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Das Katzenfleisch war viel zu schnell aufgezehrt. Die Stürme wurden noch schlimmer, und Mädchen erkannte, wenn die Schneeschmelze kam, würde sie diese wahrscheinlich von der anderen Seite der Erde begrüßen. In gewisser Weise hatte sie bereits Vorkehrungen dafür getroffen. Sie hatte sich selbst an der Wurzel eines Baumes eingegraben, vielleicht bauten die Bären aus diesem Grund so ihre Höhlen. Wenn ein Körper während der Winterstürme starb, war er zum Frühlingsanfang schon begraben. Aber das dachte sie, bevor sie den ersten Schmerz der Geburt spürte. Er zerriss ihren Körper und schleuderte sie in einen Zustand, in dem sie sich lebendiger fühlte als je zuvor und lebendiger, als ihr lieb war. Alles in ihrem Körper loderte. Das Baby kam.

Was als Nächstes geschah, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem, was sie Große Mutter hatte erdulden sehen. Die ewig gelassene Frau hatte es so aussehen lassen wie ein fernes Grollen in ihrem Körper. Mit geschlossenen Augen hatte sie leise stöhnend die Geburt überstanden. Aber Mädchen spürte ihr Kind mit unerwarteter Macht kommen.

Das Baby in ihr war Teil des Landes und wurde von der Kraft begleitet, die einen Berg nach oben aufsprengte. Als ein erneuter Blitz sie durchzuckte, streckte der Berg seine Lavafinger durch ihre Muskeln tief innen. Eine dünne Flamme drang hervor, schnitt sich durch ihren Unterleib und hielt inne. Mädchen wartete und begriff. Der Berg verband sich durch Feuer mit ihr, aber das Beben kam von innen. Es würde das Baby von ihr lösen und herausdrängen. Aus ihrer Mitte heraus strömte die Lava mit derselben Macht. Der Berg übernahm den Körper der Mutter.

Ihre Haut war schweißbedeckt. Sie stöhnte. Ihr Körper bebte. Sie war so weit weg. Und dann schnitt die Lava durch sie, riss und zog. Mädchen hoffte dumpf, sie würde ihren Körper nicht unrettbar zerstören. Aber sie begriff auch, dass es nichts mit ihr zu schaffen hatte. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie Angst vor dem Tod gehabt. Aber im Angesicht des Bergfeuers, in seine Hitze getaucht, bot sie sich selbst als Opfer dar. Ihr einziger Daseinsgrund war es, ein Kind zur Welt zu bringen. Sie musste dafür sorgen, dass auf dem Land eine Familie war. Also hockte sie sich auf den fellbedeckten Boden und spürte das brennende Beben. Sie stieß ein Brüllen aus, das im Bau widerhallte und so heftig an den Wänden rüttelte, dass sogar das Land grollte. Jeder Teil ihres Körpers drückte und presste nach unten. Vielleicht würde es sie auseinanderreißen. Dann verlagerte sich etwas in ihr, und Druck baute sich auf. Die Lava strömte, die Hitze brannte, und sie kippte auf die Seite. Sie atmete tief durch, öffnete die Augen, und da war das Baby. Nass. Zusammengerollt. Blau. Es rührte sich nicht.

Erneut durchzuckte sie Schmerz, ein letztes Aufflackern des Feuers in ihrem Bauch. Zwischen ihren Beinen glitt ein großer Fleischfladen heraus und damit auch ihre Kraft. Sie kaute selbst die Nabelschnur durch, da es keine Große Mutter gab, die den ersten wichtigen Biss im Leben des Kleinen übernehmen konnte. Sie spürte, wie sich der harte Boden des Baus in ihre Hüfte bohrte. Die kalte Luft kroch ihr den Rücken hinauf. Ihre Lippen wurden ebenfalls blau, und sie fing an zu zittern. Als sie sich mühsam aufrichtete, sah sie das Baby. Sie griff danach und drückte es sich an die Brust. Etwas heulte auf, und als sie nach unten blickte, sah sie einen weit aufgesperrten Mund, in der Luft fuchtelnde Fäustchen und einen kahlen Kopf, der aussah wie der Vollmond. Sie steckte ihre Brustwarze in den aufgerissenen Mund, und das Baby dockte an. Ein Schmerz schoss ihr durch den Körper, bis hinunter zu den Zehen, die sich sofort verkrümmten. Dies war nicht die Macht des brennenden Berges. Dieser Schmerz war kalt und trocken.

Als sie das nächste Mal erwachte, war das Baby still, zeigte weder Hunger noch Zorn. Sie steckte ihre Brustwarze in seinen Mund, und es dockte an, doch es wirkte kraftlos. Es schien zu schwach, die Milch herauszusaugen. Sie versuchte, es zu locken. Kniff ihre Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte sie an seinen Gaumen, wie sie es bei Große Mutter so oft gesehen hatte. Aber es saugte sich nicht fest. Seine Lippen blieben schlaff. Nachdem sie es immer und immer wieder versucht hatte, konnte sie den kleinen Körper kaum noch anschauen. Sie wollte nichts damit zu tun haben. Sie empfand nicht das Geringste für das Baby. Sie lag ebenfalls im Sterben.

Unaufhörlich rann Blut zwischen ihren Beinen hervor, und es gab kaum etwas zu trinken. Sie legte ein bisschen Schnee auf ihre Lippen, um wenigstens ansatzweise den Durst zu stillen. So etwas taten sonst nur Sterbende. Sie zog einen steif gefrorenen Wassersack neben das Fellnest, weil sie hoffte, er würde an den Rändern schmelzen. Sie saugte daran, während das Baby viel zu still war. Sie legte einen nassen Finger auf seine Lippen, damit es daran leckte. Sie empfand ihre beiden Körper als einen. Der schmerzende Hunger ihres Babys war wie ihr eigener. Ihr Essensvorrat war zur Neige gegangen. Der Schnee draußen hielt sie wie in einer Falle gefangen. Die Sonne hatte für immer den Himmel verlassen.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war es noch kälter geworden. Der Schnee, den sie zum Schmelzen hereingebracht hatte, war nicht aufgetaut. Sie leckte am Eis, blieb jedoch mit der Zunge daran kleben, als schnappte der Mond nach ihrem Körper. Sie riss sich davon los und schmeckte Blut: Die Wärme ihres eigenen Bluts rann ihr die Kehle hinunter. Was nur bedeutete, dass sie noch am Leben war.

Mädchen spürte nichts mehr; nur, dass ihr Körper eisiges Ödland war. Es gab weder Wiesen noch süßen Kotgestank. Keine Hand, um ein Feuer zu schüren, kein Öl zum Verbrennen, keine Nahrung zu essen, keine Milch in ihren Brüsten, um ihr Baby zu stillen. Ihre Familie würde nicht mehr das Land besitzen. Sie würde hier unter diesem Baum erfrieren. Sie würde es nie wieder warm haben.

Also zog sie das Baby eng an ihre Brust, barg seinen Hinterkopf in ihrer Armbeuge, kniff ihm die Nase zu und drückte ihre Handfläche auf seinen Mund. Sie sah zu, wie es mit den winzigen Armen fuchtelte, und fühlte nur Eis in ihrer Brust. Der Mond zeigte sein kaltes Gesicht. Sie spürte, wie der kleine Körper kämpfte und dann aufgab.