Die Familie kroch in ihre Hütte, in den Bauch des Bisons, um zu schlafen. In dieser Nacht schliefen sie dicht zusammengedrängt wie so oft zuvor, doch es war nicht mehr dasselbe. Jetzt lag Mädchen nicht mehr in der Mitte des Haufens, sondern ihr Rücken war ungeschützt, und vor Kälte hatte ihre Haut winzige Pöckchen wie ein gerupfter Vogel.
Zwischen Mädchen und der pfeifenden Nase von Große Mutter lag Mickerling. Da er der Kleinste war, brauchte er am meisten Wärme. Mädchen schmiegte sich so gut wie möglich an ihn, aber sein knochiger Ellbogen stach ihr in den Bauch. Doch als sie ihn wegschob, bohrte sich sein spitzes Knie in ihren Schenkel. Als sie abwehrend murrte, legte Große Mutter ihr ihre große Hand schwer auf den Kopf und brachte sie damit zum Schweigen. Mädchen konnte auch deshalb nicht schlafen, weil Wildkater sie anstarrte. Sie spürte geradezu seinen glühenden Blick. Er hatte sich zwar in die Hütte geschlichen, war aber von Große Mutter hinausgescheucht worden. Jetzt saß er am Eingang und starrte sie an, wartete, bis völlige Stille eingetreten war und Mädchen ihm ein Zeichen gab. Dann würde es sicher genug sein, um wieder hereinzukommen.
Mädchen drehte sich um und zog leise grunzend an den Fellen. Erneut legte sich eine große Hand schwer auf ihren Kopf. Diesmal gehörte sie zu Er. Er lag an seiner üblichen Stelle, wo er mit seinem Körper alle abschirmen konnte. Sie schlang ihre Finger durch seine und presste ihre Handfläche gegen seine raue Haut. Sie zog daran, weil sie wollte, dass ein Körper ihren Rücken wärmte.
Ganz kurz hob Er den Kopf und betrachtete die Schlafenden. Sie atmeten ganz flach. Lautlos rückte er zu Mädchen, genau an die Stelle, wo Krumm sonst geschlafen hatte. Er schmiegte sich in die Kuhle, die der Körper seines Bruders hinterlassen hatte. Es war schön, seinen Bruder in der Kuhle zu spüren. Dann legte Er seinen kräftigen Arm um Mädchen. Die Haut an ihrem Rücken war kalt. Er kuschelte sich eng an sie, um sie zu wärmen.
Schon bald darauf wurde es Mädchen heiß. Am Rücken brach ihr der Schweiß aus. Sie fing an, sich unter den Fellen zu bewegen, und Er reagierte sofort. Unwillkürlich streckte er die Hand aus und berührte das dichte Haar zwischen ihren Beinen. Mit einem Finger ertastete er, dass sie feucht war. Dies war wie ein Funken, der seinen Körper auflodern ließ. Er fasste Mädchens Hand und zog daran. Sie folgte ihm hinaus in die Kälte.
Als sie sich ein Stück von der Hütte entfernt hatten, breitete Er ihre Umhänge auf dem Boden aus und zog Mädchen auf sich. Sie versuchten, ganz leise zu sein, damit niemand sie störte. Sie folgten nur ihren Trieben. Wie der Hunger fegte ihr Verlangen jegliche Vorsicht und Vorstellung etwaiger Folgen hinfort. Ihr Atem ging schwer, Finger ertasteten Haut, Körper rieben und verkeilten sich so grob wie bei Bisons während der Brunft.
Später kroch Mädchen zurück ins Nest. Zwar nahm Er wieder seinen Beschützerplatz ein, aber die Scham nagte an ihm. Seit das letzte männliche Oberhaupt der Familie nicht von der Jagd zurückgekehrt war, hatte Er versucht, seine Rolle zu übernehmen. Als er Mickerling betrachtete, der sich im Nest zusammengerollt hatte, und als er auf das Pfeifen aus der Nase von Große Mutter lauschte, erkannte er, dass er sie schutzlos zurückgelassen hatte, während er mit Mädchen draußen war. Gewissensbisse überfielen ihn. Wenn er die Vaterrolle übernehmen wollte, musste er auf die Familie aufpassen.
Erleichtert, wieder an seinem Beschützerplatz zu liegen, streckte Er sich aus und schloss die Augen. Zwar dachte er an Mädchen und das, was geschehen war, doch seine unmittelbare Sorge galt Große Mutter. Er wusste, dass er Mädchen eigentlich nicht so berühren durfte. Mit den Fingerspitzen fuhr er über die Wunde an seiner Stirn, wo Große Mutter ihn mit ihrem Warnschuss getroffen hatte. Doch was war, wenn er einschlief und von Mädchen träumte? Würde Große Mutter das merken? Schon bald forderte der Körper sein Recht, und er fiel in tiefen Schlaf.
Als Große Mutter aufwachte, war es noch dunkel. Ihre Augen sprangen auf, und sie sog scharf die Luft ein. Von diesem Luftholen wachte Mädchen auf. Mit einer einzigen schnellen Bewegung richtete sich die alte Frau im Nest auf. Zum ersten Mal seit dem Winterschlaf musste sie nicht hochgehievt werden. Die Locke an ihrem Hinterkopf rollte sich wie ein Strudel im Fluss zusammen. Langsam wandte Große Mutter ihren Kopf zu Mädchen, die ganz kurz verwirrt war und nicht wusste, was sich an der alten Frau verändert hatte. Sie sah so klein und nackt aus. Im nächsten Augenblick erkannte sie es. Die Hörner. Zum Schlafen nahm Große Mutter sie ab, setzte sie aber jeden Morgen als Erstes wieder auf. Es war seltsam, den mächtigen Kopf der alten Frau so nackt zu sehen. Sie schloss die Augen und tat, als schliefe sie noch, machte aber den Fehler, die Augen zu fest zuzukneifen. Große Mutter erkannte Täuschungen schnell.
»Hom«, grummelte sie.
Und schnüffelte erneut. Ganz laut, als wollte sie einen Geruch erhaschen. Mädchen biss sich auf die Lippen. Ihr war befohlen worden, sich von Er fernzuhalten. Sie wusste, es war ihre Aufgabe, ihr Verlangen zu zügeln. Sie würden rechtzeitig zum Fischsprung zum Treffpunkt kommen. Dort würden auch andere Familien sein. Sie würden ihre Schwester wiedersehen, Großes Mädchen, die sich eine andere Familie gesucht hatte. Diese Verbindung würde ihnen einen besonderen Wert verleihen, der ihnen erlaubte, einen besseren Platz am Fluss einzunehmen. Je mehr Verbindungen eine Familie hatte, desto wahrscheinlicher war, dass sie willkommen war und einen guten Platz zum Fischen bekam.
Am Fischsprung würden sie zusammen essen und sich begutachten, und Mädchen würde sehen, welche Familien Frauen brauchten, die Kinder bekommen konnten. Sie würde herausfinden, in welcher Familie sie gerne wäre und welche Familie sie haben wollte. Ein festgelegtes Vorgehen gab es dabei nicht. Manchmal passte einfach alles zusammen. In anderen Fällen hatten die Mädchen das falsche Alter oder die Großen Mütter sperrten sich, sodass überhaupt keine Verbindung eingegangen wurde. Wenn ihre Zahl stieg, weil es mehrere Jahre hintereinander große Bisonherden gegeben hatte, herrschte ein wilder Wettbewerb.
In den besten Zeiten, wenn die Familien vollständig waren, konnten die Kämpfe der Mädchen um eine Stellung als Große Mutter tödlich enden. Man erzählte sich Geschichten von legendären Schlachten zwischen möglichen Großen Müttern. Zwar konnte sich keiner von ihnen noch persönlich daran erinnern, aber diese Geschichten zeugten von Triumph und Stolz, hatte man doch so viele Körper, Nahrungsmittel und Werkzeuge, dass man das Risiko eingehen konnte, miteinander zu kämpfen.
Zuerst verband Mädchen die Schnüffelei von Große Mutter nicht mit dem, was sie getan hatte. Sie rechnete nicht damit, dass Große Mutter eine gute Nase für den Geruch von Paarung hatte. Mädchen war ziemlich spät geboren worden und hatte Große Mutter daher immer als ältere Frau erlebt, die sich nur paarte, wenn es unbedingt notwendig war. Bei ihr wirkte die Paarung wie eine Pflicht, wie das Kauen von Leder, und nicht wie etwas, das sie aus Vergnügen tat.
In ihrer Blütezeit hatte Große Mutter sich die Glieder der stärksten Männer ausgesucht. Sie hatten ihre Spuren in ihr hinterlassen und dies reichlich. Große Mutter hatte alle möglichen Vorstellungen darüber, wie die Flüssigkeit aus dem Glied roch und wie stark sie war und wie sie dem Baby, das daraus entstand, zu Stärke verhelfen würde; auch wie man wusste, dass ein Mann nicht gut war oder wann er seinen besten Samen vergab. Da sie dieses Wissen weise genutzt hatte, hatte sie so viele Erfolge im Leben gehabt.
Jetzt wandte Große Mutter ihren Kopf zu Mädchen, um sie direkt anzusehen. Sie musste gar nicht erst fragen. Sie wusste, wem der Samen gehörte und wohin er gegangen war. Sie wusste auch, was das bedeutete, da sie genug Junge zwischen ihren Beinen hervorgepresst hatte und die Kinder ihrer Schwestern beim Fischsprung gesehen hatte. Sie wusste, was von einer Generation zur nächsten übertragen wurde. Manchmal war es ein Haarwirbel, manchmal eine Nase und manchmal ein krummer Arm. Mädchen und Er, die nur eine Handvoll Familien am Treffpunkt gesehen und immer nur sehr wenige Verwandte gehabt hatten, verstanden das Verbot nicht. In einem großen Land erfüllte es einen mit der Wärme der Vertrautheit, wenn man bei anderen eine körperliche Eigenschaft wiedererkannte. Und dies machte einen Teil der Stärke in der Familie aus.
Aber die Stärke konnte auch eine Schwäche werden. Große Mutter wusste, dass in Dingen, die sich zu ähnlich waren, auch große Gefahr liegen konnte. Sie dachte, das hätte sie ihren Kindern mit den Schattengeschichten beigebracht. Doch damit Furcht sich wirklich einprägte, musste die Bedrohung spürbar sein, und das war ein Schatten an der Wand eben nicht. Mädchen und Er hatten nicht gesehen, was sie gesehen hatte. Sie verstießen gegen das Verbot, weil sie einer anderen Generation angehörten.
Große Mutter kannte die Macht des Paarungstriebs; seine überwältigende Kraft hatte sie selbst oft in jüngeren Jahren erlebt. Ihr war klar, dass sie die beiden Geschwister nicht ständig im Auge behalten konnte. Sie waren schneller und stärker als sie. Manchmal mussten sie abseits der Familie arbeiten. Früher war sie aufgewacht, wenn sie etwas Ungewöhnliches hörte, aber mittlerweile schlief sie so tief und fest, als läge sie schon auf der anderen Seite der Erde. Bis zum Fischsprung, wenn ein anderer Partner gefunden werden konnte, musste einer der beiden gehen.
Daher schob Große Mutter all ihre Liebe zu Mädchen beiseite. Das Wissen, das sie im Laufe ihres Lebens gewonnen hatte, gab ihr die Kraft, gegen ihre Instinkte zu handeln. In Mädchen sah sie eine jüngere Ausgabe ihrer selbst. Sie wusste, die Familie war ausgedünnt, und auch, dass die anderen Familien ebenfalls zu kämpfen hatten. In Mädchen sah sie alle Voraussetzungen für eine Frau, die klug, geschickt und freundlich war. Sie würde viele Babys bekommen. Mochten andere Familien scheitern, aber hier war ein Mädchen, das seine Familie über Wasser halten würde. Allein der Gedanke an das Werk dieses Mädchens erfüllte ihr Herz mit Stolz.
Was Große Mutter als Nächstes tat, war brutal, aber sie tat es, weil sie mit all ihren Überzeugungen und Erfahrungen glaubte, dass es nur einen Weg gab, die Familie zu bewahren, wenn ein Bruder und eine Schwester zu viel Gefallen aneinander fanden. Das geschah manchmal, wenn ein Mädchen zur falschen Zeit in die Hitze kam.
Große Mutter zeigte mit dem Finger auf Mädchen. Sie zischte und spuckte so heftig aus, dass ihre Locke wippte. Mickerling sprang überrascht auf. Ängstlich wollte er sich bei Mädchen festhalten, aber Große Mutter packte seinen Arm und zog ihn zu sich. Sie blickte zu Er, der verwirrt aufgewacht war, und zischte ihn an. Sofort senkte er unterwürfig den Kopf. Und dies zeigte Große Mutter, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte. Denn Er gehorchte bereitwilliger als Mädchen. Nach der erfolgreichen Jagd würde seine Kraft vielleicht ausreichen, um die Familie durchzubringen, bis sie zum Treffpunkt zogen.
»Fort!«, knurrte Große Mutter so grimmig, dass die Kiefernzweige unter dem Nest raschelten. Mädchen sollte verschwinden. Das war ein unwiderruflicher Befehl. Wenn einer aus der Familie nicht gehorchte, stellte das Große Mutters Platz als Oberhaupt der Familie in Frage und würde Gewalt nach sich ziehen. Große Mutter hob ihren langen Arm und reckte ihren knorrigen Zeigefinger. Er wies zum Ausgang der Hütte, vor dem ein Fell flatterte. »Fort«, wiederholte Große Mutter. Sie wollte Mädchen verbannen. »Fischsprung«, sagte sie als Nächstes, damit Mädchen wusste, wann sie sie wiedersehen durfte.
Wenn die alte Frau die Folgen verbotener Dinge nicht klar hatte vermitteln können, so würde sie zumindest zeigen, wie ernst es war, nicht auf ihre Warnungen zu hören. Dies war eine der Herausforderungen für einen alten Körper, der von jungen, kräftigen umgeben war, die noch nicht viel vom Leben wussten. In diesem Fall blieben Große Mutter nur Taten, um ihren Standpunkt deutlich zu machen.
Auch wenn Mädchen sich körperlich verändern würde, bliebe ihr freundliches und liebevolles Wesen doch immer gleich. Ihre Mutter wusste, dass es Mädchen mit ihrer Eigenständigkeit schwerer hatte, sich zu unterwerfen, aber auch, dass sie dadurch den Charakter und die Findigkeit hatte, die man zum Überleben brauchte.
Mädchen huschte auf die Seite der Hütte und kauerte sich zusammen, um ganz klein zu werden. Vielleicht würde sie das Schlimmste verhindern können, wenn sie noch mal versuchte, sich zu unterwerfen. Aber die alte Frau ließ sich nicht umstimmen. Die Macht des Triebes war einfach zu stark. Die beiden würden einander nicht widerstehen können, daher musste einer gehen. Es gab kein Zurück. Große Mutter riss die Hörner an sich, hielt sie in die Höhe und brüllte, um ihre Macht zu zeigen, aus voller Kehle: »Große Hörner!« Dann schob sie das Fell vom Eingang weg und kroch aus der Hütte.
Mädchen schluchzte auf. Mühsam zog sie ihren Umhang an und nahm ihren Speer. Sie kam sich vor wie in einem Traum, den keiner der anderen in der Familie fühlen konnte. Sie tastete nach der Muschel, die sie an einem Riemen um den Hals trug, um sich zu vergewissern, dass sie noch da war. Mickerling und Er schwiegen, als sie hinaus in die Morgendämmerung kroch. Die Tiere draußen spürten wohl die Veränderung, denn man hörte keinerlei Zwitschern, Zischen oder sonstige Laute. Große Mutter war den schmalen Pfad hinuntergeschlurft und stand jetzt an der Feuerstelle. Sie kickte ein Holzscheit ins Feuer und entfachte die Glut vom Vorabend neu. Da es keinen anderen Weg gab, folgte Mädchen Große Mutter hinunter zur Feuerstelle. Große Mutter warf noch ein Scheit hinein. Die Flammen loderten auf, als würden sie von ihrem Zorn entfacht. Als Mädchen sich näherte, fletschte sie zischend die Zähne, stampfte mit dem Fuß auf und drohte mit dem Speer.
Mit gesenktem Kopf versuchte Mädchen, sich ihrer Mutter zu nähern. Kämpfen würde sie nicht. Sie wollte sich niederkauern und noch einmal versuchen zu zeigen, dass sie gehorchen würde, sich unterwerfen, und dass Große Mutter immer noch das Sagen hatte. Aber die alte Frau wollte nichts davon wissen. Das war keine Lösung. Mädchen hatte bewiesen, dass sie bereit war, das Verbot zu brechen. Taten waren alles, Gesten bedeuteten nur wenig, und Worte wurden kaum wahrgenommen. Große Mutter spuckte aus und warf ihre Hörner zwischen sie beide. Die Botschaft war eindeutig. Entweder Mädchen würde die Hörner mit Gewalt an sich reißen und aufsetzen, um selbst Große Mutter zu werden, oder sie würde verschwinden und sie erst am Fischsprung wiedersehen.
»Fort«, knurrte die alte Frau.
Große Mutters Zorn kam tief aus ihrem Inneren. Wenn sie Mädchen ansah, loderte ein wildes Feuer in ihrer Brust. Dieses schöne, starke Wesen würde bald ihr bester Jäger sein. Im Laufe der Jahre hatte Große Mutter viele Kinder verloren, und jeder Verlust hatte sie weiter geschwächt. Jeder Tod fühlte sich an, als würden ihr ein Muskel aus dem Bein, ein paar Zähne, ein dicker Knochen und eine Menge Blut genommen. Ein weiterer Verlust würde ihren Körper brechen, und sie würde zu Boden gehen. Aber sie wusste, dass Mädchen ihren klugen Kopf nutzen würde, um zu überleben. Sie war sehr geschickt darin, sich Nahrung zu besorgen. Von ihnen allen war sie diejenige, die es schaffen konnte, allein durchzukommen.
Eine Mutter erschafft ihr Kind aus ihrem eigenen Blut, aus ihren eigenen Knochen. Im ersten Teil des Lebens sind Mutter und Kind eng miteinander verbunden, und danach wird die Verbindung zwar schwächer, verschwindet aber nie ganz. Die Träume ihrer Kinder hatte Große Mutter immer deutlicher gespürt als die anderer Familienmitglieder. Sie hatte das Horn zwischen ihren Rippen gefühlt, als Krumm aufgespießt wurde, und den reißenden Schmerz des Fangzahns, als Junge, einer ihrer Söhne, von einem Löwen geschnappt wurde. Mädchen kannte sie besser als alle anderen. Sie war ihr so ähnlich und hatte alle Anlagen, eine große Familie zu gründen. Da sie einander so ähnlich waren, glaubte Große Mutter aus tiefstem Herzen, dass Mädchen überleben würde. Sie war wie sie.
Als Mädchen nicht gehen wollte, schwenkte Große Mutter drohend den Kopf hin und her; jeder verkümmerte Muskel unter ihrer dünnen Haut zuckte, und die Sehnen an ihrem Hals traten hervor. Sie riss den Mund mit den eingefallenen Lippen auf und brüllte dumpf ihre Angst heraus. Sie drohte mit dem Speer. Es war Zeit zu verschwinden.
Entsetzt wich Mädchen zurück und sah, wie ernst es ihrer Mutter war. Da sie Umhang und Speer bei sich hatte, drehte sie sich einfach um und glitt zwischen die Bäume Richtung Fluss. Ihre Füße führten sie dorthin, vielleicht weil sie den Weg schon so oft gegangen waren. Sie ging, so weit sie ihre Füße trugen, bis sie über einen Ast stolperte und fiel. Sie lag auf der Erde; die Kraft, die sie zum Aufstehen brauchte, hatte sie an der Feuerstelle zurückgelassen. Besorgt erzitterten die Äste, und das Land stieß einen kühlen Luftzug aus. Mädchen wartete einen Augenblick, um zu prüfen, ob sie etwas hörte oder ob sich der Geruch in der Luft änderte, doch da war nichts.
Zum ersten Mal hatte Mädchen ihre Familie verlassen.