10. Oktober 2010. Ich komme in einem Krankenwagen langsam zu Bewusstsein und bin vollkommen verwirrt. Wo bin ich? Was ist passiert? Zwei Krankenschwestern streiten sich. Ich nehme nur ihren gereizten Ton wahr, was sie fragen, verstehe ich nicht. Sie sprechen italienisch miteinander.
Eine große Sauerstoffmaske bedeckt mein Gesicht. Ich liege auf dem Rücken, fühle mich wie gelähmt vor Schwäche. Nicht mal meinen Arm kann ich heben, ich habe nicht die Kraft dazu. Dann kommen die Schmerzen.
Später erfahre ich, dass meine Lunge fast zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Kein Wunder, dass ich so schwach war. Das viele Wasser in der Lunge hat mich auch im Kampf ums Überleben bewusstlos gemacht.
Im Kampf ums Überleben … allmählich kommt die Erinnerung zurück. Ich bin mit meinem heutigen Mann Max auf Sardinien im Urlaub. Wir sind nach einem Unwetter, als die Sonne wieder herauskam, schwimmen gegangen, gar nicht weit vom Ufer weg, und in eine tückische Strömung geraten. Eine gefühlte Ewigkeit – tatsächlich waren es wohl etwa dreißig Minuten – kamen wir nicht mehr vom Fleck, sosehr wir auch kämpften. Für mich war es nicht nur ein Kampf gegen die Strömung und die Wellen, sondern ein Kampf gegen den Tod. Ich hatte viel um Hilfe geschrien, was mich sehr viel Kraft gekostet hatte. Und ich hatte sehr viel Wasser geschluckt. Irgendwann war ich wie gelähmt, gab auf und wurde bewusstlos. Ich hatte losgelassen, ich war mir sicher, ich würde sterben. Mein Körper hörte auf zu funktionieren, anders kann ich das, was da passierte, nicht beschreiben. Max kämpfte genauso wie ich, und obwohl er wesentlich größer und stärker ist als ich, kam er gegen die Strömung ebenfalls nicht an. Warum er in dieser Situation auf einmal an seinen Professor für technische Mechanik und die Vektorrechnung gedacht hat, weiß er bis heute nicht. Aber genau das tat er, und damit fand er tatsächlich einen Ausweg aus der Strömung. Er packte mich an der Hand, sagte zu mir: »Wir müssen seitwärts schwimmen«, und zog mich mit sich. Ich war schon fast komplett weggetreten, aber ihm gelang es tatsächlich, Boden unter die Füße zu bekommen, sodass er mich aus der Strömung befreien konnte.
Er hat mir damit das Leben gerettet.
Ich war damals vierundzwanzig Jahre alt und seit fast zwei Jahren mit Max zusammen. Mein Studium der Betriebswirtschaft (Marketing) hatte ich gerade beendet, neben dem Reiten leitete ich unser Sportstudio. Von außen betrachtet sah mein Leben ziemlich perfekt aus. In Wirklichkeit jedoch war ich nicht glücklich, zumindest nicht mit mir selbst. Ich war sehr unsicher, wollte immer allen gefallen, es allen recht machen. Mein Ego strebte nach Anerkennung, die ich mir selbst nicht geben konnte. Und mein reiterliches Selbstwertgefühl war sehr klein.
Irgendwann hielt der Notarztwagen vor einem Krankenhaus. Ich wurde hineingefahren, geröntgt, ein EKG wurde gemacht. Die Krankenschwestern waren sehr freundlich und liebevoll, aber gegen meine unglaublichen Schmerzen unternahmen sie nichts. Sie wussten ja nichts davon, ich war immer noch viel zu schwach, um mich bemerkbar zu machen. Wie sich später herausstellen sollte, hatte ich noch drei Tage lang innere Blutungen. Meine Blutwerte glichen denen nach einem schweren Herzinfarkt.
Ohne dass ich von all dem etwas wusste, wurde im Hintergrund fieberhaft gearbeitet. Meine Eltern setzten alle Hebel in Bewegung, um mich mit einem Rettungsflugzeug nach Deutschland zu holen. Die gesamte nächste Woche verbrachte ich im Klinikum Rosenheim auf der Intensivstation.
Doch nicht nur Ärzte und Pflegekräfte arbeiteten daran, mich ins Leben zurückzuholen. Heute, rückblickend, kann ich nur über meinen eigenen Körper staunen. Er arbeitete wie ein Wunderwerk an seiner eigenen Heilung. Am dritten Tag in Rosenheim war der Hämoglobinwert immer noch nicht stabil – ein Organ blutete wohl noch. Ein Operationstermin wurde angesetzt, doch etwa zwei Stunden vor dieser »Bauchöffnung« war der Wert wieder stabil. Ich musste nicht operiert werden.
Von diesem Tag an dauerte es noch eine ganze Weile, bis ich ganz wiederhergestellt war. Aber ich wurde gesund.
Diese Nahtoderfahrung hat mich verändert. Heute bin ich davon überzeugt, dass es eine Veränderung zum Positiven war. Denn es war der Beginn meiner Reise zu mir selbst.
Diese Nahtoderfahrung hat mich verändert. Heute bin ich davon überzeugt, dass es eine Veränderung zum Positiven war. Denn es war der Beginn meiner Reise zu mir selbst.
Noch im Krankenhaus fing ich an, Bücher über den Weg der Selbstfindung und Spiritualität zu lesen. Wenige Monate später lernte ich über einen guten Bekannten den Coach Holger Fischer kennen. Er hat mich auf meinem Weg intensiv begleitet und hilft mir bis heute regelmäßig, mich zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Er hat mir geholfen, viele alte Themen und blockierende Glaubenssätze aufzulösen, mich selbst mehr zu öffnen und zu meinen Ängsten zu stehen. Vor allem aber hat er mir geholfen, mich selbst wieder mehr zu lieben.
Meine erste Frage an mich selbst war damals: Warum ist das passiert? Ich war immer eine Grenzgängerin gewesen, hatte auf dem Vulkan getanzt, gearbeitet bis zur totalen Erschöpfung. Wenn mein Körper nicht mehr konnte, wurde er krank und holte sich so die Pause, die er unbedingt brauchte. Einfach, weil ich sie ihm sonst nicht gegönnt hätte.
Meine zweite Frage an mich selbst lautete: Wer bin ich eigentlich, und warum bin ich hier? Bis heute bin ich fasziniert davon, wie wir jeden Tag neu wählen können, wer und wie wir sein wollen. Und wie wir mit unserer Vergangenheit umgehen möchten. Denn eines habe ich gelernt: »Du siehst die Welt nicht, wie sie ist. Du siehst die Welt, wie du bist.« Deshalb frage ich mich das immer wieder: Wer bin ich eigentlich, und warum bin ich hier?
Bis heute bin ich fasziniert davon, wie wir jeden Tag neu wählen können, wer und wie wir sein wollen. Und wie wir mit unserer Vergangenheit umgehen möchten. Denn eines habe ich gelernt: »Du siehst die Welt nicht, wie sie ist. Du siehst die Welt, wie du bist.«
Jeder von uns trägt einen Rucksack an Erfahrungen mit sich herum. Jeder von uns hat in der Vergangenheit Erlebnisse gehabt, die er lieber nicht gehabt hätte. Beinahe hätte ich geschrieben: Jeder von uns hat Erlebnisse gehabt, auf die er gut hätte verzichten können. Aber so ist es eben nicht! Wir können nicht darauf verzichten, wir brauchen diese Erfahrungen, um daran zu wachsen.
Die entscheidende Frage für mich ist: Wie gehe ich heute mit den Erfahrungen meiner Vergangenheit um? Ich kann selbst über meinen Umgang mit der Vergangenheit entscheiden. Ich kann mich jeden Tag neu dafür entscheiden, glücklich zu sein und immer mehr zu dem Menschen werden, der ich bin – und sein möchte.
Dies und einiges mehr ist mir in den letzten Jahren immer stärker bewusst geworden. Ich werde häufig gefragt, warum ich immer so glücklich wirke und lache. Das ist mir viel zu eindimensional. Ich bin nicht immer nur glücklich, und es gibt viele Momente, in denen ich eindeutig nicht lache. Aber es stimmt, ich bin ein sehr dankbarer und positiver Mensch. Und eines habe ich wirklich gelernt: Glücklichsein ist eine Lebenseinstellung.
Und so verrückt das klingt: Diese Entwicklung hat begonnen, als mein Leben buchstäblich auf Messers Schneide stand. Die kurze Begegnung mit dem Tod hat mich sehr geprägt.
Von dort aus ist es ganz logisch und natürlich weitergegangen. Ich habe begriffen: Wenn ich positiv bin und gut mit den Menschen und Tieren in meiner Umgebung umgehe, ziehe ich noch mehr Positives in mein Leben. So wie ich aussende, so empfange ich.
Ich würde heute wohl ein völlig anderes Leben führen, wenn ich eine pessimistische Grundeinstellung hätte. Mein Optimismus, die Liebe, mit der ich Dinge anpacke, der Glaube an meine Pferde und die Menschen um mich herum – all das kann zusammengenommen Großes bewirken. Ich bin mir auch sicher, dass wir in Aubenhausen Mitarbeiter »anziehen«, die auf einer ähnlichen Frequenz schwingen wie wir. Sie alle teilen mit meiner Familie und mir die tiefe Liebe und Freude, mit Tieren zusammen zu sein.