Wie schaffe ich es, Dinge zu schaffen?
Eine Frage, die auch Trapani immer wieder umtreibt, ist das richtige Verhältnis von Ablenkung und Konzentration. Wie viel Zeit brauchen wir, um produktiv und kreativ zu sein? Um jene Dinge zu verfolgen, die uns wirklich wichtig sind? Und was müssen wir aufgeben, einschränken oder abschaffen, um die Ressourcen zu haben, etwas Neues zu schaffen? Das sind Themen, über die ich immer wieder nachdenke. Zwei Wochen nahezu ohne Internet-Zugang in der einsamen italienischen Maremma haben zum Beispiel meinen Ideen-Akku letztes Jahr eindeutig gut aufgeladen.
Aber die Frage ist ja: Brauchen wir eher viel Kommunikation und Input, um auf neue Gedanken zu kommen? Oder brauchen wir vor allem: Ruhe, vielleicht sogar Einsamkeit? So wie Anfang des Jahres, als ich auf Island war. Sehr einsam und sehr schön. Kein Wunder, dass dort tolle Bands, Künstler und Designer herkommen. Über den Zusammenhang von Kreativität, Austausch und Kontemplation habe ich in meinem letzten Buch einige spannende Studien zitiert, aber die Sache ist für mich immer noch nicht ganz geklärt.
Nehmen wir den Micro-Blogging-Dienst Twitter. Anfangs war ich, so wie viele, skeptisch: Geplapper? Zeitverschwendung? Noch ein Input-Kanal, den ich verarbeiten muss? Inzwischen vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht mindestens einen „Tweet“ absetze. Jeder Morgen beginnt bei mir an der Espressomaschine mit dem Check, was jene Menschen, denen ich „folge“, über Nacht getwittert haben. Natürlich habe ich längst auch eine Facebook-Seite, und zumindest für eine Weile habe ich meine Twitter-Nachrichten dort ebenfalls als Statusmeldung veröffentlicht.
Klingt schrecklich unkonzentriert und zeitaufwendig? Ja und nein. Einerseits hat so ein Tweet ja maximal 140 Zeichen, ist also schnell formuliert. Und ich habe inzwischen mehr als 500 „Follower“, die offenbar wirklich interessiert, was ich da absondere. Und der „soziale Filter“ jener Menschen, von denen ich mir gern neue Themen empfehlen lasse, reduziert in der Tat auch Komplexität: Wenn eine Nachricht für mich wichtig ist, wird sie mich finden, wie Wired-Chefredakteur Chris Anderson zu Recht sagt. Andererseits ist all diese ungezielte Onlinekommunikation im Grunde das Gegenteil effizienter Produktivitätsoptimierung. Wer Dinge schaffen will, egal, ob ein Buch, einen Song oder einen Businessplan, muss – es hilft alles nichts – die permanente Erreichbarkeit und die ständige Ablenkung eindämmen. Und zwar nicht nur diejenige durch Job, Kollegen und Chefs. Sondern auch durch Freunde, „Friends”, Kontakte, andere Twitterer und eigene „Follower”.
Die Position vertritt vehement Merlin Mann. Er kämpft heldenhaft gegen die allgegenwärtige Versuchung, sich ablenken zu lassen, beschäftigt zu tun, aber nichts Produktives oder Kreatives zu schaffen. Gegen den Irrsinn, effizienter werden zu wollen, indem man Websites über Effizienz liest und ständig neue „Effizienztools“ auf seinem Rechner installiert: „Einer Facebook-Gruppe über kreative Produktivität beizutreten ist so, als würde man einen Stuhl kaufen, um zu joggen.“
Der moderne Mensch, so sagt er gern, ist wie der Mitarbeiter eines Sandwich-Ladens, der lauter Bestellungen entgegennimmt, diese auf Zettel schreibt und die Zettel dann in immer neuen Reihenfolgen sortiert, immer wieder überlegt, wie man all diese Aufträge am effektivsten abarbeiten könnte – aber vor lauter Sortieren und Planen nie dazu kommt, die Brote zu belegen. „Don’t just take orders, make sandwiches“, lautet Manns Ratschlag, der natürlich in übertragenem Sinn zu verstehen ist.
Die aktuelle Herausforderung für jeden von uns – ob Künstler, Arbeiter, Anführer oder Laie – ist es nach seiner Ansicht, herauszufinden, wo die Grenze verläuft, ab der Kommunikation und Ablenkung uns daran hindern, unsere wirklich wichtigen Projekte zu verfolgen. Und dann diese Grenze auf effektive, pragmatische, deutliche und zivilisierte Weise zu kommunizieren. Wir müssen unsere Zeit mit „Brandschutzmauern umgeben, um Dinge machen zu können“, so Mann: „Hier ist mein einziger Profitipp für Sie: Sobald Sie es geschafft haben, Ihre Zeit zurückzustehlen und Ihre Aufmerksamkeit in den Griff bekommen haben, nutzen Sie beides, indem Sie fantastische Dinge machen, an denen jeder, den Sie begeistern wollen, Gefallen findet. Schmeißen Sie eine große Party für die Welt und geben Sie damit an, was Sie alles schaffen können, sobald Sie aufhören, zwanghaft für ein Publikum zu schreiben, das aus je nur einer Person besteht. Lassen Sie Ihre großartige Seite raus, damit wir alle sie sehen können.“