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Noch bevor ich mein Abendessen beendet hatte, war ich zu dem Schluß gelangt, daß es eine ganze Reihe von Wegen gab, die ich beschreiten konnte.

Mrs. Forebush schien der direkteste zu sein, falls sie bereit war, mit mir zu sprechen. Aber auch andere Ansätze waren denkbar.

Ich konnte zum Beispiel versuchen, an der Fakultät für Krankenpflege der Butler University alte Freunde oder Lehrer von Fleur ausfindig zu machen. Um die Sache von hinten aufzurollen, von ihrer Collegezeit her, statt umgekehrt. War aber die Zeit an der Schwesternschule wirklich so wichtig gewesen für Fleur Crystal?

Ich konnte auch bei Eloise' Hauptproblem ansetzen.

Schließlich focht ich ihren Kampf aus, ohne zu wissen ob ihre Bestimmung der Blutgruppen wirklich zutreffend war.

Vielleicht wäre es das beste, sich einen weißen Arztkittel zu beschaffen und bei den Crystals zu schellen. »Würden Sie alle bitte ein wenig Blut in diese Röhrchen geben?«

Aber das würde nicht funktionieren. Eloise würde kichern und meine Verkleidung auffliegen lassen. Möglicherweise erfuhr ich aber etwas, wenn ich mit ihrem Lehrer redete, diesem Mr. Shubert, bei dem sie die Laborarbeit gemacht hatte.

Vielleicht würde sich auch Dr. Fishman als hilfreich erweisen; nach Fleurs Fehlgeburt mußte er eigentlich ihre Blutgruppe kennen. Bestimmt wußte er auch sonst so allerhand über die Crystals.

Ich könnte auch einfach hingehen und Fleur Crystal aufsuchen. Das könnte Spaß bringen. Ich wollte schon immer mal den Elefanten im Porzellanladen spielen.

Dann wäre da noch das grundsätzliche Problem, wie ich mir bei den verschiedenen Adressen Zugang verschaffen sollte, aber das würde nach sieben Jahren in meinem Geschäft wohl kein allzu großes Hindernis sein.

Ich rief Maude Simmons an. Für zehn Dollar erhielt ich ihre Erlaubnis, meinen Gesprächspartnern zu sagen, daß ich für den Star an einer Hintergrundgeschichte über die Crystals arbeitete.

Falls sie angerufen wurde, um die Sache zu bestätigen, noch einmal zehn Dollar.

Ich beschloß, es zuerst mit Mrs. Forebush zu versuchen. Da ich versäumt hatte, mir von Eloise Mrs. Forebushs Vornamen geben zu lassen, mußte ich im Telefonbuch zunächst einmal suchen. Zwei der dort aufgeführten Forebushs trugen einen weiblichen Vornamen. Ich versuchte es zuerst mit ›Anne Marie‹, also konservativ. Sie stand ganz oben in der alphabetisch sortierten Liste.

Ein Mann war am Apparat. »Forebush.«

Ich fragte nach Anne Marie. »Ach, Kumpel, das tut mir leid.

Sie kann nicht ans Telefon kommen, sie füttert gerade das Baby.

Aber wenn es ums Maschineschreiben geht, kann ich Ihnen auch weiterhelfen. Sie versteht wirklich was davon. Ist echt spitze.

Sie schafft es, daß ein paar Worte nach viel aussehen oder eine Menge Worte nach wenig. Sie war Sekretärin, bevor das Baby kam, und sie ist wirklich gut.«

Das wollte ich nicht bezweifeln, aber trotzdem war sie die falsche Forebush.

Ein Mann, der viel allein ist, weiß um die Bedeutung unbedeutender Vorfälle. Ich hatte mich zuerst für die falsche Forebush entschieden. Das sollte mir Warnung genug sein, sagte ich mir. Das Vorgehen nach dem Alphabet führt direkt in den Abgrund.

Florence Forebush, 413 East Fiftieth Street, Humboldt 5-8234 - das mußte die richtige Mrs. Forebush sein.

Ein Telefonanruf - die Methode, um mit geringstem Aufwand die größten Hürden zu nehmen.

»… und ich habe mich gefragt, ob Sie mir vielleicht bei dieser Geschichte weiterhelfen könnten, indem Sie von Ihren letzten Jahren bei Ihrem ehemaligen Arbeitgeber Estes Graham erzählen.«   

»Estes?« Ihre Stimme war so munter und hell wie das Leben selbst. »Doch, das wäre sehr nett.«

»Würde Ihnen morgen passen?«

»Lassen Sie mich überlegen. Morgen ist Freitag. Mir würde es jederzeit zwischen dem Frühstücksfernsehen und dem Film um halb fünf passen. Wäre Ihnen zwei Uhr recht?«

Das gab mir einen Vormittag für weitere Pläne. Aus der breiten Palette der Möglichkeiten zog ich den Lehrer Shubert, Dr. Fishman und die Schwesternschule in Betracht. Ich legte mich auf Fishman fest, weil er Informationen über mehr als nur eine der Beteiligten besitzen sollte.        

Die unter Dr. Wilmer Fishman Jr. angeführte Privat- und Praxisnummer war ein und dieselbe. Ich geriet an einen Anrufbeantworter, der mich anwies, meine Botschaft nach dem Pfeifton aufzusagen. Statt mich daran zu halten, hängte ich in leicht dümmlicher Verlegenheit auf. Ich hatte, ohne weiter darüber nachzudenken, erwartet, denMann direkt an die Strippe zu bekommen. Alles andere machte die Sache irgendwie schwierig.

Man schafft sich seine Probleme selbst. Ich versetzte mir einen Schlag auf die Wange - wieder typisch für einen alleinlebenden Mann. Dann rief ich noch einmal Fishmans Nummer an.

Ich hinterließ nach dem Pfeifton eine Nachricht. Das heißt, Pfeifton ist untertrieben. Boing! Das klang fast so wie Froggie's E-Gitarre in der alten Buster Brown Show. Ich bat um eine Unterredung wegen einer Familie, die bei ihm in Behandlung war.

Wenn möglich, morgen, am Freitag, vor ein Uhr. Dann fügte ich noch meinen Namen und meine Telefonnummer hinzu und hängte ein.

Ich saß vorm Telefon und dachte kurz darüber nach, daß meine Pläne von vielen Zufällen abhängig waren. Aber das ging in Ordnung. Wenn er mit mir redete, würde mir das vielleicht weiterhelfen. Und wenn ich dann noch Zeit erübrigen konnte, wollte ich unangemeldet zur Central High School oder zur Schwesternschule an der Butler University gehen. Wenn er mich nicht empfangen wollte, konnte ich beides schaffen. Sehr effizient. Sehr professio nell. Ich lief wie eine gut geschmierte Maschine. Hmmmm.

Ich summte.

Ich hörte auf zu summen, und zum dritten Mal wurde mir klar, daß ich meine Lebendigkeit einfach abgeschaltet hatte.

Zuviel allein, in der Früh und am Abend, zuwenig Zeugung und Begattung.

Ich telefonierte noch einmal. Mit meiner Flamme. Wir gingen auf einen Drink aus. Und dann gingen wir noch auf einen Drink zu ihr rein.