Blix streckte sich nach dem Wasserglas aus und trank einen großen Schluck. Er schwitzte. Er hätte seine Aussage anpassen können, eine Geschichte präsentieren, die ihn entlastete, indem er sich hinter juristischen Termini wie Notstand, Nothilfe und berechtigter Notwehrhandlung versteckte.
Er schaute zu dem Lämpchen an der Kamera.
Seine Aussage konnte ihn den Job kosten und eine Anzeige samt Haftstrafe nach sich ziehen. Aber die Wahrheit würde über kurz oder lang ohnehin herauskommen. Er hatte immer Verantwortung für sein Handeln übernommen.
»Kommen wir noch einmal darauf zurück«, sagte Brogeland.
Die Uhr an der Wand zeigte 01.58 Uhr. Blix schloss die Augen, gönnte ihnen ein paar Sekunden Entspannung.
»Warum ist Drivnes nach Hause gefahren?«, wollte Brogeland wissen. »Er wusste doch, dass er polizeilich gesucht wurde.«
»Genau das habe ich ihn auch gefragt«, antwortete Blix und rutschte auf dem Stuhl nach hinten. »Er hatte Bargeld in der Garage. Euro. Und er wollte kontrollieren, ob die Polizei schon dort gewesen war und das Geld gefunden hatte. Deshalb ist er das Risiko eingegangen, dort vorbeizuschauen.«
»Und dabei habt ihr ihn erwischt und niemanden informiert?«
Blix nickte und wiederholte noch einmal seine Darstellung, wie er Drivnes von der Straße gedrängt und mit in sein eigenes Auto genommen hatte.
»Und Odd-Arne Drivnes war bereit, das Versteck preiszugeben, in dem Iselin gefangen gehalten wurde?«
Blix nickte.
»Welche Verletzungen hatte Drivnes, als er in dein Auto umgestiegen ist?«
»Er hatte eine Schussverletzung am Fuß«, sagte Blix. »Die hatte Timo Polmar ihm zugefügt. Dazu kamen ein paar Schrammen und kleinere Schnittwunden, wahrscheinlich als er von der Straße abgekommen ist.«
»Hattest du eine Waffe gezogen?«
»Ja.«
»Und ihn damit bedroht?«
»Ich habe ihn wissen lassen, dass ich bewaffnet bin«, bestätigte Blix, ohne das weiter zu vertiefen.
Brogeland schien noch nicht zufrieden, ließ es aber auf sich beruhen.
»Was hat er über Polmar erzählt?«, fragte er stattdessen.
»Er meinte, Polmar sei instabil und dass er Iselin entführt hätte. Er selbst sollte nur einen Wagen besorgen, angeblich wusste er nichts von Polmars Plänen. Er hatte ihm öfter schon mal solche Dienste erwiesen.«
»Was meinte er damit, Polmar wäre instabil?«, fragte Brogeland.
»Dass der Kerl Wahnvorstellungen hatte und es noch nicht sehr lange her war, dass er aus der Psychiatrie entlassen wurde.«
»Und du hast Emma Ramm in diese neue, bewaffnete Situation mit einer mental instabilen Person hineingezogen?«
»Sie hat das Auto gefahren«, erklärte Blix. »Ich bin dann aber allein zu Polmar hineingegangen.«
Drivnes führte sie zu einem Ort außerhalb von Jessheim, eine leerstehende Autowerkstatt und Lackiererei. Blix saß in der Mitte der Rückbank, Odd-Arne Drivnes eingeklemmt zwischen ihm und der rechten Tür. Er hatte ihn angeschnallt und mit einem Paar Handschellen an den Gurt gekettet.
Emma fuhr auf seine Anweisung hin von der Autobahn und bog im ersten Kreisverkehr rechts ab. Sie passierten einige Hotels und kamen zum nächsten Kreisel, vorbei an einer Tankstelle und einem McDonald’s. Weiter durch ein Industriegebiet mit Firmengebäuden auf beiden Seiten der Straße. Am dunklen Himmel waren die Lichter eines Fliegers zu sehen, der von Gardermoen startete.
Sie näherten sich einem weiteren Kreisverkehr.
»Hier links ab«, sagte Drivnes.
Emma bremste. Direkt hinter ihr fuhr ein Bus dicht auf und geradeaus weiter, als Emma in eine ruhigere Nebenstraße abbog. Auf der linken Seite wuchsen Bäume, rechts war eine gerodete Fläche.
»Da drüben«, sagte Drivnes und zeigte mit einem Nicken auf die linke Straßenseite.
»Fahr daran vorbei«, bat Blix sie. »Und dann lass mich raus.«
Emma fuhr weiter. Das von Drivnes gezeigte graue, mehrgeschossige Gebäude stand etwas zurückgesetzt. Hinter ein paar Fenstern leuchtete es schwach, ansonsten wurde es außen von ein paar Straßenlaternen angestrahlt.
Blix verschaffte sich einen schnellen Überblick von der Umgebung. Merkte sich die Lage der Fenster und Türen, der schattigen und beleuchteten Flächen.
»Okay«, sagte er, als sie vorbei waren. »Halt hier an.«