«Santi, du warst heute Morgen echt sehr still», sagt Malachi. Seit wann glaubt er eigentlich, er dürfte mich mit einem Spitznamen anreden? Aber ich bin zu ermattet, um ihn zurechtzuweisen. Obwohl wir uns in den letzten beiden Wochen im Unterricht gesehen haben, haben wir nicht viel miteinander geredet.
«Ja, ich habe noch lange an den Hausaufgaben gesessen. Und Ms. Fuentes hat mir einen Ar… eine Menge Änderungen für meinen Aufsatz-Entwurf aufgegeben.»
Er zieht eine Augenbraue hoch, weil ich mich korrigiert habe, doch er geht nicht weiter darauf ein. «Worüber schreibst du denn?», fragt er.
Ich biege um die Ecke zu meinem nächsten Unterrichtsraum. «Culinary Arts ist erst später, Malachi – wo willst du eigentlich hin?»
«Ich bringe dich, Santi.»
Daraufhin bleibe ich ruckartig an einem Wasserspender stehen. «Wir sind nicht befreundet, Malachi. Wir sind freundlich zueinander, aber du solltest das nicht durcheinanderbringen. Ich weiß, du bist neu hier, und ich will nicht gemein zu dir sein. Aber ich will eins klarstellen: Du und ich sind keine Freunde.»
Früher hätte ich das nicht ohne weiteres sagen können. Ich war still und schüchtern und erstaunt, wenn mir überhaupt jemand Beachtung schenkte. Aber alle Erziehungsratgeber ermuntern Mütter zu einer direkten und klaren Sprache, um mit Erwartungen umzugehen und so weiter. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Typen genauso sind wie Babys, wenn sie etwas wollen – und ebenso ein klares, deutliches Nein hören müssen.
Malachi hebt die Hand und zieht an einer meiner Locken. «Okay, Santi. Wir sind nicht befreundet. Darf ich mit dir in die gleiche Richtung gehen, bis du an deinem Unterrichtsraum angekommen bist?»
«Kommst du dann nicht selbst zu spät?»
Er zuckt mit den Schultern. «Du und ich sind keine Freunde, Santi. Dann geht es dich auch nichts an, ob ich pünktlich bin.» Als er sein Lächeln aufblitzen lässt, schmelze ich beim Anblick der Grübchen beinahe dahin. «Außerdem bist du eine der wenigen, mit der ich mich bisher richtig unterhalten habe. Kannst du mir nicht ein paar Tipps geben, was ich mir in der Stadt unbedingt ansehen muss?»
Und obwohl ich Malachi nicht mehr als nötig ermuntern will, freue ich mich immer, wenn ich meine Heimatstadt anpreisen kann. «Na gut, fangen wir doch mit den Cheesesteak-Sandwichs an. Weißt du, wohin die Touristen gehen? Basura. Die besten Cheesesteak-Sandwichs …»