Maddie nickte, wenn auch ihr Herz angstvoll pochte. Es kann ja wohl kaum Schlimmeres kommen, als was mir damals geschehen ist, überlegte sie.
Nic begann, mit ausdrucksloser Stimme zu sprechen. „Die Männer brachten mich zurück und informierten meinen Vater, wo – und mit wem – sie mich erwischt hätten. Und wobei. Derart wutentbrannt hatte ich meinen Vater noch nie vorher erlebt. Er befahl, mich auf den Hof zu schleppen und festzuhalten. Dann peitschte er mich aus.“
Vor Maddies geistigem Auge tauchte wieder die Szene von damals auf. Als er am Tag danach wieder zu dem Hain gekommen war. Er musste ja unsägliche Qualen erlitten haben – und doch war er gekommen. Vielleicht hat er sich ja nur so grausam mir gegenüber verhalten, um sich selbst zu schützen?
„Schau nicht so entsetzt, Maddie! Ich habe eigentlich angenommen, diese Geschichte würde deinen Sinn für Melodramatik befriedigen. So etwas in der Art schwebte dir doch vor, um deine Langeweile zu vertreiben.“
Melodramatik? Langeweile? Das denkt er von mir? Er ist ausgepeitscht worden! Wegen mir! Sie schlug sich die Hand vor den Mund und rannte ins Bad und übergab sich. Hinter sich spürte sie seine Gegenwart. „Geh! Ich will allein sein.“
„Nein! Bitte lass mich dir helfen.“
Bevor Maddie erneut protestieren konnte, half er ihr auf. Er presste ein feuchtes Tuch gegen ihre Stirn und reichte ihr eine Zahnbürste, auf die er schon Zahnpasta gedrückt hatte. Widerspruchslos putzte sie sich die Zähne. Dann nahm er sie an der Hand und brachte sie zurück ins Schlafzimmer. Maddie machte sich von ihm los und setzte sich auf die Bettkante.
Nic sah auf sie hinunter. „Du bist mir wirklich ein Rätsel, Madalena Vasquez. Vor acht Jahren hast du alles daran gesetzt, um mich zu quälen – und wenn ich dir dann erzähle, was die Folgen waren, wird dir schlecht.“
Wenn ich doch nur meine Worte von damals zurücknehmen könnte!
„Ich wollte dich nie absichtlich quälen, Nic. Wirklich! Ich schwöre beim Grab meines Vaters, ich hatte keine Hintergedanken. Als du mir damals nachgeritten bist, war ich fast schreckstarr, aber auch auf eigenartige Weise aufgeregt. Ich wollte dich, aber nie hätte ich dich nur aus einer Laune heraus verführt. Diese Woche … sie hat mir so viel bedeutet.“
Nic nahm sie am Arm und zog sie hoch. Er brachte sein Gesicht ganz nah an ihres und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Wage ja nicht, die Geschichte umzuschreiben!“
„Aber es stimmt“, flüsterte sie. „Ich wollte dich unbedingt wiedersehen.“ Sie hatte das Gefühl, vor einem Abgrund zu stehen. Sie konnte ihm einfach nicht die ganze Wahrheit sagen. „Als man mich zurückbrachte, machte meine Mutter eine Riesenszene. Sie gestand mir die Affäre mit deinem Vater … und mein Vater bekam das unglücklicherweise mit. Ich konnte dir das einfach nicht erzählen. Ich schämte mich viel zu sehr. Deshalb musste ich dafür sorgen, dass du mich fallen ließt. Deshalb habe ich dir all diese schrecklichen Dinge an den Kopf geworfen … Aber jedes Wort war gelogen.“
Sie blickte zu Boden, aber Nic hob ihr Kinn und sah sie durchdringend an. „Bevor die Details der Affäre herauskamen, dachte ich, du wolltest einfach nur so schnell als möglich weg.“
Maddie schüttelte schwach den Kopf. Plötzlich war ihr wieder schlecht. Und wenn Nic jetzt doch die ganze Wahrheit kennt? Der Gedanke quälte sie. „Was hat denn mein Vater deiner Mutter eigentlich genau erzählt?“
Nic fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie hinterher völlig aufgelöst war. Ich musste den Arzt rufen, der ihr dann etwas zur Beruhigung gab. Ein paar Tage später nahm sie dann eine Überdosis. Sie hinterließ einen Brief, in dem sie meinem Vater mitteilte, sie wisse jetzt alles. Die Sache mit uns beiden war ja schon schlimm genug, aber nach dem Selbstmord meiner Mutter flammte die alte Feindschaft ungebrochen wieder auf.“
Das klingt, als ob seine Mutter das Geheimnis mit ins Grab genommen hätte. Mein Vater hätte ihr ganz sicher nicht die unappetitlichen Details erspart.
Maddie legte die Hand auf Nics Arm. „Es tut mir so leid.“
„Meine Mutter war immer labil. Wahrscheinlich hatte sie eine bipolare Störung, die damals nicht diagnostiziert wurde. Es bedurfte wirklich keiner großen Anstrengung, um sie in die Verzweiflung zu treiben.“
„Es muss schrecklich gewesen sein, unter diesen … Bedingungen … aufzuwachsen.“
„Das ist noch untertrieben.“ Er lachte bitter auf. „Mein Vater wollte aus diesem Weichling von Sohn einen harten Kerl machen, während meine Mutter daneben saß und weinte.“
Wieder brachte er das Thema auf, was für ein Schwächling er gewesen war. Maddie protestierte heftig. „Aber du hast es doch geschafft! Allen Widerständen zum Trotz!“
„Er hat mich nie respektiert. Ich glaube, es ärgerte ihn sogar, dass er mich nicht unterkriegen konnte. Deshalb mussten seine Männer mich ja sogar festhalten, weil er es allein nicht mehr schaffte, mich zu verprügeln.“
Maddie traten die Tränen in die Augen, und Nic nahm sie in die Arme. „Ich glaube, wir sollten jetzt das Thema beenden und uns anderen Dingen zuwenden …“
Bevor sie protestieren konnte, verschloss er ihren Mund mit Küssen. Ihr liefen die Tränen über die Wangen, aber bald ergriff sie ein anderes Gefühl. Ein Gefühl, das keiner Worte mehr bedurfte.
Als sie am nächsten Morgen die Augen aufschlug, dauerte es eine Weile, bis sie wusste, wo sie sich befand und was geschehen war. Ihr Körper war übersensibel, aber auf eine äußerst wohlige Weise.
Dann stöhnte sie unwillkürlich auf, als ihr auch alles andere wieder einfiel. Das Kleid, das Abendessen, der Obsthain … und dann Nics Schlafzimmer. Sie blickte sich um. Das ist gar nicht sein Schlafzimmer! Er muss mich ins Gästezimmer zurückgebracht haben! Was für eine Kränkung! Als ob er demonstrativ zeigen wollte, dass er fertig war mit ihr. Als könne er ihre Gegenwart keine einzige Sekunde mehr ertragen. Eigentlich nur folgerichtig, dachte sie schweren Herzens. Nie im Leben würde er ihr verzeihen, dass er sich ihr gegenüber so schwach gezeigt, ihr seine tiefsten Gefühle gestanden hatte.
Es klopfte an der Tür, und Maddie zuckte zusammen. Die Hausangestellte, die sie gestern schon in den Salon gebracht hatte, kam mit einem Frühstückstablett herein.
Verlegen setzte sich Maddie auf. Die junge Frau stellte das Tablett auf dem Tisch ab. „Señor Rojas lässt ihnen mitteilen, dass er Sie heute Nachmittag aufsuchen wird.“
Der Vertrag! schoss es Maddie durch den Kopf. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie dankte dem Dienstmädchen und stand mit zitternden Knien auf, als dieses den Raum verlassen hatte. Sie ging zum Fenster und blickte hinaus. Ein atemberaubender Ausblick auf die östlichen Weinhänge und die schneebedeckten Gipfel der Anden bot sich ihr.
Plötzlich erblickte sie ihn. Er inspizierte offensichtlich die Weinstöcke. Instinktiv wich sie zurück, obwohl er sie aus dieser Entfernung ja unmöglich sehen konnte. Aber just in diesem Moment blickte er auf. Maddie duckte sich unter die Fensterbank. Sie fühlte sich zutiefst gedemütigt.
Deutlicher hätte er ihr nicht zeigen können, was er von ihr hielt. Die Nacht war vorbei. Er hatte bekommen, was er wollte – nämlich ihr zu zeigen, wie es ist, zurückgewiesen zu werden. Wenn er jemals etwas für sie empfunden haben sollte, war dies schon lange, lange vorbei.
Nic verfluchte sich, dass er zu Maddies Zimmer hinaufgesehen und sich tatsächlich eingebildet hatte, einen Blick auf sie zu erhaschen. Sie hatte tief und fest geschlafen, als er sie vorhin in ihr Bett getragen hatte. Vor seinem geistigen Auge stieg der Anblick ihrer weißen Haut auf – mit verheerenden Folgen für sein seelisches Gleichgewicht. Die Begierde schoss wie eine Flamme in ihm hoch. Er riss eine Traube ab und biss hinein. Eduardo, der ihn begleitete, sah ihn fragend an. „In ein paar Tagen können wir ernten. Die anderen Hänge inspizieren wir später. Ich hole dich ab.“
Eduardo nickte und ging. Nic atmete erleichtert auf. Maddie war die erste Frau, an deren Seite er sich tatsächlich erlaubt hatte einzuschlafen. Als er später erwachte, stellte er fest, dass er sie in den Armen hielt, als wolle er sie nie mehr gehen lassen. Dieser Gedanke reichte, um sie zurück in ihr Zimmer zu bringen. Er brauchte einen klaren Kopf. Er musste erst den Tumult in seinem Innern sortieren.
Jetzt, da er tatsächlich mit ihr geschlafen hatte, sehnte er sich stärker als je zuvor nach ihr. Noch ein „erstes Mal“. Normalerweise war am nächsten Tag immer sein Interesse erloschen.
Doch diesmal war alles völlig anders …
In diesem Moment fiel ihm der Vertrag ein, und er seufzte erleichtert auf. Dieser Vertrag würde ihm helfen, erneut Grenzen zu ziehen. Und vor allem, diese Frau auf Abstand zu halten.
Maddie nahm die Welt nur durch einen Schleier dumpfer Betäubung wahr. Nur so war es ihr möglich, die Ereignisse der letzten Nacht zu verdrängen.
Das Haus kam ihr leer vor ohne Maria und Hernan. Sie hatte kurz mit ihm telefoniert und erfahren, dass Maria operiert werden müsse.
Eine innere Unruhe ergriff sie angesichts des bevorstehenden Besuchs. Sie beschloss, die Vorräte im Keller zu inspizieren. Nic würde sicher erwarten, dass sie würde loslegen können, sobald ihr das Geld zur Verfügung stünde. Schließlich ging es ab jetzt zwischen ihnen nur noch ums Geschäft.
Nun, da sich ihre Hoffnungen erfüllt und sie einen Investor gefunden hatte, ließ sie alles seltsam gleichgültig.
Stattdessen schweiften ihre Gedanken zu der vergangenen Nacht. Wie sicher und geborgen sie sich in Nics Armen gefühlt hatte. Das Gefühl der Liebe, das sie erfüllt hatte. Sie versuchte, sich einzureden, dies rühre nur daher, weil es das „erste Mal“ war.
Entschlossen schob sie diese Gedanken wieder beiseite und konzentrierte sich auf die Inventur. Ihre heimliche Hoffnung, noch ein Fass ihres preisgekrönten Weines zu entdecken, erfüllte sich leider nicht. Steif richtete sie sich auf, als sie eine ungehaltene Stimme hörte, die ihren Namen rief.
Am liebsten hätte sie sich, wie damals als Kind, hinter den Fässern versteckt. „Hier unten“, rief sie stattdessen.
Allein beim Geräusch seiner Schritte bekam sie Schmetterlinge im Bauch. Und als sie ihn dann sah – in Jeans, einem legeren Hemd und dem etwas zu langen Haar – überlief sie eine Gänsehaut.
„Verdammt noch mal! Wie soll man dich denn finden? Hast du kein Handy?“ Er brach ab und betrachtete forschend ihr Gesicht. Zu ihrem Entsetzen spürte Maddie, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
„Jetzt hast du mich ja gefunden“, stieß sie heiser hervor.
Nic versuchte, seinen Ton zu mäßigen. „Ich meine ja nur … Ich konnte dich nicht finden. Ich habe überall gesucht. Wenn dir nun etwas passiert wäre, du dir zum Beispiel den Fuß verstaucht hättest …“ Er brach ab. „Ich muss doch wissen, wo du bist!“
Maddies Herz machte einen kleinen Hüpfer. Sofort rief sie sich jedoch zur Ordnung. Sie trat einen Schritt zurück. „Gib dir keine Mühe. Du brauchst nicht so zu tun, als machtest du dir Sorgen um mich. Du willst doch nur nicht deine Zeit damit verschwenden, mich suchen zu müssen. Hast du den Vertrag dabei?“
Nic wurde blass, fing sich jedoch sofort wieder. „Er ist oben. Im Büro deines Vaters.“
Um sich wieder zu sammeln, ließ er ihr den Vortritt. Er war wirklich fast verrückt vor Angst gewesen, als er sie nirgends entdecken konnte. Bei all diesen veralteten Maschinen konnte ja wer weiß was passiert sein! Und als sie dann unbeschadet vor ihm stand, hätte er weinen können vor Erleichterung.
Er beobachtete sie, als sie den Vertrag durchlas, schluckte und ihr das Blut in die Wangen stieg. Gut, dachte er, so cool, wie sie tut, ist sie also doch nicht.
„Wir müssen warten, bis Hernan zurück ist. Ich möchte das erst mit ihm durchgehen.“
Nic fühlte sich plötzlich wie erlöst. Ein Aufschub! Eine Galgenfrist! Er hasste diesen Vertrag plötzlich von ganzem Herzen. Er wollte ihn überhaupt nicht mehr – er wollte nur noch Maddie.
Misstrauisch sah diese ihn an, als er an den Schreibtisch trat und sich mit beiden Händen darauf abstützte. „Einverstanden. Aber bis dahin, bis der Vertrag unterzeichnet ist, ist unsere Abmachung noch nicht vorbei.“
„Was ist nicht vorbei?“ Sie wurde leichenblass.
Nic kam um den Schreibtisch herum, zog sie hoch. „Das hier!“
Seine Arme schlossen sich um sie, er drückte sie an sich, dass ihre Körper förmlich verschmolzen. Maddie ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, nach ihm zu schlagen. Aber gegen seine heißen Küsse hatte sie keine Chance, und ihr Widerstand erlahmte.
„Nic! Nicht!“ Sie stöhnte auf.
Als Antwort darauf hob er sie hoch. Sie stieß einen erschreckten Schrei aus. „Wo ist dein Zimmer?“
Maddie fühlte sich innerlich wie zerrissen. Ihr Körper sehnte sich nach diesem Mann – ihr fielen tausend Gründe ein, warum das absolut unvernünftig war. Und doch – der Moment hatte einen ganz eigenen Zauber. Zum ersten Mal schien so etwas wie die „Leichtigkeit des Seins“ zwischen ihnen zu herrschen.
„Erster Stock, zweite Tür rechts.“
Sobald Nic die Tür zu dem karg eingerichteten Zimmer aufstieß, hörte die Zeit auf zu existieren. Es gab nur noch das Jetzt, diesen geschenkten Augenblick. Maddie gestand sich plötzlich ein, dass sie froh darüber war, noch nicht unterzeichnet zu haben. Immer noch war sie frei – zu nichts verpflichtet!
Nic knöpfte bereits ihre Bluse auf – und sie zerrte an seinen Knöpfen. Er streifte ihr das Hemd von den Schultern. Sein Hemd folgte. Nic löste das Gummi, das ihre Haare zusammenhielt, und die Flut der Locken ergoss sich über ihre Schultern. Mit einer unglaublich zärtlichen Geste strich er ihr eine Strähne aus der Stirn und nahm dann ihr Gesicht in die Hände.
„Es ist noch nicht vorbei … noch lange nicht.“ Dann küsste er sie, erstickte jeden Widerstand im Keim. Geschickt öffnete er ihren BH, ließ ihn zu Boden fallen. Er wölbte die Handflächen über ihre Brüste, und Maddie stöhnte leise.
Dann küsste er ihre Kehle, den Ansatz ihrer Brüste, die rosa Spitzen, die sich zusammengezogen hatten wie Knospen an einem Rosenstrauch. Maddie legte die Arme um seinen Nacken. Sie vergrub die Hände in seinem Haar.
Nic stöhnte auf, hob sie in seine Arme und ließ sie sanft auf das Bett nieder. Mit fliegenden Händen zog er den Reißverschluss ihrer Jeans herunter. Sie hob ihre Hüften, um es ihm leichter zu machen. Er zerrte den Slip herab, aber diesmal schämte sie sich nicht. Dafür hatte sie keine Zeit. Sie wollte ihn, sie konnte nicht erwarten, dass er zu ihr kam.
Als er sich endlich zu ihr legte, entwich ein tiefer Seufzer ihrer Kehle. Nic schob ihre Schenkel auseinander und fing an, sie zu streicheln … genau da, wo sie es sich am meisten ersehnte.
Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre sie jetzt zu keinem klaren Gedanken fähig gewesen. Als Nic sich das Kondom überstreifte und in sie eindrang, war sie mehr als bereit. Es galt nur das Jetzt – die Konsequenzen kamen später.
Als Maddie erwachte, herrschte tiefe Dunkelheit. Sie spürte, dass sie allein im Bett war. Schlagartig wurde ihr eiskalt. Was habe ich getan? So war es nicht gedacht! Die Abmachung lautete: eine Nacht! Dann würde sie den Vertrag unterzeichnen. Nur … sie hatte ihn noch nicht unterzeichnet. Wieder fühlte sie sich unglaublich erleichtert.
Sie schrak zusammen, als sie ein Geräusch vernahm. Die Küche befand sich zwar zwei Stockwerke tiefer, aber die Decken waren dünn … Sie sprang aus dem Bett und schlüpfte in die Kleider.
Geräuschlos schlich sie die Treppe hinunter. Sie hörte, wie jemand leise vor sich hinpfiff. In der Küchentür blieb sie mit offenem Mund stehen. Nic stand vor dem Herd und machte Pfannkuchen.
„Wie willst du deine?“, fragte er ungerührt, als er ihrer ansichtig wurde. „Mit Sahne, Schokolade, Erdbeeren?“
Maddie hatte das Gefühl, sich in einem Paralleluniversum zu befinden. Sie betrat den Raum. „Wo kommt denn das alles her?“
„Ich war einkaufen.“
„Wie spät ist es denn? Wie lange habe ich geschlafen?“
Nic sah auf seine Armbanduhr. „Neun Uhr abends. Vier Stunden hast du geschlummert, wie ein Baby.“
„Du hättest mich wecken sollen!“
„Du hast so friedlich ausgesehen.“
Schuldbewusst dachte er daran, dass er sie tatsächlich am liebsten wachgeküsst hätte. Aber er hatte die Ringe unter ihren Augen gesehen, gemerkt, wie erschöpft sie war – sie hatte wirklich etwas Erholung verdient.
Stattdessen war er in die Küche gegangen. Es hatte ihn mit Entsetzen erfüllt, als er die mageren Vorräte gesehen hatte. Zum ersten Mal seit Jahren ging er selbst einkaufen. Und mitten im Laden überkam ihn ein völlig unbekanntes Gefühl – er fühlte sich leicht und glücklich.
Ohne diesen verdammten Vertrag konnten sie einfach ihre Affäre fortsetzen. Und wie er sich kannte, würde er nach ein paar Tagen genug von ihr haben – und dann hätte er endlich seine Ruhe wieder.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Stich. Er begehrte Maddie mehr als jemals zuvor. Am liebsten hätte er sie einfach in die Arme gerissen und sie wieder ins Bett getragen.
Maddie ließ sich auf einem Stuhl sinken. Auf einem Teller lagen bereit sechs Pfannkuchen. „Wie viele Leute kommen eigentlich zum Essen?“, fragte sie scherzhaft.
Er sah sie mit einem schiefen Lächeln an. „Ich habe tonnenweise Pfannkuchen gebacken, als ich in Frankreich meinen ‚Master of Wine“ machte.“
„Dein Vater muss doch wahnsinnig stolz auf dich gewesen sein!“
„Er ist gestorben, kurz nachdem ich mein Diplom erhalten habe. Es hat ihn nicht sonderlich beeindruckt.“
Maddie Herz floss vor Mitleid über. Sie wusste, wie es sich anfühlte, nicht geliebt zu werden.
„Und? Weißt du jetzt, was du willst?“
Ungebetenerweise tauchte die Vision vor ihr auf, wie er Schokoladensoße über ihre Brüste goss und diese dann ableckte. „Erdbeeren mit Sahne, bitte!“
Nic sah sie mit einem wissenden Blick an. „Vielleicht willst du ja später noch Schokolade.“ Er servierte ihr die Pfannkuchen und reichte ihr in einem geschliffenen Kristallglas einen perlenden Wein. Maddie trank und wusste, ebenso wie der Wein war dieser Moment köstlich – aber flüchtig.
Drei Tage später, Tage, die wie im Rausch vorbeizogen, war Nic gezwungen, die Vergangenheit neu zu überdenken. Offensichtlich hatte er Maddie damals zutiefst unrecht getan. Sie war sich ihrer Wirkung auf ihn überhaupt nicht bewusst gewesen. Trotzdem kam er nicht über ihre verletzenden Worte hinweg. Es sah noch immer vor sich, wie heftig sie reagiert hatte, als er sie berührte. Inzwischen hielt er es zwar für möglich, dass es nur die Reaktion eines pubertären Teenagers gewesen war – aber trotzdem.
Er hörte wieder ihre Worte, als er mit dem Vertrag zu ihr gekommen war und sie kurz darauf im Bett gelandet waren. „Nic, was geschieht hier?“
Seine Antwort war gewesen, ihr mit Küssen den Mund zu verschließen.
„Und dann … dann ist es vorbei?“
Sein Herz tat weh, als er in ihre weit geöffneten grünen Augen sah. Aber es gab kein Zurück. „Was sonst? Zumindest wenn du diese Investition wirklich willst.“
Sie war blass geworden, aber sie hatte ihm unverwandt in die Augen geblickt. „Gut. Ich wollte das nur klarstellen, damit es hinterher keine Missverständnisse gibt.“
Er war aufgestanden und hatte kühl angekündigt: „Ich komme später wieder. Wir müssen noch ein paar geschäftliche Details besprechen.“
„Ich fahre ins Krankenhaus. Marias Operation wurde vorverlegt.“
„Okay. Dann hole ich dich eben ab. Und wir fahren zusammen hin. Nachdem wir über das Geschäft geredet haben.“ Ihm war nur allzu sehr bewusst, wenn Hernan erst wieder zurück wäre, würde er den Vertrag gegenlesen. Maddie würde unterschreiben – und alles wäre vorbei.
Es musste vorbei sein. Madalena Vasquez war einfach zu gefährlich. Sein Seelenheil stand auf dem Spiel.