«Ich freue mich darauf, diese Woche mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Emoni. Erklären Sie mir zunächst, was Sie bereits können. Wie heißen diese Zutaten?» Elena zeigt auf verschiedene Kräuter und Gewürze. «Ich sehe schon, dass Sie es wissen.» Und ich weiß es tatsächlich.
Ich nehme ein großes Blatt in die Hand und rieche daran. Es ist kleiner als die Sorte zu Hause, aber den Geruch würde ich überall erkennen. «Das ist ein Lorbeerblatt», sage ich. «Und das ist eine Kardamomkapsel.»
Sie nickt mir zu.
Dann geht sie zu einem anderen Posten und öffnet einen Behälter, in dem mehrere große Tintenfische auf Eis lagern. Ich habe noch nie Tintenfisch zubereitet und bin fasziniert von der zartrosa Hautfarbe und dem glitschigen Gefühl, als ich ihn in die Hand nehme. Elena zeigt mir mit einem Messer, wie man die Fangarme durchschneidet, die sie zum Grillen marinieren will. Ich halte meine Hände zurück, die schon nach den Gewürzen greifen wollen, als würde ich mit ihnen schimpfen wie mit Babygirl, weil sie immer alles anfassen will. Vorher konnte ich noch eine Runde FaceTime mit ’Buela und Babygirl einschieben, und es fühlte sich unglaublich gut an, ihre Gesichter zu sehen.
«Elena», sage ich, weil ich mich wohl genug fühle, um eine Frage zu stellen. «In unserer Schule hat ein Junge den gleichen Nachnamen wie Sie, nur mit einem ‹h›. Ahmadi. Mir war nicht bewusst, dass es ein spanischer Name ist.»
«Meine Familie stammt aus Marokko», erklärt Elena. Ihre Stimme klingt immer so, als würde sie singen. Ich sehe sie an. Ihre Haut ist gebräunt, aber ich hätte sie für eine typische Spanierin gehalten. Während ich das Messer langsam nach unten führe, mustere ich sie unter den Wimpern hervor noch etwas länger.
«Oh, nein, das werden Sie wohl nicht erkennen. Ich habe mehr Ähnlichkeit mit der väterlichen Seite, da gibt es mehr Spanier. Aber Spanien und die gesamte Iberische Halbinsel wurden von den nordafrikanischen Mauren maßgeblich beeinflusst.»
Von alldem hatte ich im Grunde noch nie etwas gehört, und da ich nicht weiß, wie ich reagieren soll, nehme ich mir den nächsten Fangarm vor und beträufele ihn mit Öl.
«Ayden hat gesagt, Sie hätten etwas Besonderes an sich. Eine Affinität zu den Dingen, die aus der Erde kommen, meinte er. Eine Meisterin der Gewürze. Wenn Ayden so etwas sagt, meint er es so. Normalerweise glaubt er nicht an besondere Begabungen, sondern an harte Arbeit, die irgendwann mühelos wirkt. Würden Sie seiner Einschätzung zustimmen?»
Meine Augenbrauen sehen bestimmt so aus, als würden sie gleich Fallschirm springen. «Meinen Sie das mit dem Lorbeerblatt?»
«Nicht noch mehr Öl, das reicht so.» Sie nimmt mir die Schüssel mit dem marinierten Tintenfisch aus der Hand, legt ein rotes Tuch darüber und stellt sie in den Kühlschrank. «‹Das mit dem Lorbeerblatt› ist genau das, was ich meine. Sie sind zum ersten Mal in Spanien. Soweit ich von Ihrem Lehrer weiß, hatten die meisten von Ihnen noch keinen Kontakt zu anderen Länderküchen. Dennoch erkennen Sie eine Gewürzpflanze, die in Ihrer Region etwas anders aussieht und riecht. Sie haben wahrscheinlich Gewürze miteinander kombiniert, von denen Ihnen niemand gesagt hat, dass sie gut zusammenpassen würden. Oder ein Gemüse so zerkleinert, das es Ihrer Meinung nach am meisten Geschmack entwickelt. Sie wissen Dinge, die Ihnen niemand beigebracht hat, sí?»
Ich schüttele den Kopf, no. Auch wenn ’Buela immer behauptet, ich hätte Zauberhände, so habe ich es selbst niemals über mich gesagt. Ich weiß auch gar nicht, ob ich so sehr an die Magie glaube wie daran, dass ich eine richtig gute Köchin bin. Andererseits hat sie recht, denn in meinen Experimenten geht es meistens um Gewürze. «Meine Tante Sarah schickt mir Rezepte, mit denen ich experimentiere. Und ich schaue mir vieles auf Food Network an. Gibt es diesen Sender hier auch? Er ist sehr gut. Da gibt es eine Show, die heißt Chopped …»
Elena legt den Lappen weg, mit dem sie die Arbeitsplatte abgewischt hat, und nimmt meine Hände in ihre, um meine Handflächen zu betrachten. «Ayden hat zu mir gesagt, Sie hätten eine Gabe. Wenn Sie es nicht als Magie bezeichnen wollen, meinetwegen. Aber es ist eine Gabe, mit der Sie vermutlich das Leben der Menschen in Ihrer Umgebung verändert haben. Wenn Sie kochen, machen Sie den anderen ein Geschenk. Vergessen Sie das nicht.»
Ich entziehe ihr meine Hände. «Was jetzt?», frage ich.
Sie schürzt die Lippen, atmet tief ein und lächelt.
«Sie kochen Huhn für meine Gäste. In anderthalb Stunden öffnet das Restaurant zum Mittagessen. Es ist heute unser Tagesgericht.»
Ihre Worte huschen über mein Herz wie eine Ratte im Barrio über die Müllberge, und ich hätte am liebsten entsetzt «ich?» gequiekt. Doch ohne das Gesicht zu verziehen, nicke ich, als würde ich tagtäglich für Dutzende von Gästen nach einem Rezept kochen, das ich noch nie ausprobiert habe.
Elena nickt. «Sie haben freie Wahl bei den Gewürzen und können das Huhn in jeglicher Form zubereiten. Wir servieren es auf Ihre Weise. Gallina à la Americana.»
Als sie eine Augenbraue hochzieht, begreife ich die Herausforderung. Sie will mich testen. Ich richte meine Kochmütze, gehe zur Speisekammer und muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Elena lächelt.
«Gallina à la Afro-Boricua trifft es besser.»