengrund seinen Drachen versteckt hält.«
Nun war es heraus.
Cadoc Aalstrom gab sich große Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Doch den Homunkulus konnte er nicht täuschen. Gut. Sie hatten ihn ein Mal überrascht. Hoffentlich würde es ihnen noch ein zweites Mal gelingen.
»Der gute alte Barnabas hat also wirklich einen Drachen …« Aalstrom wählte seine Worte mit Bedacht – ein beliebter Trick, um die eigene Aufregung zu überspielen. »Zugegeben, ich habe nicht an diese Gerüchte geglaubt.«
»O ja, es stimmt.« Fliegenbein begann seine Aufgabe Spaß zu machen. »Und sein Drache ist sogar ganz in der Nähe.«
Aalstrom wandte nicht den Blick von ihm. Er wusste alles über die Kunst des Lügens, dessen war sich Fliegenbein gewiss, und er suchte nach Hinweisen darauf in seinem Gesicht. Doch Fliegenbeins Leben hatte mehr als drei Jahrhunderte lang von der Fähigkeit abgehangen, zu lügen, ohne sich zu verraten.
»Nun, warum sollte ich ihn dann nicht selbst finden können? Drachen erreichen schließlich eine recht beträchtliche Größe.«
»Sie würden ihn niemals finden. Barnabas Wiesengrund ist ein kluger Mann. Er weiß, dass er seinen kostbarsten Schatz gut verstecken muss.«
Aalstroms Blick schweifte für einen Augenblick nach draußen, als hätte er sich in Erinnerungen verloren. Hatte Barnabas ihn schon einmal überlistet? Ja. Fliegenbein konnte das Gefühl der Erniedrigung noch immer auf Aalstroms Gesicht entdecken.
»Was ist mit seinem Sohn?«
Fliegenbein atmete ein. Und wieder aus. »Was soll mit ihm sein?«
»Ist er der Drachenreiter? Man sagt, ein Drache sehnt sich immer nach einem Reiter, und Barnabas ist zu alt.«
Fliegenbein fragte sich, ob er das aus Barnabas’ gestohlenen Notizbüchern wusste.
»Ja«, antwortete er. »Ben Wiesengrund und der Drache stehen sich sehr nahe.«
Cadoc blickte zu dem Kupfermann, der immer noch neben der Schiebetür stand. »So haben sie den Fluch gebrochen! Drachenfeuer! Das hättest du wissen können.«
Das Gesicht des Kupfermanns verriet keine Regung.
»Wie? Die Drachen sind vor langer Zeit ausgerottet worden.«
»Na, offensichtlich nicht«, fuhr Aalstrom ihn so scharf an, dass der metallene Riese den Kopf senkte. »Und natürlich will Barnabas den Drachen als Kurier des Feuers einsetzen … Wer wird Luft, Erde und Wasser vertreten?«
Mit dieser Frage hatten sie gerechnet.
»Wiesengrund will es uns nicht verraten«, sagte Freddie.
Los, Bruder!
»So behandelt er uns immer!«, klagte Freddie. »Wie hirnlose kleine Dummköpfe, die besser nicht erfahren, was der große Barnabas Wiesengrund vorhat! Wir sind über vierhundert Jahre alt! Wir sprechen zusammen mehr als vierhundert Sprachen! Aber Barnabas Wiesengrund verabscheut uns, weil wir von einem Menschen erschaffen wurden, so anders als die Wesen, die er liebt. Er schätzt jeden Wichtel mehr als uns, und wir haben es satt. So satt!«
»Das reicht!«, fuhr Fliegenbein seinen Bruder an, obwohl er das dringende Bedürfnis hatte, ihn zu umarmen.
Freddie zog den Kopf ein und lächelte Aalstrom entschuldigend zu. Oh, er machte seine Sache so gut. Sehr gut! Wenn auch natürlich nicht ganz so gut wie sein älterer Bruder.
»Also, nehmen wir einmal an, ich wollte diese Information über den Drachen.« Aalstrom strich über das Muttermal unter seinem rechten Auge. »Was ist euer Preis?«
»Wir …« Fliegenbein spürte den Blick des Kupfermannes. Da war etwas in seinem Gesicht … so etwas wie Sehnsucht. Aber Sehnsucht wonach?
»Wir wollen eine der Kapseln. Die, für die Sie und Wiesengrund hergekommen sind. Nur eine. Und glauben Sie nicht, Sie können uns betrügen! Sobald wir die Kapsel haben, sind wir bereit, eine weitere Information mit Ihnen zu teilen, von der wir glauben, dass sie Sie mindestens ebenso sehr interessieren könnte. Aber erst, wenn wir die Kapsel der Aurelia haben.«
»Und was soll das sein?« Aalstrom blickte zugleich spöttisch und amüsiert auf sie herab. Manchmal war es ein großer Vorteil, klein zu sein. Man konnte sicher sein, stets unterschätzt zu werden.
»Wir wissen, wo sich MÍMAMEIÐR, Wiesengrunds Zuflucht für Fabelwesen, befindet.«
Die blassblauen Augen verdunkelten sich für einen kurzen Moment, und Fliegenbein spürte Aalstroms Gier, die Magie dieser Welt auszubeuten, wie ein Raubtiergebiss, das ihm das Herz aus der schmalen Brust riss.
»Es könnte natürlich sein, dass es sie alle schon bald nicht mehr gibt«, sagte Freddie. »Sie alle … Drachen, Kobolde, Gnome, Meerfrauen … und auch mich und meinen Bruder. Wenn Sie die Aurelia zornig machen …«
Fliegenbein vergaß zu atmen. Das war nicht Teil ihres Plans. Ganz sicher nicht. Was hatte Freddie vor?
Er strahlte Aalstrom an, als unterhielten sie sich darüber, ob er ebenso gerne Schokolade aß wie Freddie.
Aalstrom beugte sich vor und lächelte kalt auf Freddie herab. »An diese apokalyptischen Märchen habe ich nie geglaubt. Und mit großen Unternehmungen geht immer ein gewisses Risiko einher. Dieses erscheint mir akzeptabel. Siehst du das nicht so, kleiner Krüppel?«
Für einen Moment war Fliegenbein sicher, dass Freddie den Hass, den er empfinden musste, nicht würde herunterschlucken können. Doch es gelang ihm. Lächelnd.
»Absolut!«, stimmte er Aalstrom mit enthusiastischer Stimme zu. »Ich wollte nur sichergehen, dass Sie dieses Risiko kennen. Und Ihr Diener«, er wandte sich dem Kupfermann zu, »ebenfalls.«
Der Kupfermann erwiderte seinen Blick. »Es ist mir bekannt, Homunkulus«, gab er mit ausdrucksloser Stimme zurück.
Sein Herr starrte immer noch auf die Homunkuli herab.
»Was wollt ihr mit der Kapsel? Ihr habt doch ein ziemlich langes Leben.«
Fliegenbein konnte einen Anflug von Misstrauen in seiner Stimme hören.
»Wir haben jeden Tag Angst, dass unsere Zeit ablaufen könnte! Mit der Kapsel bräuchten wir uns darum keine Sorgen mehr machen.«
Cadoc Aalstrom stieß ein spöttisches Lachen aus. »Ich soll also meine Unsterblichkeit mit zwei Homunkuli teilen! Nun ja. Nichts ist perfekt. Wo ist der Drache?«