Paxto
n
Paxton wedelte mit den Händen vor dem Sensor für den Wasserhahn. Er wünschte sich nichts mehr, als das klebrige, trocknende Blut von seiner Haut zu bekommen.
Nichts geschah. Er legte die Hände ineinander und bewegte sie erst aufwärts und abwärts, dann im Kreis. Immer noch nichts. Er wedelte erneut. Sah sein Gesicht, das sich in der silbern glänzenden Metallscheibe des Sensors spiegelte.
Paxton ballte die Faust und schlug auf die Scheibe ein. Einmal, zweimal. Bis sie so mit Blut verschmiert war, dass er sich nicht mehr sehen konnte.
Er hatte dem Mann den Puls gefühlt, obwohl er zu wissen glaubte, dass er tot war. Obwohl man so viel Blut sah. Einer der beiden Sanitäter, die nach einer Weile aufgetaucht waren, musste beim Anblick des zertrümmerten Körpers kotzen und ergriff die Flucht, weshalb Paxton dem anderen half, die Leiche des Springers in einen Sack zu befördern. Das hatte sich angefühlt, als würde man mit einem Sack Kartoffeln hantieren.
Jetzt schloss er die Augen. Atmete durch die Nase ein. Hielt die Hände immer wieder unter den Wasserhahn. Endlich rann ein dünner Strahl heraus. Er benetzte die Hände, ließ dick Seife aus dem Spender darauflaufen und fing an, sie aneinander zu reiben. Das Wasser war lauwarm anstatt brühend heiß, wie er es sich gewünscht hätte. Am liebsten hätte er sich die oberste Hautschicht abgerubbelt. Selbst als seine inzwischen rosaroten Hände völlig sauber waren, fühlten sie sich nicht so an
.
Als er an dem CloudPoint-Terminal im Flur vorüberkam, sah er, dass der Deckel unterhalb des Bildschirms nicht ganz geschlossen war. Er bückte sich, um ihn zuzudrücken, was aber nicht ging, weil das Schloss nicht einschnappte. Daraufhin fuhr er mit den Fingern über den Zylinder und stellte fest, dass darin ein kleines Stück weißes Plastik steckte.
Zuvor hatte er Zinnia auf den Flur zugehen sehen, offenbar auf dem Weg zur Toilette. Ob ihr wohl aufgefallen war, dass der Deckel ein Stück offen stand? Er ging in die Eingangshalle zurück und winkte Dakota zu sich, die gerade mit einem anderen Blauen diskutierte.
Sie kam herbeigetrabt. »Was ist?«
Paxton führte sie wortlos zum Terminal und berührte mit dem Fuß leicht den Deckel. Sie hockte sich davor und studierte das Schloss.
»Da steckt ein Stückchen Plastik drin«, sagte sie.
»Was hältst du davon?«
Dakota erhob sich. Stemmte die Hände in die Hüften. Blickte den Flur entlang und dann wieder auf das Terminal. »Könnte eine Ratte gewesen sein. Ich überprüfe mal die Überwachungsdaten.«
»Das hat eine Ratte zustande gebracht?«
»Wir haben hier eine besondere Sorte Ratten. Gut gemacht!«
»War nicht gerade schwer zu sehen«, sagte er.
»Nimm das Kompliment ruhig an, Alter!«
»Tu ich ja.«
Dakota drückte auf die Krone ihrer Uhr. »Schickt ihr mal ein paar Techniker in die Eingangshalle von Maple? In dem Flur, der zu den Toiletten führt, gibt’s ein Problem mit dem Terminal, das sich jemand anschauen sollte.«
Sie warf einen Blick aufs Display, dann sah sie Paxton an. »Schluss für heute.«
»Schon?«, sagte er.
»Das war eine Nachricht von Dobbs«, sagte sie. »Wir sind fertig. Wenn man so was mitgemacht hat, darf man Feierabend machen.«
Paxton warf einen Blick nach draußen. Selbst vom Flur aus war zu erkennen, dass sich immer mehr Leute in der Eingangshalle versammelten.
»Helfen wir erst mal dabei, draußen Ordnung zu schaffen«, sagte er. »Dann können wir immer noch gehen.«
Dakota nickte. »Klar.«
Sie gingen hinaus, um mit den Grüppchen zu sprechen, die sich gebildet hatten. Baten die Leute, in ihre Wohnung zurückzukehren oder sich woanders aufzuhalten. Nicht alle gehorchten, aber doch die meisten. Trotz ihrer geringen Körpergröße schien Dakota eine besondere Autorität zu genießen, wohl weil man sie kannte. Nach einer Weile kamen ein paar Leute in Grün mit Reinigungsutensilien angeschlurft, so ungerührt, als hätten sie den Auftrag, im Supermarkt eine Pfütze aufzuwischen.
Paxton wartete, bis Dakota das Gespräch mit einer Frau beendet hatte, dann stellte er sich neben sie. »Tut das an jedem Bilanztag jemand?«
»Eine Handvoll, ja.« Sie zögerte, als wollte sie noch etwas hinzufügen, schien es sich jedoch anders zu überlegen. »Hör mal, jetzt ist alles so weit geregelt, würde ich sagen. Wie wär’s, wenn du nach Hause gehst?«
»Okay«, sagte Paxton. »Danke.«
Er blieb noch eine Weile stehen und überlegte, ob das wirklich alles war. Ob es sich vielleicht um einen Test
handelte und er bleiben sollte. Aber Dakota wandte sich von ihm ab, um sich um etwas anderes zu kümmern.
Nach einem kurzen Besuch in seiner Wohnung suchte Paxton den Waschraum auf. Er stellte die Dusche so heiß, wie es ging, auch wenn er sich fast die Haut verbrühte, und zahlte die nötigen Credits für zusätzliche fünf Minuten. In seine Wohnung zurückgekehrt, zog er das Bett heraus und arrangierte das Kissen und die Decke so, dass er bequem aufrecht sitzen konnte. Dann griff er zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.
Als Erstes kam ein Werbespot für eine wirklich hübsche Thermoskanne. Dabei bekam er Kaffeedurst, weshalb er sich mit einem Tastendruck in den Cloud-Store einloggte. Sobald er die Kanne bestellt hatte, wurden ihm eine Kaffeemaschine und dazu passende Pads angeboten. Dabei wurde ihm klar, dass er noch überhaupt nichts für seine Wohnung gekauft hatte, weil er sich davor scheute. Je mehr er sich einrichtete, desto länger würde er hier bleiben. Kaffee war allerdings eine Notwendigkeit, weshalb er auch die Maschine samt Pads bestellte. Der Bildschirm teilte ihm mit, dass alles innerhalb einer Stunde geliefert werde.
Er konnte wahrlich eine Tasse Kaffee gebrauchen, bevor er ausging.
Was er wegen Zinnia machen sollte, wusste er immer noch nicht recht. Vielleicht war es das Beste, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Zinnia war hübsch, und sie schien sich für ihn zu interessieren. Reichte das nicht aus? Musste er es verkomplizieren, indem er sich komische Gedanken machte?
Es blieben noch ein paar Stunden, bis er sie wieder in der Kneipe treffen würde. Die Zeit konnte er nutzen, um etwas zu erledigen. Aus dem kleinen Stapel Bücher, die
er mitgebracht hatte, zog er ein leeres Notizbuch. Er setzte sich damit wieder hin und schlug die erste Seite auf. Leer, frisch, voller Verheißung.
Ganz oben schrieb er hin: NEUE IDEE.
Dann starrte er auf die Seite, bis seine Bestellung eintraf. Als es an der Tür klopfte, schrak er zusammen und ließ das Notizbuch fallen. Im Flur stand ein kleiner, bleicher Mann mit rotem Poloshirt und neongelbem Uhrenarmband, der ihm einen Karton überreichte. Dann nickte er und hastete davon.
Paxton stellte den Karton auf die Ablage, riss ihn auf und nahm die Kaffeemaschine und die anderen Sachen heraus. Den Karton räumte er beiseite, um ihn später zu entsorgen. Die Pads hatten verschiedene Geschmacksrichtungen. Er wählte Zimtgebäck
und stellte einen Becher unter, den er im Küchenschrank gefunden hatte. An der Seite war der Becher mit der Aufschrift HOT STUFF
dekoriert. Als das erledigt war, setzte er sich wieder hin, rief in seinem Fernseher den Browser auf und tippte den Suchbegriff revolutionäre Küchengeräte
ein. Wenn er sich die Ideen von anderen Leuten anschaute, kam ihm vielleicht selber eine. Mit dem Touchpad scrollte er sich durch Listen und Blogs über Digitalwaagen mit Bluetooth-Konnektivität, eine Barmaschine zum Mixen von Cocktails aus vorgefertigten Packungen, eine Mühle zum Mahlen gefrorener Butterstücke, um diese streichfähiger zu machen.
Eine Nudelpresse für hausgemachte Ramen.
Eine Bratpfanne mit selbstregulierender Temperatursteuerung.
Eine Instant-Pancake-Maschine.
Paxtons Gehirn blieb eine unfruchtbare Einöde. Keinerlei Geistesblitze. Er verlor sich in den Klicks, bis ihm
der Kaffee wieder einfiel. Er nahm den Becher aus der Maschine, stellte ihn auf seinen Bauch und blies in den Dampf, während er auf das Fernsehprogramm umschaltete und herumzappte, um etwas Interessantes zu finden. Es kamen mehr Werbespots als echter Inhalt. Eine kleine Weile blieb er beim Cloud News Network hängen, wo über den Kursanstieg der Firmenaktie berichtet wurde, weil man die Ernennung von Ray Carson zum CEO
erwarte.
Als es allmählich Zeit wurde, Zinnia zu treffen, schlüpfte er in ein sauberes Hemd, kippte den restlichen, kalt gewordenen Kaffee hinunter und verließ die Wohnung. Obwohl er etwa zehn Minuten zu früh beim Pub ankam, saß Zinnia dort bereits mit einem halb leeren Glas Wodka vor ihr auf einem der Hocker. Er rüttelte an dem Hocker neben ihr, um sich zu vergewissern, dass das Ding stabil war, bevor er daraufkletterte.
Zinnia winkte dem Barkeeper, den sie bereits kannten. Er zapfte dieselbe Biersorte, die Paxton am ersten Abend getrunken hatte, was ihn glücklich machte. Er fühlte sich dadurch wie ein Stammgast, und das war ein schönes Gefühl, selbst an einem Ort wie diesem.
In die gleiche Stimmung hatte ihn auch der Kaffeegeruch in seiner Wohnung versetzt. Und wie er so neben Zinnia saß, kam ihm dieses gigantische Flughafenwartezimmer wie ein Ort vor, wo man tatsächlich leben konnte.
Zinnia hielt ihre Uhr an den Sensor. »Heute zahle erst mal ich.«
»Als Gentleman finde ich das nicht so gut.«
»Und ich finde es ziemlich sexistisch, wenn du meinst, mir was spendieren zu müssen.« Sie sah ihn stirnrunzelnd an, und er erstarrte. Doch dann lächelte sie. »Ich bin eben ein modernes Mädel.
«
»Na, wenn das so ist«, sagte Paxton und nahm sein Bier entgegen.
Sie prosteten sich zu. Er trank einen Schluck und stellte das Glas ab. Für eine Weile saßen sie einfach nur da und schwiegen.
Endlich machte Zinnia den Mund auf. »Ich hab gehört, dass in Maple jemand von einer Bahn überfahren worden ist.«
»Stimmt.«
»Ein Unfall?«
»Nein.«
Sie sog scharf die Luft ein. »Schrecklich.«
Paxton nickte. »Schrecklich.« Er trank wieder einen Schluck. »Erzähl mir doch mal, wie es dir heute ergangen ist. Irgendwas, was nicht schrecklich war.«
Lieber hätte er allerdings über gewisse Punkte auf einem gewissen Bildschirm gesprochen.
»Ich habe Waren herausgesucht und zum Förderband gebracht«, sagte Zinnia. »Das war nicht mal annähernd interessant.«
Wieder schwieg sie. Paxton versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen, was sie wohl dachte, was ihm aber nicht gelang.
Das war eindeutig nicht der Tag, einen Vorstoß zu wagen. Nach einigen weiteren Schlucken und weiterem Schweigen wollte er es für den Abend gut sein lassen, um es in ein paar Tagen wieder zu versuchen, da wandte sie sich an ihn.
»Wie steht es eigentlich mit dieser Taskforce?«
»Ich glaube, die Sache ist gelaufen«, sagte er. »Man hat beschlossen, was anderes zu versuchen. Ich werde an der Ausgangskontrolle vom Warendepot arbeiten.«
»Das ist aber schade«, sagte Zinnia
.
»Na ja, in meiner ersten Woche konnte ich schließlich nicht mit großartigen Erkenntnissen aufwarten, und ich hab auch sonst nichts Entscheidendes zustande gebracht. Das Problem an der Sache ist, dass bestimmte Leute sich durch die Gegend bewegen, ohne von ihrer Uhr überwacht zu werden. Wie das möglich ist, weiß niemand, und obwohl ich gerade erst angekommen bin, scheint man total sauer zu sein, dass ich keine Lösung parat habe.« Paxton atmete aus. »Tut mir leid.«
Zinnia setzte sich aufrecht hin. Ihre Miene hellte sich auf. »Wieso? Das ist doch total interessant!«
Paxton genoss ihre Begeisterung. »Okay, also, es ist nicht so einfach, das Signal zu blockieren. Wenn man die Uhr zu lange abnimmt, ohne sie auf ein Ladegerät zu legen, sollte eigentlich Alarm ausgelöst werden. Und die Wohnung kann man ohne sie bekanntlich auch nicht verlassen.«
Zinnias Blick schweifte nach draußen. In der Halle von Live-Play herrschte Gedränge. Ein Regenbogen an Poloshirts schob sich in beiden Richtungen am Eingang des Pubs vorbei. »Wie zum Teufel schaffen die Typen das dann?«
»Hast du etwa vor, mit Oblivion zu dealen?«
»Warum nicht?«
Paxton lachte. Es war ein echtes Lachen, das ihm in den Rippen wehtat.
»Nein«, sagte sie, nahm ihr Glas und hielt es in die Höhe. »Natürlich nicht. Die Sache fasziniert mich einfach.«
Paxton nickte und nahm einen Schluck Bier. Dachte an den Punkt auf der Überwachungsaufnahme. Daran, sie danach zu fragen. Wie leicht es doch wäre, es einfach anzusprechen.
Aber je länger er so dasaß, desto weniger kümmerte es ihn
.
Dann schob Zinnia ihre Hand über den Tresen. Berührte ihn am Ellbogen. Es war ein kurzer, freundschaftlicher Stups, wie um ihn auf sie aufmerksam zu machen. »Wie gesagt, ich laufe den ganzen Tag durch die Gegend, um irgendwelche Sachen zu holen und auf dem Band zu deponieren«, sagte sie. »Da ist es interessant, mal was anderes zu hören.«
Wieder lächelte sie. Es war ein Lächeln, in dem man sich verlieren konnte, und für einen Moment dachte er, es sei eine Einladung, sich zu ihr zu beugen und sie zu küssen, doch bevor er das tun konnte, hörte er jemand murmeln: »Scheiße, was ist denn das?«
Es war der Barkeeper, der auf seine Uhr starrte, weshalb Paxton nun dasselbe tat. Auf dem Display war ein Streichholz zu sehen. Auf dem von Zinnia ebenfalls. Paxton tippte darauf, was aber nichts bewirkte. Das Bild veränderte sich nicht.
»Hast du eine Ahnung, was das zu bedeuten hat?«, fragte Zinnia.
Wie zur Antwort entzündete sich das Streichholz. An seiner Spitze tanzte eine orangefarbene Flamme. Dann löste sich das Bild auf, und es hatte den Anschein, dass sich Wörter bilden würden, kleine Rechtecke, die sich an den richtigen Platz schoben. Im nächsten Moment erlosch die Darstellung, und der Startbildschirm kehrte zurück, auf dem die aktuelle Zeit und ein kleiner Countdown in der Ecke sichtbar waren – die Stunden und Minuten bis zu Paxtons nächster Schicht.
Paxton und Zinnia sahen den Barkeeper an, weil der schon länger in der Anlage war und sich vielleicht besser auskannte. Der zuckte jedoch nur die Achseln. »Keine Ahnung.«
Paxton nahm sich vor, Dakota morgen danach zu
fragen. Vielleicht war es eine Fehlfunktion. Jedenfalls hatte sich das warme, kuschelige Gefühl, das er für Zinnia empfunden hatte, in Luft aufgelöst, und er musste wieder an den Toten auf den Schienen denken. Offenbar hatte die Erinnerung daran die Absicht, ihm den Abend zu ruinieren.
Das Blut. Das erschlaffte Gesicht. Dieser Körper, der im Tod in sich zusammenzufallen schien.
Verglichen damit, kamen Paxton der Punkt auf der Überwachungsaufnahme und der lose Deckel des Terminals regelrecht belanglos vor.
Er wog alles gegeneinander ab. Seine Gedanken summten wie Fliegen im Kopf herum. Er musste sie einfangen oder es wenigstens versuchen.
»Ich habe eine komische Frage an dich«, sagte er.
»Nur zu!«
»Ich habe dich heute gesehen.«
Zinnia erwiderte nichts, weshalb Paxton sich ihr zuwandte. Ihre Augen hatten sich geweitet. Sie saß so erstarrt auf ihrem Barhocker, als müsste er sie nur leicht anstupsen, und schon würde sie herunterfallen und wie Glas zersplittern.
»Als du in den Flur mit den Toiletten gegangen bist, unten in der Eingangshalle.«
»Okay …«
»Es ist ja nichts Besonderes, ich wollte bloß wissen … Später bin ich nämlich auch dort reingegangen, um mir die Hände zu waschen, und da ist mir aufgefallen, dass der Deckel unten an dem CloudPoint-Terminal offen stand. Hast du vielleicht gesehen, wie da jemand rumgefummelt hat?«
Zinnia stieß langsam die Luft aus, dann nickte sie. »Nein, aber aufgefallen ist mir das auch. Wobei ja die
Hälfte von dem Scheiß hier mehr oder weniger kaputt ist, findest du nicht?«
»Doch«, sagte Paxton. »Vielleicht war es ja das. Aber komischerweise sah es so aus, als würde ein kleines Stück Plastik im Schloss stecken. Ich habe es jedenfalls gemeldet.«
Zinnias Hand, die auf dem Tresen gelegen hatte, ballte sich zur Faust. Sie drehte langsam die Knie von Paxton weg und dem Ausgang zu. Mit einem Mal verfluchte er sich, weil er es ausgesprochen hatte. Das war aufdringlich gewesen.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich hab dir bestimmt nicht hinterherspioniert. Bloß … Ach, es tut mir wirklich leid. Ich hätte dich nicht danach fragen sollen.« Er stützte den Kopf in die Hände. »War ziemlich anstrengend heute.«
»He«, sagte Zinnia.
»Hm.«
»Wieder in Ordnung?«
»Nein.«
Sie nickte. »Sollen wir ein bisschen spazieren gehen?«
»Gern«, sagte er.
Sie leerten ihre Gläser und gingen dann schweigend hinaus. Zinnia, die offenbar wusste, wo sie hinwollte, übernahm die Führung, weshalb Paxton einfach mit ihr mitging. Die Promenade entlang und auf die Aufzüge von Maple zu. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag, als sie ihn zu einem leeren Aufzug führte und die Uhr an das Bedienfeld hielt. Dann lehnte sie sich an die Wand und blickte mit einer Miene geradeaus, als wollte sie in den Krieg ziehen.
Paxton war zwar kein Typ, der gern Vermutungen anstellte, aber in diesem Moment glaubte er, das ausnahmsweise tun zu können
.
Vor ihrer Tür hielt Zinnia die Uhr an den Sensor. Als sie eintraten, waren die Lampen ausgeschaltet; durch die mattierte Fensterscheibe fiel trübes Sonnenlicht. Die Decke war mit sich überlappenden Tüchern in jeder Farbe des Regenbogens geschmückt, und es machte Paxton glücklich, diesen Teil von Zinnia zu sehen, den sie in ihrer Wohnung verborgen hielt.
Er war fast einen Kopf größer als sie, fühlte sich aber momentan kleiner, so als würde sie wachsen und den ganzen Raum ausfüllen, aber dann ergriff er ihre Hand, beugte sich über sie und drückte den Mund auf ihre Lippen. Sie erwiderte den Kuss, erst sanft, dann heftiger. Schließlich legte sie ihm beide Hände an die Brust und stieß ihn zurück. Er landete rücklings auf der Matratze, die schon herausgezogen war.