Eins steht fest: Die Lehrer vergessen, dass ich täglich schwierige Entscheidungen treffen muss, und zwar seit drei Jahren, und dass ich es merke, wann sie mich von etwas überzeugen wollen, das sie für richtig halten, ohne meine Lebensumstände zu kennen. Ich musste entscheiden, ob ich Babygirl stillen oder es besser lassen sollte, damit nicht plötzlich im Unterricht die Milch einschießt. Ich muss entscheiden, ob ich meinem Vater gestehe, wie es sich für mich anfühlt, dass er andauernd weg ist, oder ob ich mich einfach nur darüber freue, überhaupt einen Vater zu haben. Ob meine Tochter in einer Kinderbetreuung gut aufgehoben ist, die ich im Grunde nicht kenne, oder ob ich ’Buela bitten soll, ein Kleinkind aufzuziehen, obwohl sie erschöpft ist und andere Verpflichtungen hat.
Die Entscheidung, ob ich überhaupt ein Baby bekommen sollte.
Vermutlich war das die schwerste Entscheidung meines Lebens. Niemand kannte die einzig richtige Lösung, niemand wusste, ob ich als Mutter geeignet sein würde oder das Baby lieber zur Adoption freigeben sollte. Oder ob ich es abtreiben sollte. Tyrone hat seine Fehler, aber er hat mich nie in die eine oder andere Richtung gedrängt. Seine Eltern wollten, dass ich das Baby wegmachen lasse, aber Tyrone fand, die Entscheidung läge bei mir. Als ’Buela von meiner Schwangerschaft erfuhr, hat sie die ganze Nacht geweint, tief und still schluchzend. Ich wusste, dass sie teilweise um mich und teilweise um sich selbst weinte – sie hatte gedacht, sie hätte das letzte Kind großgezogen.
«Emoni, preguntate, bist du dazu bereit? Wenn du dieses Baby bekommst, wird dein Leben nicht länger dir gehören. Jede Entscheidung, die du triffst, gilt auch für das Kind. Du kannst nicht mehr egoistisch sein oder deine Bedürfnisse über die des Babys stellen. Jetzt wirst du zum letzten Mal gefragt, was du willst, bevor du gefragt wirst, was dein Baby braucht. Piénsalo bien.»
’Buela ist auf eine sanfte Weise katholisch. Sie glaubt an Gott, aber sie drängt niemandem ihre Religion auf. Ich bin sonntags mit ihr zur Kirche gegangen, aber sie hat mich nicht gezwungen, zur Kommunion zu gehen. Ebenso wenig hat sie mich gezwungen, das Baby zu behalten. Sie hat einfach meine Hand gehalten und mich gebeten, darüber nachzudenken, was es für mich bedeuten würde. Ich hatte keine Ahnung, was es für mich bedeuten würde.
Julio schwieg, als ich es ihm am Telefon sagte. Schließlich wollte er mit ’Buela sprechen, die das Telefon mit in ihr Zimmer nahm. Wir haben nie wieder über die Schwangerschaft gesprochen, und er hat auch nicht gefragt, ob ich das Baby behalte oder nicht.
Ohne es irgendjemandem zu sagen, ging ich in eine Klinik, die Gratisbehandlungen durchführt. Ich setzte mich auf den Untersuchungsstuhl. Zu dem Zeitpunkt hatte ich weder einen dicken Bauch noch geschwollene Füße, und niemand trat mich innerlich, um auf sich aufmerksam zu machen. Außer einem positiven Schwangerschaftstest und einer ausgebliebenen Periode hatte ich keinen Beweis für ein Baby. Die Krankenschwestern in der Klinik waren unglaublich nett. Die Ärztin hat mich wie eine Erwachsene behandelt und mir alle Möglichkeiten und Risiken aufgezeigt und mir genau erklärt, wie es gemacht würde. Sie hat mich nicht in irgendeine Richtung gedrängt und mich auch nicht bemitleidet.
Ich habe mir immer wieder dieselbe Frage gestellt: «Kann ich das machen?» Und dann wurde mir bewusst, dass es darauf keine einzig wahre Antwort gab, sondern nur die Antwort, die für mich richtig war.