Hayley genoss den Rückflug nach New York mit ihrem Vater im Privatjet von Dunham Dinners. Um fünf Uhr morgens hatten sie Los Angeles verlassen, und am frühen Abend würden sie zu Hause ankommen. Sie war müde, weil sie jeden Tag lange in der Testküche gearbeitet hatte, um Desserts zu entwickeln, die vorbereitet, eingefroren und zu Hause wieder aufgetaut und zubereitet werden konnten, ohne an Qualität und Geschmack zu verlieren.
»Ich hatte all die Jahre keine Ahnung, dass du kochen kannst«, sagte Hayley.
»Du weißt eine Menge nicht über mich, Kind, weil du mich als deinen Dad siehst, nicht als Mensch«, antwortete ihr Vater.
Sie glaubte, dass es ihnen allen so erging. Der Brief von ihrer Mutter hatte sie daran erinnert, dass ihre Mom nicht nur Mutter gewesen war, sondern auch ein anderes Leben gehabt hatte.
»Ich weiß, dass du mehr bist als mein Vater«, sagte sie.
»Gut. Nach dem Tod deiner Mutter fühlte ich mich leer und habe viele Überstunden gemacht. Denn das schien mir der einzige Weg zu sein, wie ich nachts überhaupt einschlafen konnte. Unser Bett kam mir viel zu groß vor. Das Haus kam mir ohne sie leer vor. Du warst im College, und ich war dort, allein.«
Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie er sich nach dem Tod ihrer Mutter gefühlt hatte. »Das tut mir leid, Dad. Mir ist nie aufgefallen, wie schwer es für dich war. Ich dachte, du bist froh, dass du arbeiten kannst.«
»Ich dachte, das würdest du von mir erwarten. Aber die Jahre, in denen deine Mutter krank war und ich weniger gearbeitet habe, haben mich verändert. Fast so sehr wie der Verlust deiner Mutter. Ich glaube, ich habe mich damals erneut in sie verliebt.«
Hayley schlug die Beine übereinander und löste den Sicherheitsgurt, als das Flugzeug seine Flughöhe erreicht hatte. Wenn ihr Vater mit ihr allein flog, gab es keine Stewardess, der Pilot und der Co-Pilot im Cockpit waren die einzigen anderen Personen an Bord.
»Ach ja? Warum hast du dich in Mom verliebt?«, fragte Hayley. Sie wusste, dass sie Garrett liebte, weil sie ihn vermisste und er ständig ihre Gedanken beherrschte, egal, was sie tat.
»Gute Frage.« Er zwinkerte ihr zu. »Ich bin nicht sicher, ob ich es in Worte fassen kann. Deine Mutter hatte tolle Beine.«
»Ja, das stimmt. Sie war immerhin Schönheitskönigin im College, oder?«, fragte sie.
Noch nie zuvor hatte sie das Bedürfnis gehabt, über ihre Mutter zu sprechen. Und sie hätte auch nicht gedacht, dass ihr Vater über sie reden wollte, aber offenbar hatte sie sich getäuscht. Sie hatten sich beide in ihrer Trauer vergraben. Und sie war traurig, dass sie nicht vorher daran gedacht hatte, einfach mal mit ihm zu reden.
Ihr war nicht klar gewesen, auf wie viel sie verzichten würde, als sie beschlossen hatte, ihr Leben allein zu meistern.
Garrett hat recht, dachte sie. Ihr Vater erzählte, wie ihre Mutter den Bikini-Wettbewerb am College gewonnen hatte, aber sie hörte nur auf den Ton in seiner Stimme. Daran konnte sie erkennen, wie glücklich ihre Mutter ihn gemacht hatte.
Hatte Garrett sie auch glücklich gemacht? Klang sie auch so, wenn sie von ihm sprach?
»Hat Mom dich jemals gebeten, nicht mehr so viel wegen der Arbeit zu reisen, Dad?«, fragte sie.
»Nun, es gefiel ihr nicht, das ist sicher, aber es gab keine andere Lösung. Wie du weißt, war ich der einzige Dunham-Erbe, und ich wollte nicht, dass das Unternehmen in andere Hände fiel oder gar aufgelöst wurde. Es ist alles, was ich kann. Ich glaube nicht, dass ich für jemand anderen arbeiten könnte, deshalb musste ich es weiterführen.«
»Wünschst du dir, ich würde ins Familienunternehmen einsteigen?«
»Früher gelegentlich, aber inzwischen ist es anders. Wir haben Aktionäre, und irgendwann wirst du meinen Platz im Vorstand einnehmen oder eben deine Anteile verkaufen«, sagte er. »Das ist allein deine Entscheidung.«
»Warum hast du das nicht getan?«
»Wenn man jung ist, trifft man seine Entscheidung aufgrund dessen, wie man sich seine Zukunft vorstellt. Wenn du so alt bist wie ich, erkennst du, dass all diese Pläne nicht in Stein gemeißelt sind und oft alles anders kommt, als man es sich gedacht hat.«
»Wie zum Beispiel, dass Mom gestorben ist.«
»Genau. Ich habe hart für unsere und deine Zukunft gearbeitet, aber du hast nun deinen eigenen Laden, deine eigenen Träume, und sie ist nicht mehr bei mir. Wer weiß, was noch passiert. Warum stellst du all diese Fragen?«
Sie atmete tief durch. »Es gibt da einen Mann.«
»Aha. Hat er ernste Absichten?«
»Ja. Oder vielmehr hatte er sie. Dad, er ist Polizist«, sagte sie.
»Und wo liegt das Problem?«, fragte er.
Sie erzählte ihm alles von Anfang an, wie sie sich verändern wollte und wie Garrett sie erkennen ließ, dass sie sich längst wohl in ihrer eigenen Haut fühlte. Während sie sprach, stellte sie fest, dass sie ihn nicht bitten konnte, sich zu ändern, wenn sie selbst nicht auch dazu bereit war.
»Ich habe ihn gebeten, seinen Beruf aufzugeben. Dieser Überfall hat mir Angst eingejagt, aber noch mehr hatte ich Angst davor, dass ich Garrett so sehr liebe und er mir so leicht weggenommen werden könnte.«
Ihr Vater drehte den großen Ledersessel zu ihr und legte die Hände auf die Lehnen. »Es liegt nicht in deiner Macht, dafür zu sorgen, dass er am Leben bleibt, Hayley. Nichts, was du tust, kann dir das garantieren. Deine Mutter war Hausfrau, und dennoch ist sie gestorben. Wir haben das Schicksal der Menschen, die wir lieben, nicht in der Hand.«
»Du hast recht, Daddy, und im Prinzip weiß mein Kopf das alles auch. Aber mein Herz will ihn um jeden Preis beschützen. Warum hat er diesen Typen nicht einfach das Geld gegeben?«
»Es klingt so, als entspräche das nicht seinem Charakter. Und ich kenne dich; wenn du diesen Wirrwarr in deinem Kopf erst mal sortiert hast, wirst du bestimmt zugeben, dass du ihn gar nicht anders haben willst.«
»Vermutlich hast du recht. Ich kann ihn einfach nicht vergessen.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte ihr Vater. »Ich habe in den vergangenen zwölf Jahren versucht, nicht mehr an deine Mutter zu denken, und bis jetzt ist es mir nicht gelungen.«
»Jetzt, da du weißt, wie eure Beziehung geendet hat, würdest du dir wünschen, du hättest dich nie in sie verliebt?«, fragte sie. Die Frage ging ihr schon die ganze Zeit im Kopf herum.
»Nein, auf keinen Fall. Ich würde unsere gemeinsamen Jahre und dich für nichts in der Welt eintauschen. Es gibt diese Redewendung, die lautet: Es ist besser, geliebt und verloren zu haben …«
»Nun, ich habe verloren, Dad, und es fühlt sich nicht toll an.«
»Weil du die Sturheit von deiner Mutter geerbt hast. Geh zu ihm und sag ihm, dass du ihn zurückhaben willst, dann wirst du schon verstehen, was ich meine.«
Den ganzen restlichen Flug dachte sie über die Worte ihres Vaters nach, und als sie in New York landeten, hatte sie einen Entschluss gefasst. Gleich morgen früh wollte sie mit Garrett reden. Ihm sagen, dass sie ihn liebte und ihn an ihrer Seite wollte. So, wie er war, sogar mit seinem gefährlichen Beruf.
***
Der Taco-Abend bei seiner Familie stand an, und er machte sich nur widerwillig auf den Weg. Er erinnerte sich noch gut an den letzten gemeinsamen Taco-Abend. Damals hatte Hayley ihn begleitet. Es hatte sich richtig angefühlt, und auch wenn er nicht viel darüber hatte nachdenken wollen, war der Eindruck entstanden, dass sie gut mit seiner Familie auskam.
Und das hatte ihm gefallen.
Er stieg aus dem Zug und blieb am Eckladen stehen, um Blumen für seine Mutter zu kaufen, ehe er weiter zum Haus seiner Eltern ging. Sein neuer Partner war ein netter Kerl. Und er hatte sich inzwischen wieder gut eingelebt, genoss die Ermittlung, aber je mehr er darüber grübelte, desto klarer wurde ihm, dass seine Arbeit nicht mit Hayley mithalten konnte.
Es war schon über eine Woche her, seit er Iona vor dem Candied Apple Café begegnet war. Er wusste nicht, ob Hayley inzwischen aus Kalifornien zurückgekehrt war, aber da er Lucy nicht im Garten bellen hörte, hielt sie sich wohl immer noch an der Westküste auf.
Er vermisste sie.
Das war dumm, denn es war so sinnlos. Wenn er bloß nicht so stur gewesen wäre. Aber auch sie hatte sich falsch verhalten. Er konnte seine Arbeit nicht so einfach aufgeben. Das wollte er nicht. Und als Polizist am Schreibtisch zu sitzen, das passte einfach nicht zu ihm.
Er schloss die Haustür seiner Eltern mit dem Schlüssel auf, den sie ihm früher mal gegeben hatten, und die Klänge von Santana schallten ihm entgegen. Seine Mutter mochte die Musik des Gitarristen, und eines seiner Alben lief immer am Taco-Abend in der Küche.
Er betrat die Küche, um sie zu begrüßen. Crystal und sie schnitten gerade Gemüse. Er küsste seine Mutter auf die Wange und reichte ihr die Blumen. »Ich kümmere mich um die Oliven, während du die hier ins Wasser stellst.«
»Die Oliven sind schon fertig. Geh und hilf Pete mit den Margaritas«, sagte seine Mom. »Wo ist Hayley?«
»Ich habe sie nicht mitgebracht.«
»Das sehe ich«, meinte seine Mutter. »Muss sie arbeiten, oder seid ihr nicht mehr zusammen.«
»Nicht mehr zusammen«, gab er kurz zurück.
»Möchtest du darüber reden?«, fragte sie.
Crystal legte ihr Messer hin. »Ich lasse euch mal allein.«
»Nein, das ist nicht nötig, Crystal. Ich möchte nicht darüber reden, Mom«, erwiderte Garrett. »Ich helfe Pete mit den Getränken.«
»Okay, aber falls du deine Meinung ändern solltest, bin ich für dich da.«
Er stellte fest, dass auch seine Mutter ihr Messer hingelegt hatte und einen halben Schritt auf ihn zugekommen war. Offenbar wollte sie ihn umarmen, wie in seiner Kindheit. Er kam ihr zuvor und zog sie an sich. »Ich weiß, dass du für mich da bist, Mom. Danke dafür.«
Er verließ die Küche, bevor er doch noch zu jammern anfing wie ein kleines Kind. Eine innere Stimme sagte ihm, dass seine Mutter vielleicht wusste, was er tun sollte. Immerhin war sie auch eine Frau, aber er ahnte auch, dass sie sich einmischen und sich mit ihren Ratschlägen nicht mehr zurückhalten würde, wenn er sich ihr erst einmal anvertraut hatte. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass er diese Sache selbst klären musste.
»Du hast dich also von Hayley getrennt«, sagte Pete, als er in den Flur zwischen Küche und Esszimmer trat. Dort gab es eine Bar mit Mixer und einem kleinen Kühlschrank.
»Ja, hast du gelauscht?«
»Jep«, gab Pete unumwunden und überhaupt nicht beschämt zu. »Ich habe mir schon gedacht, dass etwas nicht stimmt, als Crystal und ich den Kurs am Valentinstag im Candied Apple Café besucht haben. Hayley war nicht gerade kühl, aber sie hat auch nicht so fröhlich wie sonst mit uns geplaudert.«
»Wie sah sie aus?«, rutschte es Garrett heraus.
»Willst du die Wahrheit hören?«
»Klar.«
»Sie sah müde aus. Sie hat gelächelt, aber es wirkte gezwungen«, sagte Pete.
Garrett presste einige Limetten aus und goss den Saft in den Mixer, während sein Bruder zwei Bierdosen öffnete. Garrett griff nach dem Tequila und den Cocktailgläsern. Er schenkte seinem Bruder und sich etwas davon ein.
Dann prostete er ihm zu und leerte das Glas in einem Zug. Pete tat es ihm nach. Danach gab Garrett einen großzügigen Schuss Tequila und die übrigen Zutaten in den Cocktailmixer, um die Margaritas zuzubereiten.
»Was ist passiert?«, fragte Pete, während er ihnen nachschenkte. »Lass uns ins Wohnzimmer gehen.« Die Margaritas würden sie später alle zusammen trinken.
Garrett folgte seinem Bruder, in einer Hand sein Glas, in der anderen die Tequilaflasche.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er aufrichtig. »Also, ich weiß schon, was passiert ist, aber ich bin diesen Abend eine Million Mal in Gedanken durchgegangen, und ich verstehe einfach nicht, was ich falsch gemacht habe.«
»Erzähl es mir. Ich bin älter und klüger«, meinte Pete grinsend.
»Ob du klüger bist, darüber kann man streiten, aber du scheinst inzwischen zum Frauenversteher geworden zu sein.«
»Ha, das glaubst auch nur du. Ich stehe immer nur kurz davor, alles zu vermasseln«, erklärte Pete.
»Wirklich? Und wie verhinderst du das?«
»Ich erinnere mich daran, dass mir Crystal wichtiger ist als alles andere. Das heißt jetzt nicht, dass ich mich von ihr gängeln lasse, aber sie bedeutet mir sehr viel. Ich liebe sie. Erzähl mir, was zwischen dir und Hayley geschehen ist.«
Garrett setzte sich auf den Sessel seines Vaters, lehnte sich zurück und schaute an die Decke. »Ich habe einen Verbrecher gestellt und ihn geschnappt, aber ihr wäre es lieber gewesen, ich hätte ihm das Geld gegeben und ihn laufen lassen. Kannst du das verstehen?«
»Verdammt, ja. Du nicht?«, erwiderte Pete. »Wenn Hayley bei dir war, dann warst du nicht im Dienst.«
»Ich bin vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche ein Cop, Pete«, meinte Garrett. Er bereute bereits, dass er seinen Bruder eingeweiht hatte.
»Das ist nur ein Job«, stellte Pete fest.
»Es ist mein Job. Warum machst du mir deswegen die Hölle heiß? Du hättest einem Räuber auch nicht so einfach Crystals Tasche überlassen, und streite das jetzt ja nicht ab.«
Pete schüttelte den Kopf. »Das stimmt. Hätte ich nicht. Tut mir leid. Das liegt nur daran, dass du mein kleiner Bruder bist und ich es nicht gern sehe, dass du dich in Gefahr begibst.«
»Dasselbe hat Hayley auch gesagt. Sie hat mich vor die Wahl gestellt, entweder mein Job oder sie«, erzählte Garrett. »Ich dachte, mir würde der Job reichen, aber das ist jetzt drei Wochen her, Pete, und es reicht mir nicht. Ich vermisse sie.«
»Du hast immer schon wie ein Stier reagiert, wenn es um deinen Beruf geht. Du tust so, als würden wir alle nicht verstehen, wie sehr du an deinem Beruf hängst, und als ob du allen etwas beweisen müsstest. Ich würde ja sagen, dass sich eine Kugel im Dienst einzufangen Beweis genug ist, aber für dich reicht das offenbar immer noch nicht.«
Während Garrett noch über die Worte seines Bruders nachdachte, öffnete sich die Tür, und sein Vater kam nach Hause.
Pete musterte Garrett eindringlich. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass du endlich wirklich erwachsen wirst und begreifst, dass du niemandem mehr etwas beweisen musst.« Er stand auf, um ihren Dad zu begrüßen.
Garrett tat es ihm gleich. Er hatte längst den Entschluss gefasst, dass er Hayley zurückgewinnen wollte, und wenn das hieß, dass er sich eine andere Arbeit suchen musste … Nun, dann würde er darüber nachdenken, ob es einen Kompromiss gab. Aber selbst für sie wollte er seinen Beruf nicht aufgeben. Er würde sie dafür hassen, wenn er es täte. Er musste, falls nötig, eine andere Lösung finden.
Am Ende des Abends hatte er zu viele Margaritas und zu viel Tequila getrunken und nahm sich mit seinem Bruder und Crystal ein Taxi nach Hause. Beim Aussteigen war er sich endgültig sicher, dass er Hayley mehr wollte als alles andere in der Welt. Er winkte seinem Bruder und Crystal nach, als das Taxi losfuhr, und wandte sich dann zu seinem Haus um.
Aber dann hatte er eine großartige Idee, vermutlich ausgelöst durch den Alkohol und die späte Stunde. Er beschloss, sich in Hayleys Haus zu schleichen und ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte und brauchte.
***
Iona hatte es nicht so mit Tieren. Das waren ihre Worte, nicht Hayleys, daher hatte sich Cici bereit erklärt, sich um Lucy zu kümmern, solange Hayley in Kalifornien war. Ihre Wohnung befand sich in Queens, und der Chauffeur von Hayleys Vater brachte sie dorthin, damit sie ihren Hund abholen konnte.
Sie klingelte und hörte Lucys Bellen. Einen Moment später ging die Tür auf.
Cici wirkte erschöpft und schmal in ihrer engen Hose und dem langen Pulli. »Hallo, ich wusste nicht genau, wann du kommst.«
Hayley betrat die Wohnung und bückte sich, um Lucy zu begrüßen. »Tut mir leid. Hey, geht es dir gut? Ich hab dich in letzter Zeit kaum im Laden gesehen, weil du es immer so eilig hattest. Wir hatten gar keine Zeit zu plaudern.« Dieses Mal wollte sich Hayley nicht wieder abweisen lassen.
»Ja, mir geht’s gut. Ich hab mal wieder einen schlechten Männergeschmack bewiesen und schlage mich nun mit den Folgen rum.«
»Welche Folgen?« Hayley richtete sich auf und betrachtete ihre Freundin.
»Ich bin schwanger.«
»Was?«, platzte sie heraus.
Cici schaute sie nur an.
»Okay, wer ist der Vater?«
»Ein Mann, den ich am Valentinstag zu Hause kennengelernt habe«, erklärte Cici. Ihre Familie lebte in Connecticut, nur eine Zugfahrt entfernt. »Wir sind mit meiner Familie in eine Bar gegangen, und am Ende bin ich mit ihm im Bett gelandet. Am nächsten Morgen hat er mir erzählt, dass er eine Verlobte in Los Angeles hat und nur einen One-Night-Stand wollte«, berichtete Cici.
Hayley legte ihr einen Arm um die Schultern. »Warum hast du denn nichts gesagt?«
»Hm, es war mir peinlich. Das ist ein neuer Tiefpunkt, selbst für mich«, sagte Cici. »Und du hattest selbst Probleme mit Garrett.«
»Ich weiß«, antwortete Hayley. »Aber das heißt nicht, dass ich nicht für dich da gewesen wäre. Es tut mir leid, wenn ich mich nur um mich selbst gekümmert habe.«
Cici schüttelte den Kopf. »Das hast du nicht. Ich habe die ganze Zeit gehofft, ich würde mich irren, aber drei Schwangerschaftstests und mein Frauenarzt lügen nicht.«
»Nein, wohl nicht. Was willst du jetzt machen?«, fragte sie. »Soll ich dich zu den Untersuchungen begleiten? Hast du Iona schon davon erzählt?«
»Ich würde mich freuen, wenn du mich begleitest, und nein, ich habe Iona noch nichts gesagt. Sie ist momentan viel auf Veranstaltungen unterwegs und hat so viel zu tun. Ich wollte ihr da nicht in die Quere kommen.«
»Wir sind doch Freundinnen, Cici, wir wollen solche Sachen voneinander wissen. Was brauchst du? Kommst du allein zurecht?«, fragte Hayley.
»Ja, es ist alles okay. Ich bin irgendwie froh, dass du dich von Garrett getrennt hast.«
»Warum?«, fragte Hayley. Sie hoffte ja, dass sie wieder mit ihm zusammenkommen würde. Sie war sogar entschlossen, ihn zurückzugewinnen und sich irgendwie mit seinem Beruf abzufinden.
»Weil sein Freund Hoop mich immer wieder anruft und es mir zu peinlich ist, ihn zurückzurufen. Vielleicht hört er ja jetzt endlich damit auf, wenn ihr nicht mehr zusammen seid.«
»Vielleicht solltest du ihn lieber anrufen und ihm erzählen, was passiert ist. Wenn er sich immer wieder bei dir meldet, scheint er dich wirklich zu mögen.«
Cici zuckte nur mit den Schultern, was Hayley sagte, dass ihre Freundin Hoop wohl nicht zurückrufen würde. Sie gähnte, der Flug hatte sie müde gemacht. Dennoch machte sie Cici etwas zu essen und blieb bis fast zehn Uhr bei ihr. Dann rief sie sich ein Taxi.
Als es vor ihrem Haus hielt, stellte sie fest, dass Garrett gerade versuchte, bei ihr einzubrechen. Sie klemmte sich Lucy unter den Arm, nahm ihren Koffer in die andere Hand und bezahlte den Fahrer.
»Halt, keine Bewegung!«, rief sie.
»Äh, was?«
»Du bist so was von erledigt, Junge.« Sie setzte Lucy auf dem Boden ab und stieg mit ihr die Treppe zu ihrem Haus hoch.
»Das bin ich. Ich wollte bei dir einbrechen, weil es mir romantisch erschien«, erklärte er. Sein Grinsen war schief, und sie sah, dass er etwas zu viel getrunken hatte.
»Wo warst du denn heute Abend?«, fragte sie.
»Taco-Abend. Möchtest du nicht mehr über meine romantische Geste erfahren?«
Sie schob ihn zur Seite und schloss auf. Lucy lief ins Haus, ihre Leine schleifte hinter ihr her. Hayley stellte ihren Koffer im Flur ab und wandte sich wieder Garrett zu, der sie aufmerksam beobachtete.
»Erzähl mir von deiner romantischen Geste«, forderte sie ihn auf.
»Also, ich wollte dich an den Abend erinnern, an dem wir uns kennenlernten, weil ich mich an diesem Abend in dich verliebt habe, glaube ich«, erklärte er.
Sie ging ins Haus, und er folgte ihr, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.
»Ich erinnere mich. Aber wieso ist das romantisch?«
»Es ist romantisch, weil ich dich liebe. Und ich will dich zurück«, sagte er.
»Ich glaube, das ist der Alkohol, der aus dir spricht«, meinte sie.
»So betrunken bin ich nicht. Mein Schwips ist schon fast wieder ganz verflogen.« Er richtete sich auf und trat vor sie hin. »Ich kann meinen Beruf zwar nicht für dich hinschmeißen, aber du hattest recht damit, dass ich mir selbst etwas beweisen wollte.«
»Ich weiß. Es war falsch von mir, dich vor die Entscheidung zu stellen, mich zu wählen oder deinen Beruf. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn du von mir verlangen würdest, das Candied Apple Café aufzugeben«, meinte sie. »Du fehlst mir, Garrett.«
»Du mir auch. Gibst du mir noch eine Chance? Gibst du unserer Liebe noch eine Chance?«
Darüber musste sie nicht lange nachdenken.
»Ja«, sagte sie. »Ich hatte vor, dich morgen zu besuchen und dich um dasselbe zu bitten. Ich weiß, es wird nicht leicht, aber ich will dir eine Chance geben. Ich will uns eine Chance geben.«
Er zog sie in die Arme und küsste sie stürmisch, und sie erwiderte den Kuss mit gleicher Leidenschaft.
Seine romantische Geste, der Versuch, die Nacht ihres Kennenlernens noch einmal zu wiederholen, zeigte ihr, wie sehr er sie liebte. Sie wollte genau an derselben Stelle weitermachen und zog ihn mit sich zu Boden. Wie immer rollte Garrett sich zur Seite und sorgte so dafür, dass sie auf ihm landete.
»Wie ist das passiert?«, fragte sie.
»Mit Absicht, glaube ich«, antwortete er. »Ich hatte vor, dich nach einem Kuss zu verlassen.«
»Lügner«, erwiderte sie.
»Du hast recht. Ich will mit dir ins Bett. Ich habe es vermisst, dir so nahe zu sein.«
»Ich auch.«