Paxto
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Gibson Wells hielt inne, als wollte er sich mental auf die Reise vorbereiten, die über acht Stufen zu dem Ort führte, wo Paxton stand. Jetzt befand sich niemand mehr zwischen den beiden. Alle waren zurückgeblieben, um Wells als Ersten hinaufsteigen zu lassen, und Paxton bildete gewissermaßen das Empfangskomitee.
Wie ein Flash tauchte die Erinnerung an den ersten Tag als Chef seiner eigenen Firma in ihm auf. Am Schreibtisch sitzend, hatte er haufenweise Formulare für das Patent und geschäftliche Angelegenheiten ausgefüllt, allein und voll Bangigkeit, aber auch frei. Nun würde er nicht mehr um Viertel nach sechs Uhr morgens aufstehen und eine geschlagene Stunde zum Gefängnis fahren müssen, um dort durch die Zellenblocks zu wandern, während die Insassen schrien und weinten und mit den Zähnen knirschten.
Wells hob den Fuß auf die erste Stufe. Er hielt den Kopf gesenkt, um sich zu konzentrieren. Jemand streckte eine Hand aus, um ihn zu stützen – wer, konnte Paxton in dem Gedränge nicht erkennen –, aber Wells schlug sie weg.
Jenes erste offizielle Exemplar des Perfekten Eis, das erste, das Paxton verkaufen würde, war langsam aus dem 3D-Drucker gekommen. Alle Tests zuvor waren gut verlaufen, aber er hatte noch einmal eine Kalibrierung geändert, weshalb das ganze Ding plötzlich feststeckte. Nur das obere Drittel des eiförmigen Objekts war fertig geworden, der Rest ein Kunststoffblock geblieben. In
jenem Moment war er davon überzeugt gewesen, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Inzwischen hatte Wells die Hälfte der Treppe erklommen. Der mächtigste Mensch der Welt. Seine Arme zitterten. Aus der Nähe betrachtet, hatte seine Haut eine gelbliche Färbung. Braune Leberflecke bedeckten seinen Hals, die Handrücken und das, was von seinen Armen zu sehen war.
Paxton zuckte es in den Beinen. Er wollte wegrennen. Wollte ein Bein ausstrecken, um den Mann da stolpern zu lassen. Wollte ihn packen und schütteln und ihn fragen: Wissen Sie eigentlich, wer ich bin? Sehen Sie mich überhaupt?
Wells erreichte das Podium. Mühsam sog er die Luft ein, dann atmete er mit gesenktem Kopf aus. Paxton trat einen Schritt zurück, um ihm etwas Platz zu lassen, und da hob Wells den Blick. Seine Augen waren die eines jungen Mannes. Unabhängig von allem anderen strahlten sie Lebendigkeit aus. Energie. Wenn man so jemand sah, dessen Räder sich anscheinend unablässig drehten, fragte man sich, ob der sich wohl jemals schlafen legte.
Wells lächelte, nickte und fragte: »Wie heißen Sie denn, junger Mann?«
Er streckte seine knorrige Hand aus.
Paxton ergriff sie. Ein Reflex. Etwas, was man aus Höflichkeit tat. Die Hand von Wells fühlte sich zugleich kalt und verschwitzt an.
»Paxton … Sir.«
»Bitte sagen Sie doch Gibson zu mir. Nun, Paxton, wie gefällt Ihnen die Arbeit hier?«
»Ich …« Sein Herz hatte ausgesetzt, da war er sich sicher. Es blieb wirklich und wahrhaftig stehen. Dann jedoch begann es wieder zu schlagen. Er setzte an, das zu sa
gen, was er sagen wollte, aber die Worte blieben ihm im Mund kleben.
Schließlich sagte er: »Ich bin ganz gerne hier, Sir.«
»Na, wunderbar«, sagte Wells, nickte und ging um Paxton herum zur Mitte des Podiums. Aus der Menge erhob sich ein Getöse, so laut wie an Felsen schlagende Brandung, und da stand Dakota auf einmal neben Paxton und beugte sich so nah zu ihm, dass er ihren heißen Atem im Ohr spürte. »Ich kann kaum glauben, dass er dir die Hand geschüttelt hat!«, brüllte sie kaum hörbar.
Paxton stand einfach da und starrte auf seine Füße. Wie festgefroren in der Zeit. Der Schrei in seinem Kopf war lauter als das Tosen der Menge.