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Gegen acht wachte ich auf und machte mir ein Käseomelett.

Es wurde nur eine armselige Imitation dessen, was meine Exfrau früher zubereitete, aber man muß eben Opfer bringen, wenn man seinen Prinzipien treu bleiben will.

Ich dachte darüber nach, wie ich den Tag verbringen wollte.

Aber eigentlich dachte ich nicht wirklich nach; ich hatte mich schon entschlossen, ein wenig Zeit auf Miss Crystal zu verwenden, wenn ich es auch für unwahrscheinlich hielt, daß ich ihr Angebot, mich zu engagieren, annehmen würde. Ich hatte einfach nichts Wichtigeres zu tun.

Ich beschloß, die Sache locker anzugehen und zunächst auf kleiner Flamme zu kochen. Kein Streß, keine Übertreibung. Ich griff mir mein Notizbuch und mein Schreibgerät und brach zu einer geruhsamen Rundfahrt auf. Erst nach Westen die Ohio Street entlang bis zur Pennsylvania Avenue, dann nach Norden die Pennsylvania hinauf. Der Weg führte mich durch die geistige Mitte von Indianapolis. Erst kam aus schrägem Winkel das Mahnmal für die gefallenen Soldaten und Matrosen auf dem Circle ins Blickfeld. Von seiner Spitze aus kann man an klaren Tagen ganze Blocks weit sehen. Dann ging's vorbei an der Post und dem Bundesgebäude, dem Haus der Star News und dem CVJM. Als nächstes am Weltkriegsdenkmal, einem mit Kies belegten Geviert von der Größe eines Häuserblocks mit einem Obelisken in der Mitte und Kanonen an den Ecken. Danach passierte ich den American Legion.

Und kam schließlich zur St. Clair Street. Wo ich mich zu guter Letzt in die öffentliche Bibliothek des County Indianapolis-Marion begab.

Als Kind habe ich dort viel Zeit zugebracht. Es war im Sommer immer schön kühl und ruhig. Und einige der vielen Bücher, in deren jedem viele hundert Stunden Arbeit steckten, hatten mir sogar etwas bedeutet.

Aber ich war heute nicht um neun Uhr hergekommen, um der erste in der Schlange derer zu sein, die nach dem neuesten Schlechtseller anstanden. Sondern ich begab mich sofort ins Mikrofilmarchiv in der Kunstabteilung im zweiten Stock.

An der Südwand der Kunstabteilung stehen sechs Mikrofilmsichtgeräte, aber zu so früher Morgenstunde war die Nachfrage noch nicht groß, so daß ich einen von den beiden rechten nehmen konnte, direkt neben den Mikrofilmschränken.

So konnte ich nach Herzenslust Mikrofilme anschauen, ohne allzu weite Fußwege auf mich nehmen zu müssen.

Noch einmal überflog ich meine dürftigen Notizen, die ich Eloise und Maude verdankte. Dann beschloß ich, zuerst nach der Hochzeit von Fleur und Leander Crystal zu suchen. Sie lag jetzt ungefähr zwanzig Jahre zurück. Ich begann mit dem Star vom Januar 1949, legte den Mikrofilm ein und fing an zu kurbeln.   

Ohne jede Hast hielt ich mich an mein elegantes Konzept, für jeden Tag die Seite über die gesellschaftlichen Ereignisse durchzusehen, und machte darüber hinaus höchstens hier und da einmal Halt, um mir eine Kostprobe aus der berauschenden Welt des Sports von 1949 zu gönnen.  

In der Ausgabe vom 13. Februar wurde ich unerwarteterweise belohnt. Eine Geschichte von Estes Grahams Geburtstagsparty.       

Eine dieser wilden, total abstinenten Orgien. »… wohlbewirtet und mit der gesitteten Kultiviertheit, wie wir sie nicht anders von Estes Graham erwarten… «

Es las sich wie eine kleinstädtische Theaterkritik: Die Zeremonienmeister und die Requisiteuse hatten ihre Sache wirklich gut gemacht. Am 12. Februar 1949 war Estes Graham achtundsiebzig Jahre alt geworden.

Ich kurbelte weiter. Ein richtiger kleiner Schmetterling war ich, wie ich da von Gesellschaftsseite zu Gesellschaftsseite flatterte.

Um zehn Uhr fünfunddreißig (3. Juni 1949) fand ich die Hochzeitsanzeige: »Fleur Olian Graham heiratet.« Kein langer Artikel. Kein Bild. Aber mit genauen Angaben. Die Hochzeit sollte am 6. September stattfinden. Der Glückliche war Leander Crystal aus Ames, Iowa. Anschließend Empfang bei Estes Graham in der North Meridian Street.

Was wäre da naheliegender gewesen, als sofort einen Sprung zu machen und nachzusehen, ob die Hochzeit wie geplant verlaufen war?

7. September 1949. »Die Graham-Erbin heiratet.« Diesmal mit Bild. Das war schön. Eigentlich sind mir Bilder am liebsten.

Sie kamen gerade aus der Kirche. Fleur und Leander Crystal zusammen mit Estes Graham.

Fleur stand zur Rechten ihres frisch angetrauten Ehemannes.

Mit einem kolossalen Grinsen. Eine attraktive Frau; das Haar wirkte auf dem Foto ziemlich dunkel, das Gesicht ein wenig rundlich. Aber selbst auf dem Schwarzweißfoto waren die schön geformten Lippen zu erkennen, ihr großer Pluspunkt. Ich sah mir das Bild genau an. Wahrscheinlich war ich jetzt in der Lage, sie zu identifizieren.

Leander war ungefähr so groß wie Fleur. Er stand steif neben ihr, in Armeeuniform. Es überraschte mich, daß Estes Graham nur Sergeant gewesen war, aber die mit Medaillen geschmückte Uniform stand ihm gut. Sein auffälligstes körperliches Merkmal war eine fast vollständige Kahlheit.

Estes stand rechts neben Fleur. Auf einen Stock gestützt, den Kopf leicht vornübergebeugt. Die drei Köpfe bildeten eine horizontale Linie. Er war alt und war schon alt gewesen, solange Fleur lebte, wenn das Bild nicht trog. Er trug einen Frack mit sehr langen Schößen.

Der Artikel mit dem Foto enthielt eine ausführliche Beschreibung der Hochzeit und des Empfangs, außerdem die Biographien und weiteren Pläne der Hochzeiter.

Aus den Biographien ergab sich Folgendes.

Fleur war neunzehn. Sie hatte 1946 ihren Abschluß an der Tudor Hall gemacht, einer privaten Mädchenschule in Indianapolis. Noch als Schülerin hatte sie während der letzten Phase des Krieges freiwillig in einem Lazarett mitgearbeitet und danach diese freiwillige Tätigkeit fortgesetzt.

Dann hatte sie ein Jahr lang die Schwesternschule der Butler University besucht, brach ihre Ausbildung dort jedoch ab, um zu heiraten.

Crystal, neunundzwanzig, hatte gerade an der Wirtschaftsfakultät der Butler University seinen Abschluß gemacht (cum laude). Davor Militärdienst in Europa, ausgezeichnet mit dem Silbernen Kreuz und dem Purpurnen Herzen. Vermutlich war er nach Indianapolis gekommen, weil er dort auf Staatskosten studieren konnte. Über seine beruflichen Pläne erfuhr man nichts. Vielleicht verstand sich das angesichts Estes Grahams und dessen Jahresbilanz von selbst. Das Paar würde die Nacht in Estes' Haus verbringen und dann zu einer vierwöchigen Hochzeitsreise nach Florida aufbrechen.

Als ich mir alles notiert hatte, war es fast elf Uhr und damit wieder einmal Zeit für eine Entscheidung. Sollte ich mich um einen frühen Mittagsimbiß kümmern oder weitermachen, versuchen, noch mehr Neuigkeiten aufzuspüren?

Mich überkam einer meiner seltenen Anfälle von Ehrgeiz. Ich beschloß zu bleiben.

Vom Datum der Hochzeit aus kurbelte ich weiter. Die erste Erwähnung der vertrauten Namen fand ich am 18. Oktober, in der Unterschrift eines Bildes von Leander und Fleur, die aus einem Flugzeug steigen. Braut und Bräutigam auf dem Weir Cook Airport bei ihrer Rückkehr von den Flitterwochen in Florida. Auf diesem Bild lächelten beide, zweifellos in Erinnerung an die Sonne und den Mond von Miami. Mir gefiel das Bild. Es ließ das Band zwischen Leander und seiner erwiesenermaßen auf Irrwege geratenen Frau in etwas besserem Licht erscheinen. So ein Honeymoon kann doch etwas Wunderbares sein.

Während ich mich auf das Ende des Jahres zukurbelte, ging mir auf, daß es eine etwas effizientere Art der Suche gab. Ich wußte von drei weiteren bedeutsamen Ereignissen der Familiengeschichte: Eloise' Zeugung, Eloise' Geburt und der Tod von Estes Graham.

Wenn Eloise jetzt sechzehn war, dann mußte sie 1954 oder Ende '53 geboren sein. Die Zeugung mußte weitere neun Monate zurückliegen. Und Graham war, wie Maude gesagt hatte, '53 oder '54 gestorben.

Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitzschlag! Auf der Geburtstagsfeier 1953 hatte irgendein skrupelloser Reporter Fleur mit schwarz gebranntem Schnaps betrunken gemacht und anschließend geschwängert. Leander war gerade anderweitig beschäftigt gewesen, und Fleur hatte sich zu sehr geschämt, um ihm oder ihrem Vater zu gestehen, daß sie getrunken hatte. Als sie dann später entdeckte, daß sie schwanger war, wußte niemand, daß Leander nicht der Vater war, bis Eloise darüber stolperte. Ende des Falls. Reporter können wirklich solche Lumpen sein!

Ich warf einen Blick auf die Klatschseiten vom 13. Februar 1954 und hoffte, dort etwas über die Geburtstagsfeier zu finden.

Aber ich fand nichts. Vermutlich hatte keine Feier stattgefunden. Estes war entweder bereits tot oder wenigstens krank gewesen. Oder aus Gründen, die ich nicht kannte, nicht geneigt, seinen Dreiundachtzigsten feierlich zu begehen.

Ich kurbelte zurück in die Vergangenheit, Tag für Tag.

Diesmal sah ich sowohl die Gesellschaftsseiten als auch die Nachrufe durch.

Ich kam bis zum 2. Oktober 1953, bevor ich etwas fand. Und zwar ein Bild von Fleur, Leander und Estes, wieder auf dem Weir Cook Airport. Die Crystals auf dem Weg nach Frankreich.

Kein Hinweis, wie lange sie dort bleiben wollten. Nur die Mitteilung, daß sie einige der Stätten besuchen wollten, an denen Leander im Krieg gewesen war. Und den Ort aufsuchen, wo Fleurs jüngster Bruder, Joshua, im Krieg gestorben war.

Das Bild bewies auch, daß Estes im Oktober '53 und wahrscheinlich auch an seinem Geburtstag noch gelebt hatte.

Ich wußte, warum Estes seine alljährliche Fete nicht veranstaltet hatte: Er konnte keinen vernünftigen Rausschmeißer als Ersatz für Leander bekommen.

Also mußte der alte Mann nach seinem dreiundachtzigsten Geburtstag gestorben sein. Ich kurbelte zurück in den Februar '54 und setzte die Gesellschaftsseiten-Nachrufsuche in die andere Richtung fort.

Die ganze Sache schlug mir langsam auf die Stimmung. Ich fand die Todesanzeige eines Mitschülers aus meiner Grundschulzeit. Und ich hoffte, daß Fleur und Leander zurück sein würden, bevor Estes starb.

Und um elf Uhr fünfzig wurde meine Zuversicht belohnt. 18. April 1954. Fleur und Leander waren nach ihrer langen Reise in die Vergangenheit zurück auf dem Weir Cook Airport. Ich nahm meine Finger zu Hilfe. Sie waren sechseinhalb Monate unterwegs gewesen.

Ich befand, daß es jetzt erst einmal genug sei. Ich machte Mittagspause.

Nachdem ich die Mikrofilme wieder verpackt und zurückgestellt hatte, wollte ich nichts als frische Luft und Sonnenschein. Oder besser gesagt, einfach Luft und Sonnenschein. Auf dem Weg nach draußen machte ich an einer Telefonzelle halt und rief meine eigene Nummer an. Mein Telefondienst berichtete schläfrig, daß es am ganzen Vormittag keinen einzigen Anruf für mich gegeben habe. Eine leicht deprimierende Nachricht. Die Geschäftsflaute hielt schon den neunten Tag an.

Beim Mittagessen mußte ich mich zwischen Qualität und Bequemlichkeit entscheiden. Nachdem ich mich dazu entschieden hatte, den Tag mit einer gewissen Klasse zu durchleben, konnte die Wahl nur Qualität lauten. Das bedeutete Joe's Fine Food und einen Weg von fünf Häuserblocks bis zur Ecke Vermont und Illinois.

Joe's gibt es zwar erst ein paar Jahre, aber zum Mittagessen ist es einer der besten Läden in der Stadt. Vor allem montags und dienstags, wenn mexikanische Gerichte auf der Karte stehen.

Aber selbst am Donnerstag ist es für einen qualitätsbewußten Mann gut genug.

Ich hatte das mäßige Glück, einen Thekenplatz nahe der Tür zu ergattern. Der Laden war gerammelt voll. Und es heißt schon etwas, wenn ein Restaurant mittags voll ist. Ich weiß davon ein Lied zu singen, weil meine Mutter eine Imbißstube betreibt.

Ich bestellte mir einen Cheeseburger und ein paar andere Delikatessen. Und gönnte mir einen Schluck Wasser. Dann dachte ich über die Europareise der Crystals nach. Sie waren fast sieben Monate unterwegs gewesen. Wenn Eloise jetzt sechzehn war, dann war sie sehr wahrscheinlich in Europa empfangen worden.

Diese Erkenntnis verfehlte ihre deprimierende Wirkung auf mich nicht.

Die Suche nach einem biologischen Vater ist schon schwer genug, wenn man es mit einer begrenzten Anzahl von Freunden zu tun hat, die um ein junges Mädchen herumscharwenzeln.

Aber wenn betreffendes Mädchen vor fast siebzehn Jahren während einer Reise durch Europa geschwängert wurde, steigt die Zahl der möglichen biologischen Väter auf atemberaubende Weise an.

Ich verzehrte meine Mahlzeit in stiller Resignation und mit deutlich weniger Genuß, als ich mir versprochen hatte. Wenn meine Annahme zutraf, daß Eloise in der Zeit von Mitte Juni 1954 und vielleicht Mitte Dezember geboren wurde, dann war sie an fremdem Gestade gezeugt. Und in diesem Falle schrieb man wahrscheinlich am besten einfach die Verluste ab - einen halben Arbeitstag - und schickte das Kind zu einer großen Detektei mit Verbindungen ins Ausland. Was tat ich also?   

Ich gönnte mir einen Extrakaffee.

Also gut. Etwas, das wie ein interessanter Fall aussieht, kommt durch meine Tür spaziert, mitten in einer totalen Dürreperiode, und spaziert dann wieder hinaus.

Ich nahm noch einen Kaffee. Und ließ innerlich den Kopf hängen, bis hinunter auf die Theke. Na schön. Wollen wir anderen den Tag nicht verderben. Ich hinterließ ein ordentliches Trinkgeld und trat wieder hinaus in die Herbstsonne.        

Alle Probleme sind zunächst einmal zu groß, um mit ihnen fertig zu werden. Das Wichtigste ist, sie in einzelne, lösbare Teile zu zerlegen. Die richtigen Fragen zu stellen.

Welche Fragen hatte ich bisher gestellt? Nur: »Wo war die Mutter zur Zeit der Empfängnis?«, und darauf hatte ich nicht die Antwort bekommen, die ich haben wollte.

Na toll.

Ich hatte noch nicht einmal die eigentliche Frage gestellt. Ich war nicht zu Fleur Crystal gegangen und hatte sie direkt gefragt.

Vielleicht würde sie es mir sagen. Vielleicht, wenn ich sie betörte. Oder sie hereinlegte. Es gab viele Möglichkeiten. Mir standen alle Wege offen.

Ich beschleunigte meine Schritte. Eine der Fragen, die ich stellen mußte, war, ob sich die Sache mit den Blutgruppen wirklich so verhielt, wie Eloise es dargestellt hatte.

Ich nahm mir die Mikrofilmrollen von April 1954 bis Dezember 1954 vor, und ich kurbelte unermüdlich weiter, mit mehr Biß als am Vormittag.

Am 3. Juni erfuhr ich, daß Fleur Crystal ein Kind erwartete.

Eloise' erster Auftritt. Die Geburt des Babys und Erben wurde Mitte Oktober erwartet. Ich zählte an den Fingern ab, daß der Termin für die Empfängnis dann ungefähr Mitte Januar 1954 gewesen sein mußte. Mitten im kalten französischen Winter.

Ich sprang nicht direkt bis zum Oktober vor. Ich wollte ja immer noch eine Nachricht von Estes' Tod finden. Und ich wollte auch wissen, ob es vielleicht eins dieser abartigen Rituale gegeben hatte, die man eine Babyparty nennt.

Ein Bericht darüber würde mir vielleicht die Namen von ein oder zwei hilfreichen Freundinnen verraten, mit denen ich über Fleur reden könnte.

Aber ich bekam keine Gelegenheit, mich durch eine Babyparty etwas anregen zu lassen. Den ganzen Sommer hindurch wurde von nichts dergleichen berichtet. Aber ich fand Estes Grahams Nachruf. Er starb am 2o. August 1954 an einem Herzschlag. Er hatte nicht lange genug gelebt, um seine Enkeltochter kennenzulernen.

Aus dem Nachruf erfuhr ich zum ersten Mal etwas über Fleurs Mutter. Sie war die geborene Irene Olian, Tochter eines Reverend Billy Lee Olian. Sie hatte Estes 1916 geheiratet und ihm vier Kinder geschenkt. Drei Söhne, Windom, Sellman und Joshua. Und die Tochter Fleur. Die drei Söhne waren im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Aber Irene Olian Graham war bereits 1937 verstorben. Nur Fleur, Leander und die noch nicht geborene Eloise hatten Estes überlebt.

Ich mußte an das Bild von der Hochzeit denken. Vor allem daran, daß Leander Crystal in Uniform geheiratet hatte. Crystal war der perfekte Schwiegersohn für einen Mann, dessen drei Söhne im Krieg gefallen waren. Ungefähr im passenden Alter, selbst so etwas wie ein Held - und zwar einer, der noch lebte.

Estes' Beerdigung war für den 23. August angekündigt. Ich kurbelte weiter.

Und erlebte eine Überraschung. Am Freitag, dem 27. August, fand ich unter ›Ferner liefen‹ wieder ein Bild von Fleur und Leander auf dem Weir Cook Airport. Wie es in der Bildunterschrift hieß, auf dem Weg nach New York City. Nicht glücklich. Fleur, deutlich sichtbar schwanger, in Schwarz. Kein Artikel dazu.

Keine sehr erquickliche Jahreszeit für einen New YorkAufenthalt. Sie steuerten ihre Ziele wohl grundsätzlich nicht dann an, wenn dort das Klima einigermaßen angenehm zu sein versprach. Ein französischer Winter und ein New Yorker Sommer.

Mir fiel dazu nur ein, daß es bei Fleurs Schwangerschaft Komplikationen gegeben haben mußte. Also flogen sie nach New York, damit sie dort das Kind zur Welt bringen konnte.

Im Star vom 27. August bis zum 31. Oktober 1954 wurde Eloise' Geburt nicht erwähnt. Das ließ mich für einen Augenblick stutzen. Aber dann beschloß ich, mir New York vorzunehmen. Ich holte mir die Mikrofilme der New York Times und setzte meine Suche fort.

Schließlich fand ich sie. Eine Tochter, Eloise Graham Crystal, geboren am 1. November 1954. Eltern Leander und Fleur Crystal aus Indianapolis, Indiana.

Ich mußte lachen. Gestern hatten wir den 14. Oktober 1970 gehabt. Ich hatte also eine fünfzehnjährige Klientin, keine sechzehnjährige. Sie hatte ein paar Tage dazugemogelt. Armes Ding.

Klar, in manchen Staaten bedeuten diese paar Tage einen gewaltigen Unterschied.

Ich wandte mich wieder dem Star zu. Und fand unter dem Datum des 16. November ein Bild der Familie Crystal bei ihrer Ankunft in Indianapolis. Eloise' erste Bekanntschaft mit Indianapolis. Der Flughafenfotograf war auf Draht gewesen. Er hatte die Namen der Flugplatzreservierungen und die Fluglisten der hereinkommenden Flüge gründlich durchforstet und mir damit zu einigen Bildern verholfen, für die ich dankbar war.

Nach dem 16. November fand ich nur noch eine interessante Sache.

30. Dezember 1954. Meldung über die gerichtliche Bestätigung von Estes' Testament. Sein Vermögen belief sich auf ungefähr zwölf Millionen. Ganz nettes Sümmchen.

Damit ließ ich es gut sein. Es ging auf drei zu. Ich erwartete Eloise Crystal und mußte noch einen Telefonanruf erledigen, bevor ich sie traf. Ich packte die Mikrofilme zusammen, sammelte meine Notizen ein und machte mich munter auf den Heimweg.