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Das Echo der Schüsse hallte in Blix’ Kopf wider. Polmars Körper war am Boden in sich zusammengesackt. Blix blieb stehen und schnappte nach Luft. Seine Gesichtshaut war kalt, die Hände klamm. In seiner Brust war ein dicker Knoten. Er registrierte jeden Herzschlag und konnte nicht klar denken. Vor seinen Augen flimmerte es. Und inmitten des Flimmerns lag Iselin. Regungslos.

Er rief ihren Namen. Brachte seine Beine dazu, ihm zu gehorchen. Rannte zur Wendeltreppe, schlug sich den Kopf an einem Wandvorsprung an, sackte zu Boden und verlor die Pistole aus den Händen. Warmes Blut rann ihm in die Augen. Die Waffe holperte über die Metallstufen, rutschte seitlich weg und knallte unten auf den Boden.

Blix rappelte sich auf. Nahm zwei Stufen auf einmal. Die Treppenkonstruktion wackelte unter ihm.

Emma war bereits bei Iselin. Sie kniete neben ihr, hatte den Klebestreifen von ihrem Mund gelöst und entfernte die Schlinge um Iselins Hals. Als Blix sich zu Boden warf, rutschte sie ein Stück zur Seite.

»Iselin«, flüsterte er und legte eine Hand auf die Schulter seiner Tochter.

»Kannst du mich hören? Papa ist hier. Papa ist hier.«

Ein Gurgeln drang aus ihrem Hals. Blut sickerte aus dem Mundwinkel und einem Ohr.

Er schob ein Augenlid hoch. Der Augapfel war blutunterlaufen, und die Pupille reagierte nicht auf das Licht.

Er nahm die leblose Hand und hob ihr Kinn an, damit sie leichter atmen konnte, hatte aber Angst, sie zu bewegen.

»Iselin!«, rief er verzweifelt und drehte sich zu Emma, die bereits den Rettungsdienst informierte.

»Atmet sie?«, fragte Emma und nahm das Telefon kurz vom Ohr.

Blix legte das Ohr auf Iselins Brust. Er hörte ein Gurgeln, war sich aber nicht sicher, ob das vom Atmen oder von kaputten inneren Organen kam.

»Ich weiß es nicht.«

Seine Stimme versagte.

Er legte zwei Finger an Iselins Hals, wartete und glaubte, schwache Schläge zu spüren. Emma gab die Empfehlungen der Rettungsleitstelle an ihn weiter. Blix drückte Iselins Kinn vorsichtig nach unten und beatmete sie zweimal, wobei er ihre Nase zuhielt. Ihre Brust hob und senkte sich.

Dann kniete er sich hin, schob die Finger ineinander und legte sie auf Iselins Brustkorb. Mit gestreckten Armen drückte er nach unten. Er versuchte, einen gleichmäßigen Rhythmus zu finden, spürte aber, dass er zu schnell war. Er mahnte sich zur Ruhe, wobei er die ganze Zeit nach Lebenszeichen in Iselins Gesicht Ausschau hielt.

Keine Veränderung.

Er zählte laut vor sich hin und stoppte bei dreißig, beatmete sie weitere zweimal und machte mit der Herzmassage weiter.

»Komm schon!«, sagte er zu ihr. »Atme! Atme!«

In der Ferne hörte er das Heulen von Sirenen. Er sah zu Emma und verstand, dass das noch nicht die Rettungssanitäter sein konnten. Abelvik musste alle Einsatzkräfte in ihre Richtung geschickt haben.

»Geh nach draußen und weise sie ein!«

Emma protestierte, aber Blix fiel ihr ins Wort.

»Geh raus!«, wiederholte er. »Sag ihnen, dass das Gebäude gesichert ist.«

Er nickte in Richtung Timo Polmar. Die Einsatzkräfte mussten wissen, dass es keine Bedrohung mehr gab.

Emma rannte zur Ausgangstür. Die Sirenen näherten sich.

Blix war aus dem Rhythmus gekommen. Er gab Iselin drei weitere Kompressionen, beatmete sie zweimal und machte weiter. Den Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet.

Schöne Erinnerungen stiegen in ihm auf. Iselins erster Schultag, ihre Konfirmation, ein Ausflug zum Tivoli und ein Handballmatch. Die Bilder verschwanden und wurden von etwas ersetzt, das sich für immer in seine Netzhaut gebrannt haben würde. Der Sturz.

Die Sirenen verstummten. Draußen waren jetzt Motorengeräusche zu hören. Autotüren schlugen. Kommandos wurden gerufen.

Sie kamen von zwei Seiten. Zwei Gruppen bewaffneter Beamter. Obwohl Emma sie benachrichtigt hatte, durchsuchten sie routinemäßig das gesamte Gebäude. Raum für Raum wurde gesichert, bis zwei von ihnen vor Polmar stehen blieben. Einer richtete seine Waffe auf ihn, während der andere Polmars Pistole wegschob, das Visier seines Helms hochklappte, sich neben ihn hockte und den Puls überprüfte. Ein dritter Beamter bot sich an, Blix abzulösen.

Blix schüttelte den Kopf und machte weiter.

»Schaffen Sie einen Rettungswagen her!«, bat er.

Der Mann, der Polmars Puls überprüft hatte, stand auf und schüttelte den Kopf. Ein Funkgerät knackte. Dann wurde es still.