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Da er nicht dazu gekommen war, den Wecker zu stellen, wachte er viel zu spät auf. Nun schmerzten auch noch die Beine und Hüften, Arme und Hände, was die Vorbereitungen auf den bevorstehenden Tag nicht beschleunigte. Nach dem Morgenkaffee begab er sich so schnell es seine Schmerzen zuließen zur Endhaltestelle. Um diese Zeit verkehrten die Trams nicht mehr in frühmorgendlicher Hochfrequenz. Er quälte sich über den Kiesweg Richtung Ausgang. Durch die dünnen Ledersohlen drückte sich jeder Stein brennend in die Fußsohlen.

Eine gefühlte Ewigkeit später sah er vor sich die Tram, bereit zur nächsten Runde auf die andere Seite der Stadt und zurück. Er erkannte den Minutenzeiger einen Strich vor Abfahrt. Der Sekundenzeiger näherte sich gemächlich, aber unerbittlich der Null. Tagliabue erhöhte die Schrittfrequenz im vollen Bewusstsein, dass er das Rennen gegen die Zeit verlieren und somit auf das Wohlwollen der Chauffeurin oder des Chauffeurs angewiesen sein würde.

Um eine weitere Viertelstunde verspätet erreichte er die Uni. Laut Deubelbeiss’ Recherchen dauerte die vorletzte Lektion des Tages noch rund zehn Minuten. Behutsam ließ er sich auf eine orange Ameise von Arne Jacobsen sinken. Er wunderte sich, dass sich die zu einem großen Teil mit Steuergeldern finanzierte Hochschule keine günstigeren, dafür vielleicht etwas unbequemere Stühle leistete. Er versuchte, das Ambiente, die spezielle Luft trotz seines Ärgers aufzunehmen, was ihm misslang: Der Blick auf die Studentinnen machte ihm deutlich, dass er alt geworden war und hinsichtlich Aussehens, Kleidung und Körperpflege falsche Annahmen getroffen hatte. Denn etwa so hatte er sich ein Casting für eine Model-Agentur, aber sicherlich nicht die studierende Belegschaft einer Uni vorgestellt.

Konsterniert wechselte er zu einer gelben Ameise hinter einer breiten Säule. Von hier aus hatte er einen besseren Blick auf den Eingang zum Vorlesungssaal und auf die Passantinnen, ohne selbst gesehen zu werden.

Kurz vor offiziellem Schluss der Lehrveranstaltung intensivierten sich die Bewegungen im Gang. Die Studierenden verließen die Vorlesungen vorzeitig, um zum nächsten Termin nicht zu spät zu erscheinen. Vor allem aber, um sich und den Studienkollegen einen der raren Sitzplätze zu sichern. In seiner Nische sitzend, lief der Kommissar Gefahr, den Überblick zu verlieren. Die Tür öffnete und schloss sich in immer kürzeren Intervallen. Dass Personen ein- und andere im selben Moment hinaustraten, machte die Aufgabe nicht einfacher. Sein Versteck zu verlassen, war für ihn mit zu viel Risiko verbunden, da er die Tür während einer Verschiebung nicht ununterbrochen im Auge behalten konnte.

Als er das Läuten, das ihn an seine Schulzeit und vor allem an die langen Pausen mit verbaler und körperlicher Erniedrigung erinnerte, endlich hörte, schien er die Übersicht vollends verloren zu haben. Und die Situation verschlechterte sich, da die Massen jetzt aus allen Richtungen aus, durch die und an der Tür vorbei strömten.

Die nervöse Hektik im Korridor legte sich, um bald ganz zu versiegen. Von gehetzten Nachzüglern abgesehen, war der Hörsaal voll. Bevor das nächste Klingeln erklang, wurde die Türe von innen zugedrückt – als Zeichen, dass die Vorlesung mit dieser Belegschaft und rechtzeitig in Angriff genommen würde.

Irritiert fragte sich Tagliabue, ob er sich in der Zeit oder im Ort, möglicherweise in beidem getäuscht hatte. Mit eingeschlafenem Hintern als perfekter Ergänzung zum schmerzenden Rücken erhob er sich. Während er sich etwas hölzern näherte, um die Raumbeschriftung aus der Nähe zu entziffern und sich zu vergewissern, das richtige Objekt überwacht zu haben, wurde die Tür völlig unerwartet von innen geöffnet.

Hinter einer attraktiven Brünetten trat Tobias Poth aus dem Raum. Er schien sich noch ans Plenum zu richten. Der Kommissar beschäftigte sich intensiv mit dem neben der Tür angebrachten Stundenplan und versteckte sein Gesicht hinter seiner zum Sichtschutz umfunktionierten Rechten. Zwischen Mittel- und Ringfinger hindurch beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie Poth den rechten Arm um die Hüften seiner Begleiterin legte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Das elegante Paar – James passte viel besser als Tobias – entfernte sich lachend. Die zwei waren so mit sich beschäftigt, dass sie ihrer Umwelt keinerlei Aufmerksamkeit schenkten. Dennoch wahrte der Ermittler genügend Distanz und Deckung, um zu beobachten, wie sich die zwei Observierten nach einem längeren Spaziergang an einen verwaisten Tisch vor der leeren Cafeteria hockten, um zu warten.

Bald kam ein weiteres elegantes, gutaussehendes und gutgelauntes Pärchen händchenhaltend an den Tisch. Nach einer oberflächlichen Begrüßung mit drei Küsschen ohne jeden Lippen-Lippen- oder Lippen-Backen-Kontakt setzten sich die Neu- zu den Erstangekommenen. Aus einer Nische mit einer billigen Gipsreplika von «Der Tod des Laokoon» betrachtete der Kommissar die Situation, wartete auf den richtigen Moment für eine Intervention. Am liebsten wäre es ihm gewesen, Poth hätte sich zu der kleinen Getränke- und Speisenauswahl, danach zur Kasse mit der ebenfalls nicht mehr ganz frischen Kassiererin begeben. So hätte er ihn abfangen können, ohne jede Aufmerksamkeit zu erregen. Anscheinend hatten sich die vier jedoch entschlossen, zwar von der Infrastruktur, nicht aber vom erbärmlichen Cafeteria-Angebot Gebrauch zu machen. Tagliabue fragte sich, ob sich der Gesichtsausdruck der Dame hinter der Theke deshalb noch mehr verfinsterte. Bis er darauf kam, dass er selbst der Grund für ihren steigenden Unmut war: Sie hatte den ungepflegten Alten hinter der Statue lange genug genau observiert, hielt ihn für einen Spanner, der versuchte, einen Blick in einen Ausschnitt oder unter einen der tatsächlich sehr kurzen Röcke zu werfen.

Als sie, ohne ihn einen Moment aus den Augen zu lassen, zum Telefonhörer griff, gab der Beobachter seine Deckung auf. Er näherte sich, so behände es der arge Muskelkater zuließ, dem Tisch mit dem Quartett, von dem er zunächst nicht wahrgenommen wurde. Plötzlich verstummte die Debatte und Poth drehte den Kopf nach hinten, um seine Bekanntschaft vom Castro sofort wiederzuerkennen.

«Tom. Was für eine Überraschung. Ich hätte nicht gedacht, Sie hier oder überhaupt irgendwo wiederzusehen.» Sein Grinsen galt den Freunden. «Haben Sie mich schon so vermisst? Aber was ist denn mit Ihnen passiert?» Er rümpfte die Nase. «Nach Ihrem letzten Auftritt hätte ich von Ihnen schon etwas mehr Stil – und vor allem etwas mehr Stolz – erwartet.»

«Und ich glaubte, Sie stehen auf Männer.» Der Ermittler nahm Poths Begleitung in den Blick: keine Reaktion.

Trueboy69 nickte anerkennend zu den drei Tischgenossen, seine dünnen, blutleeren Lippen spöttisch geschürzt. Es schien ihn nicht zu irritieren, dass sein verunglücktes Rendezvous in seinem Rücken stand.

«Sehen Sie, lieber Tom. Sie müssen lernen, geschäftliche und private Belange konsequent auseinanderzuhalten. Ich richte mich nach dem Markt. Oder präziser gesagt: nach dem Wettbewerb. Junge Männer, die Bedürfnisse älterer, reicher Damen befriedigen, gibt es zuhauf. Mehr brauche ich Ihnen zu dem Thema wohl nicht zu sagen. Leider verfüge ich nicht über einen reichen Papa, der mir mein Studium und meinen Lebensstil finanziert. Meine Freunde hier im Übrigen ebenfalls nicht. Ich hoffe», richtete er sich an die Runde, «ihr seid mir nicht allzu böse, dass ich unser kleines Geheimnis verraten habe. Ist nichts dabei.» Er drehte sich zu Tagliabue: «Bringt gute Kohle und noch mehr gute Kontakte, die einem im weiteren Leben helfen können. Vor allem aber lehrt es einen, Menschen kennenzulernen.»

Feixend warteten die Freunde auf die Fortsetzung.

«Als ich Sie gesehen habe», Poth richtete sich auf, «wusste ich gleich, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt.»

«So?» Mehr fiel Tagliabue nicht ein.

«Ich bin eine Zeitlang hinter Ihnen zum Lokal marschiert – ich wollte pünktlich zu meinem Date kommen. Obwohl Sie sich alle paar Schritte umdrehten und umsahen, habe ich Ihre Aufmerksamkeit offenbar nicht erregt.»

Vergeblich versuchte der Kommissar, sich an einen Verfolger zu erinnern.

«Als ich Sie sah, konnte ich nicht wissen, ausgerechnet mit Ihnen verabredet zu sein. Sonst hätte ich Sie völlig verloren und einsam an der Bar stehen lassen und wäre verschwunden. Ich zögerte lange, aber die Neugierde war zu stark. Darum bin ich erschienen. Wenn auch einige Minuten zu spät, wofür ich mich entschuldige. Aber es hat sich wenigstens gelohnt: Ich weiß jetzt, woran ich bin, und gehe deshalb davon aus, dass dies unser finales Zusammentreffen ist ...»

«Spielen Sie Schach?», überrumpelte ihn der Kommissar.

Poth zögerte, blickte unsicher in die Runde. «Wie kommen Sie auf die abstruse Idee?»

«Ich hätte gerne eine Antwort und keine Frage. Spielen Sie Schach?»

Grinsend drehte sich der Gefragte zu den drei Freunden, um Ihnen die Verrücktheit des Alten zu signalisieren. «Nein, nicht dass ich wüsste. Suchen Sie dafür einen Partner? Sind Sie darum ins Castro gekommen? Ich kann Ihnen leider keinen tieferen Preis zugestehen. Es gibt nur flat rate.»

«Kennen oder besser: kannten Sie per Zufall Heinrich oder Heiri Schläfli?»

«Leider muss ich auch die Frage verneinen.» Poth nahm ihn ins Visier. «Wer zum Teufel sind Sie?»

Der Kommissar beugte sich zu seinem Gegenüber herunter, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Der Rücken tat ihm noch mehr weh. Er verfluchte die Gartenarbeit. «Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich, trotz unserer wahrlich kurzen Begegnung, einiges über Sie», bluffte er, richtete sich mühsam einen Wirbel nach dem anderen auf. «Immerhin habe ich Sie im Wirrwarr aus Gebäuden und Räumen, Lektionen und Leuten aufgespürt. Dies trotz der verschiedenen Adressen und trotz Ihres Decknamens. Wieso Bluetoy23?»

«Trueboy69», korrigierte Poth herablassend. Zu spät bemerkte er seinen Fehler.

Der Kommissar grinste dem Widersacher offen ins Gesicht: «Danke. Sie sind somit auch der Verfasser des Kommentars im HEUTE. Ich wundere mich, dass Sie so etwas überhaupt lesen. Gehört wohl zu Ihrem Nebenverdienst. Man muss gut informiert sein. Hin und wieder wird geredet – ganz im Gegensatz zum Schach. Aber zurück zu unserem Thema. Ich versuche, mich zu erinnern: ‹Geschieht ihm recht. Die reichen Schweine gehören aufgehängt. Besser, sie tun es selbst, bevor es ein anderer tut; TrueBoy69.› Erinnern Sie sich an diesen Satz?»

Poth schien geschrumpft, und er versuchte, mehr Abstand zwischen sich und dem Alten zu gewinnen.

«Ihr Kommentar erschien unmittelbar unter dem Text zum Tode von Schläfli, den Sie gemäß eigener Aussage nicht kennen.»

«Meine Bemerkung galt gar nicht diesem Schläfli, sondern seiner Kaste. Den reichen Schweinen, die sich auf Kosten von uns vollfressen. Dieser Garde, die sich Stellen und Aufträge, Einfluss und Ämter, Geld und Macht zuschanzt. Die sich nicht nur keinen Deut für uns, wie sie meinen, Menschen zweiter Klasse interessiert, sondern vielmehr alles daransetzt, dass sich nichts an dieser Hierarchie ändert und wir bleiben, wo wir waren, sind und wo wir ihres Erachtens auch für immer hingehören.»

«Sie sind Jahrzehnte in Verzug mit diesem revolutionären Gedankengut. Und Sie leben unter anderem sicher auch von einigen der bösen old boys, die Ihre Dienste diskret in Anspruch nehmen und gegen außen das Image der perfekten Familie mit Frau, Kindern und Hund pflegen.»

«Ich werde Ihnen mit Garantie nichts über meine Kunden erzählen.» Poth gewann wieder an Selbstsicherheit. «Nur so viel: Ich lasse mich nicht ausbeuten. Ich bestimme, ob und mit wem ich was und wie mache. Darum ist es mir weder aus monetären noch aus irgendeinem anderen Motiv schwergefallen, Sie im Castro abblitzen zu lassen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen und mich zu wiederholen: Ich kenne diesen Schläfli nicht persönlich. Dass ich diesen Kommentar im Boulevardblatt publizierte, war kein Zufall. Sie geben mir wahrscheinlich recht, dass es Sinn ergibt, meine Botschaft in jenem Medium mit der größten Reichweite zu platzieren. Es hat mich eh gewundert, dass die Redaktion nicht zensierend eingegriffen hat. Muss wohl mit den Sparmaßnahmen der Zeitungen zusammenhängen. Aber warum erzähle ich das ausgerechnet Ihnen?»

«Wahrscheinlich, weil Sie mir das früher oder später ohnehin erzählt hätten.» Tagliabue zückte seine Visitenkarte und hielt sie dem Architekturstudenten entgegen, der ob der ruckartigen Bewegung nach hinten auswich und fast vom Stuhl kippte. Nachdem er das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, studierte er die Karte. «Das hätte ich mir doch denken können», mit dem Stück Pappe triumphierend in der Luft wedelnd drehte er sich zu seinen Freunden um, «ein Bulle. Nicht nur das: ein Kriminalbulle!»

«Ich gehe davon aus, dass Sie keinen großen Wert auf die Visitenkarte legen.» Der Ermittler zauberte ein Sterling-silbernes Etui aus der Gesäßtasche der knittrigen Hose, um es mit einer Hand lässig zu öffnen. «Wie Sie erkennen können, ist es die Letzte. Die kann ich wahrscheinlich bei anderer Gelegenheit viel besser brauchen. Sie dürfen sie hineinlegen. Danke.» Er hielt Poth das Metalletui hin. Der packte es, legte die Visitenkarte hinein, schloss den Deckel und gab es an Tagliabue zurück, der es zufrieden lächelnd wieder verschwinden ließ.

«Falls etwas wäre, würde ich mich gerne wieder melden. Dafür benötige ich jedoch eine Telefonnummer sowie eine aktuelle Adresse, unter der Sie kontaktierbar wären. Und von Ihnen bitte schön auch gleich», richtete er sich an die Zuschauer am Tisch, die dieser Inszenierung gebannt schweigend gefolgt waren.

«Danke für die Kooperation. Als Gegengeschäft verzichte ich darauf, Ihre Ausweise im Präsidium zu kontrollieren und dort Ihre Personalien aufzunehmen.»

Fünf Minuten später stand Tagliabue am Ausgang. Vor der schweren Tür tauschte er den gut unterhaltenen Mief der Hochschule gegen den Geruch der Großstadt. Er atmete tief durch, überquerte die breite Terrasse, genoss die frühabendliche Aussicht, den urbanen Lärm und stieg die schmale Steintreppe Richtung Zentrum hinunter. Obschon unterstützt von der Schwerkraft, fiel es ihm ziemlich schwer, einen Rhythmus zu finden. Nach einem der vielen Wechsel von einer auf zwei Stufen pro Schritt konnte er einen Sturz knapp vermeiden.

Heil am Fuße der langen Treppe angekommen, blickte er aufs iPhone: wie immer. Er betrachtete dies als Aufforderung, den Arbeitstag vorzeitig zu beenden. Sein Magen erinnerte ihn daran, dass er lange nichts mehr zu sich genommen hatte. Er wählte ein piemontesisches ristorante, wo er serviert bekam, was Markt und Koch hergaben. Der Wirt ließ die Magnumflaschen von Tisch zu Tisch zirkulieren und berechnete den Preis für den Wein nach Gefühl und Sympathie. Der Kommissar trank auf Kosten einer Gruppe österreichischer Touristen.

Auf dem Heimweg schwor er sich einmal mehr, zukünftig nicht mehr jeden Gang zu berücksichtigen und mehr auf seinen Magen als auf den Wirt zu hören. Leicht betrunken und dem Erbrechen einige Mal nahe, schleppte er sich unsicher nach Hause.

Als die Tür ins Schloss fiel, fühlte er sich besser. Der Spaziergang hatte den Nahrungs- und Alkoholabbau massiv gefördert. Beim Aufstieg in das Appartement wunderte er sich einmal mehr über die zu dieser Zeit eingeschalteten Fernsehgeräte. Je näher er der Wohnung kam, desto mehr hoffte er, Jade vor seiner Tür sitzend anzutreffen. Mit jeder Stufe stieg die Möglichkeit, ihre Anwesenheit zu spüren. Mit jedem Schritt schwand auch die Zuversicht. Bis er vor dem Eingang und der Einsicht stand, dass sie immer noch keine Lust verspürte, ihn zu treffen.

Im Flur zog sich Tagliabue aus. Die Kleider ließ er auf dem Boden liegen. Er stellte sich vor den Spiegel. Was er sah, erschreckte ihn. Erst jetzt wurde ihm bewusst, welchen Eindruck er auf die Leute gemacht hatte, denen er im Lauf des Tags begegnet war. Noch mehr beschäftigte ihn jedoch Jades Abtauchen, das er trotz aller Anstrengungen nicht zu deuten vermochte. Langsam stieg so etwas wie Angst in ihm auf.

Nach einer ausgedehnten und intensiven Dusche verschob er sich auf geradem Weg zum Kühlschrank. Mit einem Bier und einer frischen Tüte Tyrrells Smoked Paprika setzte er sich in den Lounge Chair. Im Vorbeigehen hatte er einen flüchtigen Blick auf das Festnetztelefon geworfen – bei der nächsten Gelegenheit würde er den nutzlosen Anschluss kündigen.

Er öffnete die Flasche Baladin Nora, griff in die Chips, schnappte sich die Fernbedienung. Beim Betrachten der Dokumentation wunderte er sich über die Methoden seiner US-Berufskollegen. Er war froh, nicht in diesem Justizsystem ermitteln zu müssen.

Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, den Beitrag zu Ende zu schauen, schlief Tagliabue beim Plädoyer des Staatsanwalts ein. Dessen weinerliche, monotone Stimme und seine unterwürfige Art trugen wesentlich dazu bei, dass der Kommissar am folgenden Morgen einmal mehr in seinem Sessel und nicht in seinem Bett aufwachen sollte.