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Als Kofi das Handy wegstecken wollte, fiel ihm die SMS ein, die Anna ihm geschickt hatte. Er las sie noch einmal.

„Gehe Emma bsuchen. Kazensprung okee.“

Er seufzte. „Dieser Nussbaum muss sie an der Ballettschule abgepasst haben. Das heißt, wir wissen, wo er um halb elf war. Er hat Kim angesprochen und ist mit ihr weggegangen. Anna hat ihren Weg verfolgt und ist ebenfalls verschwunden.“

„Wiederhole den Text noch mal.“

„Gehe Emma bsuchen. Kazensprung okee.“

„Wir wissen aber, dass sie nicht zum Tanzen gekommen ist. Was ist, wenn mit dem Katzensprung nicht der Pas de Chat, sondern ein Ort gemeint ist?“

„Und das ‚okee‘ als Frage gedacht war?“

„Dann hätte er ihr gesagt, dass Emma im Büro ihrer Mutter auf sie wartet.“

„Davor hätte sie garantiert keine Angst gehabt.“

„Kim war erst zwei- oder dreimal mit mir im Büro“, sagte Irene, die unbemerkt hinter sie getreten war. „Aber dort gibt es keinen Raum, wo man ein Kind verstecken könnte.“

„Doch“, sagte Paul. „Es gibt das Kellerhaus.“

„Welches Kellerhaus?“

Irene erklärte: „Unter dem Eingangsflur existiert tatsächlich ein kleiner Keller, in dem wir Büromaterial aufbewahren. Eigentlich wollte Oliver dort auch Akten und Papier lagern, aber dafür ist er zu feucht.“

„Nicht Lagerkeller, ich meine den Wohnkeller, das Versteck.“

Als Paul bemerkte, dass die anderen ihn verständnislos anschauten, versuchte er es besser zu erklären.

„Meine Oma hat gesagt, dass es eine Schande ist, dass die Synagoge abgerissen wird. Man sollte aus dem geheimen Kellerhaus darunter lieber ein Museum machen und die mutigen Leute ehren.“

„Willst du uns sagen, dass sich unter der Synagoge Menschen versteckt haben?“

„Vor den Nazis, sagt meine Oma, vierundzwanzig insgesamt, acht Männer, sechs Frauen und zehn Kinder.“

Irene schüttelte den Kopf. „Davon weiß ich nichts. Ich habe den Keller noch nie betreten. Ich fürchte mich vor Spinnen.“

Kofi wandte sich direkt an Paul. „Kannst du uns den Eingang zeigen?“

„Nein“, sagte Paul traurig. „Es gibt keinen mehr.“

„Aber du bist drin gewesen?“

„Nein, meine Oma hatte ein Foto. Ein Tisch, vier Stühle …“

„Wenn wir recht haben, wenn Nussbaum der Täter ist, dann hat er einen Zugang gefunden, muss einen gefunden haben, wahrscheinlich während der Bauarbeiten.“