Niki wird wieder von ihrer schmerzhaften Vergangenheit eingeholt, da gibt ihr die Zusammenballung familiärer Ereignisse den Rest.
Zurzeit holt mich das »Familienthema« mächtig ein: Meine Tochter Laura, meine Enkelin Bloum, ich als frischgebackene Ehefrau und Großmutter, meine Mama Jeanne als Urgroßmutter – wir sortieren uns alle gerade neu und nähern uns vorsichtig einander an. Puh! Es ist schön, aber auch nicht einfach.
Auch Daddy spukt wieder mehr durch meine Gedanken, bringt Albträume und schmerzhafte Erinnerungen. Um sie endlich loszuwerden, gieße ich all meine inneren Bilder in einen Film.
1973 läuft dieser auch in New York, aber ich bitte Mama, nicht hinzugehen. Was man über den Film hört, reicht schon völlig. Meine Familie ist empört darüber, wie ich Daddy so in den Schmutz ziehen könne. Nur Mama nimmt mich in Schutz. Und sie erzählt mir jetzt, warum: Sie hat damals, 1953, den Brief gelesen, den der Psychiater an meinen Vater geschrieben hat. Seitdem weiß sie alles!
Mutter, warum habe ich nicht früher das Gespräch mit dir gesucht?
Nachdem der Film fertig ist, ist auch Niki am Ende. Es kommt aber auch gerade jetzt so viel zusammen. Nicht nur, dass der Film sie gezwungen hat, sich noch einmal mit ihren seelischen Verletzungen zu konfrontieren. Es erreicht sie auch die Nachricht, dass ihr Sohn Philip krank und ihre Lieblingsschwester Elizabeth gestorben ist. Zu allem Überfluss bekommen Micheline und Jean jetzt auch noch ein Kind und sind miteinander beschäftigt.
»Ich verbiete dir zu sterben!«
Als Niki dann allerdings mit einer vereiterten Lunge vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht wird und danach zehn Tage lang zwischen Leben und Tod schwebt, ist Jean da.
»Du wirst mich nicht sitzenlassen. Ich verbiete dir zu sterben!«, brüllt er sie verzweifelt an.
Niki schafft es noch einmal, dem Tod von der Schippe zu springen.
Danach fährt sie zur Erholung in die Berge ins Schweizer Engadin. Rico kommt jetzt häufig, und auch ihre Freundin, die Künstlerin Marina Karella, kümmert sich um sie. Durch ein Spezialtraining bringt Niki es tatsächlich fertig, wieder ganze Bergspaziergänge machen zu können. Dabei verliebt sie sich in die Natur und ihre Einsamkeit. Ganz besonders mag sie einen Gletscher – so sehr, dass sie bereits plant, mit ihm zu verschmelzen … Eine weitere Lungenentzündung bringt sie jedoch ins Krankenhaus und bewahrt sie vor dem geplanten Selbstmord auf dem ewigen Eis.
Marina wacht bei Niki im Krankenhaus. Seit drei Tagen schon spricht sie kein Wort. Kann sie auch gar nicht, denn sie ist gerade mit ihrer magischen Box beschäftigt. Die hat angefangen, heftig zu rumpeln.
»Sei still, und lass mich in Ruhe«, mault Niki sie unwirsch an und dreht sich auf die Seite. »Lass mich schlafen.«
»Nein«, sagt die Box, »das tue ich nicht.«
»Ich bin so müde.«
»Hast du denn deinen Traum ganz vergessen?«
»Welchen Traum?«
»›Welchen Traum‹, fragst du so blöd? Ich fasse es nicht! Deinen SKULPTURENGARTEN meine ich natürlich!«
Da schlägt Niki die Augen auf und erzählt Marina das Unglaubliche: Als Niki im Engadin war, hat sie zufällig ihre alte Freundin Marella Caracciolo wiedergetroffen, und die kennt ein Grundstück in der Toskana, das perfekt für ihren Skulpturengarten wäre!
»Wie konnte ich das vergessen und immer nur an den Gletscher denken … ?«, fragt sie dann leise.