Respekt für alle Lebewesen

Ich habe jeden Tag mit Tieren zu tun, und ich liebe Tiere, seit ich ein kleines Mädchen war.

Für mich gehen der Spitzensport und die Liebe zum Pferd Hand in Hand. Wir beweisen in Aubenhausen jeden Tag aufs Neue, dass diese Verbindung möglich ist. Unseren Pferden geht es richtig gut, ihr Wohlergehen steht über allem, auf sämtlichen Ebenen. Und wir zeigen das auf öffentlichen Veranstaltungen und über unsere Social-Media-Kanäle, weil wir andere mit unserer Begeisterung und Überzeugung anstecken wollen. Jedes Mal, wenn mir jemand nach unserem regelmäßigen Tag der offenen Tür »Aubenhausen LIVE« sagt: »So wie ihr machen wir das jetzt auch«, freue ich mich sehr. Wir nehmen die Verantwortung, als gutes Beispiel voranzugehen, sehr ernst.

Diese Verantwortung fühle ich schon seit meiner Kindheit. Damals kamen bei uns zu Hause noch wie selbstverständlich Fleisch und Wurst auf den Tisch. Und natürlich war mir nicht bewusst, worum es sich dabei handelte. Ich mochte Fleisch, und wenn wir zum Einkaufen gingen, stand ich immer mit vorne an der Theke und nahm fröhlich mein Scheibchen Wurst von der Verkäuferin entgegen. Irgendwann, da war ich wohl erst vier Jahre alt, habe ich meine Mutter ahnungslos gefragt – die Scheibe Wurst locker in der Hand –, was »das hier« eigentlich sei. Ich bin meiner Mutter heute noch ungeheuer dankbar für ihre ehrliche Antwort. »Das ist ein Stück vom Schwein«, sagte sie. Als ich mir das bildhaft vorstellte, war Schluss. Mir wurde regelrecht übel, und von dem Moment an war klar, dass ich so etwas nie wieder essen würde. Ich legte die Scheibe Wurst zurück auf den Teller und habe tatsächlich ab diesem Zeitpunkt nie wieder Fleisch gegessen.

Mein Bruder zog wenige Jahre später nach, und meine Mutter hat uns in dieser Hinsicht nie bedrängt. Im Gegenteil, sie hatte selbst zwei Jahre zuvor aufgehört, Fleisch zu essen, und sie hat mich in meiner Entscheidung unterstützt, aber nie dazu gedrängt.

So gehöre ich zu der wachsenden Zahl von Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren.

So gehöre ich zu der wachsenden Zahl von Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren. Das geht quer durch alle Sportarten, vom Fußball bis zur Leichtathletik, vom Tennis bis zum Motorsport. Selbst bei den Schwerathleten und Kampfsportlern ist dieser Trend mittlerweile angekommen. Und dass das kein »neumodischer Kram« ist, sieht man am Beispiel der finnischen Läuferlegende Paavo Nurmi, der vor genau hundert Jahren seine erste olympische Goldmedaille gewann. Nurmi galt damals als Exot, weil er sich fleischlos ernährte – heute gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien, die ihm recht geben. Und unsere Leistungsfähigkeit stellen wir nicht nur jeden Tag im Training unter Beweis, sondern auch bei jedem Wettkampf.

Du bist, was du isst

Aber die körperliche Leistungsfähigkeit ist nur ein Nebenaspekt. Eigentlich geht es mir um etwas anderes. Um es ganz klar auf den Punkt zu bringen: Ich halte das Leid und die Qualen, die so vielen Tieren für die Produktion von Fleisch zugefügt werden, nicht aus. Dass Tiere so leiden müssen für den Überkonsum von Fleisch, empfinde ich als unerträglich. Ich kann es nicht hinnehmen, wie die meisten Rinder und Schweine gehalten werden. Ich ertrage auch den Gedanken nicht, dass man den Kühen zuerst die Kälbchen wegreißt und ihnen dann noch die Milch wegnimmt, die eigentlich für ihre »Babys« gedacht ist.

Dass Tiere so leiden müssen für den Überkonsum von Fleisch, empfinde ich als unerträglich.

Ich bin die Letzte, die anderen vorschreiben will, ob sie Fleisch essen oder nicht. Das muss jeder selbst für sich entscheiden. Trotzdem wundere ich mich, wie wenig wir Menschen darüber nachdenken, was wir tun, wenn wir Fleisch essen und Milch trinken. Ich glaube, wenn jeder das Tier, das er isst, mit seinen eigenen Händen umbringen müsste, würde es sehr viel mehr Vegetarier und Veganer geben. Die Gedankenlosigkeit der Menschen macht die quälende Massentierhaltung erst möglich, die nur einen Zweck hat: eine möglichst billige Produktion von möglichst viel Fleisch und Milchprodukten.

Für Eier gilt das nicht minder. Ich mache mich trotz aller Freundlichkeit, mit der ich an das Thema herangehe, sicher nicht beliebt, wenn ich in einer Gaststätte oder einem Hotel danach frage, welches die erste Zahl ist, die auf den Eiern gedruckt war (beim Kochen verschwindet der Aufdruck ja). Es geht mir darum, die Menschen für die Haltungsbedingungen der Hühner zu sensibilisieren, denn diese Bedingungen sind aus der ersten Zahl nach der Landeskennzeichnung ersichtlich. Es ist ganz einfach: DE steht beispielsweise für die Herkunft in Deutschland, 0 steht für Bio, 1 für Freilandhaltung, 2 für Bodenhaltung, 3 für Käfighaltung. Eier mit dem Aufdruck 2 oder 3 akzeptiere ich schon lange nicht mehr, und ich wünsche mir wirklich, dass in Hotels und Gaststätten mehr darauf geachtet wird. Die ersten Male, als ich danach gefragt habe, war das meinem Mann noch unangenehm. Inzwischen findet er es auch richtig und wartet schon darauf, dass ich frage.

 

Wir sprechen hier nicht nur von schlimmen Bedingungen in der Tierhaltung. Genauso beklagenswert sind die quälenden Transporte quer durch Europa und darüber hinaus und die alles Leben verachtenden Verhältnisse auf vielen Schlachthöfen. Wer es sehen will, hat es hundert Mal im Fernsehen sehen können: Die Lkws mit den Tieren, die tagelang ohne Wasser herumgefahren werden, die Schiffe mit den brüllenden Rindern, die totgetrampelten Lämmer, die geschredderten Küken und die ohne Betäubung kastrierten Ferkel. Und Menschen, die immer mehr verrohen, wenn sie mit all dem ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Wir sehen es, doch es verändert sich nichts oder zu wenig. Für mich ist das nur schwer zu ertragen, schließlich arbeite ich jeden Tag mit Tieren und sehe sie als meine Freunde.

Ja, es gibt artgerechte Tierhaltung. Es gibt die bäuerlichen Landwirtschaftsbetriebe, in denen die Tiere gut behandelt werden, in denen Kühe und Kälber zusammenleben dürfen – zum Glück! Gleich bei uns um die Ecke ist so ein Bauernhof: Die Tiere dürfen auf die Wiese, die Hühner laufen frei herum, und auch die Kälbchen dürfen anfangs noch bei ihrer Mutter bleiben. Ich freue mich über alle landwirtschaftlichen Betriebe, in denen die Tiere gut behandelt werden.

Doch diese Betriebe könnten den Überkonsum von Fleisch bei Weitem nicht decken.

Ich möchte den hilflosen, gequälten Tieren eine Stimme geben. Ich möchte mich mit so vielen Menschen wie möglich zusammentun, denn ich weiß, wir alle, jeder Einzelne von uns, haben Einfluss.

Ich möchte den hilflosen, gequälten Tieren eine Stimme geben. Ich möchte mich mit so vielen Menschen wie möglich zusammentun, denn ich weiß, wir alle, jeder Einzelne von uns, haben Einfluss. Jeder von uns kann hier und heute entscheiden, etwas zu unternehmen. Jeder ist selbst verantwortlich für das, was auf seinem Teller ist. Also kann auch jeder etwas tun.

Zu Hause anfangen

Für mich heißt das in meiner täglichen Arbeit: Ich möchte mit glücklichen Pferden arbeiten. Und ich setze alles daran, dass es ihnen gut geht und dass sie glücklich sind. Dafür die optimalen Bedingungen zu schaffen, daran arbeiten wir hier täglich. Erfolg auf Kosten des Glücklichseins meiner Pferde kommt für mich nicht infrage. Zumal sich beides wunderbar vereinen lässt.

Erfolg auf Kosten des Glücklichseins meiner Pferde kommt für mich nicht infrage. Zumal sich beides wunderbar vereinen lässt.

Manchmal sage ich, nur halb im Scherz: Ich will nicht nur Reiterin sein, sondern, zumindest auf diesem Gebiet, auch eine Vorreiterin.

Aber auch das ist leichter gesagt als getan. Denn wann geht es meinem Pferd gut? Und woran kann ich erkennen, ob es glücklich ist? Ich sage: Ein Pferd ist glücklich, wenn es ein schönes Pferdeleben führen kann. Und nein, das heißt für mich nicht, die Pferde in Ruhe zu lassen und in einer möglichst großen Herde auf die Weide zu stellen, ohne intensiven Kontakt zu Menschen.

Grundsätzliche Kritiker und Gegner des Reitsports sagen: »Ein glückliches Pferd ist kein Reitpferd.« Und umgekehrt: »Ein Reitpferd oder Sportpferd kann kein glückliches Pferd sein.« Ich bin da anderer Meinung, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Die Pferde haben mir gezeigt, dass sie anders darüber denken. Sie lieben den engen Kontakt zum Menschen, sie lieben die Anerkennung und Wertschätzung, die sie von uns Menschen bekommen. In dieser Hinsicht ähneln sie den Hunden, und das ist kein Wunder, denn auch das Pferd lebt schon seit Tausenden von Jahren in einer engen Verbindung zum Menschen.

Neuere Studien von Forschern aus Italien bestätigen meine Erfahrungen. Sie haben die enge Verbindung zwischen Mensch und Pferd erforscht und die feinen körpersprachlichen Zeichen der Zuneigung, die Pferde uns schenken, untersucht. Mit »Zuneigung« ist gemeint: Das Pferd hat eine positive Einstellung nicht nur zu Menschen allgemein, sondern zu einem bestimmten, einzelnen Menschen. Es vertraut ihm und assoziiert angenehme Gefühle mit ihm. All das kann ich an der Körpersprache des Tieres erkennen. Ich muss nur aufmerksam hinschauen und hinspüren.

Hinschauen und hinspüren dürfen wir übrigens auch, um festzustellen, ob ein bestimmtes Pferd und ein bestimmter Mensch zusammenpassen. Es gibt Paarungen, die sind geradezu ideal, bis hin zu so etwas wie »Liebe auf den ersten Blick«. Da passt einfach alles. Es gibt aber auch Paarungen, die passen überhaupt nicht. Dass Mensch und Pferd einfach nicht miteinander können, das kommt durchaus vor.

Ich »kann« mit sehr verschiedenen Pferdetypen, ja vielleicht ist es auch eine meiner Gaben, mich sehr schnell auf verschiedene Pferdetypen einzustellen. Die Individualität von Pferden macht einen großen Teil ihrer Faszination für mich aus. Im konkreten alltäglichen Umgang mit ihnen besteht die Herausforderung für mich dann darin, den richtigen Zugang zu dem jeweiligen Pferd zu finden und es mit meiner Aufmerksamkeit und Hingabe für mich zu gewinnen.

Wer länger mit Pferden arbeitet, weiß, dass sie sich auch nach Monaten und Jahren noch an »ihre Menschen« und deren Stimme erinnern. Sie gehen auf Menschen, die sie kennen, vertrauensvoll zu, und sie erkennen, ob jemand »Pferdeverstand« hat oder nicht: Die meisten Pferde sind in der Gegenwart von Reitern entspannter als in der Nähe von Menschen, die sonst nichts mit Pferden zu tun haben und ihre Körpersprache nicht kennen oder verstehen.

Wenn ein Pferd gern in meiner Nähe ist, weiß ich, alles ist gut.

»Nähe« ist in diesem Zusammenhang der entscheidende Begriff. Wenn ein Pferd gern in meiner Nähe ist, weiß ich, alles ist gut. Deshalb schmusen wir auch so viel mit unseren Pferden. Und wir erleben immer wieder, dass Pferde, die neu zu uns kommen und sich ein wenig eingelebt haben, zu richtigen »Schmusepferden« werden. Darüber freue ich mich sehr, denn das ist eine positive Rückmeldung, die mir sagt, dass wir (und damit meine ich mein Team und mich) mit diesem Pferd auf dem richtigen Weg sind.

Die Nähe zu Menschen, die es gut mit ihnen meinen, ist Pferden also ähnlich wichtig wie Hunden. Hunde macht man ja auch nicht glücklich, wenn man sie mit vielen anderen Hunden in ein Gehege sperrt und ihnen jeglichen Kontakt zu Menschen verwehrt.

Wahrscheinlich ist die Offenstallhaltung in Kombination mit der Verbindung zum Menschen im Großen und Ganzen und aus Pferdeaugen gesehen die schönste Haltungsform. Aber es ist nicht überall möglich, Pferde in Herden zu halten. Vor allem mit den Hengsten wäre das in den meisten Fällen viel zu gefährlich. Letztlich müssen wir gerade bei den Sportpferden Arbeit und Freizeit trennen. Unsere Zuchtstuten leben in einer Herde, aber sie gehen eben auch nicht mehr im Sport.

Und dann ist noch zu bedenken, dass Pferde, die ja Fluchttiere sind, vor allem dann mit Kontakt entspannt umgehen (das gilt für den Kontakt zum Menschen ebenso wie für den zu anderen Pferden), wenn sie selbst über Nähe und Distanz entscheiden können. Bei uns stehen auch mal zwei oder drei Sportpferde gemeinsam auf der Weide, aber das ist nicht »jederpferds« Sache. Zaire beispielsweise kann es überhaupt nicht leiden, wenn sie ihre Koppel mit einem anderen Pferd teilen muss. Lediglich unsere Mini-Shetlandponys Resi und Rosi werden geduldet.

Auf die Weide sollte aber jedes Sportpferd, davon bin ich absolut überzeugt. Am besten ganzjährig und täglich, sofern es die Bodenverhältnisse irgendwie zulassen. Seit vielen Jahren ermögliche ich meinen vierbeinigen Sportpartnern den täglichen Auslauf auf der Weide und habe durchweg positive Erfahrungen damit gemacht. Sie sind gesünder, ausgeglichener und – davon bin ich überzeugt – sehr viel glücklicher.

Wohlfühlen, Anerkennung, ein angenehmes und sicheres Umfeld und eine artgerechte Haltung sind für mich die Basis für gute Leistungen im Sport. Also letztlich genau dieselben Bedingungen, die auch wir Menschen brauchen, um gute Leistungen zu bringen.

Neben dem täglichen Weidegang sollten die Pferde grundsätzlich sehr viel Bewegung und Abwechslung haben. In der Natur sind sie auch ständig in Bewegung. Bei uns kommen die Pferde täglich etwa vier Mal am Tag raus. Das ist sicherlich nicht überall realisierbar, aber zumindest sollten die Pferde, wie ich finde, neben der Arbeit (damit meine ich beispielsweise Reiten, Longieren, Bodenarbeit oder Spaziergänge) die Möglichkeit haben, so lange und oft auf der Weide oder auf dem Paddock zu sein wie möglich. Auch eine Führmaschine, ein Laufband oder ein Aquatrainer können helfen, den Pferden genug Bewegung und Abwechslung zu ermöglichen. Wichtig finde ich auch, die Pferde auf unterschiedlichen Böden zu trainieren – das schult nicht nur ihr eigenes Körpergefühl und ihren Gleichgewichtssinn, es unterstützt auch ihre Sehnen, Bänder und Knochen im Wachstum.

Und auch dies gehört für mich zu guten Haltungsbedingungen: Die Boxen müssen unbedingt gut durchlüftet und hell sein. Dunkle, stickige Ställe machen depressiv und krank. Das ginge uns ja ganz genauso. Wohlfühlen, Anerkennung, ein angenehmes und sicheres Umfeld und eine artgerechte Haltung sind für mich die Basis für gute Leistungen im Sport. Also letztlich genau dieselben Bedingungen, die auch wir Menschen brauchen, damit es uns gut geht.