wen di fenzter gejen arajn in di went
un di lomp trinkt sich in schpigl,
gej ich arojss ojf di wegn –
fun welcher sajt wet kumen der tojt?
mit welchn kolir?
ich hob ongeton doss rojte klejd.
Wenn die Fenster in die Wände eingehen
und die Lampe im Spiegel ertrinkt,
geh ich hinaus auf die Wege –
von welcher Seite kommt der Tod?
In welcher Farbe?
Ich hab das rote Kleid angetan.
Da schickt der Herr den Teufel aus, Er soll den Henker holen, / Der Teufel holt den Henker nicht, / Der Henker hängt den Schlächter nicht, / Der Schlächter schlacht’ den Ochsen nicht, / Der Ochse säuft das Wasser nicht, / Das Wasser löscht das Feuer nicht, / Das Feuer brennt den Prügel nicht, / Der Prügel schlägt den Pudel nicht, / Der Pudel beißt den Jockel nicht, / Der Jockel schneidt den Hafer nicht / Und kommt auch nicht nach Haus.
besonders dann, wenn der hitlerbärtchen tragende, neben den Sautratten wohnende Onkel Hermann, der als Hitlermaulwurf einen unterirdischen Zugang zum Skelett des Judenmassenmörders hatte, und der Onkel Franz, der mit seiner von Hugo Boss hergestellten SS-Uniform mit dem Totenkopf auf der Mütze beim Weihnachtsurlaub stolz neben seinen Kindern vor dem aufgeputzten und leuchtenden Christbaum stand – er verabsäumte nicht, uns die heute noch im Fotoalbum liegenden idyllischen Weihnachtsbilder mit dem SS-Totenkopf, geschossen mit seiner bewundernswerten Leica, die er wie ein Ei hütete, zu schenken – und uns bei jeder Gelegenheit, wenn vom Krieg die Rede war, zu verstehen gab, daß er nichts, auch wirklich nichts getan, sich keines Verbrechens im Krieg schuldig gemacht und nur in Nürnberg am Schreibtisch gesessen habe, wenn also der Onkel Franz und der Onkel Hermann zu Allerheiligen und Allerseelen nach der Gräberbesprengung zu Besuch in mein Elternhaus kamen und der Pfarrer Franz Reinthaler mit den Ministranten nach der Allerheiligenmesse auf dem nebelverhangenen Friedhof zu den Gräbern ging, die mit weißen, gelben und kaminroten Chrysanthemen geschmückt waren, und das kettenrasselnde und rauchende Weihrauchfaß über den Grabhügeln schwenkte, den Weihwasserpinsel in den Kupferkessel eintauchte und die von der gesamten Dorfgemeinschaft besuchten Gräber mit Weihwasser besprengte, wenn also der Onkel Hermann und der Onkel Franz und mein Tate über den lotrechten Balken des kreuzförmig gebauten Dorfes in die Küche meines Elternhauses kamen, den einzigen beheizten Raum im Haus, wo meine Mame gemeinsam mit meiner Schwester das Wiener Schnitzel für das Mittagessen vorbereitete, begannen die drei Herrn mit ihrer Kriegsberichterstattung. Die Weihwassertropfen auf dem grünen Lodenstoff ihrer Mäntel waren bereits eingetrocknet, und der Geruch von Hunderten auf dem Friedhof qualmenden dicken gelben Wachskerzen, der sich in den Stoff eingefressen hatte, sowie der Duft der auf den beiden Fensterbrettern in der Küche stehenden eingetopften Allerheiligenblumen, der Chrysanthemen, vermischten sich mit dem Geruch der gebratenen Eieromeletten für die Fritattensuppe und der aufgeschnittenen Zwiebeln.
Die Mame, die im Zweiten Weltkrieg drei Brüder im jugendlichen Alter verloren hatte, und die Schwester, die als Jugendliche einmal zur Holzhütte gegangen war und den holzhackenden Knecht zum Mittagessen gerufen hatte, worauf der Knecht fragte, was es denn zum Mittagessen gebe, und das Mädchen antwortete: »Was auf den Tisch kommt, wird gegessen!«, sodaß der Knecht dem im Schneetreiben davonlaufenden Mädchen mit den langen Haarzöpfen das Hackbeil nachwarf, legten ein blutiges Schweineschnitzel nach dem anderen, die sie in der Nacht zum Allerheiligentag ausgefroren hatten, auf ein Holzbrett und schlugen sie mit dem Holzhammer, der an der Schlagfläche mit einer gezackten Eisenplatte verstärkt war, breit, während man im Hintergrund aus dem Mund eines Kriegsberichterstatters hörte: »Die Flugzeuge haben uns benagelt … Wie ein Schock Krähen kamen die Flieger daher … Kirchturmhohe Dreckfontänen sind in die Höhe geschossen, als die Bomben eingeschlagen haben … Ich habe gesehen, wie ein Flugzeug in der Luft explodiert ist: Als ob man ein Ei gegen eine Glasscheibe geworfen hätte …« Während die nervenkranke Mame das nächste tellergroße, dünne Eieromelett in Streifen schnitt, die nervenkranke Schwester das nächste blutige Stück Schweinefleisch aufs Holzbrett legte und mit dem Fleischhammer in knappen, kurzen Schlägen klopfte, sodaß Blut aus dem zusammengequetschten Fleisch die Holzfasern und Rillen des Brettes entlangrann, rief einer der Kriegsberichterstatter in der dunstig gewordenen Küche im Geruch der Chrysanthemen und des in einer Pfanne auf dem Herd stehenden und bereits brutzelnden Schweinefetts: »Stell dir vor, wir hatten im Krieg einen Pfarrer, der uns empfohlen hat, so viele Feinde wie nur möglich zu erschießen. So etwas sagt ein Pfarrer! Einer meiner Kameraden hat zum Pfarrer gesagt, daß er ein Christ und verpflichtet ist, die Zehn Gebote einzuhalten. ›Kennen Sie das fünfte Gebot, Herr Pfarrer? Du sollst nicht töten!‹ hat der Kamerad gesagt. Seither habe ich keinen Respekt mehr vor den Kittelprunzern. Dieser Kamerad hat einen Kopfschuß bekommen, die Augen haben sie ihm herausgeschossen! Im Lazarett hat der Blinde immer wieder geschrien: ›Ich möchte noch einmal meine Familie sehen!‹« Die Weihwassertropfen waren inzwischen auf den Mänteln der drei Herrn und Kriegsberichterstatter eingetrocknet und die Wachstropfen am Saum der grünen Lodenmäntel, die in der Friedhofskälte hart geworden waren, in der warmen und dunstigen, nach Kerzenwachs, Allerheiligenblumen und den für die Fritattensuppe köchelnden Odilo-Globocnik-Knochen, die der Hitlermaulwurf Onkel Hermann bei seinen unterirdischen Gängen durch die Sautratten aufgegabelt hatte, wieder weich geworden. Die Schwester schlug am Rand einer weißen Emailschüssel, auf der stand »Old Enamel Ware Bowl«, ein Ei auf, kippte das Eiklar aus den beiden gezackten braunen Schalenhälften in die eine und das Eidotter in eine andere Emailschüssel, legte das breitgeklopfte Stück Schweinefleisch in die Schüssel mit den gelben Eierkugeln, die sie mit einer Gabel auseinanderschlug, und wälzte das Fleisch in einer dritten, mit Semmelbröseln gefüllten Schüssel. Die panierten Schnitzel legte sie behutsam ins heiße, in der Pfanne laut aufbrutzelnde und blasenschlagende Schweinefett. Die Mame hatte die Fritatten aufgeschnitten, öffnete das Ofentürl und legte einen Fichtenknittel nach dem anderen auf die Glut, während im Hintergrund der Küche, vor den bereits vom Kochen der Globocnik-Knochen angelaufenen Fenstern, die drei einander Kriegsabenteuer erzählenden Greise, die mit ihren Sesseln mehr und mehr zueinandergerückt waren und nickend und einander aufmerksam zuhörend ihre Köpfe zusammensteckten, sich gegenseitig aufstachelten und riefen: »Der Jud regiert heute noch die Welt … Hitler hätte doppelt so viele Juden umbringen sollen … Mauthausen haben sie viel zu früh zugesperrt … Schau einmal, wieviel der Bundeskanzler wieder Geld nach Israel hinuntergetragen hat. Die Judenfriedhöfe muß auch der Staat erhalten …«
Während man noch das Brutzeln der panierten Schweineschnitzel im heißen Schweinsfett hörte, unterbrachen die drei Herrn ihre Kriegsberichterstattung und gingen in den Stall, um den erst vor wenigen Tagen mit Plaketten und Blumenkränzen prämierten Pinzgauer Ochsen zu betrachten. Mein Bruder und ich öffneten neben den eingefaschten Beinen der ein paniertes Stück Schweinefleisch ins aufzischende Fett legenden Mame den Küchenschrank, nahmen zwei Kochtöpfe, setzten sie auf unsere Bubiköpfe mit der Hitlerjungenfrisur – der Tate schnitt uns mehrmals im Jahr die Haare mit seiner immer wieder in die Kopfhaut hineinbeißenden mechanischen »Wehrmacht-Alcoso-Haarschneidemaschine-Solingen« – und wälzten uns in der Küche neben der gleichgültig weiter Wiener Schnitzel bratenden Mame auf dem Boden und verspotteten die drei Greise: »Haarscharf ist die Kugel an meiner Schläfe vorbeigegangen! Schau! Haarscharf! Um Haaresbreite hätte es mich erwischt!« »Im Krieg«, rief mein Bruder »im Krieg hab ich einen solchen Hunger gehabt, daß ich am liebsten dem Teufel die Ohrwaschl abgefressen hätte!« … Laß dich heimgeigen mit den süßen Weinbeißern, die du mir vom Herbstmarkt aus Paternion gebracht hast. Wenn ich krank war, drei Tage hast du mich am Krankenbett nicht besucht, aber in der Nacht, um zwei Uhr früh, bist du aufgestanden und hast bei einem Kalb Fieber gemessen, hast dem Kalb das Fieberthermometer in den Arsch gesteckt, das die Mame unter unsere verschwitzten Achsel geschoben hat … »Und wie schön war’s damals beim Herbstmarkt in Paternion, wo wir die Wolljacken, die Goisererschuhe, die Ledergamaschen gekauft haben! Den Kindern haben wir Schaumrollen, Türkischen Honig und Weinbeißer heimgebracht. Und heute? Hinter jedem zweiten Stand steht schon ein Neger mit Weinbeißer im Maul, der Plastiktraktoren und schwarze Kinderpuppen verkauft, Pistolen, Schaumrollen und Lebkuchenherzen.«
Als mein Bruder und ich die Soldaten nach der Begutachtung des prämierten Pinzgauer Stiers mit ihren nägelbeschlagenen Schuhen wieder im Flur hörten, die an den Tatort und Kriegsschauplatz der nach Schweinefett, Allerheiligenblumen und den für die Fritattensuppe köchelnden Globocnik-Knochen aus den Sautratten riechenden Küche zurückkehrten, schoben wir die Kochtöpfe neben den einbandagierten Beinen der Mame in die Anrichte, setzten uns artig mit unserer Hitlerjungenfrisur an den Tisch vor die Fensterbank mit den karminroten und gelben Chrysanthemen und warteten, bis sich die drei Soldaten wieder auf ihre angestammten Plätze und vertikal aufgestellten Schützengräben gesetzt hatten, und der Onkel Hermann mit dem Hitlerbärtchen fortfuhr: »Stell dir vor, Jockel! Franz!, stell dir vor, sieben Kilometer habe ich jeden Tag in die Volksschule gehen müssen, im Sommer wie im Winter. Nach der Schule habe ich für die Bauern die Schafe gehütet und unterwegs kiloweise Schwarzbeeren geklaubt. Die Schwarzbeeren habe ich verkauft, das war mein Taschengeld. Als Fünfzehnjähriger habe ich von vier Uhr früh an bei den Holzknechten im Wald arbeiten müssen. Und heute? Heute trägt der Briefträger den Sandlern und Arbeitsscheuen das Geld ins Haus, die können am Diwan liegen bleiben und Scheine zählen … Die Arbeitslosigkeit in den Dreißigerjahren war hart. Als aber da Hitla gekommen ist, haben alle eine Arbeit gehabt, dann haben sie das Heraklithwerk in Ferndorf wieder aufgesperrt … Und wer hat denn dem Anderwald damals das Dach auf dem Heustadel gekauft? Ha! Da Hitla! Niemand anderer als da Hitla! …«
Die nervenkranke Schwester öffnete die Tischschublade, legte laut klirrend Messer, Löffel und Gabeln so auf den Tisch, daß sich die Gabeln vor den Händen der drei eifrig gestikulierenden Soldaten ineinander verzahnten. Ein Greis nahm mit einem Schöpfer die Fritattensuppe aus dem rauchenden Emailtopf und schenkte dem anderen ein. Der Onkel Franz rührte mit seinem Löffel die dampfende Suppe um, auf der ein paar kreisende Fettaugen von den ausgekochten Globocnik-Knochen schwammen, und rief: »Die Schwerkriminellen gehören alle an die Wand! Wieso sollen denn wir dieses Gsindl aushalten! Wegräumen! An die Wand damit! Gemma! … Mei Lieber, da Hitla ist mit den Verbrechern abgefahren! Für die Mörder sollen sie wieder die Todesstrafe einführen. Die soll’s am elektrischen Stuhl nur so richtig durchbeuteln …« Wobei der Onkel Hermann mit dem Hitlerbärtchen dazwischenfuhr: »Eine Spritze in den Hintern tut’s auch!« Und der Onkel Franz empört und aufgestachelt fortsetzte: »Ein kleiner Hitla gehört wieder her, damit wieder Ruh und Ordnung ist im Land. Einer muß durchgreifen … Da Hitla selber war ja gar nicht so schlimm, die vielen kleinen Hitla haben alles kaputtgemacht, deshalb haben wir den Krieg verloren!« rief der Vater dazwischen. Mit einem Teelöffel schöpften sie die von der Mame und der Schwester gekochte Marmelade mit den Preiselbeeren aus der Innerkrems aufs Wiener Schnitzel, stachen mit der Gabel ins panierte Fleisch und schnitten mit dem Messer ein Stück vom Schnitzel, während sie mit weit aufgerissenen Augen, beim Weitererzählen einander anstachelnd, sich zunickten und der geifernde SSler, am panierten, saftigen Schweinefleisch kauend, mit vollem Mund rief: »Jockel! Jockel! Hör mir zu! Kannst du dir das vorstellen? Ein Bauer aus dem Nachbardorf war mit seinen Kameraden, die auf eine Insel verbannt wurden, in jugoslawischer Gefangenschaft. Sie hatten weder anständiges Essen noch Fetzen am Leib. Ihre halbnackten Körper mußten sie mit Zementsäcken umwickeln und mit Schnüren zusammenbinden. Weibliche Partisanen sind mit Maschinengewehren in die Baracken gekommen und haben alles niedergemetzelt, was sie lebend vorfanden.«