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Als ich mich aus dem Bett gehievt hatte, war mir auch endlich klar, warum ich nicht mit fliegenden Fahnen zur Bank lief, um den Scheck einzulösen.

Das Grundproblem, die Sache, die mich davon abhielt, die anderthalb Blocks bis zur Bank zu gehen, war der Übergriff auf meinen Berufsstolz, seine Vereinnahmung.

Ich versuche, in meinem Leben falschem Stolz aus dem Weg zu gehen. Aber es hat gut sieben Jahre gedauert, bis mir klar war, was ich tue und wie ich damit zurechtkomme. Das Ergebnis mag zwar recht armselig erscheinen, aber wenn mir nicht gefiele, was ich tue, täte ich's eben nicht. Wenn also jemand daherkommt und mir diese Entscheidung ungebeten abnimmt, erfüllt mich das nicht gerade mit Begeisterung.

Und es gab noch Dinge, die nicht ganz zu meiner Zufriedenheit geklärt waren. Kleine Widersprüche - oder die Möglichkeiten von Widersprüchen. Die Versuchung, etwas als wahr anzunehmen, weil jemand es einem gesagt hat, ist ein Risiko meines Berufes. Wenn man eine Sache ordentlich machen will, muß man alle Tatsachen selbst nachprüfen und feststellen, ob die Ergebnisse miteinander vereinbar sind.

Ich verpaßte die Drei-Uhr-Deadline. Jetzt war die Bank geschlossen.

Um drei Uhr achtundzwanzig bekam ich einen Anruf von Miller aus dem Polizeipräsidium. Er hatte gerade seinen Dienst angetreten.

»Verrat mir deinen Trick«, meinte er. »Dieser pingelige Anwalt war hier, hat alle Anklagen fallenlassen und darum gebeten, daß dir alle Fotos, die du gemacht hast, ausgehändigt werden.«

»Es war einfach nur ein kleines Mißverständnis. Der Nachtwächter hat mich mit der Nachtputzfrau verwechselt und seinen Irrtum erst bemerkt, als er mir schon auf den Rücken gesprungen war. Um nicht ganz so blöde dazustehen, hat er mich k. o. geschlagen und jede Menge Fotos gemacht.«

»Die Negative und ein Satz Abzüge warten hier auf dich, wenn du sie haben willst. Tut mir leid, ich kann nicht länger plaudern. Ich muß gleich einen notorischen Einbrecher verhaften.« Er legte auf.

Es war ein kühler, aber angenehmer Tag. Ich machte einen Spaziergang zum Polizeirevier.

Auf dem Weg dorthin kam ich an drei Banken vorbei, alle drei geschlossen.

Miller war bis zum Schluß konsequent geblieben.

Er hatte die Filme und Abzüge für ›Donald Duck‹ hinterlegt.

Ich hatte Glück - mein Freund Taube Nuß saß am Schreibtisch und zog den Umschlag raus, sobald er mich sah.

Als ich zurück ins Büro kam, klingelte das Telefon. Es war nicht Eloise. Es war ein Rechtsanwalt, für den ich arbeite, der sich erkundigte, ob ich ein paar Vorladungen für ihn zustellen könne. Ohne nachzudenken, sagte ich nein, ich arbeitete an einem Fall. Ein interessantes Konzept, weil es bedeutete, daß ich mich selbst engagierte.

Ich las eine Weile. Als es Zeit zum Abendessen war, beschloß ich, daß dieses ›ich mache weiter - ich mache nicht weiter - ich löse den Scheck ein - ich löse den Scheck nicht ein‹ aufhören mußte.

Als Ausdruck meiner Verwegenheit beschloß ich, die ganze Sache ein paar Tage in ihrem eigenen Saft schmoren zu lassen.

Während des Abendessens - Lammeintopf aus der Dose dachte ich darüber nach, daß ich jetzt zwei Sätze Abzüge von den Filmen hatte, und erwog die Möglichkeit, den Scheck einzulösen, die Negative und einen Satz Abzüge an Crystal zu schicken und mit dem anderen Satz Abzüge trotzdem weiterzumachen.

Ich verwarf diese Möglichkeit als unprofessionell. Nach dem Abendessen machte ich mich noch einmal, über die Bilder her.

Zwölfhunderteinundvierzig Stück. Das ging nicht lange gut.

Es war ja genau das gleiche, was ich mit den medizinischen Unterlagen nicht getan hatte. Aber welchem Experten konnte ich diese Dinger in die Hand drücken?

Bei dem Gedanken an die medizinischen Unterlagen kam ich auf die Idee, meine Notizen noch einmal durchzusehen. Ich fragte mich, wer Fleurs Arzt war, der Nachfolger von Fishman.

Ich fragte mich, ob ich Crystal fragen sollte. Er sagte, ich dürfe.

Aber ich entschied mich eindeutig dagegen, ihn zu fragen.

Entweder kaufte ich ihm seine Story ab, oder ich ließ es bleiben.

Ich schickte einen Brief nach New York City und bat um eine Kopie von Eloise Crystals Geburtsurkunde. Ich erwog den Gedanken, meine Flamme zu fragen, was ich tun solle. Ich meine, wozu ist eine Frau denn da? Auf dem Weg zum Briefkasten, in den ich einen Brief nach New York werfen wollte, ging ich bei ihr vorbei. Aber ich hätte ihr alles mögliche erklären müssen, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Ich konnte mich nicht recht dazu überwinden, ihr all die Erklärungen aufzuzwingen. Wo wir doch über so viele andere Dinge zu reden hatten. Mit großer Willenskraft schaffte ich es schließlich, die ganze Sache, solange ich bei ihr war, vollkommen zu verdrängen.