Willkommen
Eine gut ausgestattete Küche in einem gediegenen Einfamilienhaus. In dem durch große Erkerfenster einströmenden Sonnenlicht glitzern die Oberflächen aus Edelstahl. Drei Kinder, zwei Mädchen und ein Junge, rennen lachend durchs Bild, spielerisch verfolgt von ihrer Mutter, einer jungen Frau mit braunem Haar. Sie ist barfuß, trägt einen weißen Pulli und Jeans.
Die Mutter bleibt stehen, wendet sich der Kamera zu, stemmt die Hände in die Hüften und spricht direkt zu den Betrachtern.
MUTTER: »Ich liebe meine Kinder, aber sie sind ganz schön anstrengend. Manchmal dauert es ewig, bis sie angezogen und im Garten sind. Und nach den Massakern am Black Friday …«
Sie unterbricht sich, drückt die Hand an die Brust und schließt die Augen, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Dann jedoch macht sie die Augen wieder auf und lächelt.
»… seither jagt mir schon die Vorstellung, zum Einkaufen zu fahren, einen gewaltigen Schrecken ein. Wenn es Cloud nicht gäbe, wüsste ich ehrlich gesagt gar nicht, was ich tun soll.«
Sie lächelt wieder, sanft und natürlich, genau wie eine Mutter lächeln soll.
Schnitt auf den kleinen Jungen, der jetzt auf dem Boden liegt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hält er sich sein Knie, das blutig aufgeschürft ist. Er heult.
KIND: »Mamiiiiiiii!«
Schnitt auf einen Mann im roten Poloshirt, der von irgendwoher weiter oben auf den Boden eines riesigen Warendepots springt. Er ist schlank, attraktiv, blond. Sieht aus wie im Labor gezüchtet. Die Kamera zoomt auf den Gegenstand in seiner Hand: eine Schachtel mit Heftpflaster.
Der Mann läuft los und spurtet zwischen zwei hoch aufragenden Regalreihen hindurch, auf denen säuberlich aufgestapelt verschiedene Waren liegen.
Kaffeebecher und Toilettenpapier, Bücher und Suppendosen. Seife und Bademäntel, Laptops und Motoröl. Briefumschläge und Spielzeugsets, Handtücher und Sneakers.
Der Mann bleibt vor einer langen Reihe Förderbänder stehen, legt die Packung Pflaster in eine blaue Box und schiebt sie dann das Förderband entlang.
Schnitt auf eine Drohne, die durch einen strahlend blauen Himmel summt.
Schnitt auf die Mutter, die gerade einen mit dem Cloud-Emblem geschmückten Pappkarton aufreißt. Sie entnimmt ihm die Schachtel mit den Pflastern und zieht eines heraus, das sie ihrem Kind aufs Knie klebt. Der kleine Junge strahlt und gibt seiner Mutter einen Kuss auf die Wange.
Die Mutter wendet sich wieder der Kamera zu.
MUTTER: »Dank Cloud bin ich immer bereit für alles, was das Leben uns vorsetzt. Und wenn mal eine Leckerei angesagt ist, lässt Cloud mich ebenfalls nicht im Stich. «
Der Mann im roten Poloshirt taucht wieder auf, diesmal mit einer Schachtel Süßigkeiten unter dem Arm. Er rennt los, aber die Kamera folgt ihm nicht. Stattdessen wird er zwischen den riesigen Regalen immer kleiner, bis er scharf nach rechts abbiegt und verschwindet. Nun sieht man nur noch die monumentalen Regale über dem leeren Boden aufragen. Sie erstrecken sich weit in die Ferne.
Schnitt auf einen weißen Bildschirm. Ein hagerer älterer Mann kommt heran. Er trägt Jeans, ein weißes Anzughemd mit hochgekrempelten Ärmeln und braune Cowboystiefel. Seine Haare sind militärisch kurz geschnitten. In der Mitte des Bildschirms bleibt er stehen und lächelt.
GIBSON WELLS: »Tag, ich bin Gibson Wells, Ihr neuer Chef. Es ist mir ein echtes Vergnügen, Sie in der Familie willkommen zu heißen.«
Schnitt auf Wells, der zwischen den gewaltigen Regalreihen hindurchgeht. Diesmal huschen dort Männer und Frauen in roten Shirts hin und her, aber niemand hält inne und grüßt ihn, wie wenn er ein Gespenst wäre.
GIBSON WELLS: »Cloud ist die Lösung für alle Bedürfnisse. Es ist ein Ort der Erleichterung in einer hektischen Welt. Unser Ziel ist es, einzelnen Menschen und Familien zu helfen, die nicht außer Haus gehen können, keine Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe haben oder das Risiko nicht eingehen wollen.«
Schnitt auf einen Raum mit rasterförmig angeordneten, wuchtigen Tischen. Bedeckt sind sie mit blauen Rohren, die wie Industriegebläse aussehen. Wenn die Arbeiter in den roten Poloshirts einen Gegenstand darauflegen, wird er von aus den Rohren quellendem Schaum umhüllt, der schnell zu Pappe trocknet.
Die Arbeiter befestigen Adressetiketten und Aufkleber mit dem Cloud-Emblem auf den Paketen und deponieren sie dann auf einer Reihe von Bändern, die endlos zur Decke hinauflaufen.
Wells streift immer noch umher, während die Arbeiter flink und präzise ihre Tätigkeit verrichten, ohne ihn wahrzunehmen.
GIBSON WELLS: »Hier bei Cloud ist es unser Bestreben, Ihnen ein sicheres Arbeitsumfeld zu bieten, wo Sie Herr Ihres eigenen Schicksals sind. Das heißt, es ist ein breites Spektrum an Positionen verfügbar, von den Sammlern – diesen netten Leuten in Rot – über unsere Verpacker und unser Supportpersonal …«
Schnitt auf einen riesigen Raum voller Bürokabinen. Leute mit kanariengelben Poloshirts und Telefon-Headsets blicken auf Tablets, die an ihren Schreibtischen befestigt sind. Alle lächeln oder lachen, als würden sie sich mit alten Freunden unterhalten.
»… die Assistenten …«
Schnitt auf eine glänzende Industrieküche, wo Angestellte in hellgrünen Poloshirts Mahlzeiten zubereiten und Abfalleimer leeren. Auch sie lächeln oder lachen. Wells steht mit einem Haarnetz neben einer kleinen Frau mit indischen Gesichtszügen und ist damit beschäftigt, eine Zwiebel zu schneiden.
»… das technische Team … «
Schnitt auf eine Gruppe von jungen Männern und Frauen in braunen Poloshirts. Sie inspizieren die freigelegten Innereien eines Computerterminals.
»… bis zu den Managern.«
Schnitt auf einen Tisch, an dem Männer und Frauen in strahlend weißen Poloshirts mit Tablets in den Händen sitzen. Sie diskutieren über etwas sehr Bedeutsames, während Wells danebensteht.
GIBSON WELLS: »Bei Cloud evaluieren wir Ihre Kompetenzen und setzen Sie in genau der Position ein, die am besten für uns alle ist.«
Schnitt auf eine aufgeräumte, hübsche Wohnung wie aus dem Katalog, in der ein junger Mann am Herd steht. Er setzt sich seine Tochter auf die Schultern, um anschließend in einem Topf mit Soße zu rühren.
Die Wand ist mit Aufklebern geschmückt, auf denen in Kursivschrift Love und Inspiration steht. Das Sofa ist flott und modern. Die Einbauküche ist so groß, dass darin vier Leute gemeinsam kochen könnten, und bietet den Blick auf ein tiefer gelegtes Wohnzimmer, das für eine Cocktailparty geeignet wäre.
Wells ist jetzt verschwunden, aber seine Stimme ist weiterhin zu hören.
GIBSON WELLS: »Weil Cloud nicht nur ein Ort ist, wo man arbeitet. Es ist ein Ort, wo man lebt. Glauben Sie mir: Wenn Ihre Freunde und Verwandten zu Besuch kommen, wollen sie womöglich auch hier arbeiten. «
Schnitt auf einen verstopften Highway. Kein Fahrzeug bewegt sich, die Abgase lassen den Himmel aschgrau werden.
GIBSON WELLS: »Bisher war der amerikanische Berufspendler im Durchschnitt zwei Stunden täglich unterwegs. Das sind zwei Stunden vergeudete Zeit. Zwei Stunden, in denen Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen wird. Alle Mitarbeiter, die sich entscheiden, in einer unserer Wohnanlagen zu leben, gelangen von ihrem Arbeitsplatz in weniger als fünfzehn Minuten nach Hause. Wer mehr von seiner Zeit zur Verfügung hat, der hat mehr Zeit für seine Familie, sein Hobby und für die dringend nötige Erholung.«
Schnitt auf eine Montage aus kurzen Szenen:
–   Leute beim Einkaufsbummel in einer mit weißem Marmor ausgelegten Ladenpassage, umgeben von Markengeschäften
–   ein Arzt, der sein Stethoskop an die entblößte Brust eines jungen Mannes drückt
–   ein junges Paar, das Popcorn mampft; die Gesichter flackern im Licht eines Kinofilms
–   eine ältere Frau, die auf einem Laufband trainiert.
GIBSON WELLS: »Wir bieten alles von Unterhaltung über medizinische Versorgung und Wellness bis hin zu schulischen Einrichtungen, die dem höchsten Standard entsprechen. Wenn Sie einmal hier sind, werden Sie nie wieder fortgehen wollen. Außerdem will ich, dass Sie sich hier zu Hause fühlen. Wirklich zu Hause. Obwohl Ihre Sicherheit absolute Priorität für uns hat, werden Sie trotzdem nicht an jeder Ecke Überwachungskameras sehen. Sonst wäre das kein Leben. «
Schnitt auf einen weißen Bildschirm. Wells ist wieder da. Der Hintergrund ist verschwunden, sodass er mitten in der Leere steht.
GIBSON WELLS: »Alles, was Sie hier sehen, und mehr wird für Sie verfügbar sein, sobald Sie bei Cloud angefangen haben. Überdies können Sie darauf vertrauen, dass Ihr Job sicher ist. Zwar sind einige unserer Abläufe automatisiert, aber ich halte nichts davon, Roboter zu beschäftigen. Ein Roboter kann niemals die Geschicklichkeit und das kritische Urteilsvermögen eines Menschen replizieren. Selbst wenn es eines Tages dazu kommen sollte, wird das keine Bedeutung für uns haben. Wir glauben an die Familie. Das ist der Schlüssel, ein Geschäft erfolgreich zu führen.«
Schnitt auf eine verlassene Ladenfront. Die Schaufenster sind mit Sperrholz verrammelt. Wells, der den Bürgersteig entlanggeht, wirft einen Blick auf den Laden, schüttelt den Kopf und wendet sich der Kamera zu.
GIBSON WELLS: »Die Lage ist hart, daran besteht kein Zweifel. Aber auch in der Vergangenheit waren wir allerhand Widrigkeiten ausgesetzt und haben sie überwunden, denn das ist es, wofür wir geschaffen sind. Wir bringen Leistung, und wir halten durch. Es ist mein Traum, Amerika wieder auf die Beine zu verhelfen, und deshalb arbeite ich mit den von Ihnen gewählten Lokalpolitikern zusammen, um dafür zu sorgen, dass wir genügend Wachstumsmöglichkeiten haben, damit mehr Bürgerinnen und Bürger ihren Lebensunterhalt verdienen können. Unser Erfolg beginnt bei Ihnen. Sie sind die Zahnräder, die unsere Wirtschaft in Bewegung halten. Ja, Ihre Arbeit wird manchmal schwer sein oder Ihnen monoton vorkommen, das verschweige ich nicht, aber Sie sollten nie vergessen, wie wichtig Sie für das große Ganze sind. Ohne Sie ist Cloud absolut nichts. Bei rechtem Licht betrachtet …«
Die Kamera zoomt näher heran. Lächelnd breitet Wells die Arme aus, als wollte er den Betrachter auffordern, ihn zu umarmen.
»… arbeite ich für Sie
Schnitt auf einen Tisch in einem Restaurant, an dem etwa ein Dutzend Männer und Frauen sitzen. Viele von ihnen sind übergewichtig. Die Männer halten Zigarren in den Fingern; graue Rauchkringel schweben in der trüben Luft. Auf dem Tisch stehen leere Weingläser und Teller mit halb gegessenen Steaks.
GIBSON WELLS: »Manche Leute werden Ihnen erklären, es sei nicht ihre Aufgabe, für Sie zu kämpfen. Das stimmt. Die Aufgabe solcher Leute ist es, für sich selbst zu kämpfen. Sich durch die harte Arbeit, die Sie leisten, zu bereichern. Bei Cloud hingegen sind wir für Sie da, und das meinen wir auch.«
Die Kamera zieht sich zurück. Nun steht Wells in einer kleinen Wohnung.
GIBSON WELLS: »Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was als Nächstes kommt. Nun, wenn Sie in der MotherCloud eintreffen, wird man Sie mit einem Zimmer und einem CloudBand ausstatten.«
Wells hebt den Arm, um ein glänzendes, uhrenähnliches Objekt zu zeigen, das er an einem robusten Lederriemen um das Handgelenk trägt .
GIBSON WELLS: »Ihr CloudBand wird Ihr neuer bester Freund sein. Es hilft Ihnen dabei, innerhalb der Anlage von Ort zu Ort zu gelangen, Türen zu öffnen und Einkäufe zu bezahlen. Es liefert Wegbeschreibungen, überwacht Ihre Gesundheit und Ihre Herzfrequenz, aber vor allem unterstützt es Sie bei Ihrer Arbeit. Wenn Sie in Ihre Wohnung gelangen, werden Sie übrigens ein paar weitere tolle Sachen vorfinden.«
Er hebt einen kleinen Karton in die Höhe.
GIBSON WELLS: »Die Farbe Ihres Shirts wird Ihnen mitteilen, wo Sie arbeiten. Wir sind noch damit beschäftigt, Ihre Testergebnisse auszuwerten, aber bis Sie in Ihrer Wohnung sind, haben wir das geschafft. Sobald Sie ankommen, sollten Sie Ihre Sachen abstellen und einen Spaziergang unternehmen. Machen Sie sich mit allem vertraut. Morgen findet die Orientierung statt, bei der jemand aus Ihrem Arbeitsbereich Sie begleiten wird, um Sie einzuweisen.«
Er stellt den Karton ab und zwinkert der Kamera zu.
GIBSON WELLS: »Viel Glück, und willkommen in der Familie! Wir haben mehr als hundert MotherCloud-Zentren in den Vereinigten Staaten, und es ist bekannt, dass ich dort ab und an zu Besuch komme. Wenn Sie mich also durch die Gegend gehen sehen, können Sie mich gern ansprechen und grüßen. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen. Und wohlgemerkt: Sagen Sie einfach Gib zu mir!«